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Jonas und der Honeydipper

 
 
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F.J.G.
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Wohnort: Wurde erfragt


Beitrag29.04.2021 19:00
Jonas und der Honeydipper
von F.J.G.
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Langsam drehe ich den Honeydipper. Der Honigfluss reißt ab. Befriedigt sehe ich zu, wie sich die schmierige Substanz über die Butter auf dem Pemmchen verteilt.
„Jonas“, weckt mich meine Mutter aus meinem Tagtraum. „Du weißt, dass du bald zur Schule musst.“
„Freilich“, entgegne ich. „Ich bin genau im Zeitplan. 7.11 Uhr: Beginn des Verzehrs der zweiten Pemme. 7.14 Uhr: Austrinken des Kakaos. Ich bin pünktlich um 7.31 Uhr an der Straßenbahn. Wie jeden Schultag.“
Ich greife zum Messer und verstreiche den Honig.
„Toastbrot ist langweilig“, sage ich. „Ich will die frischen Brötchen aus Massanei wiederhaben.“
„Wir wohnen aber nicht mehr in Waldheim“, sagt mein Vater. „Sei doch froh, dass du in einer Großstadt wie Dresden leben darfst. Allein deine Asperger-Therapie gibt dir doch viel Lebensqualität zurück, oder?“
Wie gern hätte ich geantwortet, dass Asperger keine Krankheit und damit auch nicht therapierbar ist. Aber ich lasse meinen Vater in seinem Glauben, was mir nicht immer leicht fällt.

Ich leide an Zufrühkommeritis, und so nehme ich immer eine Straßenbahn eher als nötig, um in der Schule anzukommen. Zumindest glauben das meine Eltern. In Wirklichkeit nehme ich die Straßenbahn um 7.41 Uhr, wie alle Anderen. Was ich mit der gewonnenen Zeit mache? Ich gehe auf dem Weg zur Haltestelle an der Gießaufgasse Nummer 93 vorbei. Einem Wohnhaus. Im Sommer stehen dort in der Erdgeschosswohnung immer die Fenster offen. Ich kann hineinsehen. Sehr, sehr unauffällig. Stets läuft der Fernseher. Das ARD-Morgenmagazin. Am Tisch sitzt die Familie. Vater, Mutter, Tochter. Drei Köpfe. Und allein der Anblick dieser Familie versetzt mich in einen hypnotischen Bann. Es ist wie bei einem Unfall. Ich kann nicht wegschauen. Aber nicht weil es so schrecklich wäre. Sondern, weil mich der Anblick dieser Familie fesselt. Wie wäre es wohl, anstelle der Tochter dort zu sitzen?, so lauteten am Anfang meine Gedanken beim heimlichen Blick in die Wohnung. Inzwischen träume ich fast jede Nacht davon. Wie es sei, diese beiden Leute als Eltern zu haben. Wie es sei, Bruder dieses Mädchens zu sein.

Ich kenne die Familie nicht. Ich weiß nicht ihre Namen. Aber ich spüre genau: Hier respektiert man sich. Hier geht man menschlich miteinander um.

„Verdammt nochmal!“, schreckt mich mein Vater auf. „Bist du denn zu nichts zu gebrauchen?“
Er steht im Türrahmen und sieht mich mit hasserfüllten Augen an. Ich beginne, ein inneres Kribbeln zu empfinden, während sich mein Atem beschleunigt. Ein Donnerwetter prasselt auf mich herab, ich registriere nur die Wörter „Boiler“ und „Eimer ausleeren“. Ich höre gar nicht zu, was er mir jetzt schon wieder vorwirft. Tränen steigen mir in die Augen.

Ich wische mir die Augen trocken, als ich das Treppenhaus verlasse. Das innere Brummen ist immer noch in aller Kraft zu spüren. Nun empfinde ich keine Vorfreude mehr, bald das Mädchen und seine Eltern zu sehen. Ich empfinde die pure Verzweiflung, denn ich weiß, meine Aussichtslosigkeit wird mich nicht mehr loslassen, wenn ich erneut diese Traumwelt erblicke.

Wie ich auf Höhe der Nummer 93 ankomme, höre ich auch schon Till Nassif durchs Fenster. Ich verlangsame meine Schritte, immer in der Befürchtung, mich auffällig zu verhalten. Die Eltern sitzen am Tisch. Doch von der Tochter keine Spur. Wo ist sie wohl gerade? Etwas bohrt sich in meinen Magen. Nach so einem morgendlichen Tiefschläger hätte ich mir erhofft gehabt, ein wenig Trost in ihrer Anwesenheit zu finden. Trotzdem gibt es Regionen in meinem Kopf, die mir zureden, jeder Blick auf eine Traumwelt würde mich noch tiefer niederschmettern, sobald ich zurückfalle in die Realität. Einige Momente bleibe ich noch stehen. Doch mit jeder Sekunde, die das Mädchen abwesend ist, bildet sich an der Unterseite meines pochenden Herzens ein Loch, aus dem all meine Courage und Lebensenergie ausleckt. Am Rande bemerke ich, dass der Tonfall der Eltern aufgebracht ist. Nicht so aufgebracht wie mein Vater noch vor zwanzig Minuten, aber immerhin. Im nächsten Moment dreht sich der Vater der unbekannten Familie um. Er schaut mir in die Augen. Tief in die Augen. Ich stehe da, erstarrt zur Salzsäule. Wie Mowgli, hypnotisiert von Kaa.
„Und du, Graf Koks?“, ruft mir der Mann schließlich zu. „Nix Besseres zu tun als bei fremden Leuten in die Wohnung zu gaffen, nu?“

Langsam drehe ich mich um und gehe weiter. Paralysiert. Hirngesteuert. Als hätte ich Würmer im Kopf, die sich durch mein Gehirn fressen.

Es ist, als würde ich der einzige Mensch auf der Welt sein.
Oder – nein, ist es nicht. Als einziger Mensch auf der Welt hätte ich zumindest meine Ruhe vor mobbenden, schimpfenden Leuten, die mich als Taugenichts oder schlimmeres titulieren. Wenn ich nur den Luxus hätte, endlich in Ruhe gelassen zu werden. Und faszinierenderweise fühle ich mich immer noch zu diesem Mädchen hingezogen. Auch trotz meines Erlebnisses mit ihrem Vater. Inzwischen wünsche ich mir nicht mehr diese Eltern, im Gegenzug hat sich Mitgefühl in mir breitgemacht. Ich weiß, was sie empfindet. Wenn ich nur ihr Bruder sein könnte. Dann könnten wir uns gegenseitig trösten.

Gedankenverloren komme ich an der Straßenbahnhaltestelle an. Ich erinnere mich an den Honeydipper, denn genau so zähflüssig wie der Honig fühlt sich gerade mein Gehirn an – wie es schon Dieter Hallervorden im Kino beschrieb. Ich nehme Platz im vorderen Drittel des Wagens und wie ich aufsehe, sitzt das Mädchen von Nummer 93 direkt gegenüber.

Ich versuche zu lächeln. Verdammt, wie mag mein Gesicht wohl gerade aussehen? Keine Ahnung. Aber das Mädchen. Sie lächelt. Auf jeden Fall. Und was für ein Lächeln! Wie ein Honigkuchenpferd. Da haben wir ihn wieder. Den Honig.

Natürlich habe ich keine Ahnung, wann sie aussteigen wird. Mein Atem beschleunigt sich. Ich habe nur wenige Minuten, mir etwas einfallen zu lassen, wie ich sie ansprechen könnte. Höchstens.

‘Hallo, ich bin der Jonas’, könnte ich sagen. Nein, das ist zu unoriginell. Und es enthält keine Begründung, warum ich sie anspreche. Ich könnte aber auch sagen, ‘du trägst heute eine schöne Bluse’, aber von so etwas hat mir meine Therapeutin abgeraten. Sozial unangemessene Kontaktaufnahme, sagt sie dazu. Im nächsten Moment bremst die Straßenbahn ab und kommt zum Stillstand. Die Lächelnde steht auf und noch ehe ich ‘Scheiße!’ denken kann, ist sie durch die Schiebetür verschwunden.

Ich Hacksch! Ich Bleu! Chance vertan. Selten hat ein Tag mit einer solchen Aneinanderreihung von Katastrophen begonnen!

Bald werde ich an meiner Zielstation angekommen sein. Wie werde ich diesen Schultag nur durchhalten können nach so vielen Tiefschlägern schon am Morgen? Mathe und Sport stehen unter anderem auf dem Programm, und ich wüsste nicht, welches von beidem ich mehr hasse.

Mit grummelndem Magen steige ich aus und erneut sehe ich dieses Gesicht. Das Gesicht des Mädchens von der Dreiundneunzig. Sie wirft ihre braunen Locken hinter den Kopf und grinst mich an.

Und was das für Locken sind! Die Situation ist so surreal, dass ich in den Spontaneitäts-Modus verfalle. Meine Therapeutin rät mir ab, mich in sozialen Situationen spontan zu verhalten, aber dieses Mädchen wirft alles über den Haufen. Diesmal fällt es mir leicht, sie anzusprechen.
„Ich dachte, du wärst ausgestiegen?“, sage ich. „Vor zwei Stationen!“
„Bin ich auch. Und hinten im Zug wieder eingestiegen.“

Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.

„Schau“, setzt sie fort. „Ich weiß, dass du dich für mich interessierst. Ich habe dich gesehen. Jeden Morgen. Mein Stuhl steht so am Tisch, dass sich für mich alles, was am Fenster vorbeigeht, im Fernseher spiegelt.“

„Und warum dann diese Charade mit dem Aus- und Einsteigen in die Straßenbahn?“
„Jeder durchschnittliche Jugendliche“, antwortet sie, „der mich attraktiv findet, hätte mich angesprochen.“

Trage ich ein Fragezeichen auf der Stirn? Offensichtlich schon, denn das Mädchen grinst erneut und fährt mit der Erklärung fort.

„Dass du dich nicht getraut hast, mich anzusprechen, obwohl ich genau weiß dass du ein Auge auf mich geworfen hast, ist für mich ein Beweis, dass du mich respektierst. Kein Angequatsche. Kein billiges Anmachen.“

Sollte es soweit sein? Sollte es endlich soweit sein? Dass ich Miss Right gefunden habe?

„Jonas“, sage ich und reiche ihr die Hand.
„Ines“, sagt sie und tut ihrerseits das Gleiche.

„In welche Schule gehst du?“, möchte ich wissen.
„Lycée français“, sagt sie. „Meine Mutter ist Französin.“
„Du hast ja einen ziemlich … dominanten Vater“, fahre ich fort. „Heute früh, also vorhin meine ich, warst du gar nicht zu Hause. Und deine Eltern …“
„… waren beschäftigt mit Streiten“, ergänzt sie. „Ja, das ist so ihre Spezialität.“

Ich bin sprachlos. War diese Traumwelt nun doch nicht so traumhaft?

„Weißt du, meine Eltern kotzen mich manchmal an“, höre ich Ines sagen. „Manchmal stelle ich mir vor, wie es wäre, in eine andere Familie geboren worden zu sein.“

Mit jedem Moment wird mir die Situation suspekter, Ines hingegen sympathischer. Jetzt ganz besonders, denn wir sitzen beide im gleichen Boot.

Ich nehme all meinen Mut zusammen und höre mich sagen: „Kann ich deine Telefonnummer haben?“

Nun fängt sie an zu strahlen.
„Du bist ja wirklich süß!“, sagt sie.

Und meine Haut krampft zusammen, als mich das untrügliche Gefühl erreicht, gleich würde das Wort „aber“ kommen.

„Weißt du …“, beginnt Ines. „Das würde nicht wirklich Sinn ergeben.“

In diesem Moment wird das Loch an der Unterseite meines Herzens erneut aufgerissen und meine Innereien werden von beißender Hoffnungslosigkeit geflutet.

„Wir ziehen in zwei Wochen um nach Toulouse.“

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hobbes
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Beitrag09.05.2021 21:00

von hobbes
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Aha. Honeydipper heißen die Dinger also. Ich dachte ja zuerst an einen Delfin, warum auch immer. Vielleicht Dipper, Flipper. Dann - natürlich - an einen Schmetterling. Tatsächlich würde mir so einiges dazu einfallen, stelle ich gerade fest. Irgendwie schade, dass dann doch "nur" dieses Honigdings gemeint ist.
Und wo ich mich eh so daran festhänge - der Titel. Das ist doch nicht die Geschichte von Jonas und dem Honeydipper. Außer natürlich, ich habe sie nicht verstanden, die Geschichte, das ist natürlich immer möglich, allerdings bezweifle ich es in diesem Fall.
Das bringt mich gleich zum nächsten Punkt: Die Geschichte ist ein bisschen zu, hm ja, einfach. Will sagen: das habe ich schon mal gelesen. Also natürlich nicht genau so, aber da überrascht mich jetzt nichts und noch dazu tut der Text so, als wäre ich ein bisschen schwer von Begriff, das fängt spätestens hier an:
Zitat:
Allein deine Asperger-Therapie gibt dir doch viel Lebensqualität zurück, oder?

Infodump, Infodump!, blinkt mein inneres Lektorinnenlämpchen. Das könnte man jetzt ein bisschen harsch nennen, ein einziges Wort (oder meinetwegen zwei) und schon rufe ich Infodump, also bitte, ist das nicht übertrieben.
Aber es geht ja so weiter. Du erklärst mir alles, lässt mir keinen Freiraum und am Ende ist es im Grunde dann doch nur eine Junge-trifft-Mädchen-Geschichte. Was mir ein bisschen zu wenig ist.


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F.J.G.
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Beitrag09.05.2021 21:42

von F.J.G.
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Ich habe diesen Kurzprosatext mit hohen Ansprüchen an mich selbst verfasst und mir allerbeste Mühe gegeben. Ich habe ihn sogar relativ zeitig eingereicht. Was ich bald bitter bereute, denn mit etwas Distanz zum Text wurde mir klar:

Mit meinem Erklärbär am Anfang des Textes, für den ich auch noch den Kunstgriff des Dialogs malträtierte, habe ich wohl wertvolle Punkte verloren und mir so den Weg zu einem guten Abschneiden verbaut.

Schade drum.

Und jetzt lasst uns nach unten scrollen und schauen, wie viele der geschätzten Kritiker sich am Erklärbär stoßen …

"Wir haben viel Arbeit in diese Niederlage gesteckt."
(Malcolm Allison)


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V.K.B.
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Beitrag10.05.2021 00:29

von V.K.B.
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Hallo unbekanntes Wesen, das das geschrieben hat
vorweg ein paar spontane Gedanken nach dem Lesen:

Holla, klingt genau wie eine Geschichte, die mir als Jugendlicher hätte passieren können. Oder die mich nicht überrascht hätte, wäre sie mir passiert. Außer, dass ich mich nie in eine Wohnung wünschen würde, wo ein Fernseher läuft. Fernseher sind solche Aufmerksamkeitskiller, wie sollte man sich da denn noch auf irgendwas anderes konzentrieren?

Kommen wir zu Bewertung. Themenvorgabe ist erfüllt, Prosatext auch. Aber ist der Text ungefügig, besonders, jenseits von üblichen Wegen? Eher nein. Und um gerade diese Anforderung geht es doch im diesem Wettbewerb. Wir haben hier eine ziemlich normal geschriebene Geschichte mit ziemliche normalen Themen. Okay, wenigstens ist es kein Fantasy (wie die vorige Geschichte, die ich gelesen habe), aber so richtig als E-Literatur will mir das auch nicht erscheinen. Beim 10k bin ich aber auch immer extrem, muss ich zugeben, von fünf Geschichten, die ich bisher gelesen habe, erfüllt keine meine Anforderungen an den Wettbewerb vollständig. Diese Geschichte hier kommt mir doch irgendwie noch wie U-Literatur vor. Gute U-Literatur, die kann sich ja auch mit ernsthaften Themen und Problemen befassen, aber für die eindeutige E-Einordnung fehlt mir hier doch noch etwas die Tiefe.

Gerne gelesen auf jeden Fall. Punkte verteile ich erst, wenn ich alles durch habe.

Edit: Zur Endwertung: Ich habe die Texte in die Kategorien grün (genau wie ein Zehntausendertext mMn sein sollte, also definitiv E-Lit, aber auch besonders geschrieben und neue Wege beschreitend, oder das zumindest versuchend), gelb (ernsthafte Themen, aber realtiv traditionell geschrieben) und rot (Text, der mMn nicht in diesen Wettbewerb passt, auch nicht teilweise) eingeteilt. Die Rangfolge für die Punkte erfolgt dann nicht größtenteils nach persönlichem Gefallen, sondern erstmal innerhalb der Gruppen.

Diesen Text habe ich in den gelben Bereich eingeteilt, er erfüllt die Vorgaben dieses Wettbewerbs teilweise, schafft es aber nicht in meine Top Ten und erhält daher leider auch keine Punkte.

Was ich noch als Honorable Mention erwähnen möchte: Dieser Text war ein ganz heißer Anwärter auf meinen letzten Punkt, der bei mir eine Sonderrolle einnimmt, um einen Text zu honorieren, den ich aus formalen Gründen abwerten oder ausschließen musste. Leider kann ich diesen Sonderpunkt aber nur einmal vergeben und habe mich schweren Herzens für einen anderen Text entschieden.


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Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills …
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Stefanie
Reißwolf


Beiträge: 1741



Beitrag10.05.2021 14:57

von Stefanie
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Warum macht sie sich die Mühe mit dem aus- und wieder einsteigen, wenn sie eh weiß, dass sie in zwei Wochen wegzieht?
Ansonsten ein bisschen klischeehaft, aber nicht zu viel.
Warum stellst du ihn als Asperger dar und nicht einfach als schüchtern und intovertiert? Ich fände es besser, wenn es keine medizinische Erklärung für sein Verhalten gäbe.
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Raven1303
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Beiträge: 540
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Beitrag10.05.2021 20:34

von Raven1303
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Neeeeeeeiiiiiiiin! Das kannst du doch nicht machen. So ein trauriges Ende cry

Muss mich erstmal sammeln und komme später zur Bewertung wieder.
Schnief ...

...

Wieder da. Mir gefällt deine Geschichte und dein Stil, alle Anforderungen sind ebenfalls erfüllt. Leider habe ich keine Punkte mehr übrig. Schade und Sorry.

Warum ich dir keine Punkte gegeben habe liegt wohl daran, dass du so detailliert anfängst, viele Fäden und mögliche Wendungen webst und am Ende kommt es mir vor, als schneidest du plötzlich alles ab. Als wäre alles so sinnlos. Dir haben definitiv noch viele Zeichen gefehlt und ich hoffe, du schreibst hier später noch weiter smile

LG Raven


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Rike La
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Beiträge: 164



Beitrag11.05.2021 10:39

von Rike La
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Liebe*r Verfasser*in,

hmmm. Ein Junge mit Asperger-Syndrom verknallt sich am neuen Wohnort in ein Mädchen, deren Familie er immer durchs Zimmer beobachtet, dann treffen sie sich zufällig, kommen ins Gespräch, aber sie zieht bald schon nach Toulouse.

Das reicht mir nicht, das Thema ist natürlich erfüllt, aber ich sehe hier kein E... der Text ist sehr konventionell geschrieben, da ist nichts besonderes, vor allem möchte ich bei E-Literatur auch gerne, dass der Text mich zum Nachdenken bringt, es vielleicht auch mehrere Lesarten gibt oder ähnliches. Und das fehlt mir hier leider.

Deshalb von mir leider keine Punkte.

Liebe Grüße
Rike
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d.frank
Geschlecht:weiblichReißwolf
D

Alter: 44
Beiträge: 1122
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D
Beitrag12.05.2021 14:28

von d.frank
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Junge trifft Mädchen = schüchterner Flirt
Wenn das Asperger eine Rolle hat spielen sollen, wird dem zu wenig Raum gegeben. Man könnte den Text auch ohne diese Info lesen.
Vielleicht hätte man den Fokus stärker auf das Mitleben eines fremden Lebens legen sollen, diesen Aspekt fand ich interessanter, als die normale Schüchternheit zweier Teenager.


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Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
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Nihil
{ }

Moderator
Alter: 34
Beiträge: 6039



Beitrag13.05.2021 00:15

von Nihil
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Ein autistischer Junge, der jeden Morgen zehn Minuten früher von seinen Eltern abhaut, um heimlich bei einer fremden Familie durchs Fenster zu linsen, um sich in deren Leben hineinzuphantasieren. Der eigentlich Grund ist natürlich das Mädchen mit den tollen Locken, das wohl ebenso autistisch ist wie er und auch tatsächlich ein Gespräch mit ihm beginnt, doch, alas, zieht sie in zwei Wochen um nach Toulouse und das junge Liebesglück zerbricht, bevors zustande kam.

An sich sind hier zwei nette Ideen drin. Die Flucht in eine fremde Familie hätte man, gerade wenn man einen autistischen Hauptcharakter beschreiben möchte, noch obsessiver gestaltet werden können und die eigene Familie des Jungen dementsprechend kälter und brutaler. Dass das Mädchen Jonas mit einem Trick heringelegt hat, war außerdem schön ausgedacht und hätte eine tatsächlich knuffige Szene ergeben können.

Aber.

Oh mein Gott, wie die Leute reden. Das hab ich schon einige Male zu den Texten in diesem Wettbewerb geschrieben und damit komme ich wirklich gar nicht zurecht, wenn zB 13-jährige so verquast und daneben reden, dass es echt nicht zum Aushalten ist. Enweder man verwendet eine durchgängige Kunstsprache oder man bemüht sich um einen realistischen Ton. Aber allein, wie der Vater spricht und sich zwischen seinen Sprechakten so unglaubwürdig verändert:
Jonas und der Honeydipper hat Folgendes geschrieben:
„Sei doch froh, dass du in einer Großstadt wie Dresden leben darfst. Allein deine Asperger-Therapie gibt dir doch viel Lebensqualität zurück, oder?“
Ja, Herr Vater, die Asperger-Therapie gibt mir in der Tat viel Lebensqualität zurück, welche ich mit meinen 13 Jahren gut gebrauchen kann, da sie den Beginn meiner Pubertät markieren. Nee, mal im Ernst. Wer fragt das denn seinen Sohn bei einem täglichen Ritual wie zur Schule zu gehen? So zwischen Tür und Angel? A propos, nur ein paar Minuten später taucht der Vater in selbigen auf und wird plötzlich als rachsüchtige Bestie dargestellt:
Jonas und der Honeydipper hat Folgendes geschrieben:
„Verdammt nochmal!“, schreckt mich mein Vater auf. „Bist du denn zu nichts zu gebrauchen?“
Er steht im Türrahmen und sieht mich mit hasserfüllten Augen an.

Nichts für mich. Leider keine Punkte.
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Babella
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Alter: 61
Beiträge: 889

Das goldene Aufbruchstück Der bronzene Roboter


Beitrag13.05.2021 22:14

von Babella
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Was hat es eigentlich mit dem Honigdipper auf sich?

Ich glaube, die Geschichte reißt mich deshalb nicht so mit, weil ich die Innenwelt des Autisten, wie sie hier zum Ausdruck kommt, nicht so richtig authentisch finde.

Aber ich weiß das natürlich nicht. Den Satz, dass Asperger nicht heilbar und keine Krankheit ist, finde ich bemerkenswert. Was ist schon normal, und wie schön wäre es, all das Verschiedensein zu akzeptieren, wie es nunmal ist.

Schade, dass es nichts wird mit den beiden.
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nebenfluss
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Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
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Beitrag14.05.2021 01:22

von nebenfluss
Antworten mit Zitat

Dieser Beitrag wirkt auf mich insgesamt etwas unbeholfen - einfach ein Adjektiv, das mir beim mehrfachen Lesen jedesmal durch den Kopf schoss.
Einer Wiedergabe meines subjektiven Lesens (wie ich es bei vielen anderen Kommentaren gehalten habe), erübrigt sich für mich, denn da ist nicht viel, was zum Analyiseren oder individuellen Interpretieren anregt, und die Handlung wird klar auserzählt. Ecken oder Kanten sind mir weder im negativen noch positiven Sinne aufgefallen, außer eben diesem unbestimmten Gefühl, dass der Bus der Geschichte mehr holpert als fährt (zugegebenermaßen selbst eine ziemlich unbeholfene Metapher). Die Umsetzung des Themas ist auch offensichtlich. Was den Honeydipper so relevant für das Ganze macht, dass er Eingang in den Titel fand, habe ich dagegen nicht verstanden. Die Story ist ganz nett, hat mich aber weder besonders bewegt noch zum Nachdenken gebracht.


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Constantine
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Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag14.05.2021 14:40
Re: Jonas und der Honeydipper
von Constantine
Antworten mit Zitat

Möglicherweise der Zufall oder wen interessiert ein Schluss

Bonjour Inko,

der Beginn lässt mich ab hier
Zitat:
Langsam drehe ich den Honeydipper. Der Honigfluss reißt ab. Befriedigt sehe ich zu, wie sich die schmierige Substanz über die Butter auf dem Pemmchen verteilt.
„Jonas“, weckt mich meine Mutter aus meinem Tagtraum. „Du weißt, dass du bald zur Schule musst.“
„Freilich“, entgegne ich. „Ich bin genau im Zeitplan. 7.11 Uhr: Beginn des Verzehrs der zweiten Pemme. 7.14 Uhr: Austrinken des Kakaos. Ich bin pünktlich um 7.31 Uhr an der Straßenbahn. Wie jeden Schultag.“

Asperger vermuten.

Weiter unten werde ich bestätigt
Zitat:
Wie gern hätte ich geantwortet, dass Asperger keine Krankheit und damit auch nicht therapierbar ist. Aber ich lasse meinen Vater in seinem Glauben, was mir nicht immer leicht fällt.

und muss mir als Leser mit dem Unwissen des Vaters als Grund nochmal konkreter als Infodump hinterher geben, damit klar ist: Jonas hat Asperger. Ich kann nachvollziehen, dass der Vater seine Probleme mit seinem Sohn hat, das täte der ganzen Sache keinen Abbruch, dass der Vater über Asperger Bescheid wissen könnte, aber resigniert hat, oder?
Es ist wie es ist.
Soweit so gut.

Sorry, meine Bildungslücke: Was sind Pemmchen oder Pemme?
Ich kenne Bemme, evtl. auch Bemmchen als Butterbrot. Aber Pemme/Pemmchen sind mir leider unbekannt. Möglicherweise ein strikter Ausdruck aus Dresden, den ich leider nicht im großen www bestätigt bekomme. Ich vermute, dass Bemme mit gemeint sind, bliebe aber dennoch daran hängen.

Während Jonas zu Beginn sehr Asperger-typisch, schon klassisch, strikt gezeigt wird, verschwimmt dieser Punkt im weiteren Verlauf der Handlung und ich frage mich, was bringt dieser Charakter anderes mit, was ein normaler Teenie vielleicht nicht mitgebracht hätte? Fenster-Stalking einer unbekannten Familie? Nein. das könnte ein genauso spleeniger Teen auch gemacht haben.
Was sonst?
Nichts.
Schade.
Also, den Asperger hätte es mMn für die Story nicht gebraucht. Die Story hätte im weiteren Verlauf genauso mit einem typischen Teenboy funktioniert. Wirklich schade. Sicherlich mag Asperger unterschiedliche Stärken der Ausprägung haben und Jonas einen leichten Asperger haben, aber was bringt mir das als Leser. Leider nichts.

Ich bekomme eine im weiteren Verlauf aufgeweichte Story, die mir bezüglich des Aspergers wenig glaubwürdig ist. Und viele Zufälle, die mir die Story leider gar nicht munden lassen:
Ines hat fast die gleichen familiären Probleme wie Jonas. Jonas und Ines, Leidensgenossen.

Zitat:
„Schau“, setzt sie fort. „Ich weiß, dass du dich für mich interessierst. Ich habe dich gesehen. Jeden Morgen. Mein Stuhl steht so am Tisch, dass sich für mich alles, was am Fenster vorbeigeht, im Fernseher spiegelt.“

Aha. Ja. Nein, kaufe ich ihr nicht ab. Wie soll denn der Tisch mit der Familie und dann der Fernseher angeordnet sein im Raum, dass sie .... nein, sorry. Fresse ich nicht. Selbst auf dem großen Fernseher bei mir im Wohnzimmer spiegelt sich einiges, aber dafür, dass ich jemanden draußen auf der Straße zumindest erahnen müsste, dafür ist die Auflösung der Spiegelung zu gering und dann noch, wenn im Fernseher selbst gerade das ARD-Morgenmagazin oder eine andere Sendung läuft, da erkenne ich beim besten Willen draußen nichts.

Ines hat ihn also gesehen und folgte ihm in die Bahn, weil sie ihrerseits nun Interesse an ihm hat, wissen will, wer er ist, und weil er sie nicht anbaggert, geht sie auf Angriff, nur um mir dann am Ende zu offenbaren: Hey, hat alles eh keinen Sinn, ich ziehe in zwei Wochen nach Toulouse um. Nicht gut.
Nicht nur harter Tobak für Jonas, sondern auch für mich als Leser.
Das Ende der Story kommt so plötzlich, als wäre mit dieser Tatsache schon alles gesagt, was Jonas angeht und der Text kann enden. Sehr unbefriedigend, dieser Schluss, der nicht mal als Pointe funktioniert, was mir zumindest besser gefallen würde, als einfach abrupt den Schlusspunkt zu setzen. Irgendwas, wie Jonas nickte und ging dann endlich zur Schule, weil er eh schon spät dran war, ein Weltuntergang für ihn. Irgendwas.

Leider verstehe ich in all dem den Titel der Geschichte nicht. Der Honigdipper ist nur zu Beginn relevant und leicht bei der Honig im Kopf-Referenz, aber so richtig greifen im Storygebilde tut der Titel leider nicht.

Zur Vollständigkeit: Die Themenvorgabe ist im Text umgesetzt.

Für mich ist der Text leider ziemlich seicht geraten, plätschert vor sich hin, kommt mit Zufällen und einigem Unmotiviertem und endet so abrupt wie der Tagtraum von Jonas.
Der Text hat mich leider nicht überzeugt und ist somit nicht in meiner Top Ten:  zéro points.
Es tut mir leid.

Merci beaucoup
Constantine
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Gast







Beitrag14.05.2021 19:26

von Gast
Antworten mit Zitat

Liebe/r Autor/in,

ein Asperger-Autist, der unter seinem cholerischen Vater leidet und sich zu einem Mädchen hingezogen fühlt, die ebenfalls einen solchen Vater hat.

Erstaunlich, dass er so offenkundig Empathie für das Mädchen empfindet, sogar meint zu wissen, was ihre Gefühle in Bezug auf ihre Eltern sind. Ist es für ihn wirklich so leicht oder wie erschließt er sich diese Erkenntnis? Dass er so fühlen könnte, ist natürlich möglich, aber ist es auch wahrscheinlich, dass er es ihr mit dieser Selbstverständlichkeit zeigt? Ich weiß es nicht, aber du, wie mir scheint.

Dieser Beitrag räumt mit dem weit verbreiteten Vorurteil auf, Asperger-Autisten wären nicht in der Lage, das Spektrum der Gefühle am eigenen Leib zu erfahren oder etwas davon anderen weiterzugeben. Ich denke, es geht beides, nur eben auf eine andere Weise. Beweis ist Jonas' Geschichte, die mich besonders berührt.

Liebe Grüße,
Katinka
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Gast







Beitrag15.05.2021 13:14

von Gast
Antworten mit Zitat

Ein Heranwachsender fühlt sich in seinem Familienumfeld unwohl und träumt sich in eine coolere Umgebung. Das Objekt ist eine Familie, die er jeden Morgen durch ein offenes Fenster auf dem Schulweg beobachten kann. In seiner Vorstellung ist das eine sehr harmonische Familie, die eher seinen Wünschen entspricht. Am Tag, an dem dieser Text spielt, lernt er tatsächlich Ines, die gleichaltrige Tochter der Familie, kennen und erfährt, dass seine Traumfamilie in Echt nicht so harmonisch ist, wie er denkt. Es deutet sich eine mögliche Romanze an, die aber dadurch im Keim erstickt wird, dass die Familie kurz vor dem Umzug ins Ausland steht.

Vorgabentreue:

Offensichtlich erfüllt, da die Angewohnheit des Protas, am offenen Fenster seiner Traumfamilie nicht vorüberzugehen, ein zentrales Element der Erzählung ist.

Ausgestaltung:

Hm. Die ödeste Geschichte der Welt. Ich kenne keinen einzigen Menschen, der in seiner Jugend nicht sicher war, die uncoolsten und ätzendsten Eltern der Welt zu haben (mal abgesehen von den Kindern, die schon mit 9 in die Minen mussten und den Luxus niemals hatten, ihr Elternhaus in irgendeiner Form in Frage zu stellen). Man kann eine Allerweltsgeschichte zu anspruchsvollen und interessanten E Texten machen, dafür braucht es aber entweder sehr ungewöhnliche Wendungen oder eine außergewöhnliche Sprache.

Es stellen sich mir auch an vielen Stellen Fragen, die unbeantwortet bleiben. Zunächst mal verhält sich für mich der Prota völlig normal und für sein Alter erwartbar, aber im Text wird viel Aufhebens über eine mögliche Erkrankung an Asperger gemacht. Für die Erzählung wäre das völlig unnötig.

Auch die Mehrfacherwähnung von Honig wird nirgendwo schlüssig eingearbeitet, weiter geführt oder aufgelöst. Und warum muss explizit die Referenz auf den Hallervorden Film da mit rein? Muss LeserIn den Film gesehen haben, um den Text in allen Facetten zu verstehen? Falls ja (was strategisch unklug ist, da der Film sicherlich nicht zu den großen Klassikern der Filmgeschichte gehört, also eine Menge potentielle Leser einfach dadurch im Regen stehen gelassen werden), sollte die Brücke etwas subtiler gemacht werden, sonst ist es show and tell.

Also mir eröffnet der Text keine Fenster zu neuen Erkenntnissen oder interessanten Lebensperspektiven. Ich treffe nun aber mal die Annahme, dass AutorIn zur selben Altersgruppe wie die des Protas gehört (vielleicht etwas älter), und in dem Licht verdient der Text eine gewisse Anerkennung, denn der Schreibstil hat Potential, und zu komplexeren sujets kann ja erst die Lebenserfahrung Fenster aufstoßen. Also unter dieser Annahme würde ich dem Text einen Newcomerbonus zugestehen. Durch die starke Konkurrenz reicht es trotzdem nicht zu Punkten.
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Ribanna
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

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Beiträge: 772
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Beitrag15.05.2021 15:02

von Ribanna
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Ist das E? Ich weiß es nicht. Aber die Geschichte ist gut zu lesen, nicht ganz vorhersehbar und thematisch originell.
Gefällt mir.


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silke-k-weiler
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 49
Beiträge: 748

Das goldene Schiff Der goldene Eisbecher mit Sahne


Beitrag17.05.2021 13:34

von silke-k-weiler
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Lieber Text,

schwierig, am Anfang wäre ich an dieser Stelle gerne ausgestiegen:

Señora Incógnita hat Folgendes geschrieben:
„Wir wohnen aber nicht mehr in Waldheim“, sagt mein Vater. „Sei doch froh, dass du in einer Großstadt wie Dresden leben darfst. Allein deine Asperger-Therapie gibt dir doch viel Lebensqualität zurück, oder?“


Würde wirklich jemand in einem Dialog diesen Satz so sagen? Hätte man diese Info auch anders unterbringen können? Hätte es sie überhaupt gebraucht?

Den Mittelteil mochte ich sehr, wenn Jonas an diesem Fenster vorbeigeht, sich vorstellt, an Stelle des Mädchens dort zu sitzen, später dann, ihr Bruder zu sein.

Das Ende hat mich wiederum irgendwie enttäuscht. Nicht weil das Mädchen ihm eröffnet, dass sie bald umziehen wird o.ä. Ich glaube, ich hätte es besser gefunden, hätte das Mädchen ihn nicht angesprochen. Wäre sie weiter jemand noch nicht so richtig Greifbares geblieben.

Hm, fraglich, ob Du in die nächste Runde kommst.

VG
Silke
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marinaheartsnyc
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Alter: 31
Beiträge: 137



Beitrag17.05.2021 17:41

von marinaheartsnyc
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Eine sehr süße (im wahrsten Sinne des Wortes smile ) Geschichte, die mir wirklich gut gefallen hat. Leider sind die zu vergebenden Punkte begrenzt und es gab ein paar Texte, die mich noch ein bisschen mehr überzeugt haben.

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Yesterday I was clever, so I wanted to change the world. Today I am wise, so I am changing myself.

- Rumi
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marinaheartsnyc
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 31
Beiträge: 137



Beitrag17.05.2021 17:43

von marinaheartsnyc
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Eine sehr süße (im wahrsten Sinne des Wortes smile ) Geschichte, dir mir wirklich gut gefallen hat. Leider sind die zu vergebenden Punkte begrenzt und angesichts des Hauptkriteriums "E-Literatur" gab es leider noch ein paar Texte, die mich ein bisschen mehr überzeugt haben.

_________________
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- Rumi
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Gast







Beitrag17.05.2021 18:04

von Gast
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Noch ein Text mit bösen Eltern (hier besonders die Väter), die sich streiten und oder/ihre Kinder schlecht behandeln. Diese Geschichte brauche ich jetzt nicht nachzuerzählen, wie ich das sonst des Öfteren für mich getan habe, um den Stories folgen zu können.
Einfache klare Struktur, die Jugendsprache ist gut getroffen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es den Asperger braucht, oder ob nicht der Eltern-Kind Grundkonflikt und die Begegnung der beiden Kinder ausreichend gewesen wären.
2 Punkte von mir.
LG
DLurie
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Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag17.05.2021 22:25

von Jenni
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Ein Schuljunge mit Asperger beobachtet jeden Morgen eine Familie durch ein offenen Fenster, zu der er gerne gehören würde, lieber als zu seiner eigenen mit dem herabwürdigenden Vater. Am Morgen der Geschichte lernt er die Tochter der Traumfamilie kennen und erfährt, ihr geht es in Wahrheit wie ihm, ihre Eltern streiten, sie würde gerne andere haben. Leider zieht sie in zwei Wochen nach Toulouse, weshalb es nicht lohnt die Bekanntschaft zu vertiefen. Und nun? Nichts dabei gelernt, so mein Gefühl, weder Jonas noch ich. Ach so, doch, ich schon: Das Wort „Honeydipper“.
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Kiara
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 44
Beiträge: 1404
Wohnort: bayerisch-Schwaben


Beitrag18.05.2021 14:37

von Kiara
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Vielen Dank für die schöne Geschichte, eine Krankheit, die keine ist, aber das Zusammenleben erschwert. Ich mag deinen Text, doch das Niveau ist hoch und für Punkte reicht es dieses Mal leider nicht. Trotzdem liebe Grüße und danke für deine Geschichte.

_________________
Zum Schweigen fehlen mir die Worte.

- Düstere Lande: Das Mahnmal (2018)
- Düstere Lande: Schatten des Zorns (2020)
- Düstere Lande: Die dritte Klinge (2023)
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anderswolf
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1069



Beitrag20.05.2021 09:41

von anderswolf
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Kein Honigschlecken. Oder: Ein Pemmchen voller Hoffnungslosigkeit.

Es gehört zu den größten Schwierigkeiten des Schreibens, realistische Figuren zu erschaffen, die nicht nur echten Menschen gleichen, sondern auch die Lesenden von ihrer Realitätsnähe überzeugen. Oder zumindest die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Art und Weise, wie eine Person dargestellt ist, realistisch sein könnte. Insbesondere gilt das für Figuren, die sich von den Lesenden, aber eben auch von den Schreibenden signifikant unterscheiden. Frauen, die Männer schreiben, zum Beispiel, oder Männer, die Frauen schreiben, junge Menschen, die von alten Menschen geschrieben werden, oder alte Menschen, die von jungen Menschen geschrieben werden. Und die dann von allen gleichermaßen gelesen und als realistisch rezipiert werden sollen.

Diese Vorrede stelle ich meiner Bewertung dieses Textes voran, nicht weil ich die Darstellung des Asperger-Kindes Jonas in dieser Geschichte so überzeugend finde. Auch nicht, weil ich sie nicht überzeugend finde. Ich schreibe das, weil ich keine Ahnung habe, wie authentisch die Darstellung getroffen ist, und ich mich darüber hinaus ohnehin frage, wie wichtig es ist, dass Jonas als Asperger-Kind präsentiert wird. Klar: sollte die Darstellung  authentisch sein, leistet sie vielleicht einen Beitrag dazu, Menschen mit Asperger-Syndrom zu normalisieren: sie sind nicht anders als alle anderen. Ist sie allerdings nicht authentisch, dann könnte die Darstellung eher Vorurteile oder Pauschalannahmen über Menschen mit Asperger-Syndrom verstärken.

Und im Zweifelsfall muss ich sogar annehmen, dass die Darstellung eines Asperger-Protagonisten ein Kniff ist, nicht um den Text zu bereichern, sondern um Schwächen im Text zu verschleiern, weil darauf spekuliert wurde, dass die Lesenden etwaige Formulierungsschwächen oder Unglaubwürdigkeiten im Ton einfach darauf schieben, dass Asperger-Menschen, weil, das weiß man ja, immer so ein bisschen anders sind. Um es überspitzt, vorurteilsgetränkt und böse zu zu formulieren.

Das alles stelle ich meiner Bewertung des Textes voran, weil ich mich frage, ob die dargestellte Pedanterie, der eher erwachsen klingende Tonfall des Protagonisten, die Abwägung sozialer Angemessenheiten, der Spontaneitätsmodus; ob all das Klischees sind. Und weil ich beschlossen habe, die Frage nach der Authentizität bei meiner Bewertung komplett außen vor zu lassen.

Ich habe noch nie einen Honeydipper benutzt, ich hatte mir auch etwas anderes darunter vorgestellt beim ersten Lesen, aber im Grunde funktioniert er nicht anders als andere Honigportioniergeräte auch, vielleicht ist er durch die besonders auffällig gestaltete Oberfläche besonders gut geeignet, unbeabsichtigtes Nachtropfen nach dem Abreißen des Honigfadens zu verhindern, wer weiß. Aber es geht in der Geschichte ja auch weniger um Honig. Jonas und der Honeydipper ist eine Geschichte über verpasste Chancen. Über Gelegenheiten, die nicht ergriffen wurden. Über das jähe Abreißen von Glücklichkeiten.
Und darüber, dass der oberflächliche und rasche Blick auf Situationen, Menschen und Beziehungsgeflechte oft täuscht, ja mitunter ganz falsch sein kann.

Jonas ist unglücklich mit seiner eigenen Familie und träumt davon, Teil einer anderen Familie zu sein, muss allerdings erkennen, dass bei denen auch nicht alles reines Honigschlecken ist. Soviel zum Inhalt. Der Rest des Textes besteht aus Interaktionen und dem immerwiederkehrenden Motiv des jähen Abreißens, der Unterbrechung, der Verunglücklichung durch diese Interaktionen. Die Mutter reißt ihn aus den ersten Honigträumen des Textes, der Vater aus den Gedanken an die tollere Familie, Ines' Vater aus der Betrachtung des irritierenden Nicht-Idylls, Ines selbst zweimal, einmal durch das verfrühte Aussteigen und dann wieder durch die Hiobsbotschaft selbst: sie zieht fort. Und immer wieder reißt Jonas' Herz auf und flutet ihn mit Hoffnungslosigkeit. Einer Hoffnungslosigkeit, die sich ja offensichtlich sonst ausschließlich auf Jonas' Herz beschränkt.

Jonas ist insgesamt kein glücklicher Mensch offensichtlich, und er sucht sich diese offenen Fenster kurzen Glücks, die aber immer wieder vorübergehen. Vorübergehen müssen offensichtlich. Denn Glück ist ja kein dauerhafter Zustand, kein Glück währt ewig, im Gegenteil ist Glück immer nur das kurze Auftauchen von Sorglosigkeit inmitten eines weiten Meeres aus Gleichgültigkeit mit Untiefen aus Sorgen. Oder so. Bin kein Philosoph. Der Text transportiert aber hierdurch das Thema des Wettbewerbs: Glück ist vergänglich, oder andersherum: der Mensch geht an den geöffneten Fenstern des Glücks vorbei, durch die er hindurchblicken kann, aber stehenbleiben ist halt nicht.

Und gleichzeitig wird das Thema auch dadurch getroffen, dass ein schneller Blick durch das geöffnete Fenster eben auch nicht das ganze Bild zeigt. Weder von Massanei und dem Leben in Waldheim, noch von Ines' Familie, in der Streit genauso an der Tagesordnung ist bei Jonas' Eltern (vielleicht eher weniger). Nur wer stehenbleibt und das Unglück in ganzer Breite und vollem Ausmaß betrachtet, kann erkennen, dass das Gras anderswo auch nicht grüner ist.

Die Geschichte hat natürlich Schwächen, vor allem in der Sprache, teils auch in der Darstellung der Personen (auch jener, die nicht die Entschuldigung haben, ein Asperger-Kind zu sein). Schon gleich in der ersten Zeile gibt es die holprige Beziehung von Honigfluss und schmieriger Substanz, ein paar Zeilen später legt die Geschichte dem Vater den sehr unspontanen Satz "Allein deine Asperger-Therapie gibt dir doch viel Lebensqualität zurück, oder?“ in den Mund, der da ebenso zähl liegt wie alter Honig auf einem Sofakissen.
Und da kommt nun also die Frage doch wieder, was es mit der Relevanz von Asperger für diesen Text auf sich hat. Entschuldigt der Text damit eine eventuelle Inkompetenz d. Schreibenden?

Der Text bekommt trotzdem 5 Punkte. Weil nämlich das Thema in einer übertragenen Form im Text erkennbar ist, überraschend vorweggenommen durch das Bild des Honeydippers (was ich erst für einen ziemlich blöden Titel hielt, weil ich das Wort Honeydipper doof finde, aber dann doch passend, weil es eben das Abreißen des Glücks beschreibt, das Zuschlagen gewissermaßen des geöffneten Glücksfensters). Außerdem danke ich für die Bekanntmachung mit der Beschimpfung Hacksch.
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