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Dieses Werk wurde für den kleinen Literaten nominiert Parzival! Parzival! (Artusroman)


 
 
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silvie111
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Beitrag31.01.2008 16:52
Parzival! Parzival! (Artusroman)
von silvie111
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Ich arbeite schon seit ca. einem Jahr an einer Parodie von der Artussaga "Parzival", komme beim Überarbeiten aber zu keinem Ergebnis, sondern werde immer unzufriedener. Dies hier ist der Prolog. Ich hoffe mich durch Textarbeit zu verbessern und brauche dringend konkrete Tipps!

Parceval! Parceval!

PROLOGUS

Im Anfang erschuf Gott das Wort, doch das interessierte eine Bevölkerung, die sich zu neunundneunzig Komma neun neun Periode neun Prozent aus Analphabeten zusammensetzte, recht wenig. Und man schrieb die Worte auf billigem Papyrus in der Wüste auf.
   Dann wurden schwere Pergamente zu einem großen Buch mit vielen, dünnen Seiten zusammengefasst. Man überlegte, welche Pergamente dazu geeignet waren und welche zu langweilig waren – schließlich wollte man das Buch zu einem Bestseller machen. Und doch nahm man nur die uninteressantesten Passagen auf.
   Und so interpretierte man das Wort zu oft zu falsch.
   Wenn man interpretierte.
   Wenden wir doch unseren Blick einer anderen Interpretation zu.
   Wir sehen ein Land, in dem die Schatten hausen. Wir sehen eine Burg, auf der die Schatten wohnen. Wir sehen ein dunkles Zimmer, in dem die Schatten sich verdichten. Gehen wir noch näher heran, während wir eine dramatische Musik hören. Ein Zittern erklingt. Die dicken Mauern beben. Die Stille ist zum Zerreißen gespannt. Man kann den Atem der Welt hören.
   Er atmet ein.
   Er atmet aus.
   Und dann hält er die Luft an.
   In den Schatten taucht plötzlich eine Gestalt auf. Ganz deutlich kann man sie erkennen, je näher wir der Szenerie kommen. Wir gehen noch näher heran. Unser Atem stockt.
   Dort, an einem schweren Eichentisch, sitzt nun die Gestalt. Gänzlich eingehüllt in einen schwarzen Kapuzenmantel. In Zwergengröße. Und nur eine riesige, rattenähnliche Nase lugt aus der Kapuze heraus.
   Und horcht!
   Man hört das Kratzen eines Federkiels auf uraltem Papyrus. Die kleine Gestalt sitzt dort, ein boshaftes, heiseres, dunkle Pläne schmiedendes Lachen erklingt. Das sogleich in einen eitrigen Hustenanfall mündet.
Diese Gestalt sitzt nicht etwa nur dort und schmiedet einen dunklen Plan. Nein! Schlimmer! Sie dichtet.
   Nach und nach zeichnen sich dunkle Buchstaben auf dem Papyrus ab. Und dann erklingt wieder das bedrohliche, dunkle, hustende Lachen. Ängstliche Gänsehaut macht sich auf dem ganzen Körper breit. Sogar zwischen den Zehen.
   Wir sehen einen Vogel. Unsere kleine Gestalt im bei der Wäsche eingegangenen Kapuzenmantel beachtet den Vogel nicht weiter.
   Und dann fliegt der Vogel los. Aus dem Zimmer, aus der Burg, aus dem dunklen Land.
   Ein obligatorischer Blitz erhellt die Schwärze. Ein Donner berstet.
 ........



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Ralphie
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Beitrag31.01.2008 16:58

von Ralphie
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Na, der Prolog ist zumindest köstlich. Macht Lust auf mehr.  Daumen hoch
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Longo
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L
Beitrag31.01.2008 17:26

von Longo
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Den Anfang mit dem Wort finde ich nicht gut gewählt. Du versuchst einen Einstieg zu geben, aber ich verstehe den Zusammenhang mit "wenden wir unseren Blick einer anderen Interpretation zu" nicht.
Der Rest ist locker geschrieben, aber es gibt für mich wiederrum ein paar Stellen, die ich zeigen will:

Ein Zittern erklingt.  - Das Verb passt nicht ganz.
Die Stille ist zum Zerreißen gespannt.  - Ich weiß, was du meinst, aber Stille allein ist zu schwach.
Man kann den Atem der Welt hören. Er atmet ein. Er atmet aus. -  Es ist doch die Welt, dann doch eher "Sie atmet ein...".
In den Schatten taucht plötzlich eine Gestalt auf.  - Sie taucht plötzlich auf, aber sitzt auf einem Stuhl. Das ist nicht konsequent.
Herauslugen = Herausragen? Finde ich besser.
Ängstliche Gänsehaut...  - Für mich ist das doppelt beschrieben. Aber ich glaube, das hast du absichtlich gemacht.
...Zehen. Wir sehen einen Vogel. Unsere...  - Der Vogel kommt vielleicht zu plötzlich, wenn im Verlauf der ganzen Geschichte so etwas dauernd sich wiederholt, verliert sich der Effekt. Das "Unser" würde ich einfach durch "Der" ersetzen, so rein intuitiv, da habe ich beim Lesen nämlich erst kurz überlegt...

MFG Longo
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SylviaB
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Beitrag31.01.2008 18:03

von SylviaB
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... und man sah, wie ein kleiner Vogel mit gesträubten Federn zur Erde stürzte. smile extra Der Text macht wirklich Lust auf mehr. Ich finde ihn toll. Es gibt für mich auch nichts zu bemängeln. Ich hoffe sehr bald, viel viel mehr davon zu lesen.

smile extra

Lieben Gruß
Sylvia


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silvie111
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Beitrag31.01.2008 23:18

von silvie111
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Vielen lieben Dank für die Kommentare, hab mich sehr gefreut!

Besonders Longos Tipps und Kritik haben mir sehr weitergeholfen. Werd auf dieser grundlage den Prolog überarbeiten und in den nächsten Tagen diesen überarbeiteten Prolog und eine Fortsetzung reinstellen.

LG,

silvie


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Ralphie
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Beitrag31.01.2008 23:33

von Ralphie
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Auf keinen Fall etwas ändern! Vor allem nicht den ersten Satz! Longo soll die Bibel lesen, dann versteht er den Gag!
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silvie111
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Beitrag01.02.2008 21:32

von silvie111
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Ich hab beim Prolog mal ein wenig behutsame Textarbeit betrieben und stell ihn mal rein (der ganze Roman hat übrigens ca. 300 Seiten). Zusätzlich gibt's eine kleine Fortsetzung. Für besseren Lesefreundlichkeit mach ich das in zwei Posts.
Kritik und Kommentar sind willkommen, die mir beim Überarbeiten und bei der Textarbeit helfen. Aaaaaaaalso:

Parceval! Parceval!

PROLOGUS

Im Anfang erschuf Gott das Wort, doch das interessierte eine Bevölkerung, die sich zu neunundneunzig Komma neun neun Periode neun Prozent aus Analphabeten zusammensetzte, recht wenig. Und man schrieb die Worte auf billigem Papyrus in der Wüste auf.
Dann wurden schwere Pergamente zu einem großen Buch mit vielen, dünnen Seiten zusammengefasst. Man überlegte, welche Pergamente dazu geeignet waren und welche zu langweilig waren – schließlich wollte man das Buch zu einem Bestseller machen. Und doch nahm man nur die uninteressantesten Passagen auf.
Und so interpretierte man das Wort zu oft zu falsch.
Wenn man interpretierte.
Einer dieser aussortierten Worte Gottes, die es nicht in den fertigen Bestseller geschafft haben, handelt von der Gralssuche Parcevals. Sie beginnt… hier.
Wir sehen ein Land, in dem die Schatten hausen. Wir sehen eine Burg, auf der die Schatten wohnen. Wir sehen ein dunkles Zimmer, in dem die Schatten sich verdichten. Gehen wir noch näher heran, während wir eine dramatische Musik hören. Ein nervöses Zittern. Die dicken Mauern beben. Die bangende Stille ist zum Zerreißen gespannt. Man kann den Atem der Welt hören.
Sie atmet ein.
Sie atmet aus.
Und dann hält sie die Luft an.
Aus den Schatten schält sich eine Gestalt heraus. Ganz deutlich kann man sie erkennen, je näher wir der Szenerie kommen. Wir gehen noch näher heran. Unser Atem stockt.
Schlurfenden Schrittes trippelt sie durch den Raum und setzt sich an einen schweren, knarzenden Eichentisch. Sie ist gänzlich eingehüllt in einen schwarzen Kapuzenmantel. In Zwergengröße. Und nur eine riesige, rattenähnliche Nase ragt aus der Kapuze heraus.
Und horcht!
Man hört das Kratzen eines Federkiels auf uraltem Papyrus. Die kleine Gestalt sitzt dort, ein boshaftes, heiseres, dunkle Pläne schmiedendes Lachen erklingt. Das sogleich in einen eitrigen Hustenanfall mündet.
Diese Gestalt sitzt nicht etwa nur dort und schmiedet einen dunklen Plan. Nein! Schlimmer! Sie dichtet.
Nach und nach zeichnen sich dunkle Buchstaben auf dem Papyrus ab. Und dann erklingt wieder das bedrohliche, dunkle, hustende Lachen. Ängstliche Gänsehaut macht sich auf dem ganzen Körper breit. Sogar zwischen den Zehen.
Ein Vogel fliegt durch das Fenster und setzt sich auf das Fensterbrett. Die kleine Gestalt im bei der Wäsche eingegangenen Kapuzenmantel beachtet den Vogel nicht weiter.
Und dann fliegt der Vogel los. Aus dem Zimmer, aus der Burg, aus dem dunklen Land.
Ein obligatorischer Blitz erhellt die Schwärze. Ein Donner berstet.
Der Vogel fliegt weiter und auf ihrem Flug klart der Himmel nach und nach auf.


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silvie111
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Beitrag01.02.2008 21:33
Fortsetzung
von silvie111
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Hier die Fortsetzung:

EPISODUS PRIMUS. DER AUSERWÄHLTE

1. „Die Elster“

Der Vogel weiß, dass die Erde keine Scheibe ist, denn sie fliegt über den Dächern der Welt und in die entlegenen Winkel der Geographie und zeigt der Heiligen Inquisition den Stinkefinger. Ein Vogel ist weiser als ein Mensch. Betrachtet man die Welt von oben, ist alles halb so wild. Menschen werden zu kleinen Ameisen, Geschichte zu einer Nadel im Heuhaufen.
Wissend flog die Elster nun über die Baumwipfel eines uralten, knorrigen Waldes. Ihre scharfen Augen musterten den Boden und erblickten einen jungen Mann in einem Narrenkostüm, der einen alten, grauen Gaul ritt. Die Elster ließ sich auf einem Ast nieder und schüttelte die letzten Regentropfen von ihrem samtigen, schwarz-weißen Gefieder.
Sie beobachtete den jungen, hübschen Mann weiter. Nach einer Weile stieg er von seinem altersschwachen Pferd ab, nestelte an sich herum und entledigte sich in die Büsche. Dabei grunzte er genüsslich wie ein Wildschwein. Dieses Benehmen hatte sie nun nicht von ihm erwartet.
Die Elster rollte mit den Augen, und flog weiter. Sie grinste wissend.
Die Menschen sind doch den Elstern nicht unähnlich, dachte sie schließlich. Auch sie haben ein schwarz-weißes Gefieder, nur ist es tiefer verborgen.
Schwarz und Weiß. Gut und Böse. Himmel und Hölle.
Die Elster begann verträumt zu philosophieren, achtete jedoch kaum noch mehr auf ihren Flug …
… und knallte gegen den nächsten Baum. Dies passiert Philosophen ständig.
Der junge Mann im Narrenkostüm schreckte plötzlich von diesem dumpfen Geräusch auf. Er sah einen zerknitterten Vogel, dessen Gefieder einem Schachbrettmuster glich, vor sich auf dem Boden liegen. Der Vogel zuckte nicht mehr.
Der junge Mann fühlte sich verpflichtet etwas zu sagen. Er seufzte und blickte betend gen Himmel. Dann kniete er sich neben dem Vogel auf den Boden und nahm das leblose Tier in seine Hände.
„Naja“, sagte er schließlich, „Geflügel zum Abendessen gab es schon lange nicht mehr.“

2. „In der Gralsburg“

Im Thronsaal der Gralsburg legte sich ein älterer, grauer Wolfshund vor den Kamin und leckte sich gelangweilt seine Pfote. Er hechelte und blickte erwartungsvoll in die Runde. Interessiert wusch seine Zunge über sein Maul und er schlug eine Vorderpfote ein, bevor er seinen Kopf darauf legte. Sein Herrchen neben ihm stöhnte, als ob ihn etwas schmerzen würde. Er war bereits alt, sehr alt. Das weiße, verfilzte Haar kräuselte sich über seine Schultern, seine fahle, blasse Haut war durchzogen von blauen und lila Adern, wie die Holzmaserung eines Tisches das Holz durchzog.
Besorgte Gesichter sahen ihn an, seine Neffen, seine Gralsritter.
„Herr…?“
Artus stöhnte und versuchte seinen eingerosteten Kopf zu bewegen. Ein leises Knarren ertönte. Seine Hände zitterten, seine Blase gab ihren Geist auf. Sein Hund legte sich auf den Rücken und streckte seine Beine in die Luft, in der Hoffnung, dass ihn jemand kraulen würde.
„Mein Herr…?“
Artus stöhnte wieder. Dann ertönte seine knarrende, uralte Stimme: „Die Welt der Ritter ift auf den Fugen geraten. Ich fpüre ef in der Luft, ich fpüre ef in der Fee, ich fpüre ef in der Erde, ich fpüre ef in meinem eiternden Hühnerauge. Vielef, daf feit Jahrhunderten Beftand hatte, ift nun verloren. Ich fpüre den Fchatten def dunklen Lordf. Er regt fich, er grinft, fiegefgewiff. Er wird kommen und mir meinen Thron rauben wollen, der elende, alte Miftkerl!
Doch nur der ehrenvollfte Ritter diefer Runde, der Auferwählte kann die Welt nun noch retten. Welchen Namen verkündet die Prophezeiung? Cheval? Per cheval? Per fi val? Par fe val? Parceval? Parceval!“
Die übrigen Ritter starrten sich fragend an und zuckten mit den Schultern.
„Ähm, was…“
Jemand hüstelte. Jemand schüttelte den Kopf.

Parcevals Augen erblickten Artus’ Burg. Endlich war er am Ziel angekommen!
..............


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silvie111
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Beitrag05.02.2008 14:10

von silvie111
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Kann man diesen Thread in Talentschmiede / Belletristik verschieben? Ich hab das Gefühl, dass dieser Thread hier ansonsten vergammelt, was ich schade fände, da ich ja unbedingt weiter Textarbeit machen will.

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Enfant Terrible
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Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag05.02.2008 14:16

von Enfant Terrible
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silvie111 hat Folgendes geschrieben:
Kann man diesen Thread in Talentschmiede / Belletristik verschieben? Ich hab das Gefühl, dass dieser Thread hier ansonsten vergammelt

Ich verstehe deine Sorge, möchte allerdings anmerken, dass im DSFo Threads nirgends "vergammeln". Dass du nicht so viel erwünschte Kritik bekommst wie vielleicht erwartet, bedeutet nicht, dass der Text nicht beachtet wird. wink


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silvie111
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Beitrag05.02.2008 14:44

von silvie111
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Terrorkrümel hat Folgendes geschrieben:

Ich verstehe deine Sorge, möchte allerdings anmerken, dass im DSFo Threads nirgends "vergammeln". Dass du nicht so viel erwünschte Kritik bekommst wie vielleicht erwartet, bedeutet nicht, dass der Text nicht beachtet wird. wink


Oh, das ist gut zu hören. Hab schon Panik bekommen.
Dann poste ich mal die Fortsetzung:


Parcevals Augen erblickten Artus’ Burg. Endlich war er am Ziel angekommen!
Strahlend hell erhob sie sich auf einem kleinen Hügel, gebaut aus hellem Sandstein. Stattliche Zinnen und hohe Türme, ein herrschaftliches Palais grüßte den Anreisenden bereits von weitem. Ein riesiges Holztor forderte einen Freund auf einzutreten und schreckte einen Feind ab. Ringsherum erstreckten sich blühende Wiesen und Bäume, voll von Früchten. Bienen summten in der Luft und bestäubten die Blumen. Vögel zwitscherten fröhlich und flogen über einen blauen Maihimmel. Der Anblick war der Traum eines jeden Vergnügungsparkbesitzers und der Alptraum eines jeden Historikers.
Parceval hatte vor einem Monat sein bäuerliches Zuhause im Wald verlassen in der Hoffnung ein Ritter und ein Held zu werden. Nun ritt er also auf einem uralten, keuchenden, grauen Gaul, in ein fleckiges Narrenkostüm gekleidet auf die Burg zu. Einige Schellen an seinem Gewand bimmelten hysterisch.
Vor dem Burgtor hielt er an.
Parceval betrachtete das massive, mächtige, hölzerne Tor. Er klopfte an.
Lange Zeit passierte nichts, dann hörte Parceval hinter dem Tor ein genervtes Fluchen. Ein Krächzen und eine Stimme meldeten sich alsbald; „Ja? Was gibt’s? Wir kaufen keine überteuerten Haushaltsgeräte und hängen sehr an unserer gegenwärtigen Religion! Sie ist zwar grausam, aber man bekommt nichts geschenkt.“  
„Ähm… ich… könnte ich… eintreten?“
„Hm, ja, das finde ich auch sehr witzig. Dies hier ist die Burg des Gralskönigs und du glaubst, wir lassen jeden herein, der hier anklopft?“
Parcevals Mut verließ ihn. Er war so weit geritten um Ritter zu werden und nun sollte er so kurz vor dem Ziel doch scheitern? „Ja, ich verstehe… Doch ich muss unbedingt…“
„Ja, sicher, jeder muss unbedingt in die Gralsburg. Alte Männer mit weißen Bärten und blinkenden, spitzen Hüten. Alte Frauen mit mehr Warzen auf der Nase als Zähnen im Mund. Dunkle Gestalten in schwarzen Kapuzenmänteln! Ha!“ Er spuckte. Etwas Schleimiges fiel auf den Boden.
Parceval verzog angewidert das Gesicht. „Aber, ich…“
„Also, Junge. Du hast bereits viel zu viel von meiner kostbaren Zeit verschwendet. Auf mich wartet bereits ein saftiges Spanferkel und einige Becher purpurroter Wein, also weise dich doch endlich aus“, die Stimme seufzte entnervt.
„Mein Name ist Parceval…“, er überlegte, fuhr dann fort, „Mein Vater war ein berühmter Ritter. Ich möchte zu König Artus vorgelassen werden, um ein Gralsritter zu werden.“
„Parceval… Parceval… Parceval…“ Der Eigentümer der Stimme versuchte sich an etwas zu erinnern. Als es ihm wieder einfiel, verfiel er in ungläubiges Schweigen. Er konnte selbst kaum glauben, was er dann sagte: „Parceval… Der König erwartet Euch bereits…“
Das schwere Tor knarrte und Parceval trat schüchtern, doch auch voller Erwartung ein. Als er sich im Burghof befand, sah er neben sich den Torpförtner auf einem kleinen knarrenden Stuhl sitzen. Er war ein ziemlich kleiner Mann mittleren Alters mit faulen Zähnen und einem grimmigen Gesichtsausdruck. Einige trotzig abstehende Haare verrieten ein genervtes und hitziges Gemüt. Verwirrt starrte er an Parceval herunter und schüttelte den Kopf. Er stützte sich auf seinen Stock.
Parceval jedoch konnte sich an dem Hof der Burg nicht satt sehen. Plötzlich kam im das Innere, das sich hinter meterdicken Mauern verborgen hatte, so groß vor wie ein ganzes Dorf. Kleine, eckige, windschiefe Holzhütten reihten sich an Verkaufsstände und Stallungen. Schmutzige Kinder, schreiende Eltern, gackernde Hühner, wiehernde Pferde, fluchende Stallmeister tummelten sich zwischen Marktschreiern und grimmig aussehenden Bauern. Gerüche von Kot und einigen anderen merkwürdigen Ausdünstungen stiegen Parceval in die Nase. Ein schmaler, etwas schlammiger Weg führte hinauf auf eine Ebene, die anscheinend einen Turnierplatz darstellte. Erst dahinter erhob sich die Burg mit ihren Türmen und Zinnen und ihrem Palais.
Parceval versuchte sich einen Weg durch die bäuerische Menge zu bahnen und die Burg weiter oben zu erreichen. Etwa drei Dutzend Augenpaare starrten ihn neugierig und gleichzeitig feindlich an.
„Ähm… ich…“
„Mach das du wegkommst, du Witzbold von einem Narr!“
„Ist das der Weg zum…“
„Du zertrittst mit deinem übel riechenden Gaul meine wertvollen Kräuter!“
„Ich möchte doch nur wissen, ob…“
„Du siehst aus wie ein Tölpel!“, einige freche Kinder streckten ihm die Zunge heraus.
„Aber ich…“
„Du stinkst!“
„Mach, dass du dahin zurückkehrst, wo du hergekommen bist, du witzloser Narr!“
„Für einen Narr bist du nicht besonders witzig…“
Noch einige Wegwindungen und Parceval war auf dem Turnierplatz angelangt. Eine kleine Tribüne trennte den Platz von den Hütten etwas weiter unterhalb. Sogleich wurde es ruhiger und der Geruch war nicht mehr so beißend. Parceval blickte hoch. Die Burg des Königs. Und darunter ein kleines, rundes, frei stehendes Gebäude. Dies musste der Versammlungsort des Königs sein. Seine Finger zitterten. Er stieg von seinem Gaul herab und band es an einen Pfosten auf dem Turnierplatz.
Dann öffnete er selbstbewusst die Tore des Palais und Parceval trat erwartungsvoll ein.
Er hatte noch nie ein Gebäude gesehen, das gänzlich aus hartem, widerstandfähigem Stein gebaut war. Einige kostbare Wandteppiche schmückten die kahlen, feuchten Wände. Ein Kaminfeuer prasselte, etwas erfolglos, in einer Ecke. In der Mitte des Raumes erkannte Parceval einen riesigen runden Tisch aus dunklem, edlem Holz. Ein Dutzend erstaunte Augenpaare sahen ihn an, ein alter Mann stöhnte auf einem Thron. Ein Ungetüm von einem Wolfshund kam ihm mit wedelndem Schwanz entgegen und leckte seine Hand.
Einige Ritter starrten Parceval mit großen Augen an und wunderten sich über folgende Dinge: Warum ging dieser junge Mann nicht vor dem König auf die Knie? Warum platzte er einfach so mitten in eine Versammlung hinein? Warum trug er ein Narrenkostüm? Und warum war der Weinkelch schon wieder leer?
Eine Zeit lang schwiegen sich die beiden Parteien an, dann fingen alle plötzlich auf einmal an zu sprechen, zu flüstern und zu tuscheln.


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Olifant
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Beitrag05.02.2008 14:58

von Olifant
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Hi Silvie,

erinnert mich irgendwie an Terry Pratchett mit seinen Geschichten aus der Scheibenwelt. Und da fahre ich – auf neudeutsch gesagt – voll drauf ab.

Ein paar kleine Verbesserungsvorschläge, obwohl ich mir nicht immer ganz sicher bin, ob die Wortwahl im Interesse des Gesamtstils so beabsichtigt war.

silvie111 hat Folgendes geschrieben:
… eine Bevölkerung, die sich zu neunundneunzig Komma neun neun Periode neun Prozent aus Analphabeten zusammensetzte…

Richtig wäre „neunundneunzig Komma neun Periode Prozent“. Das „neun“ dahinter ist zuviel. Noch weniger holprig hört sich „neunundneunzig Komma neun Prozent“ an. Es ist auch so klar, dass damit „die meisten“ gemeint sind.

silvie111 hat Folgendes geschrieben:
Und nur eine riesige, rattenähnliche Nase ragt aus der Kapuze heraus.
Und horcht!
Wer horcht hier? Die Nase oder die Kapuze? Weder noch, denke ich. Vorschlag: „Die Gestalt horcht“ oder etwas Ähnliches.

silvie111 hat Folgendes geschrieben:
Das sogleich in einen eitrigen Hustenanfall mündet.
Also das Bild hat Klasse. Genauso die Gänsehaut zwischen den Zehen und der „obligatorische Blitz“.  Laughing

silvie111 hat Folgendes geschrieben:
Ein Donner berstet.
Ich habe zwar noch keinen nagelneuen Duden, aber ich glaube, es müsste heissen, „Ein Donner birst.“. Bersten im Sinne von „brechen“ ist eines der Wörter, die nicht so ganz passend sind, wie oben erwähnt. Ein anderes ist dieser Wörter ist „entledigen“ im Sinne von „erleichtern“ im ersten Kapitel des Textes
silvie111 hat Folgendes geschrieben:
… nestelte an sich herum und entledigte sich in die Büsche …


Ebenfalls im ersten Kapitel steht der Satz:
silvie111 hat Folgendes geschrieben:
…Die Elster begann verträumt zu philosophieren, achtete jedoch kaum noch mehr auf ihren Flug…
Am Nebensatz stört mich das „mehr“ ein bisschen.

silvie111 hat Folgendes geschrieben:
…Ein leises Knarren ertönte. Seine Hände zitterten, seine Blase gab ihren Geist auf. …
Weil das Knarren in diesem Moment ertönt(?), hört es sich so an, als gäbe auch die Blase genau in diesem Moment ihren Geist auf. War das so gedacht?

Ein lispelnder König Artus? Die Idee finde ich sehr charmant und passend, auch wenn sie nicht ganz neu ist. (Kommt bei Terry Pratchett zum Beispiel in der Figur des lispelnden Igors vor.) Aber müssten konsequenterweise nicht alle Zischlaute gelispelt werden? Wenn Du schreibst „Ich fpüre den Fchatten“, müsste es dann nicht logischerweise bei den folgenden Begriffen auch lifpeln?
Cheval (Wenn das Pferd gemeint ist, spricht man das ja aus wie „Schöwall“)
Parceval
Prophezeiung

Sag Bescheid, wenn’s den Roman zu kaufen gibt!
 Daumen hoch


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Liebe Grüße,

Olifant
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silvie111
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Beitrag05.02.2008 15:06

von silvie111
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Hallo Olifant,

vielen Dank für deine Kommentare und Verbesserungsvorschläge. Ich werde damit versuchen meine Texte noch zu verbessern und zu korrigieren.
Freut mich, dass dir die Idee gefällt.

Ja, Pratchett war mein Vorbild, bin aber unsicher, ob manches nicht zu sehr an seinen Stil erinnert, darum bin ich dankbar, wenn ich darauf aufmerksam gemacht werde, wenn etwas zu "abgekupfert" klingt. Besonders darauf möchte ich bei meiner Textarbeit den Schwerpunkt setzen.

Das mit dem lispelnden König Artus gefällt mir auch nicht so ganz. König Artus hat ja keine Zähne mehr (Zahnhygiene im Mittelater .... uahhhh), da bietet sich das Lispeln an, aber... naja, wie du schon sagtest, de Idee ist nicht mehr ganz neu. Muss das noch überdenken.


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silvie111
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Beitrag08.02.2008 19:39
Fortsetzung
von silvie111
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Eine Zeit lang schwiegen sich die beiden Parteien an, dann fingen alle plötzlich auf einmal an zu sprechen, zu flüstern und zu tuscheln.
„Wer ist denn das?“
„…ein komisches Kostüm…“
„Unser neuer Hofnarr?!“
„Nein, Parceval…!“
„Der Auserwählte!“
„Nein, kann das sein…?“
„Der Himmel schickt ihn!“
„Oh, und wer bitte schön hat ihn so eingekleidet, wenn ich fragen darf?“
„Nimm die Finger aus meinem Weinkelch!“
„… aber ein wirklich hübscher Jüngling!“
„Keineswegs würdevoll jedoch…“
„Ich sagte, nimm die Finger aus meinem Weinkelch!“
„Hstl.“
Der König versuchte sich auf einmal aufzurichten. Da er dies nicht so gut konnte, musste er jedoch gestützt werden. Ein hoffnungsvolles, freudiges Lächeln machte sich auf einem Gesicht breit und um seine kleinen Augen bildeten sich noch mehr Falten. Der filzige, weiße Bart wackelte ein wenig, als er sprach und dabei die Arme ausbreitete: „Parceval… Oh, Parceval! Du bift ef, von dem die Prophezeiungen künden! Du wirft die Welt wieder in ihr Gleichgewicht bringen. Oh, gepriefen feien Gott und Jefuf!“, daraufhin musste er husten, setzte sich wieder auf seinen Thron und fing leicht an zu schnarchen.
Parceval trat schüchtern näher und verschränkte die Hände hinter seinem Rücken. Artus’ Wolfshund blickte ihn freudig hechelnd an und forderte ihn zum Spielen auf.
Sofort erhoben sich wieder einige flüsternde Stimmen im Raum.
„Er wird also den dunklen Lord besiegen und den Thron des Königs sichern?“
„Zuerst sollte er sich einen anderen Schneider suchen…“
„Die Prophezeiungen lügen nie!“
„Nimm deine dreckigen Hände von meinem Oberschenkel.“
„Ich dachte, du seist auch...“
„Nein.“
„Oh.“
„Ja.“
„Parceval… fo tritt doch näher!“, befahl König Artus, als er aus dem Schlaf aufgeschreckt war und es wurde wieder stiller in dem Raum. Parceval erwiderte das freundliche Lächeln des Königs. Während er auf den König zuschritt, wurde er von allen Seiten beäugt. Lobende und skeptisch flüsternde Worte drangen an sein Ohr. Irgendwo rülpste jemand.
Vor dem König angekommen, verbeugte sich Parceval leicht und wusste nicht, was er daraufhin tun sollte. Ein Ritter sah stattlich aus, wenn er auf einem Pferde saß, wenn er das Schwert schwang, wenn er würdevoll kniete. Doch ein Ritter, der einfach nur in der Gegend herumstand und in der Nase bohrte, war ungewöhnlich. Wieder erhoben sich die Stimmen der anwesenden Gralsritter. Es herrschte der Lärmpegel einer Klosterschülerklasse beim Übersetzen alter lateinischer Verse.
„Ritterlich sieht er wirklich nicht aus…“
„Er hat noch viel zu lernen…“
„Oh, Gott, ist er nicht schon zu alt dafür? Knappen lernen das Ritterdasein nach ihrem siebten Lebensjahr und dieser… ähm… Mann ist bestimmt schon zwanzig.“
„Mein Parceval!“, erhob Artus wieder seine kränkliche alte Stimme, „Du wirft eine gebührliche Aufbildung bekommen. Du wirft eine Fchlafftatt in meiner Burg bekommen, die einem Auferwählten würdig ift… Dir foll es an nichtf mangeln, und eines Tagef follst du auch ein Gralfritter werden“, er ließ seine knorrige Hand über die Tafelrunde schweifen, „fo wie diefe Ritter in diefem Kreif.“
Parcevals Herz quoll über vor Freude, doch dann fiel ihm etwas ein: „Ähm… bestünde denn die Möglichkeit, dass ich eine richtige Rüstung bekommen könnte?“ Er sah an sich herunter und einige Schellen an seinem Narrenkostüm klingelten aufgeregt.
König Artus lachte verschmitzt. „Nun, mein Parceval… Bevor du eine Ritterrüftung tragen kannft, mufft du dich noch bewähren im Turnier… Du bift noch kein Ritter, weder haft du dich im Zweikampf…“
„Aber mein Vater war der Ritter Herr Gahmuret. Ich…“
Verächtliches Kopfschütteln vonseiten einiger Gralsritter,
„Du mufft noch zuerft lernen, wie man ein Fchwert fchwingt. Du beherrfcht den Ritterdienft noch nicht. Und du follteft lefen und fchreiben lernen…“
„Auf Latein!“, warf ein Gralsritter ein.
„Aber…Aber… ich möchte nicht warten… und nicht auf Latein!“
„Mein lieber Parceval. Ich werde dich nun zu einer Kammer geleiten…“ Damit war die Versammlung der Gralsritter aufgelöst.
„Aber… Aberaberaber…“
Die restlichen Gralsritter machten sich auf den Raum zu verlassen. Ein Schwarm aufgeregt summender und tuschelnder Bienen stürmte aus dem dunklen, kalten Palais.
„Ganz schön hitziges Gemüt, der kleine…“
„Aber wirklich hübsch…“
„Und ein anderes Gewand sollte er sich wirklich zulegen. Ich meine…er sieht aus wie eine Tortendekoration auf einem Kindergeburtstag.“
„Dann fordere ich eben einen Ritter zum Zweikampf heraus! Was … auch immer das ist…“
Plötzlich blieben Artus’ Ritter wie erstarrt stehen. Sie konnten nicht glauben, was sie eben gehört hatten. Hatte Parceval wirklich einen Ritter zum Zweikampf herausgefordert?
Auch König Artus blickte Parceval mit großen Augen an.
„Fo einfach if daf nicht…“, stellte er im halbwachen Zustand fest.
„Ich möchte nicht warten. Ich möchte jetzt und sofort ein Gralsritter werden“, antwortete Parceval trotzig wie ein kleines Mädchen am Vorabend des Weihnachtsfestes, das sich verzweifelt an ein Geschenk krallte, dass erst morgen aufgemacht werden sollte.
Artus seufzte und senkte das altersschwache Haupt. Speichel tropfte aus seinem Mund. „Nein. Du follft eine ritterliche Aufbildung beim werten Herrn Gurnemanz bekommen, fo wie alle Ritter. Dief ift mein königlicher Wille.“
Parceval grunzte verächtlich, doch Artus war bereits wieder auf seinem Thron eingeschlafen und grinste abwesend im Schlaf, während etwas Gelbliches aus seinem Mund tropfte.
Neugierige Hundeaugen blickten Parceval an.
„So ein Mist!“, fluchte er, an niemand Bestimmten gerichtet. Wütend stampfte er auf.
Der Hund knurrte.
König Artus schnarchte.


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silvie111
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Beitrag08.02.2008 19:40

von silvie111
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(2. Teil der Fortsetzung, die ich heute gepostet hab. Erster Teil siehe vorheriger Post)

3. „Narrenkleid und Ritterrüstung“

Der Turnierplatz war nicht mehr wieder zu erkennen. Bunte Fahnen und Wimpel schmückten nun den ehemals kahlen Platz. Die gesamte Ritterschaft der Tafelrunde hatte sich auf den Tribünen versammelt und saß wie Hühner in einem Hühnerstall gackernd beisammen. Der König saß in der Mitte und versuchte erst gar nicht wach zu bleiben.
Parceval hatte sich einen Platz weiter unten erkämpft und reckte nun seinen Hals um etwas sehen zu können. Er trug noch immer sein klimperndes Narrengewand und erntete verächtliche Blicke. Die Ritter, die links und rechts neben ihm saßen, hatten versucht möglichst viel Abstand zwischen sich und Parceval zu bringen, als ob er ein Kleinkind wäre, dessen Windeln möglichst bald gewechselt werden mussten.
Das Turnier hatte noch nicht begonnen, nicht einmal der Herold war aufgetaucht. Eine nervöse Anspannung lag in der Luft. Parceval konnte aus dem allgemeinen Lärm einige Worte und Sätze heraushören und genoss die gesamte Vorfreude der Veranstaltung. Er hatte noch nie ein Turnier gesehen und war so aufgeregt wie ein in kitschigen Tüll, Taft und Spitze eingehülltes Mädchen auf ihrem Abschlussball.
„He, Melonenkopf, ich seh nichts von hier hinten.“
„Raschel nicht so mit deinem Essen. Ich kann nichts hören!“
„Die Vorstellung hat doch noch nicht angefangen. Der Kerl da auf dem Platz wirbt noch immer für irgendwelche Fleckenmittel.“
„Wenn du noch einmal deine langen, stinkenden Füße in meinen Sitz…“
„Was kann ich dafür?“
„Sie brauchen nur einen Tropfen in klarem Wasser aufzulösen. Für hartnäckige Flecken tragen Sie das Mittel unverdünnt auf den Fleck.“
„Ich werd dir zeigen, was du dafür kannst!“
Plötzlich beruhigte sich der Lärm, als ein etwas schlaksiger Mann auf den Platz trat. Sein Gewand war halb schwarz, halb lila eingefärbt und er trug eine Mütze mit einer Feder, unter dem man zwei Augen, eine Nase und einen Mund vage erahnen konnte.
Parcevals Herz klopfte; endlich ging es los!
Der Herold rollte einen Pergamentbogen aus, hüstelte und begann zu sprechen: „Ehrenwerte Ritter der Tafelrunde, ehrenwerte Damen, mein König.“ Er blickte den König an und wartete, bis dieser aufwachte.
Von der Stille irritiert schlug König Artus erst ein Auge, dann auch das andere auf. Verwirrt und noch im Halbschlaf blickte er sich um und versuchte sich ein Bild von seiner gegenwärtigen Lage zu machen. „Meine Oma tat immer heife Vanillefofe in meine Unterhofe. Daf härtet einen Mann ab.“
Nun, da der König wach war, fuhr der Herold zufrieden weiter: „Ich kündige an das Turnier zu Ehren unseres geliebten Gralskönigs. Es treten an der Graf von Ponthieu und der ehrenwerte Ritter der Tafelrunde, Herr Gawain, Sohn des Lot von Orkney.“
Jubel erklang bei diesem Namen. Irgendjemand warf hysterisch mit seinem Essen um sich.
Und da ritten auch schon die beiden Kontrahenten auf den Platz, versammelten sich vor dem König und deuteten mit einem Kopfnicken eine Verbeugung an.
Parceval reckte seinen Hals und konnte von seinem Platz aus die beiden Ritter nun selbst erkennen. Derjenige, der ihm am nächsten stand, trug eine kostbare Rüstung, in die schwarze Muster eingeritzt waren. An seinem Mantel und dem Federschmuck auf seinem Helm konnte man erkennen, dass er ein Graf sein musste. Er klappte das Visier hoch und sprach den König grunzend an: „Mein König, es ist mir eine Ehre.“ Er konnte ein Rülpsen nicht unterdrücken und wischte sich mit dem Ärmel über seine aufgeschwemmte, rote Nase.
Nun fiel Parcevals Aufmerksamkeit auf den zweiten Ritter. Er war das Gegenteil von seinem Gegner. Obwohl er kein Graf war, so war doch seine Erscheinung adliger und vornehmer als die eines Königs. Unerschütterlich und ruhig saß er auf seinem Pferd. Seine Rüstung war nicht so kostbar gemustert wie die eines Grafen, doch sie schien nicht minder Eindruck zu schinden. Sein blauer Mantel war mit einem Löwen und einem Wikingerschiff geschmückt. Auch seine Pferdedecke wies das gleiche Muster auf.
Parceval hatte noch nie ein Pferd gesehen, das Kleidung trug. Dies muss also wahres Rittertum sein, dachte er.
Der Ritter nahm seinen Helm ab, der mit Habichtflügeln aus glänzendem Eisen geschmückt war, und richtete sein Wort an den König: „Mein König, Zweifel ist dem Herzen nah, Bitternis keimt deswegen in der Seele, rühmlich und schmachvoll ist alles, wenn sich verbindet unverzagter Mannesmut und Feigheit, wie die Farben einer Elster. Doch dies macht die Seele frei: wenn an einem Mann sind beide Teile, des Himmels und der Hölle.“
Stille hatte sich über dem Platz ausgebreitet. Einige Gehirne verarbeiteten die Worte des Ritters, andere versuchten dies nicht einmal und spielten mit ihrem Essen.
Parceval war beeindruckt. Er wusste ungefähr so viel von Ritterschaft, wie ein einjähriges Kind von Toiletten, und doch wusste er irgendwie, dass es keinen edleren Ritter als diesen gab.
Der junge Ritter erhob wieder seine Stimme. „Ich, Gawain aus Orkney, kämpfe für Euren Ruhm, mein König.“ Damit setzte er sich seinen Ritterhelm wieder auf und verbeugte sich noch einmal. Der König lächelte etwas abwesend und die beiden Kontrahenten ritten links und rechts des Platzes zu ihren jeweiligen Seiten.
Parceval lehnte sich zurück, betäubt von so viel Ritterlichkeit.
„Redet er immer so… ähm… dichterlich?“, fragte er, an niemand Bestimmten gerichtet.
„Oh, Gawain ist und war schon immer ein Streber. Ich ging mit ihm zur Schule. Er war der Liebling aller Lehrer.“
„Ja, machte sogar Hausaufgaben… in Latein!“
„Ja, Hausaufgaben. Wie unnatürlich!“
„Und alle Frauen liegen ihm zu Füßen.“
„Wenn ich so aussehen würde wie er, dann würden mir auch alle Frauen zu Füßen liegen.“
„Frauen sind so oberflächlich.“ Der Ritter rülpste.
„Ja, schauen immer nur aufs Äußere.“
„Warte ab, wie Herr Gawain in zwanzig Jahren aussieht.“
„Ja, nach zwanzig Jahren Ritterleben.“
„Genau. Nach zwanzig Jahren Alkohol und Frauen.“
„Jaaaaa… Frauen…“
Der Herold trat nun wieder auf den Platz, seine Augen suchten den König auf der Tribüne.
Dieser grinste zufrieden im Schlaf. „Der Satz des Pythagoras lautet: Man nehme einen Löffel Schlagsahne, mische ihn mit diversen Zutaten und backe daraus einen Kuchen.“
Dies genügte dem Herold. Er gab das Zeichen für den Beginn des Turniers und auf dieses Zeichen hin stürmten der Graf von Ponthieu und Herr Gawain aufeinander zu. Selbst die geschwätzigsten Ritter hielten die Luft an und blickten gespannt auf den Platz, als die beiden Kontrahenten aufeinander trafen. Lanzen trafen Ritterrüstungen, Schilde barsten. Ein Pferd kam aus dem Gleichgewicht und sein Reiter strauchelte. Etwas plump fiel er auf den Boden und zog sein Schwert.
Gawain saß noch hoch zu Ross, doch auch er stieg ab und zog nun ebenfalls sein Schwert.
Sogleich klirrte Metall auf Metall. Gawain bewegte sich geschickt und behände, wären der Graf mit seinem eigenen Gewicht zu kämpfen hatte und sich so elegant wie ein Sack Kartoffeln bewegte. Er verlor immer mehr Spielraum und schließlich schlug ihm Gawain das Schwert aus der Hand.
Der Graf ging vor Gawain auf die Knie. Beide nahmen ihre Helme ab und blickten sich an.
„Schach matt“, sagte Gawain und steckte sein Schwert wieder ein.
Der Graf grunzte nur und spuckte vor sich auf den Boden.
Eine Weile war die Luft noch still vor Anspannung, dann erklang einstimmiger Jubel.

Nervös schritt Parceval vor dem Zelt des Gawain auf und ab und versuchte den eigenen Willen seiner Blase zu unterdrücken. Der Lärm des Turniers war abgeklungen, man räumte bereits den Platz auf. Parceval wusste nicht, warum der Herold ihn hierher gebeten hatte, doch noch ehe er weiter darüber nachdenken konnte, packte ihn der Herold am Arm und zog ihn in das Zelt.
Parcevals Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit und er sah sich um. Das Zelt war schlicht eingerichtet; ein Tisch, ein Stuhl. Auf dem Tisch stand eine Waschschüssel. Gawain beugte sich über den Tisch und wischte sich Schmutz und Rostspuren aus seinem Gesicht.
Der Herold neben Parceval hüpfte aufgeregt auf und ab und versuchte durch heiseres Räuspern auf sich aufmerksam zu machen.
Gawain bemerkte dies und wendete sich dem Herold und Parceval zu. Er nickte kaum merklich und lächelte. „Meine Herren.“
Der Herold umkreiste Gawain hysterisch hüpfend und sein Gehirn versuchte verzweifelt seine Stimme einzuholen. „Oh, mein Herr Gawain. Oh, Ihr wart so wundervoll, wie immer. Ihr habt es diesem… Fettsack gezeigt. Oh, wie Ihr ihn niedergemacht habt!“ Seine Arme versuchten verzweifelt ein imaginäres Schwert zu schwingen. Dabei stieß er einen Stuhl um, schien es aber nicht zu bemerken. Seine Augen glänzten und Parceval wusste nicht, ob dies Wahnsinn war, was er darin sah. „Oh, Herr Gawain, Ihr seid wahrlich der ritterlichste Ritter, den die Welt je gesehen hat!“
Gawain lächelte amüsiert. „Oh nein, Ihr täuscht Euch. König Artus ist noch immer das Vorbild eines jeden Ritters.“
Der Herold kreischte nun bewundernd um Gawain. Noch immer fragte sich Parceval, warum er hierher gebracht worden war.
„Ähm…“, meldete er sich zu Wort.
Der Herold stutzte, er schien sich wieder an etwas zu erinnern und ein gelangweilter Ausdruck machte sich auf seinem Gesicht breit. „Ach ja, das ist Parceval, der, von dem die Prophezeiungen künden“, sagte er in einem gelangweilten Ton, als ob er uninteressierten und lärmenden Schülern, die Papierflieger nach ihm warfen, beibringen würde die Wurzel aus dreihunderteinundzwanzig zu ziehen. „Der König möchte, dass er von dem edlen Gurnemanz in den Künsten eines Ritters ausgebildet werde.“
Parceval schnaufte. Wenn er etwas hasste, dann waren es lange Vorbereitungen und Ausbildungen. Er schien keinen Sinn darin zu sehen, noch langwierig ausgebildet zu werden. Seiner Meinung nach war er bereits ein vollendeter Ritter. Abgesehen von seinem Narrengewand. Aber diesen Makel, so hoffte er, konnte er schnell beheben.
Gawain wendete sich Parceval zu und verbeugte sich. „Parceval, Sohn des Gahmuret. Schwere Zeiten kommen auf uns zu, der Thron des Königs ist nicht mehr sicher, begierige Hände lechzen danach. Alte Schriften künden von Eurem Namen. Nur Ihr könnt den Thron des Königs sichern.“
„Der König möchte, dass Ihr Parcevals Ausbildung begleitet“, sagte der Herold im Plauderton und suchte das Zelt nach etwas Essbarem ab.
Noch einmal verbeugte sich Gawain und lächelte. „Es wäre mir eine Ehre, dies für meinen König zu tun und für Euch, Parceval.“
Parceval rollte entnervt mit den Augen. Aus der Nähe betrachtet und ohne seine Rüstung war Gawain nicht einmal so groß und stattlich. Er war sogar etwas kleiner als Parceval.
So ein Streber, dachte dieser, hält sich wohl für was Besseres!


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Beitrag14.02.2008 22:37
Fortsetzung 14.2.2008
von silvie111
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So nun die Fortsetzung, pünktlich zum Valentinstag. Schwerpunkt ist diesmal die Einführung neuer Personen. Über Kritik und Kommentare würde ich mich riesig freuen!

Zur gleichen Zeit saß der dunkle Lord auf seinem dunklen Thron, in seinem dunklen, dunklen Schattenreich und schmiedete noch dunklere Pläne, während er nebenbei eine getigerte Katze streichelte, die es sich auf seinem Schoß gemütlich gemacht hatte und genüsslich schnurrte. Sein schwarzer, mit Teufelshörnern versehener Helm blickte stur gerade aus.
Plötzlich konnte man im Dunkeln eine noch finstere Gestalt erkennen, die sich dem Thron näherte. Sie war klein und eine spitze, blasse Nase ragte rattenhaft aus dem schwarzen Kapuzenmantel heraus. Ihre krallenartigen, knochigen Hände waren dunkle Pläne ausheckend gefaltet und die langen Fingernägel hatten schon lange vergessen, was Wasser und Seife waren. Die dünne kränkliche Gestalt nahm ihren Platz neben Lord Klingzor ein und lachte ein hämisches, kränkliches Grinsen, das sogleich zu einem asthamitischen Hustenanfall anschwoll: „Mein Meisterrr….“ Die Stimme hörte sich an wie eine erkältete Schlange, die sich mit einer pestübertragenden Ratte gepaart hatte. „Ich habe sssschlechte, sssschlechte Botschaften für meinen Meister…“
Eine tiefe, gebieterische Stimme erklang aus den Untiefen des schwarzen Helmes. „So sprich!
„Es ssscheint, als zzzei die Prophezeiung wahr geworden… Eine Macht bedroht meinen dunklen Meister…“
Eine bedrohlich schwarze, scheppernde, kalte Stimme vermischte sich mit dem wohligen Schnurren einer Katze. „Parceval!“, ertönte die Stimme, die aus einem tiefen Brunnen zu kommen schien, „Es ist also wahr…
„Nun…“, die rattenähnliche Gestalt rieb sich die Hände, „allem Anschein nach hat sssssich der Ritter Gawain dem Jungen angenommen… Errrrr ist nun ssssein Mentor…“
Die Katze auf dem Schoß des dunklen Herrschers streckte sich. Ihre weißen Pfoten ragten faul in die Luft.
Ich muss ihn vernichten“, blecherte es bösartig, „bevor er zu mächtig geworden ist. Ich muss ihn töten, bevor er imstande ist, mich zu töten!“ Der dunkle Herrscher ballte seine riesenhafte Hand zur Faust. „Vernichten! Vernichten werde ich Parceval und König Artus! Und ich werde König sein! Und nun, lasst uns unsere dunkle Armee aufstellen! Warten wir nicht lange. Der erste Schlag gegen das Königreich soll schon bald erfolgen. Lassen wir das Reich des Königs spüren, wie sehr wir es hassen!“, ein röchelndes Lachen erklang, als ob Metall zum Leben erweckt worden sei. Es schepperte, rumpelte und rasselte. Tausend Echos tanzten durch die schwarze Burg.
Plötzlich erstarben jegliche Geräusche und Lord Klingzor räusperte sich: „Hm, naja, gut, lassen wir das. Was gibt es heute eigentlich zu Essen? Ich hab schon einen Bärenhunger.“  

4. „Rittertum für Narren“

Die Burg des alten, ritterlichen Erziehers Gurnemanz von Graharz lag nur etwas mehr als einen halben Tagesritt vom Hof des Königs entfernt. Die Sonne hatte bereits ihren Zenit lange überschritten und strahlte nun auf den kleinen Berg hinab, der die Burg beherbergte. Dicke, bucklige Steine bildeten eine starke, wehrhafte Mauer, kleine Türme und Gebäude aus Stein und Holz reihten sich in ihrem Inneren zusammen. Eine dünne Rauchsäule stieg in den Himmel empor und kündete von einem gemütlich prasselnden Lagerfeuer im Burghof.
Gawain und der Burgherr standen auf den Zinnen und sahen hinunter in den Burghof. Dort konnte man die Gestalt des Parceval sehen. Er rannte über den Platz und vollführte einige Hiebe mit einem Schwert. Dabei gingen einige Krüge und Fenster zu Bruch.
Gawain seufzte. Gurnemanz strengte seine Augen an, um besser sehen zu können. Er war bereits sichtlich angetrunken.
„Und Ihr habt ihm dieses Schwert gegeben?“, fragte er und hickste.
Gawain nickte. „Er bekam mein altes Schwert, meine alte Rüstung und ein Pferd aus den Stallungen des Königs. Wir konnten ihn nicht in seinen alten… Klamotten belassen.“
„Ich verstehe“, sagte Gurnemanz abwesend und blickte auf die untergehende Sonne.
„Wir werden ihn doch zu einem Ritter machen können, nicht wahr? Ich meine, von ihm hängt der Fortbestand des Königreiches ab.“ Gawain beobachtete Parceval nun genauer. Dieser versuchte gerade sein neues Schwert aus einer Blumenranke zu ziehen, während sein Fuß in einem Krug steckte.
„Nun…“, begann Gurnemanz, „Wir werden sehen, was wir tun können. Ich wart selbst einmal ein sehr ungeschickter Junge, erinnert Ihr Euch? Nicht einmal in meinen feuchtesten Träumen habe ich mir Euch als Ritter ausgemalt.“
„Aber ich bin nicht im Wald aufgewachsen. Ich wurde ab meinem zehnten Lebensjahr in Schottland ausgebildet. Parceval ist bereits ein Mann von zwanzig Jahren.“
„Keine Sorge, wir werden unser Bestes tun.“
„Glaubt Ihr?“
„Jawohl! Und nun kommt, probiert meinen neuesten Wein. Ein wahrlich vorzüglicher Jahrgang!“
Gawain versuchte seine Augen von Parceval abzuwenden und seine düsteren Gedanken und Zweifel zu verscheuchen. „Nun gut, warten wir ab.“ Er wendete sich Gurnemanz zu und schritt neben ihm her. Plötzlich stutzte er und blieb stehen. „A propos, was habt Ihr eben über Eure feuchten Träume gesagt?“
Gurnemanz torkelte weiter ohne stehen zu bleiben. „Ein wirklich vorzüglicher Jahrgang. So wie ich es gerne hab. Hicks!“


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Beitrag15.02.2008 23:51

von monosoph
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Das Du Deine Geschichte in König Artus Gralsburg beginnen lässt, ist beabsichtigt?
Denn soweit ich das im gerade zurückliegenden Semester mitbekommen habe, ist der Burgherr der Gralsburg Anfortas...
Wenn das bereits ein Teil des Parodistischen sein sollte, ziehe ich die Anfrage zurück. Ich habe den Text bisher nur kurz überflogen, werde aber die nächsten Tage für eine ausführlichere Analyse nutzen...
Wo hast Du eigentlich Gahmuret gelassen? Oder ist der mir beim Überfliegen nur durch die Lappen gegangen?
Auf mich macht das Ganze einen grotesken Eindruck. Ich mag das Groteske.

Grüße,
Mono


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Beitrag16.02.2008 15:13

von silvie111
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monosoph hat Folgendes geschrieben:
Das Du Deine Geschichte in König Artus Gralsburg beginnen lässt, ist beabsichtigt?
Denn soweit ich das im gerade zurückliegenden Semester mitbekommen habe, ist der Burgherr der Gralsburg Anfortas...
Wenn das bereits ein Teil des Parodistischen sein sollte, ziehe ich die Anfrage zurück. Ich habe den Text bisher nur kurz überflogen, werde aber die nächsten Tage für eine ausführlichere Analyse nutzen...
Wo hast Du eigentlich Gahmuret gelassen? Oder ist der mir beim Überfliegen nur durch die Lappen gegangen?
Auf mich macht das Ganze einen grotesken Eindruck. Ich mag das Groteske.

Grüße,
Mono


Hallo monosoph!

Ich habe lange herumüberlegt, welche Elemente ich aus Wolfram von Eschenbach's "Parzival" nehme, welche ich total verädnere, welche eher weniger.
Dabei ist die Gahmuret-Handlung am Anfang weggefallen, die kommt an einer anderen Stelle. Bei mir ist auch König Artus der Gralskönig, da ich eine andere Gesellschaft und andere Titel benutze. Während ich an dieser Geschichte weitergearbeitet habe, musste ich immer mehr kürzen, damit das zu einer "Parodie" passt, schließlcih dürfen Parodien nicht so lange werden, dann verlieren sie den Reiz.
Freu mich schon auf deine ausführliche Analyse!

Grüße,

silvie


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Beitrag18.02.2008 18:21

von monosoph
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So, frisch ans Werk!

Aufgrund der Fülle deiner bisherigen Lese-"Probe" werde ich nur hin und wieder einzelne Belege für meine Befunde anbieten, die dann exemplarische Funktion haben sollten.

Ad I) Mir gefällt die Debilität König Arthurs/Artus. Auch Parceval als vorpubertäres Bürschchen ist von seiner Erscheinung her markant. Anderen Personen fehlt diese Spezifität leider.
Zitat:
Nun, da der König wach war, fuhr der Herold zufrieden weiter: „Ich kündige an das Turnier zu Ehren unseres geliebten Gralskönigs. Es treten an der Graf von Ponthieu und der ehrenwerte Ritter der Tafelrunde, Herr Gawain, Sohn des Lot von Orkney.“

Gerade bei einem Herold, dessen Hauptaufgabe doch das Sprechen ist, kannst du den Wiedererkennungswert über die Sprache regeln. Beispiel "Jabberwocky" von Terry Gilliam: Der erste Herold kommt aus seinen "Besieger von....Retter des...Herrscher über...Sohn der..."-Aufzählungen gar nicht mehr heraus. Sein Nachfolger schafft es in seiner Nervosität gerade einmal, überhaupt etwas zu sagen. Orientiere dich an Nachrichtensprechern, Anheizern bei Boxwettkämpfen oder Fernsehmoderatoren. Man kann Sprache durch mehr als lediglich lispeln charakterisieren.
Da du ja meinen komödiantischen Versuch gesehen hast, ein paar Beispiele: Der Henker lispelt...(ohne kommt man nicht aus Wink ), der Padre rezitiert bibliophone Passagen, Juan antwortet stets ironisch-trocken. Und in der aktuellen Fassung lassen die Wächter gerne einmal Endvokale unter den Tisch fallen. (ich sage -> ich sag) Außerdem benutzen sie umgangsprachliche Wendungen wie 'mal, 'n oder 'ne, haste, kannste etc.

Ad II) Running Gags sind auch immer gut. Bei dir finde ich den des pöbelnden Publikums und
Zitat:
in Latein!

Solche Elemente stärken die Stringenz des Textes, sollten allerdings mehr zum Spielball werden, um dem Ganzen noch mehr Ausdruck zu verleihen. Strapaziere etwa das Lateinmoment fast bis über Gebühr, um es dann an nächster Stelle entweder durch Griechisch zu ersetzen oder aber eine Stelle zu nehmen, in der jemand aus Gewohnheit Latein sagt, es aber an eben diesem Punkt völlig fehl am Platze ist, vielleicht sogar Probleme für den Zwischenrufer mit sich bringt.

Ad III) Graphische Spielereien sind mit Vorsicht zu genießen.
Zitat:
Ich muss ihn vernichten

Erinnert mich an dieser Stelle an die Die Sprache des Todes aus dem Scheibenweltuniversum. Mit solchen Dingen kann man spielen, muss sich jedoch bewusst sein, dass je nach Druck und Überlieferungsform des Textes dieser ganze Teil wegfallen oder verfälscht werden kann. So gibt es zum Beispiel Ausgaben der Unendlichen Geschichte, die rot (reale Welt) und grün (Phantasien) gedruckt sind und solche, die einen einfachen schwarzen Druck aufweisen.

Ad IV) Da mir die Materie der Artusepik bekannt ist, erfreue ich mich natürlich an den ganzen kleinen Anspielungen wie der Schönheit Parcevals im Kontrast zu seiner Kleidung oder seinem Drang Ritter zu werden, obwohl er in seinem Leben nichts außer Natur gekannt hat.
Allerdings fehlen mir deshalb auch Elemente, die ich auch oder gerade in einer Parodie zu finden hoffe: Keie, der ewig spottende Rivale Gawains und Iweins, die ewig gleiche, zumeist noch symmetrische Struktur der Aventiuren und die Bedeutung des Artushofes als Ort des Beginns, der Peripetie und des Endes. Meiner Meinung nach verweilst du für die typische Artusaufteilung bereits zu lange am Hofe des (hier) Gralskönigs.
Für dich könnte ein Blick auf "Daniel von dem blühenden Tale" von dem Stricker hier noch Inspiration bieten, da die Artuskonvention hier in höchstem Maße auf den Arm genommen wird.
Auch die "Crône" arbeitet mit dem ein oder anderen untypischen Element.
Selbst im "Parzival" finden sich lustige Momente, die zu übernehmen sich anbietet: Etwa die Szene, in der der junge Parzival sich über Jeschute hermacht, aus unzureichendem Verständnis des Minnedienstes heraus. Ein Hörsaal lachender Germanistikstudenten sollte Beweis genug für die Abstrusität dieser Darstellung sein.


Das wäre es fürs Erste. Wenn mir noch etwas einfallen sollte, hänge ich es hier an.


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Beitrag18.02.2008 18:47

von silvie111
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Hallo mono!

Vielen, lieben Dank für deine Kommentare! Ich habe mich sehr über sie gefreut.

Zu Ad I) Das werde ich auf jeden Fall umsetzen. Vielen Dank für die Anregung!

Zu Ad II) Ich freu mich, dass du die Running Gags stärker einbauen willst. Das Latein ist im gesamten Roman ein Running Gag. Ich war mir jedoch unsicher, wie oft und wie stark ich so was bringen kann. Deine Kommentare haben mir da sehr geholfen!

Zu Ad III) Das werde ich auf jeden Fall noch einmal überdenken.

Zu Ad IV) Ich habe noch 30 Seiten, die über Parcevals Kindheit bei seiner Mutter handeln und auch die Episoden bei Jeschute, Orilus und dergleichen behandeln. Jedoch sind dies meine schwächsten Passagen, so dass ich sie ersatzlos gestrichen habe. Werd mal sehen, wenn mir da gute Gags einfallen, werde ich diese Szenen auch einbringen. In meiner Version waren sie jedoch 08/15-Kram und ich konnte sie auf Biegen und Brechen nicht in etwas Brauchbares verwandeln. Vielleicht küsst mich hier ja noch die Muse?!

Noch einmal herzlichen Dank für deine Rezension, sie hat mir ungemein geholfen! *Dankesblumenstrauß überreich*


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Brynhilda
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Edgar Allan Poe (1809 bis 1849) - Zum 200. Geburtstag
Beitrag18.02.2008 19:13

von Brynhilda
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Hallo Silvie!

Nach der Mühe, die du dir mit meinem Hjalmar gemacht hast, muß ich einfach auch deine Geschichte lesen.
Ich habe erst den ersten Teil durch, für den Rest brauche ich noch etwas Zeit.
Aber eines ist mir bereits aufgefallen.

Zitat:
Ein Donner berstet


Es muß heißen: "birst".  (bersten - brist - barst -geborsten = stark konjugiert)
Ja, das sieht dann immer sonderbar aus, wenn so seltene Verben konjugiert werden.

Abgesehen davon finde ich den Anfang richtig gut geschrieben.
Und den Rest lese ich auch noch. Versprochen. Weil das richtig schön ist.

Viele Grüße,
Ilka
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Beitrag19.02.2008 23:42

von monosoph
Antworten mit Zitat

*Dankesblumenstrauß zurückreich* Der Dank gilt für etwa eine halbe Stunde amüsierten Lesens.
Ad IV) Zudem hat dein Ansatz mir auch die ein oder andere Inspiration für mein zweites in Arbeit befindliches Stück geliefert...Arbeitstitel "Tjost und Todschlag"...wenig mehr als eine Aneinanderreihung von Gags vor dem Hintergrund eines wegen Flirts mit Guinivere aus Camelot geschmissenen Lancelots.
Das Konzept steht schon seit Monaten und keine Sorge, ich werde mich keines deiner Gags (weder der guten noch der wenigen nicht so guten) bedienen.
Will sagen: Auch ich bin im Moment stark in der humoristischen Facette der Materie gefangen...und wenn ich einen Witz nicht brauchen sollte, dann gebe ich ihn dir gerne ab...

Grüße,
Mono


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Parzival Roter Teppich & Check-In 6 29.11.2012 20:12 Letzten Beitrag anzeigen

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