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Erzählperspektiven

 
 
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Globo85
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 38
Beiträge: 743
Wohnort: Saarland
Das silberne Eis in der Waffel DSFo-Sponsor


Beitrag26.04.2021 12:20

von Globo85
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Die Möglichkeit "falsch zu liegen" ohne den Leser zu belügen (was der Auktoriale evtl. müsste...).
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Taranisa
Geschlecht:weiblichBücherwurm

Alter: 54
Beiträge: 3215
Wohnort: Frankenberg/Eder


Beitrag26.04.2021 14:07

von Taranisa
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Globo85 hat Folgendes geschrieben:
Die Möglichkeit "falsch zu liegen" ohne den Leser zu belügen (was der Auktoriale evtl. müsste...).

Sehe ich auch so. Bei z.B. zwei personalen Perspektiven kann jede Figur aufgrund ihres Wissens und ihrer subjektiven Wahrnehmung oder Denkweise für die Leserschaft glaubwürdig handeln - was zu schönen Konflikten führt.


_________________
Henkersweib, Burgenwelt Verlag, ET 12/18
Die Ehre des Henkersweibs, Burgenwelt Verlag, ET 12/20
Spielweib, Burgenwelt Verlag, ET 12/21
Das Gegengift des Henkersweibs, Burgenwelt Verlag, ET 11/22
Der Stab der Seherin, Burgenwelt Verlag, Herbst 2024
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Natalie2210
Geschlecht:weiblichKlammeraffe
N

Alter: 37
Beiträge: 583



N
Beitrag26.04.2021 14:37

von Natalie2210
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Ganz ehrlich? Nicht nur als Leser, auch als Autor will ich die Person sein, über die ich gerade schreibe. Wie sie denkt, wie sie handelt - das ist alles mein "verlängerter Arm", meine gedankliche Reise und mein Abenteuer. Wie Lesen, nur viel stärker.

Nachteile bei der personalen Erzählweise? Wenn man es so nennen will. Ich finde auch, dass es eine Herausforderung ist, die Reaktionen der anderen Charaktere auf den Protagonisten so darzustellen, dass der Leser erkennt, was der andere meint - aber die eigentliche Erzählfigur nicht. Das geht nur über Gestik. Oder Zweideutigkeit.

lg,
Natalie
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Pfote
Geschlecht:weiblichWortedrechsler
P


Beiträge: 63



P
Beitrag26.04.2021 14:46

von Pfote
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Ich schreibe aus dem personalen Erzähler. Der auktoriale ist mir nicht dicht genug am Protagonisten, sondern viel eher an allen Charakteren, was es für mich schwieriger macht, mich auf den Protagonisten einzustellen, dessen Geschichte ich ja eigentlich erzählen möchte.
Der Ich-Erzähler liegt mir nicht. Da nervt mich das ständige ich, ich, ich. Das geht mir beim Lesen oft nicht anders, auch hier bevorzuge ich den personalen Erzähler. Einen gut umgesetzten Ich-Erzähler findet man meiner Meinung nach selten.
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Meanwhile in Canada
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
M

Alter: 48
Beiträge: 48
Wohnort: Oakville, Ontario, Kanada


M
Beitrag26.04.2021 19:35

von Meanwhile in Canada
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Hi, ich sehe das genau wie Pfote und Natalie2210:

Zitat:
Ganz ehrlich? Nicht nur als Leser, auch als Autor will ich die Person sein, über die ich gerade schreibe. Wie sie denkt, wie sie handelt - das ist alles mein "verlängerter Arm", meine gedankliche Reise und mein Abenteuer. Wie Lesen, nur viel stärker.


Beim Lesen empfinde ich eine auktoriale Perspektive manchmal sogar als Hindernis. In dem, was ich lese und auch schreibe, möchte ich mich auf die Figur einlassen, die Handlung mit ihren Sinnen erleben statt sie von außen zu betrachten. Das ist für mich ein wesentlicher Aspekt des "Storytelling" und seiner Kraft.

Neulich habe ich einen Roman mit auktorialem Erzählstil gelesen und fühlte mich die ganze Zeit drei Schritte entfernt von der Handlung, mit einer Glasscheibe dazwischen. Die Figuren erlebten gefühlsintensive Situationen, und ich stand emotionslos daneben und sah zu - so kam mir das vor. Dabei war das eigentlich ein gutes Buch, das auch ziemlich berühmt ist (hier zumindest) und wichtige aktuelle Themen behandelt. Aber ich kam mit der Erzählweise einfach nicht klar, und deshalb hat mich auch seine - eigentlich sehr relevante - Botschaft nicht erreicht.

So möchte ich deshalb auch nicht schreiben. Gerade wenn ich der Ansicht bin, was Wichtiges zu sagen zu haben Wink, geht das nur über das Einfühlen, das Mitfühlen - glaube ich.

My 2 cents ...
Grüße,
S.
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JanaC
Geschlecht:weiblichWortedrechsler
J

Alter: 63
Beiträge: 53
Wohnort: Niedersachsen


J
Beitrag28.04.2021 12:52

von JanaC
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Ich habe den Rohentwurf meines ersten Krimis fertig und habe mich lange mit der Perspektive gequält. Ich wollte unbedingt den personalen Erzähler und eben nicht die Ich-Perspektive, aber der personale Erzähler ging überhaupt nicht.

Auch wenn die Ich-Perspektive nicht so beliebt ist, habe ich sie gewählt. Anders funktioniert die Geschichte nicht.

Es stimmt, man sollte mal ein paar Seiten in verschiedenen Perspektiven schreiben, dann merkt man schnell, was funktioniert und was gar nicht geht.


_________________
Liebe Grüße
JanaC
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Natalie2210
Geschlecht:weiblichKlammeraffe
N

Alter: 37
Beiträge: 583



N
Beitrag28.04.2021 14:35

von Natalie2210
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Zitat:
Ich wollte unbedingt den personalen Erzähler und eben nicht die Ich-Perspektive, aber der personale Erzähler ging überhaupt nicht.


Das wundert mich. Soviel Unterschied ist da doch nicht. Auch beim personalen Erzähler kann man seine Gedanken, Gefühle, etc darstellen. Was genau hat denn von der Geschichte her nicht funktioniert?

lg,
Natalie
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Mumienfreund
Eselsohr


Beiträge: 327



Beitrag28.04.2021 17:05

von Mumienfreund
Antworten mit Zitat

Globo85 hat Folgendes geschrieben:
Ich sitze noch am ersten Buch. Dafür hab ich mich für den personalen Erzähler entschieden und werde (versuchen) den konsequent durchzuhalten. Gerade das ausmerzen von auktorialen Einschüben halte ich (für mich und meine Geschichte) wichtig, um die angesprochene Immersion aufrechtzuhalten.

Perspektivwechsel/-brüche halte ich für schwierig. Man muss dann schon genau wissen, was man macht und vor allem warum man es macht, glaube ich.

Also der Perspektivbruch/-wechsel sollte einem Zweck dienen und nicht "nur" gemacht werden, damit man eben noch eine Info einbauen kann.

Aber wie gesagt: ich sitze noch am ersten Buch und hab da nicht wirklich Ahnung von. Das sind meine momentanen Eindrücke, wie ich Perspektiven verstehe.


Ich kann nur davon abraten, sich beim personalen Erzähler "sklavisch" an das zu halten, was der Protagonist gerade sieht oder wahrnimmt, nur weil man die Perspektive nicht verletzen will. Erzählökonomisch ist es nicht die schlechteste Idee, die Erzählstimme auch gelegentlich begrenzt auktorial auftreten zu lassen.

Was daraus folgt, kann man mit schöner Regelmäßigkeit im Einstand bewundern. Alles wird minutiös bis ins kleinste sinnlose Detail ausgewalzt. Gehört, gesehen, gefühlt, gerochen, aber Hauptsache, man verlässt die Perspektive nicht.

a) Peter lehnte sich über die Brüstung und sah den Vollmond am Himmel stehen.

b) Der Vollmond stand schon hoch am Himmel, als Peter sich über die Brüstung lehnte.
 
Das zweite Beispiel ist auktorial, denn wer stellt fest, dass der Vollmond am Himmel steht? Es ist ein Erzähler, der aber hier nicht Peter zu sein scheint. Worauf ich hinaus will: Ich glaube nicht, dass sich Leser durch so etwas gestört fühlen.

Wenn man sich  Bücher mal ganz gezielt  durchliest, wird man feststellen, dass es wahnsinnig schwer ist, eine Perspektive derart durchzuhalten, bei der Ich-Perspektive fallen grobe Schnitzer natürlich auf, aber bei vielen anderen ist da ein buntes Gemisch, und es lässt sich oftmals nicht eindeutig sagen, ob jetzt die Protagonisten denken oder fühlen oder ob da ein Erzähler spricht.

Und was Immersion angeht: Die entsteht nicht alleine dadurch, dass man im Kopf einer Figur feststeckt, sondern hängt von vielen anderen Faktoren ab.
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Pickman
Geschlecht:männlichPlottdrossel


Beiträge: 2293
Wohnort: Zwischen Prodesse und Delectare


Beitrag28.04.2021 17:30

von Pickman
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Ralphie hat Folgendes geschrieben:
Ich hatte vor etwa 10 Jahren einen Roman in der Ich-Perspekive geschrieben, aber dann sagte mir meine damalige Verlegerin, dass die Leser den Ich-Erzähler nicht mögen, und der Roman wurde abgelehnt.


Ah! Jetzt verstehe ich endlich, warum Die Handschrift von Saragossa, Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull und die Romane von Raymond Chandler keine Leser finden und auch nie verfilmt wurden. Ich Dummerchen! Da hätte ich auch selbst drauf kommen können.


_________________
Tempus fugit.
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Fistandantilus
Geschlecht:männlichWeltenwanderer

Alter: 44
Beiträge: 817
Wohnort: Augsburg
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Beitrag28.04.2021 20:00

von Fistandantilus
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In "Gone Girl" von Gillian Flynn gibt es gleich zwei Ich-Erzähler, und es funktioniert wunderbar. Für dieses Buch und die Aha-Effekte war es meines Erachtens sogar nötig. Ich glaube, in Thrillern wird öfters zur Ich-Perspektive gegriffen als in anderen Genres, um zum einen eine größtmögliche Nähe zum Prota aufzubauen, und zum anderen eine möglichst enge Sicht zu vermitteln.
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Pickman
Geschlecht:männlichPlottdrossel


Beiträge: 2293
Wohnort: Zwischen Prodesse und Delectare


Beitrag29.04.2021 10:05

von Pickman
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Die Mandarins von Paris sind, soweit ich mich erinner kann auch eine Bande von Ich-Erzählern.

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Tempus fugit.
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JanaC
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Beitrag29.04.2021 11:14

von JanaC
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@Natalie: Die Nähe zum Prota war irgendwie nicht gegeben, wenn ich mich recht entsinne. Es ist schon über ein Jahr her...durch die Ich-Pers. schrieb ich irgendwie "runder"
Ich hatte auch von Anfang an Probleme mit den Perspektiven, wäre ich Schülerin würde ich sagen: Es ist nicht mein Lieblingsfach Rolling Eyes


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Liebe Grüße
JanaC
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JanaC
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J
Beitrag29.04.2021 11:20

von JanaC
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@Mumienfreund
Habe deine ausführliche Antwort gelesen und habe für mich gerade festgestellt, dass ich wohl deswegen so viel Schwierigkeiten mit den Perspektiven habe, weil ich es auch als total schwierig gefunden habe während des Schreibens "hälst du auch die Perspektive ein?" Das hat mich auch irgendwie total von einem flüssigen Schreiben abgehalten.

Aber kann ich es überhaupt beurteilen als "Anfänger?" Ihr dürft mich auch gern korrigieren oder Tipps geben. Smile


_________________
Liebe Grüße
JanaC
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Gast







Beitrag29.04.2021 13:30

von Gast
Antworten mit Zitat

Mumienfreund hat Folgendes geschrieben:


Ich kann nur davon abraten, sich beim personalen Erzähler "sklavisch" an das zu halten, was der Protagonist gerade sieht oder wahrnimmt, nur weil man die Perspektive nicht verletzen will. Erzählökonomisch ist es nicht die schlechteste Idee, die Erzählstimme auch gelegentlich begrenzt auktorial auftreten zu lassen.
...
Wenn man sich  Bücher mal ganz gezielt  durchliest, wird man feststellen, dass es wahnsinnig schwer ist, eine Perspektive derart durchzuhalten, bei der Ich-Perspektive fallen grobe Schnitzer natürlich auf, aber bei vielen anderen ist da ein buntes Gemisch, und es lässt sich oftmals nicht eindeutig sagen, ob jetzt die Protagonisten denken oder fühlen oder ob da ein Erzähler spricht.



Dem kann ich nur uneingeschränkt zustimmen!

Wenn ich zu Anfang noch nicht 100% weiß, ob ICH oder ER/SIE, schreibe ich ein paar Seiten in beiden Perspektiven und vergleiche. Fast immer fällt dann
die Entscheidung ganz intuitiv.
An eine durchgehend auktoriale Perspektive habe ich mich noch nie gewagt. Gar nicht so sehr wegen der Distanz,  als vielmehr aus dem Gefühl heraus,  dass ein allwissender Erzähler viel mehr Tiefschürfendes von sich geben müsste, als ich das je hinbrächte.
 
LG
DLurie
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Natalie2210
Geschlecht:weiblichKlammeraffe
N

Alter: 37
Beiträge: 583



N
Beitrag29.04.2021 13:44

von Natalie2210
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Hallo JanaC,

verstehe, das klingt schlüssig. Bei mir war es genau umgekehrt: Ich schaffe den Ich-Erzähler nicht, mir geht das in der Form viel zu nahe - daher der personale Erzähler. Obwohl ich trotzdem, denke ich, gut Nähe schaffen kann.
Dass ich mich mit der Perspektive beschäftigen muss, ist mir erst durch Rückmeldungen hier im Forum aufgefallen. Wichtig, sicher, aber auch nicht mein "Lieblingsfach", wie du es so schön nennst.

lg,
Natalie[/quote]
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Globo85
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 38
Beiträge: 743
Wohnort: Saarland
Das silberne Eis in der Waffel DSFo-Sponsor


Beitrag29.04.2021 15:06

von Globo85
Antworten mit Zitat

Mumienfreund hat Folgendes geschrieben:
Ich kann nur davon abraten, sich beim personalen Erzähler "sklavisch" an das zu halten, was der Protagonist gerade sieht oder wahrnimmt, nur weil man die Perspektive nicht verletzen will. Erzählökonomisch ist es nicht die schlechteste Idee, die Erzählstimme auch gelegentlich begrenzt auktorial auftreten zu lassen.

Also so richtig überzeugt mich das nicht. Sich "sklavisch" an etwas zu halten, ist mit Sicherheit nie die beste Lösung. Soweit gehe ich mit. Aber "nur" wegen der Erzählökonomie die Perspektive brechen? Einen wichtigen Punkt hast du ja noch als "Quelle" vergessen neben dem was der Protagonist sieht und wahrnimmt, nämlich was er weiß. Ich gehe mal anhand des Beispiels darauf ein.

Mumienfreund hat Folgendes geschrieben:
a) Peter lehnte sich über die Brüstung und sah den Vollmond am Himmel stehen.

b) Der Vollmond stand schon hoch am Himmel, als Peter sich über die Brüstung lehnte.
 
Das zweite Beispiel ist auktorial, denn wer stellt fest, dass der Vollmond am Himmel steht? Es ist ein Erzähler, der aber hier nicht Peter zu sein scheint. Worauf ich hinaus will: Ich glaube nicht, dass sich Leser durch so etwas gestört fühlen.


Das Beispiel überzeugt mich nämlich nicht richtig. Denn wenn es Nacht ist und Peter weiß, dass es eine klare Nacht ist (weil er zB vorher schon draußen rumgelaufen ist), dann weiß er evtl. auch, dass Vollmond ist. Insofern ist b) nicht zwingend auktorial. a) erscheint mit aber auch vom Ablauf, von der Formulierung her "runder" also käme (zumindest ich, wenn ich personale Perspektive schreiben will) sowieso zum Schluss, dass a) "besser" klingt und perspektivisch stimmiger ist, ohne das b) jedoch direkt einen Perspektivbruch darstellt. Klar, das ist jetzt arg konstruiert, aber worauf ich hinaus will: ob ein auktorialer Einschub vorliegt oder nicht ist vielleicht nicht immer 100% klar. Und in dieser "Grauzone" stimme ich dir absolut zu. Da darf/soll/muss/kann man auch mal mehr "tell" als "show" bringen, um der Erzählökonomie zu dienen. Das ist für mich aber kein (harter) Perspektivbruch.

Perspektivbruch liegt für mich dann vor (in einer personalen Perspektive), wenn etwas erzählt wird, was der Protagonist nicht wissen und nicht wahrnehmen kann.

(Perspektivträger ist wieder Peter)
a) Peter lehnte sich über die Brüstung und sah den Vollmond am Himmel stehen. Ein heftiger Schmerz am Kopf und alles wurde schwarz.
b)  Peter lehnte sich über die Brüstung und sah den Vollmond am Himmel stehen. Er spürte einen heftigen Schmerz als der Angreifer ihm mit einem goldenen Knüppel auf den Kopf schlug. Dann wurde er ohnmächtig.

Das wäre für mich ein Perspektivbruch und auch erzählökonomisch wäre hier kein Grund für mich ersichtlich, warum man das hier tun sollte. Wenn es für das Verständnis der Geschichte unabdingbar ist, dass der Knüppel golden ist, dann sollte ich mir als Autor überlegen, wie ich es schaffe dem Leser das zu vermitteln, ohne die Perspektive zu brechen. Entweder ich ändere den Handlungsablauf (Peter dreht sich noch herum und sieht noch etwas Goldenes aufblitzen) oder ich baue eine zusätzliche Perspektive ein.

Selbstverständlich kann ich auch auktorial erzählen. Aber dann bitte durchgehend (und ich kann ja auch in der auktorialen Perspektive nah an den Protagonisten rangehen, aber es ist eben eine andere Perspektive.)

Mumienfreund hat Folgendes geschrieben:
Was daraus folgt, kann man mit schöner Regelmäßigkeit im Einstand bewundern. Alles wird minutiös bis ins kleinste sinnlose Detail ausgewalzt. Gehört, gesehen, gefühlt, gerochen, aber Hauptsache, man verlässt die Perspektive nicht.


Das mag zwar sein, dass im Einstand viele Perspektivfehler oder zu aufgeblähte Texte vorkommen, aber das liegt wohl daran, dass dort Neulinge posten und diese Neulinge häufig eben nicht nur neu im Forum sind sondern auch Neulinge, was das Schreiben angeht (zumindest "vor" Publikum). Also so ein bisschen das Pferd von hinten aufgezäumt und weniger ein Problem personaler Erzählperspektive. Im Übrigen ist auch die Sache mit dem "viel zu viel" (egal ob Infodump oder sonstiges) wohl generell ein Problem und kein Perspektivproblem.

Mumienfreund hat Folgendes geschrieben:
Worauf ich hinaus will: Ich glaube nicht, dass sich Leser durch so etwas gestört fühlen.

Wenn man sich  Bücher mal ganz gezielt  durchliest, wird man feststellen, dass es wahnsinnig schwer ist, eine Perspektive derart durchzuhalten, bei der Ich-Perspektive fallen grobe Schnitzer natürlich auf, aber bei vielen anderen ist da ein buntes Gemisch, und es lässt sich oftmals nicht eindeutig sagen, ob jetzt die Protagonisten denken oder fühlen oder ob da ein Erzähler spricht.

Hier stimme ich dir gerne zu. Fällt das dem Leser auf? Stört es ihn? Vielleicht nicht, keine Ahnung, in der Masse wahrscheinlich nicht. Wenn man es bis zum Leser schafft. In einem Lektorat fällt es bestimmt auf. Mir fällt es immer mehr auf, weil ich momentan eben sehr mit Perspektive beschäftige. Was das "bunte Gemisch" angeht, das ist eben genau das, wovon ich oben sprach. Das ist aber wie gesagt nicht der "grobe" Perspektivbruch, den ich meinte.

Mumienfreund hat Folgendes geschrieben:
Und was Immersion angeht: Die entsteht nicht alleine dadurch, dass man im Kopf einer Figur feststeckt, sondern hängt von vielen anderen Faktoren ab.

Auch das ist natürlich soweit richtig. Immersion hängt natürlich von vielen Faktoren ab. Aber eben auch (meiner Meinung nach zumindest) von der Perspektive. Und wenn ich im Text plötzlich nicht mehr die Erzählerstimme sondern die Autorenstimme lese oder es einen ähnlich harten Perspektivbruch gibt, dann reißt mich das total raus und dann kann die Immersion durch die restlichen Faktoren noch so kraftvoll gewesen sein.

Für alles Geschriebene gilt natürlich: kenne ich die Regeln, verstehe sie und weiß warum es sie gibt, dann kann ich sie auch bewusst brechen. Ich glaube aber, dass es auch für solche Brüche dann einen Grund geben sollte, der über "ich weiß nicht, wie ich die Info sonst unterbekomme" hinausgehen sollte.
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Airmed
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Beitrag29.04.2021 15:22

von Airmed
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@Mumienfreund: Das sehe ich anders.
Zitat:
Erzählökonomisch ist es nicht die schlechteste Idee, die Erzählstimme auch gelegentlich begrenzt auktorial auftreten zu lassen.
Das ist dann in meinen Augen meist ein Perspektivfehler.


Zitat:
b) Der Vollmond stand schon hoch am Himmel, als Peter sich über die Brüstung lehnte.
Was ist daran auktorial? Nur, weil da nicht explizit steht, dass Peter den Mond sieht?
Auktorial wäre z.B. "Peter lehnte sich über die Brüstung. In einer zwanzig Kilometer entfernten Stadt gewitterte es, doch hier war davon nichts zu merken. Peter wusste noch nicht, dass sich ein Mann mit einem Knüppel an ihn heranschlich."


 
Zitat:
aber bei vielen anderen ist da ein buntes Gemisch, und es lässt sich oftmals nicht eindeutig sagen, ob jetzt die Protagonisten denken oder fühlen oder ob da ein Erzähler spricht.
Wirklich? Dann sind das wohl Bücher mit Perspektivfehlern. Ja, es gibt Bücher, in denen z.B. exzessiv Headhopping verwendet wird, aber das finde ich handwerklich einfach falsch und möchte es nicht lesen. Gibt sicher Leser*innen, die sich nicht daran stören, was es aber nicht richtiger macht.
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Ralphie
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Beitrag29.04.2021 15:54

von Ralphie
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Es gibt nur vier Perspektiven: den auktorialen, den neutralen, den personalen und den Ich-Erzähler, und es ist durchaus legitim, den auktorialen Erzähler mit dem personalen oder dem Ich-Erzähler zu verbinden. Und man kann den Erzähler mitten in einer Szene wechseln. Ich verstehe also nicht ganz, womit ihr Probleme habt.
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Airmed
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Beitrag29.04.2021 16:09

von Airmed
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Klar kann man das machen. Gibt schließlich keine Perspektiven-Polizei. Allerdings ist es wahrscheinlich, dass die Perspektivfehler im Lektorat angesprochen werden.

Wenn man virtuos und gekonnt mit den Perspektiven spielen kann, ist alles möglich. Nur rutschen häufige Perspektivwechsel, Headhopping und andere Brüche meist unbeabsichtigt in die Texte, die sich dann unschön lesen.

Zitat:
Und man kann den Erzähler mitten in einer Szene wechseln.
Da interessiert mich ein Beispiel, in dem das gut gelungen und sinnvoll ist.
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Ralphie
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Beitrag29.04.2021 16:14

von Ralphie
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Lies dir die Blechtrommel durch.
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Airmed
Geschlecht:weiblichLeseratte


Beiträge: 156
NaNoWriMo: 76742



Beitrag29.04.2021 16:19

von Airmed
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Ich dachte an ein Beispiel aus einem halbwegs aktuellen Roman, nicht aus einem Klassiker.
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Natalie2210
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Beitrag29.04.2021 16:35

von Natalie2210
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Die Diskussion ist superspannend. Ich sehe es wie Globo und Airmed, auch für mich ist

"Der Vollmond stand schon hoch am Himmel.. "

nicht automatisch auktorial, das kann schon personal sein. Man schreibt ja nicht ständig "Peter sah", "Peter roch",.. das wird dann mühsam. Wenn man konsequent in der personalen Erzählweise ist, dann ist klar, dass Peter weiß, dass der Vollmond hoch am Himmel steht.

Wenn man mischt, muss irgendwo der Perspektivwechsel zu sehen sein. Sicher kann man es machen. Aufgefallen ist es mir z.B. bei Volker Kutschers "Der nasse Fisch" (Babylon Berlin) wo plötzlich im nächsten Absatz eine andere Figur erzählt. Beide Male personale Erzählweise, aber unterschiedliche Charaktere. Mich hat es irritiert. Ich finde, sowas gehört zumindest durch einen Seitenumbruch (und nicht nur durch eine Leerzeile) getrennt.

lg,
Natalie
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