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wohe Klammeraffe
W Alter: 71 Beiträge: 632 Wohnort: Berlin
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W 05.02.2021 19:12 beschreibungen optimieren von wohe
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Hallo Freunde,
Normalerweise schreibe ich gern so, dass sich Bilder, Gefühle etc, aus Handlungen und Dialogen der Protas ergeben. Die Fähigkeit, Situationsbeschreibungen in Spannung erzeugender Form zu formulieren, fehlt mir aber anscheinend.
Als Beispiel habe ich hier einen Passus aus einer alten Geschichte kopiert, bei dem mir dies deutlich erscheint.
Soll: Bedrohliche Stimmung mit mystischem Anschlag.
Ist: viel zu kurz -> andere Autoren schreiben über sowas ganze Kapitel. Spannung fühle ich beim Lesen nicht und Mystik fehlt (außer dem leeren Gang) völlig.
Habt Ihr Tipps?
Vielen Dank.
MfG Wohe
Die Leiterin führte ihre Besuchergruppe aus dem Keller hinaus. Während sich Georg in deren Nähe aufhielt, blieb Susanne etwas zurück. Sie bestaunte die gewaltigen Gewölbe des Schlosskellers und versuchte neugierig, in den kleinen dunklen Nischen an den Seiten des Hauptgangs irgend etwas zu erkennen. Plötzlich hörte sie in einer davon pfeifenden Atem und beim Nähertreten sah sie, dass dort jemand auf einem Stuhl saß.
Es war der dicke Mann.
Unverwandt starrte er Susanne an.
Sie blickte sich um, doch ihre Gruppe war schon weiter gegangen. Sie war allein.
Sie atmete tief durch und fasste sich. „Was soll das?“, fragte sie. „Was wollen Sie von mir?“
Der dicke Mann stand mühsam auf und ging tiefer in den Keller hinein. „Sie machen einen Fehler“, sagte er über die Schulter zurückblickend. Er ging um die Ecke.
Susanne stand wie versteinert. Dann lief sie hinter ihm her, doch als sie um die Ecke bog, war der Gang vor ihr leer.
„Was ist mit dir?“, fragte Georg, als sie ihn eingeholt hatte.
Sie versuchte, wieder zu Atem zu kommen und zog ihn dann von der Gruppe fort. „Er ist hier. Der dicke Mann ist unten im Keller und er hat auf mich gewartet.“
„Susanne! Wie soll er denn. Niemand wusste, dass wir jetzt hierher kommen und ohne Führung kommt niemand in den Keller.“
„Dennoch: er hat mich direkt angesprochen. Er sagte, ich würde einen Fehler machen und dann verschwand er. Ging um die Ecke und war weg. Unheimlich.“
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Daniel de Iguazu Wortedrechsler
Alter: 46 Beiträge: 86
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05.02.2021 22:23
von Daniel de Iguazu
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Hallo Wohe,
ich schreibe einfach mal drauflos, was mir so aufgefallen ist.
Während sich Georg in deren Nähe aufhielt (Kann man streichen. Es ist klar, dass Georg bei der Gruppe ist, weil nur Susanne zurückblieb).
neugierig (kannst du auch streichen, da das Schauen in den Nischen eine neugierige Handlung ist. Wenn du das jetzt noch zusätzlich als neugierig benennst, dann ist das schon fast Show and Tell in einem)
Plötzlich hörte sie in einer davon pfeifenden Atem (habe ich nicht verstanden)
Unverwandt starrte er Susanne an. (Er starrte sie an > Ist knackiger und stärker. Irgendwie nimmt „unverwandt“ dem Satz die Energie. Außerdem sie statt Susanne, weil du dadurch näher an der Prota bist.)
Sie blickte sich um, doch ihre Gruppe war schon weiter gegangen. Sie war allein. (Ihre Gruppe war schon weiter gegangen. Ich bin allein > „Sie blickte sich um“ verzögert die Handlung und mindert evtl. die Spannung. Ich bin allein als direkter Gedanke in kursiv ist etwas intensiver - aber Geschmackssache, andere bevorzugen die erlebte Erzählung)
Sie atmete tief durch und fasste sich. „Was soll das?“, fragte sie. „Was wollen Sie von mir?“ (Sie riss sich zusammen und atmete tief durch. „Was soll das? Was wollen Sie von mir?“ > „fasste sich“ wirkt ein bisschen schwach, „fragte sie“ ist überflüssig)
Er ging um die Ecke. (Er verschwand um die Ecke. > Du hattest schon kurz vorher „ging“)
Susanne stand wie versteinert (da).
Dann lief sie hinter ihm her, doch als sie um die Ecke bog, war der Gang vor ihr leer.
„Was ist mit dir?“, fragte Georg, als sie ihn eingeholt hatte.
(Ich glaube, dass du hier das meiste verschenkt hast. Vom leeren Gang springst du einfach zu Georg.)
Vielleicht irgendwie so: … war der Gang vor ihr leer. Das konnte nicht sein, er war eben noch da. Sie lief tiefer in den dunkler werdenden Gang hinein. Es war auf einmal kalt, wie in einer Gruft. Susanne rief dem Mann hinterher. Keine Reaktion. Da war etwas. Doch es war zu dunkel. Sie wollte nicht weitergehen, sonst würde sie sich verlaufen. Um nicht den Anschluss zur Gruppe zu verlieren, rannte sie zurück, mit dem Gefühl ein Blick würde ihren Rücken durchbohren.
(Das war nur ein Vorschlag auf die Schnelle, dir fällt da bestimmt noch etwas Besseres ein.)
Der dicke Mann ist unten im Keller und er hat auf mich gewartet. ("er" streichen)
Er sagte, ich würde einen Fehler machen und dann verschwand er. Ging um die Ecke und war weg. Unheimlich. (Streichen, da du das wiederholst, was schon vorher im Text stand. Unheimlich würde ich auf jeden Fall streichen, da der Text für sich unheimlich sein soll, ohne dass das noch eine Person erwähnt.)
_________________ "The difference between fiction and reality is that fiction has to make sense." Tom Clancy |
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BrianG Klammeraffe
Alter: 47 Beiträge: 708
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06.02.2021 08:58
von BrianG
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Prinzipiell ist ja alles da. Und nur weil andere Autoren etwas auf viele Seiten auswälzen, heisst das nicht, dass es deswegen besser ist. Allzu oft ist weniger mehr.
Zu deinem kurzen Ausschnitt: Wenn du Sinneseindrücke beschreibst, wirkt es oft eindrucksvoller, wenn du nicht die Figur und den gerade benutzten Sinn ins Zentrum stellst, sondern das Objekt der Betrachtung. Denn meist ist eh klar, wer sich gerade was ansieht oder anhört, und das Weglassen des entsprechenden "Sinnes-Verbs" lässt Platz für was anderes, das im Idealfall den Eindruck verstärkt.
Also statt
Sie bestaunte die gewaltigen Gewölbe ...
oder
Plötzlich hörte sie in einer davon (@Daniel: gemeint ist wohl eine der Nischen) pfeifenden Atem ...
Vielleicht mal
Die Bögen der Gewölbe verloren sich in der Dunkelheit.
oder
In einer Nische ließ jemand pfeifend seinen Atem entweichen.
schreiben.
_________________ Aus dem Chaos sprach die Stimme: "Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen."
Und ich lächelte und war froh.
Und es kam schlimmer. |
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Rodge Klammeraffe
Beiträge: 847 Wohnort: Hamburg
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06.02.2021 11:45 Re: beschreibungen optimieren von Rodge
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Moin, moin,
ich mache mal einen Versuch, wie ich es machen würde (dient nicht als Verbesserungsvorschlag, sondern nur als Anregung, man kann ja nur in seiner eigenen Sprache schreiben).
Grüße
Rodge
Susanne betrachtete den Schlosskeller, in dem sie ihren Kopf nach oben reckte. Noch bei keinem Keller, den sie vorher gesehen hatte, war das Gewölbe so riesig gewesen wie hier und sie versuchte, die Decke mit ihren Augen abzutasten um so herauszubekommen, warum man das so aufwendig gemacht hatte. Dabei waren einige der Einbuchtungen in der Decke so angestrahlt, das man hätte vermuten können, hier würde sich etwas Besonderes verbergen. Da war aber nichts, nur das Gewölbe. Perfekt ausgeleuchtet. Seltsam dachte sie, während sie hörte, dass sich ihre Gruppe langsam entfernte. Sie hörte die monotone Stimme der Schlossführerin, die das vermutlich schon Tausende Male gemacht hatte und es einem Tonband gleich abspulte. Ach, sie würde die Gruppe schon wieder einholen. Sie ging langsam einige Schritte weiter, ohne das Gesicht von der Decke zu nehmen. In den abbebenden Klang der Schlossführerin gesellte sich ein weiteres Geräusch hinzu, das sie nicht identifizieren konnte. Ein bisschen, wie das Kettengerassel eines Schloßgeistes. Bei dem Gedanken musste sie lachen nahm ihren Blick von der Decke und suchte mit den Augen die Richtung ab, aus der dieses andere Geräusch zu kommen schien. Das Geräusch war ein bisschen ein Stampfen, wie es von einer unterdimensionierten Dampflok kommen könnte und kam von einem Platz hinter einer Säule. Ihre Reisegruppe hatte sich mittlerweile entfernt und auch die monotone Stimme der Schlossführerin war nicht mehr zu hören. Ein kalter Windzug ging durch das Gewölbe und Susanne fröstelte. Sie ging etwas weiter in den Raum hinein, behielt aber Abstand zu der Säule, hinter der sie das Geräusch vermutete. Noch einen Schritt, flüsterte sie sich selbst Mut zu und nach einem weiteren Schritt sah sie, dass hinter der Säule der dicke Mann saß, der lautstark ausatmete, wie jemand, der schwer schlief, und doch sah sie der Mann mit offenen Augen an. Nachdem er sie gesehen hatte, stand er auf und machte sich auf, langsam in einem abgehenden Gang zu verschwinden.
"Was wollen sie von mir", rief sie ihm lauter hinterher, als sie es beabsichtigt hatte.
Obwohl der Mann offensichtlich nicht antwortete, hörte sie die Worte:
"Sie machen einen Fehler".
Susanne stand mit offenem Mund inmitten des Raums. Hatte er das wirklich gesagt, oder bildete sie sich das ein.
Erneut spürte sie einen kühlen Windzug, der ihr durch Mark und Bein ging.
"Wo bleibst du denn", rief eine ihr vertraute Stimme. Vollkommen erstarrt in der Kälte sah sie, dass Georg durch den Gang zurückgekommen war, den die Reisegruppe genommen haben musste.
"Gott sei Dank", sagte sie so leise, das Georg sie nicht verstanden hatte.
"Was?", rief er ihr zu und hatte sich schon bis auf wenige Meter genähert.
"Der dicke Mann war hier".
"Welcher Mann?".
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wohe Klammeraffe
W Alter: 71 Beiträge: 632 Wohnort: Berlin
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W 06.02.2021 19:08
von wohe
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@Daniel de Iguazu
Du plädierst dafür, die Sätze durch sorgfältigere Wortwahl knackiger zu gestalten.
Deine Beschreibung des Verschwinden des dicken Mannes gibt erzeugt in der Tat mehr Spannung.
Gute Ideen.
Übrigens: Der pfeifende Atem ist eine Eigenart des dicken Mannes und Susanne hat diese in einer früheren Passage bereits mit ihm in Verbindung gebracht.
@BrianG
Stimmt. Viel Text ist auch oft zuviel, nur bekommt man mit zu wenig keine längere Geschichte hin. Für mich folgt aus Deinem Kommentar, dass der Gedanke an Text um des Textes willen eine Schnapsidee ist (wenn ich da an manche amerikanischen SF-Romane denke, ...).
Zitat: | Wenn du Sinneseindrücke beschreibst, wirkt es oft eindrucksvoller, wenn du nicht die Figur und den gerade benutzten Sinn ins Zentrum stellst, sondern das Objekt der Betrachtung |
Deine Beispiele passen eindeutig besser in den Text als mein Original, sie sind belebender und helfen beim sich hineinträumen.
@Rodge
Deine Idee beschreibt ausführlicher, sowohl bezüglich der Umgebung als auch, was das Geschehen selbst betrifft. Grade damit habe ich so meine Schwierigkeiten, aber ok - dann muß ich da noch dran arbeiten.
Für das Erzeugen von Stimmung / Spannung sind die Unsicherheit der Wahrnehmung und Formulierungen wie der kühle Windzug, das hinter dem dicken Mann her reden und die vor Erschrecken noch leise Stimme gute Anregungen.
Ich danke Euch sehr.
MfG Wohe
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