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teccla Leseratte
Alter: 66 Beiträge: 160 Wohnort: Costa Blanca
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12.05.2008 20:00 Tante Erna von teccla
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In einem Ratgeber für ein gesundes Älterwerden las ich, wie man sich bis ins hohe Alter gesund erhalten kann, was allerdings nur sehr wenigen Menschen gelingt und es wird auch erklärt, warum.
Nicht, dass ich solche Ratgeber nötig hätte, aber wenn mir jemand mit einem Buch Mut machen will, älter zu werden, dann kann ich nur sagen, dieser Autor rechnet mit einem Heer von verängstigten Frauen auf dem Wege zum Greisenalter.
Kein Wunder, dass die Überdreißigjährigen Panik bekommen, wenn sie sich der Vierzig nähern.
Dabei ist doch gegen jedes Wehwehchen ein Kraut gewachsen. Und die Medizin ist heute schon so weit fortgeschritten. Ich bin nicht ängstlich, denn ich weiß Bescheid.
Seit ich in den Medien über Krankheiten informiert werde, lebe ich in ständiger Angst.
Aber wozu gibt es Psychopharmaka. Täglich eine Pille und mein Geist ist frei.
Seit ich diesen Werbespot für die Früherkennung von Darmkrebs im TV sah, informiere ich mich. Dieser Spot war ja so traurig und mir wurde klar, wie schnell dieses Leben vorbei sein kann.
Auweia, an was man alles sterben kann …und ich bin doch noch nicht mal Fünfzig.
Meine Rente würde ich gern genießen, also schlucke ich lieber Pillen, zumindest gegen Darmkrebs. Und noch welche für einen höheren Blutdruck und dann nicht vergessen den Cholesteringehalt zu senken und ja die altbekannten Knoblauchpillen sollen ja auch gegen Alterserscheinungen helfen. Tägliche Massagen und Salbungen.
Ich bin im Vollstress.
Ich soll mich gesund ernähren und Sport treiben?
Dazu habe ich doch als älter werdender Mensch gar keine Zeit mehr, ich muss ständig zum Arzt, die Vorsorgeuntersuchung gegen Brustkrebs machen lassen, gegen Gebärmutterkrebs, gegen Darmkrebs, das Sehvermögen der Augen kontrollieren, die Blutwerte und den Cholesteringehalt untersuchen lassen,. Schließlich wurde der Normalwert gesenkt und seit dem gehöre ich zur Risikogruppe.
Mein Blutdruck ist niedrig, ich habe selten die verlangten 140/90. Das ist bedenklich, sagte mein Arzt und seit dem bin ich in Vorbehandlung, damit ich nicht das Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung eingehe.
Nun habe ich in diesem Ratgeber gelesen, auch die Knochendichte ist zu beobachten. Bereits eine kleine Änderung zum offiziellen Richtwert und ich gehöre zur lebenslangen Risikogruppe.
Nein, also ich gehe da kein Risiko ein, ich muss mich gesund erhalten und so wie ich gegen alles versichert bin, so muss ich auf meinen Körper aufpassen.
Ich habe medizinische Magazine und Fachzeitschriften abboniert, denn ich kann mich nicht darauf verlassen, was mein Arzt sagt. Der will vielleicht nur Kosten für die Krankenkasse sparen. Ich muss informiert sein, das liegt in meiner eigenen Verantwortung.
Nun habe ich in der letzten Ausgabe gelesen, dass bei Frauen ab Vierzig auch sexuelle Dysfunktionen auftreten. Ich muss also auch täglich mein sexuelles Verlangen beobachten und sobald es vom normalen Richtwert abweicht, vereinbare ich einen Arzttermin.
Nein, da beuge ich vor, wie mit allen anderen Erscheinungen auch.
Die Experten streiten sich noch, ob Internetabhängigkeit, zwanghafter Konsum und übermäßiges Hungergefühl Krankheitsbilder sind.
Oha, da kommt sicherlich noch mehr auf mich zu. Ich weiß nicht, wie ich diese Therapien noch in meinem Zeitplan unterbringen soll.
Schlafmittel gegen einen überhitzten Gemütszustand nehme ich sowieso schon. Natürlich bin ich dann am nächsten Tag nicht ganz bei der Sache und sehr schläfrig. Aber mit den Aufputschmitteln am Morgen zum Frühstück, laufe ich sofort wieder auf Hochtouren.
Ja ich bin auf dem Laufenden, was die medizinische Entwicklung betrifft. Ich kenne mich aus.
Und ich kann euch verraten, dass bereits Pillen gegen Empathiemangel, Egoismus, Anpassungsstörungen, Katerstimmung oder schlechte Laune in der Entwicklung sind.
Die „Kosmetische Neurologie“ beschäftigt sich derzeit mit der Entwicklung von Medikamenten gegen Alzheimer und Demenz: Die sollen dann auch die geistigen Fähigkeiten von Gesunden erweitern. Alle nur durchschnittlich Begabten können dann als Patienten behandelt werden. Das finde ich großartig und auch notwendig.
Denn es ist schwer, den Überblick zu behalten. Habe extra einen Kurs im Zeitmanagement belegt und führe genau Buch über jede Regung in meinem Körper, auch über die Verdauung..
Ich bin so beschäftigt, dass ich auf Urlaub oder Gartenarbeit, Hobbies, Wandern und Sport verzichte. Für solchen Quatsch habe ich keine Zeit mehr, schließlich gehe ich auf die Fünfzig zu.
Ich bin etwas abgewichen vom Thema, auch das ist ein typisches Zeichen des Älterwerdens, was wollte ich gleich sagen?...
Ach so ja, der Ratgeber hat sogar ein eigenes Kapitel zum Thema „Spaß am Leben“.
Ja wie soll denn das funktionieren?
Ich habe keine Zeit. Und lachen? Ich bin doch kein kichernder Teeny mehr.
Das Leben ist ernst. Und meine Gesundheitspflege nehme ich auch ernst.
Ist ja auch normal, sagen die Experten, denn jenseits der Vierzig nimmt unsere Lachfähigkeit rapide ab.
Ich habe bereits eine Lachtherapie buchen wollen, aber es war alles belegt.
In diesen "Lachseminaren" werden Pappnasen aufgesetzt, Grimassen gezogen und Witze gerissen.
Na ja, ich weiß nicht, lachen kann ich darüber nicht, aber Lachen ist nun mal eine wichtige Körperfunktion, also bringe ich mit einem täglichen Training die eingerosteten Lachmuskeln wieder auf Vordermann.
So stehe ich nun jeden Tag mit einer Pappnase vor dem Spiegel.
Das „Hohoho“ gelingt mir besser als das „Hahaha“.
Als ich neulich, wie im Ratgeber empfohlen wurde, mit geschlossenen Augen laut wie ein Hund bellte, kam mein Sohn ins Zimmer gerannt, ergriff mich bei den Armen und schüttelte mich, bis ich aufhörte. Daran sehe ich doch, dass etwas mit diesem Ratgeber nicht stimmen kann.
Nicht mal die Jugend kann dabei lachen.
Mein Sohn hat auch kein Verständnis dafür, dass ich in bestimmten Situationen, anstatt eine ernsthafte Antwort zu geben, eine Grimasse ziehe und „Hohoho“ schreie.
Mein Gott, das gehört zum Training.
So ein humorloser Knochen.
Er sollte mir dankbar sein, dass ich mich so bemühe, Lachen im Alltag zu haben, denn Lachen ist das beste Heilmittel, wo gegen auch immer. Ich jedenfalls nehme dieses Lachen ernst.
Letzte Woche wurde die Tante Erna Siebzig. Eine liebe Frau, so warmherzig und hat immer ein Lächeln auf den Lippen.
Ich fragte sie, was sie angestellt hat, dass sie so alt wurde.
Sie meinte, sie hat schwere Zeiten durchgemacht, aber nie ihren Humor und ihren Optimismus verloren.
Na so einfach kann es ja nun doch nicht sein.
Ich bohrte also weiter. Wie hat sie Ihre Gesundheit erhalten?
Sie meinte, hat gearbeitet und gelebt. Sie hatte Freude und nun ist sie alt und freut sich immer noch.
Nach einer Pause meinte sie noch, sie hat keine Zeit zum Altwerden. Sie hat fast jede Woche die Enkel in Obhut, hat ihren Kaffeeklatsch und die Kaffeefahrten und dann ist da noch ein Internetclub, die Kegelfreunde, der Malzirkel und der Urlaub mit ihren Freundinnen, den Garten muss sie bewirtschaften, sie geht spazieren und sie kocht jeden Tag, natürlich alles frisch, nichts aus der Konserve. Sie geht regelmäßig zum Friseur, zum Schneider und hat viele Freunde, mit denen sie sich trifft. Ihr Terminkalender sei voll.
Dann lachte sie und sagte, aber es gäbe Tage an denen sie einfach nur die Beine hochlegt, das Telefon abstellt und ein gutes Buch liest.
Na ich weiß ja nicht. Wie kann man nur so sorglos mit der Gesunderhaltung umgehen?
Diese Frau ist einfach nicht informiert. Sie kennt weder ihren Cholesteringehalt noch ihren Risikofaktor für Krebs oder ihre Zuckerwerte. Einfach schade, wie sie ihr Leben weg wirft.
Die arme Frau weiß nicht, wie schlimm es um sie steht.
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Weitere Werke von teccla:
_________________ Wenn du immer nur tust, was du schon kannst, bleibst du, was du bist. |
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Lore Klammeraffe
Alter: 89 Beiträge: 932 Wohnort: Düsseldorf
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13.05.2008 07:44
von Lore
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Welche eine tolle Glosse.
Aber...ist es eine?
Mir scheint, 90% dieser Beschreibungen kennt man aus irgend einer Richtung und hat sich die eigenen Ängste noch aufpolieren lassen von all diesen Schwätzern, die vergessen haben, dass es mehr als oft auch ohne Tabletten gehen würde, man muss es nur mal testen.
Heute morgen wurde mir erzählt, wie man einen Schlaganfall rechtzeitig erkennt.
Bin mal gespoannt, ob das mit strenger Selbstkontrolle und einem Mittelchen gegen Blutverdünnung endet..lach
Lore
_________________ Blas Dich nicht auf, sonst bringet Dich
zum Platzen schon ein kleiner Stich
(Nietzsche) |
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teccla Leseratte
Alter: 66 Beiträge: 160 Wohnort: Costa Blanca
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13.05.2008 10:35
von teccla
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Liebe Lore,
es ist eine Satire, eine Glosse.
Dem Leser soll sich erschliessen, dass man das Leben selbst nicht vergessen sollte... Denn das Leben - auch im Alter siehe Tante Erna - kann sehr schön sein.
Vielen Dank für deinen Kommentar.
Viele Grüße
teccla
_________________ Wenn du immer nur tust, was du schon kannst, bleibst du, was du bist. |
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stormcloud Klammeraffe
Alter: 57 Beiträge: 631 Wohnort: In der Smalltalk-Abteilung
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13.05.2008 12:08
von stormcloud
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Hallo,
lustig und leider viel zu wahr....
Die Pharmaindustrie bietet dir bestimmt ein Honorar, wenn du es nicht veröffentlichst....
Viele Grüße von Josef
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Gast
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13.05.2008 14:49
von Gast
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Na, das ist doch wirklich mal das Leben auf den Punkt gebracht. Wunderbar. Perfekt gelungen. Da ich im Moment gerade die zunehmende Abnahme meiner Gesundheit im Alter sehr zu spüren bekomme, kann ich Tante Erna nur beneiden. Leider tragen auch die Gene dazu bei, wie krank man ist und wie früh sich diese Krankheiten zeigen, und leider habe ich da schlechte Gene. Aber die Schmerzen werden vergehen, und das Lachen lasse ich mir dadurch noch lange nicht verbieten ... zum Beispiel über diese Deine wunderbare Glosse. Danke!
Liebe Grüße
Angela
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