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Wozu Dystopien?

 
 
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MarkusM
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Wohnort: Hüttenberg


Beitrag11.11.2020 10:18
Schreibgruppe (postapokalyptische) Dsytopie?
von MarkusM
Antworten mit Zitat

Auch wenn mein Erstlingswerk fertig bei Agenturen eingereicht ist (okay, das Exposé), werde ich mich wohl weiterhin im Bereich postapokalyptische Dystopie bewegen (wobei ich bei fast allen Ideen interessanterweise den Fokus auf die Zeit direkt nach dem Auslösnden Ereignis habe.

Hat vielleicht jemand interesse an einer entsprechenden Schreibgruppe?

Thomas74? Nina C?
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Elbenkönigin1980
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Beitrag11.11.2020 15:27
Re: Wozu Dystopien?
von Elbenkönigin1980
Antworten mit Zitat

Zitat:
Hallo,

eine Frage, die mich umtreibt: Was ist eigentlich die tiefere Motivation, eine Dystopie zu schaffen? Wobei ich hier von dieser Definition von Dystopie ausgehe: fiktionale, in der Zukunft spielende Erzählung o. Ä. mit negativem Ausgang.
Ich begreife die Motive für apokalyptische Endzeitszenarien nicht. Warum entwirft man schreibend eine (gänzlich) düstere Zukunft? Bietet unsere Gegenwart nicht mehr als genug Katastrophen? Warum also in die (zeitliche) Ferne schweifen, wo das Schlechte liegt so nah?
Soll damit vor noch schlimmeren Fehlentwicklungen gewarnt werden? Steckt dahinter die Hoffnung auf eine Art Katharsis des Lesers im Sinne der griechischen Tragödie?

Ratlose Grüße
DLurie



Meine Motivatione eine Dystopie zu schreiben ist auch, die Menschen aufzurütteln und ihnen zu sagen: "Ja, genauso könnte es kommen, wenn ihr falsch wählt."
In einer Dystopie steckt auch immer viel Gesellschaftskritik, die meisten Dystopien enthalten kritische Elemente, die für den Leser spannend verpackt werden.
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Gast







Beitrag12.11.2020 12:27
Re: Wozu Dystopien?
von Gast
Antworten mit Zitat

Elbenkönigin1980 hat Folgendes geschrieben:


Meine Motivatione eine Dystopie zu schreiben ist auch, die Menschen aufzurütteln und ihnen zu sagen: "Ja, genauso könnte es kommen, wenn ihr falsch wählt."
In einer Dystopie steckt auch immer viel Gesellschaftskritik, die meisten Dystopien enthalten kritische Elemente, die für den Leser spannend verpackt werden.


Das wäre dann die aufklärerische Komponente. Finde ich persönlich am interessantesten..
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Nina C
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

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Beitrag14.11.2020 03:03

von Nina C
Antworten mit Zitat

@MarkusM
So spannend ich Dystopien auch fand und finde: Zurzeit warte ich (langsam mit ungutem Gefühl) noch auf Verlagsantwort zu einem Roman rund um Sichtweise auf Frauen und Pornografie und schriebe an einem Roman über Entstehung von und Umgang mit Terrorismus. Beides ist zwar definitiv finster, aber nicht postapokalyptisch. Könnte sich aber in den nächsten Jahren ändern, dann wäre ich dabei (im Moment wäre ich wohl wenig nützlich, die Recherche geht ja ganz woanders hin).

Alles Liebe

Nina


_________________
Wenn ihr nicht die gequälten Sklaven der Zeit sein wollt, macht euch trunken, ohn’ Unterlass! Mit Wein, mit Poesie mit Tugend, wie es euch gefällt. (Charles Baudelaire)
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Elbenkönigin1980
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Beitrag14.11.2020 12:38

von Elbenkönigin1980
Antworten mit Zitat

Nina C hat Folgendes geschrieben:
@MarkusM
So spannend ich Dystopien auch fand und finde: Zurzeit warte ich (langsam mit ungutem Gefühl) noch auf Verlagsantwort zu einem Roman rund um Sichtweise auf Frauen und Pornografie und schriebe an einem Roman über Entstehung von und Umgang mit Terrorismus. Beides ist zwar definitiv finster, aber nicht postapokalyptisch. Könnte sich aber in den nächsten Jahren ändern, dann wäre ich dabei (im Moment wäre ich wohl wenig nützlich, die Recherche geht ja ganz woanders hin).

Alles Liebe

Nina


Klingt beides sehr interessant. Falls du einen Verlag findest, sagst du uns ja hoffentlich, wo man den Roman bestellen kann? Über welche Art von Terrorismus schreibst du denn? Islamismus? rechter Terrorismus? linker Terrorismus? Oder ist dein Roman eher allgemeint geschrieben und beschäftigt sich mit dem Phänomen Terrorismus unabhängig von der politischen Ausrichtung?
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Elbenkönigin1980
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Beitrag14.11.2020 12:50

von Elbenkönigin1980
Antworten mit Zitat

Maunzilla hat Folgendes geschrieben:
Dytopien entsprechen unserem aktuellen Zeitgeist. Zu meiner Zeit waren die Menschen von Technologie begeistert und haben sich eine großartige Zukunft ausgemalt. Dementsprechend waren die meisten Romane hoffnungsvoll.
Heute aber sehen wir uns mit zahlreichen Problemen konfrontiert, für die keine Lösung in Sicht ist: Überbevölkerung, religiöser Fanatismus, Umweltverschmutzung, Artensterben, Ressourcenknappheit, Klimawandel, Zerfall der Gesellschaft. Sich also eine Zukunft auszumalen, in der alle diese Probleme gelöst sind, ist schwierig und, sofern man selbst keine Lösung zur Hand hat, auch unglaubwürdig.
Hinzu kommt, daß die meisten Menschen auf Chaos und Gewalt konditioniert sind. Im Fernsehen laufen mehr Filme über Mord und Totschlag als harmonische Liebesgeschichten. In einer perfekten Gesellschaft sich eine interessante Geschichte auszudenken, ist schwierig.
Und noch ein Aspekt gilt es zu bedenken: Utopien sind in unserer heutigen fragmentierten Gesellschaft stets polarisierend. es gibt keinen allgemeinen Konsens mehr über die vollkommene Ordnung, so daß man immer eine mehr oder größere Anzahl Leser verstören wird. Und heutzutage bewirkt das stets einen mehr oder weniger heftigen Entrüstungssturm im Internet, was schlecht für das Geschäft ist.


Ich hab irgendwo mal gelesen, wie viele Morde pro Tag im Fernsehen gezeigt werden in Filmen, es waren tausende...
Man muss aber auch zugeben, dass die Genres oft verschmelzen, es gibt viele Filme, in denen sowohl brutale Morde als auch eine harmonische Liebesgeschichte vorkommen. Ich mag Liebesgeschichten auch lieber in  eine spannende Story verpackt wie beispielsweise bei "Die Tribute von Panem"; wo auch viele brutale Morde vorkommen, aber am Ende siegt die Liebe und das Gute.
Sicher, es ist nicht schön, dass es in Filmen viele Morde gibt, aber die Botschaft in vielen solcher Filme, dass am Ende das Gute und die Liebe siegen ist doch eine schöne Botschaft.
Filme in denen es nur um die Liebe geht, wie Rosamunde Pilcher und sowas, langweilen mich eher, für mich muss die Liebesgeschichte auch in eine spannende Story verpackt sein.
Zur Zeit lese ich die Schattentrilogie von Barbara Wood, das ist eine sehr gute Liebesgeschichte, aber auch eine Story über Menschen, die magische Fähigkeiten haben, und in einer von einer tödlichen Suche fast entvölkerten Welt leben müssen.
So mag ich Liebesgeschichten, eingepackt in einen spannenden Kampf zwischen Gut und Böse, bei dem das Gute am Ende siegt.
Sicher, Morde im Fernsehen sind nicht schön, aber bei vielen Storys sind sie gar nicht zu vermeiden....was wären Krimis ohne Morde?
Würden die Menschen Krimis auch dann anschauen, wenn es nur darum ginge, einen Verkehrssünder zu fangen und nicht einen Mörder?
Und die meisten Morde sieht man leider in der Tagesschau und die sind real, das ist wirklich schlimm, ich schaue Nachrichten gar nicht mehr jeden Tag, weil es mich zu sehr mitnimmt.
Und fast keine Dystopie kommt ohne Morde aus, da Dystopien fast immer in brutalen Diktaturen spielen, und in denen gibt es immer viele Morde.

Was mich viel mehr stört am Fernsehen als die fiktiven Morde sind diese Fremdschämshows wie Dschungelcamp, Bauer sucht Frau oder Dokusoaps, in denen arme Menschen als Volldeppen dargestellt werden.
Diese Shows sind extrem menschenverachtend, weil sie darauf angelegt sind, dass die Zusschauer sich über andere lustig machen sollen, und leider finden sich für solche Formate immer genug Zuschauer
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Elbenkönigin1980
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Beitrag14.11.2020 12:52
Re: Wozu Dystopien?
von Elbenkönigin1980
Antworten mit Zitat

Zitat:
Elbenkönigin1980 hat Folgendes geschrieben:


Meine Motivatione eine Dystopie zu schreiben ist auch, die Menschen aufzurütteln und ihnen zu sagen: "Ja, genauso könnte es kommen, wenn ihr falsch wählt."
In einer Dystopie steckt auch immer viel Gesellschaftskritik, die meisten Dystopien enthalten kritische Elemente, die für den Leser spannend verpackt werden.


Das wäre dann die aufklärerische Komponente. Finde ich persönlich am interessantesten..


Ja, ich fand das auch immer schon am interessantesten, wenn ich Dystopien gelesen habe.
Vor allem bei 1984, da bin ich heute erstaunt und entsetzt, wie viele Methoden aus 1984 schon Wirklichkeit geworden sind.
Glücklicherweise leben wir nicht in einer Diktatur, denn würden wir in einer leben, hätte die längst alle Überwachungsmöglichkeiten des Regimes aus 1984 zur Verfügung....der große Bruder lässt grüßen.
Orwell hat sich da schon der Realität erschreckend angenähert.
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Gast







Beitrag14.11.2020 15:23
Schreiben als Befreiung
von Gast
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Hallo miteinander,

meine Projektideen beginnen meist immer mit ein und derselben Frage: "Was wäre, wenn ...?" Die Frage wird in den unterschiedlichsten Momenten meines Lebens aufgeworfen, egal ob ich etwas sehe, höre, lese... Sie ploppt auf und das Gedankenkarussel beginnt sich zu drehen. Zunächst langsam, dann immer schneller. Aus einem Faden wird ein riesiges Netz gesponnen. Ich steigere mich quasi immer weiter hinein. Wink

So erging es mir neulich auch, als ein Bekannter einen scheinbar harmlosen Satz zu einer Thematik fallen ließ. Dieser eine Satz war für mich so prägend, dass ich weitergedacht habe, dass ich mir immer mehr vorgestellt und mir immer wieder obige Frage gestellt habe. Bis daraus ein dystopisches Szenario erwachsen ist und ich nicht anders konnte, als darüber zu schreiben. Mit der Zeit merkte ich, dass sich viele meiner negativen Gedanken in meinen Charakteren und meiner Geschichte allgemein widerspiegeln; und so schrecklich und furchtbar diese Vorstellungen auch sind ... so sehr hilft mir das Schreiben mit meinen Sorgen und Ängsten umzugehen.

Natürlich möchte ich mit meinem Schreiben unterhalten, natürlich möchte ich die Lesenden dazu animieren über gewisse Aspekte unseres Lebens nachzudenken. Was ich aber auch möchte, ist mir selbst einen riesigen Spaß zu bereiten - denn das bedeutet Schreiben in erster Linie für mich. Bei meinem neuen Projekt stellte sich aber für mich ein weiterer Nutzen des literarischen Handwerks heraus. Indem ich diese düstere Zukunft erschuf, konnte ich meine Ängste von mir wegschieben, meine Sorgen verarbeiten. Ich war in gewisser Weise "befreit". Rolling Eyes

Euch einen schönen Tag Daumen hoch²

Mila
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MarkusM
Geschlecht:männlichEselsohr

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Wohnort: Hüttenberg


Beitrag14.11.2020 16:04
Re: Wozu Dystopien?
von MarkusM
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Elbenkönigin1980 hat Folgendes geschrieben:
Orwell hat sich da schon der Realität erschreckend angenähert.


Für mich war die Manipulation der Wahrheit ein zentrales Element von 1984, die Überwachung dann das "Gimmick" obendrauf.


Das mit den Wahrheiten lässt sich sehr symbolisch am Umgang mit dem Konflikt in Afghanistan nachvollziehen. Waren die gegen die Sowjets kämpfenden Mudschahedin in der westlichen Rezeption noch die sympathischen Underdogs (passend in Rambo III dargestellt), drehte sich das Bild komplett und man hatte mit den Taliban das absolut böse.
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Nina C
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Beiträge: 990
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Beitrag16.11.2020 07:32

von Nina C
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@Elbenkönigin1980
Danke! Aber klar tu ich das Smile Bei dem fertigen Buch werde ich langsam nervös – die Verlagsbewerbungen liegen Ende November sechs Monate zurück (gna). Der Terrorismus-Roman ist noch nicht fertig (so 2/3), ich kämpfe etwas mit der Länge (zu kurz). Es geht um islamistischen Terror, allerdings eher um das „Warum“ anhand dreier fiktiver und sehr verschiedener Biografien. Mal schauen, ob das klappt. Smile
Ich habe gelesen, dass du Horror schreibst, schreibst du auch Dystopie? Wenn ja, mit welchem Ansatz?

Liebe Grüße

Nina


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Logan
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Beiträge: 77



Beitrag14.12.2020 15:52

von Logan
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Ich finde postapokalyptische Geschichten, denen eine dystopische Fiktion zugrunde liegt interessant. Das habe ich auch in meinem eben veröffentlichten Roman (Omega) umgesetzt nach dem Motto: "Stell dir vor, du wirst nach dem Ende der Welt geboren."

Liebe Grüsse
Logan
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Nemo
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Beitrag14.12.2020 16:24

von Nemo
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Ihr habt hier wirklich eine interessante Diskussion angestoßen. Mein Debut-Roman war eine Dystopie über technologische Vernetzung. Für mich war dabei auch Selbsttranszendenz eine persönliche Motivation. Unser Leben ist - nach derzeitigem Stand der Wissenschaft - endlich, aber wenn ich über die Zukunft schreibe, versuche ich auch einen Blick in eine Welt zu werfen, die ich vielleicht selbst nicht erleben werde. Damit wirke ich auch der Angst entgegen, etwas zu verpassen, was ich gerne erleben würde. Darüber hinaus ist die Zukunft ein formbarer Gestaltungsraum, in dem noch alles möglich ist. Er eignet sich damit in besonderer Weise auch zur literarisch-künstlerischen Bearbeitung, weil man sich mit fiktionalen Verfremdungen freier bewegen kann. Die Gegenwart oder die Vergangenheit legen ein engeres Korsett. Dass die Zukunft aber noch formbar ist, bedeutet für die Literatur, die einen solchen Blick nach vorn wirft, dass sie eine Verantwortung für die Frage hat, wie wir leben wollen, was uns hindert und was uns antreibt. Dystopien wie auch Utopien können deshalb auch einen gesellschaftspolitischen Wirkungsanspruch entfalten, den der Leser freilich an seinen aktuellen Lebensbedingungen spiegelt. Insofern sind Dystopien weitaus ernster gemeint als Einhorntexte. Ich sehe deshalb eine Dystopie keineswegs als Realitätsflucht an, sondern als ein Genre, das ganz dicht an den Wünschen und Ängsten der Realität ist und diese als Grundlage der literarischen Zukunftsgestaltung verwendet. Das ist dann auch der Anknüpfungspunkt für die Presseberichterstattung über die dystopischen Romane. Mein Buch ging deshalb vor allem als Digitalisierungsliteratur durch die Rezensionen.

Beste Grüße
Nemo


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Gast







Beitrag14.12.2020 19:33

von Gast
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Hallo Nemo,

da sind viele interessante Aspekte in deinem Beitrag.

Nemo hat Folgendes geschrieben:
Mein Debut-Roman war eine Dystopie über technologische Vernetzung. Für mich war dabei auch Selbsttranszendenz eine persönliche Motivation. Unser Leben ist - nach derzeitigem Stand der Wissenschaft - endlich, aber wenn ich über die Zukunft schreibe, versuche ich auch einen Blick in eine Welt zu werfen, die ich vielleicht selbst nicht erleben werde. Damit wirke ich auch der Angst entgegen, etwas zu verpassen, was ich gerne erleben würde.

Interessant. Da ticke ich anders. Ich bin inzwischen ein ziemlicher Pessimist, was die Zukunft anbelangt. Insofern kann ich mir gar nicht recht vorstellen, dass ich etwas Lohnenswertes verpasse…

Nemo hat Folgendes geschrieben:

Darüber hinaus ist die Zukunft ein formbarer Gestaltungsraum, in dem noch alles möglich ist. Er eignet sich damit in besonderer Weise auch zur literarisch-künstlerischen Bearbeitung, weil man sich mit fiktionalen Verfremdungen freier bewegen kann. Die Gegenwart oder die Vergangenheit legen ein engeres Korsett.

Das kann ich gut nachvollziehen. Für mich ist die Gegenwart vor allem verwirrend, ein Korsett, das ein ziemlich Gestörter geschnürt haben muss, um in deinem Bild zu bleiben. Widersprüche ohne Ende, die ich auch nicht annähernd in kohärente Zusammenhänge bringen kann. Da bietet sich die Flucht nach vorn an.

Nemo hat Folgendes geschrieben:

Dass die Zukunft aber noch formbar ist, bedeutet für die Literatur, die einen solchen Blick nach vorn wirft, dass sie eine Verantwortung für die Frage hat, wie wir leben wollen, was uns hindert und was uns antreibt.

Mit der Verantwortung dystopischer Zukunftsentwürfe bin ich eher vorsichtig. Stellt sich jemand bei Mad Max 1-4 noch die Frage, wie es zur Apocalypse kam, wie man sie hätte verhindern können, oder ist das nicht schlicht gut gemachte Action? Aber wahrscheinlich hattest du eher 1984 als Mad Max im Sinn.

Nemo hat Folgendes geschrieben:

Dystopien wie auch Utopien können deshalb auch einen gesellschaftspolitischen Wirkungsanspruch entfalten, den der Leser freilich an seinen aktuellen Lebensbedingungen spiegelt. Insofern sind Dystopien weitaus ernster gemeint als Einhorntexte. Ich sehe deshalb eine Dystopie keineswegs als Realitätsflucht an, sondern als ein Genre, das ganz dicht an den Wünschen und Ängsten der Realität ist und diese als Grundlage der literarischen Zukunftsgestaltung verwendet.

Das würde ich voll unterstreichen.  Im Gegensatz zum Einhorntext will die Dystopie richtig ernst genommen werden.


Nemo hat Folgendes geschrieben:

 Das ist dann auch der Anknüpfungspunkt für die Presseberichterstattung über die dystopischen Romane. Mein Buch ging deshalb vor allem als Digitalisierungsliteratur durch die Rezensionen.

Jetzt hast du mich neugierig gemacht. Kann man deinen Roman irgendwo kaufen?

LG
DLurie
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Liliengewächs
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 37



Beitrag15.12.2020 18:30

von Liliengewächs
Antworten mit Zitat

Weiß jemand, wie die aktuelle Krise die Lesegewohnheiten beeinflusst? Geht der Trend eher zu Geschichten mit Happy End, oder greifen Leser nach wie vor zu Dystopien?
Würde mich sehr interessieren, aber wahrscheinlich bin ich mit solchen Fragen zu früh dran. Jahresrückblicke dieser Art gibt es ja meistens erst im Folgejahr.
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Ralphie
Geschlecht:männlichForenonkel

Alter: 71
Beiträge: 6399
Wohnort: 50189 Elsdorf
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Beitrag15.12.2020 18:33

von Ralphie
Antworten mit Zitat

Ich denke mal, dass das Happy-End noch immer gefragt ist.
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Innerdatasun
Geschlecht:männlichWortedrechsler

Alter: 59
Beiträge: 52
Wohnort: Hamburg


Beitrag16.12.2020 10:04
Welche Bedeutung hat Literatur und Schreiben in Zeiten einer Pandemie ?
von Innerdatasun
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Liliengewächs hat Folgendes geschrieben:
Weiß jemand, wie die aktuelle Krise die Lesegewohnheiten beeinflusst? Geht der Trend eher zu Geschichten mit Happy End, oder greifen Leser nach wie vor zu Dystopien?
Würde mich sehr interessieren, aber wahrscheinlich bin ich mit solchen Fragen zu früh dran. Jahresrückblicke dieser Art gibt es ja meistens erst im Folgejahr.


Endlich mal jemand, der genau diese Frage anstößt - nämlich ob die aktuelle Situation unsere Lese bzw. auch unsere Schreibgewohnheiten ändert? Nein - und du bist mit dieser Frage nicht zu früh dran. Ganz im Gegenteil, wenn ich noch mal auf das Thema dieses Threads eingehen darf (Sinn von Dystopien)
Ich habe eher das Gefühl, das wir und damit meine ich Autoren, Agenturen/Verlage und der Buchmarkt an sich mit seinen Lesern dort draußen, noch immer am Reflektieren und Resümieren sind.
Ob wir deshalb uns langsam wegbewegen von typischen Genregewohnheiten (Fantasy, Krime, Herz/Schmerz oder History) weiß ich nicht. Aber ich denke, wenn sich diese gesellschaftlich/zivilisatorische Krise nicht in irgendeiner Form niederschlägt (es muss nicht dytopisch sein), dann hatte Literatur auch niemals wirkliche diese Bedeutung gehabt.


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Rodge
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Beitrag16.12.2020 11:30

von Rodge
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Ich habe im Sommer gelesen (die Quelle weiß ich nicht mehr), dass Dystopien häufiger geschrieben und gleichzeitig weniger gelesen werden (weil die Leute im Alltag schon genug Dystopie haben).

Keine Ahnung, ob sich das mit Zahlen untermauern lässt...
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Thomas74
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Beitrag16.12.2020 11:55

von Thomas74
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Ich habe vor gar nicht allzu langer Zeit einen recht hochnäsigen Aufsatz gelesen, alle aktuellen Dystopien würden lediglich versuchen, dem Erfolg von "Panem" hinterherzuhecheln.
Und ich gestehe, ich habe diesen ikonischen Meilenstein der Endzeitliteratur nichtmal gelesen, da mir der Plot zu flach und zudem auch nur von Battle Royal geklaut war...


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Gast







Beitrag16.12.2020 12:34

von Gast
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Rodge hat Folgendes geschrieben:
Ich habe im Sommer gelesen (die Quelle weiß ich nicht mehr), dass Dystopien häufiger geschrieben und gleichzeitig weniger gelesen werden (weil die Leute im Alltag schon genug Dystopie haben).

Keine Ahnung, ob sich das mit Zahlen untermauern lässt...


Ja, das wäre in etwa meine Reaktion. Corona, aber z.B. auch die immer spürbareren Auswirkungen des Klimawandels, schaffen eine reale Bedrohungssituation, in der mir  gar nicht mehr so recht der Sinn nach fiktiven apocalyptischen Zuspitzungen steht.

LG
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Ron Swanson
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Beitrag16.12.2020 12:44

von Ron Swanson
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Thomas74 hat Folgendes geschrieben:
Ich habe vor gar nicht allzu langer Zeit einen recht hochnäsigen Aufsatz gelesen, alle aktuellen Dystopien würden lediglich versuchen, dem Erfolg von "Panem" hinterherzuhecheln.
Und ich gestehe, ich habe diesen ikonischen Meilenstein der Endzeitliteratur nichtmal gelesen, da mir der Plot zu flach und zudem auch nur von Battle Royal geklaut war...


Ich kann mit Panem auch überhaupt nichts anfangen, weil die Geschichte selbst überhaupt keinen Sinn für mich ergibt.
BR habe ich trotzdem auf Drängen einer Freundin gelesen und für extrem gut empfunden. Warum genau das so ist, kann ich nicht sagen. Vermute aber, dass BR einfach nur ein perverses Experiment innerhalb dieser kaputten Gesellschaft darstellt dass jeden treffen kann.
Nach dem Lesen hatte ich auf jeden Fall ein schlechtes Gefühl, das schwer zu beschreiben ist.

Bei Panem werden ja alle mit viel Tam Tam darauf vorbereit und wissen immer wann es stattfindet und das es defintiv einen von ihnen treffen wird. An sich nicht schlimm. Aber jeder weiß, was auf dem Spiel steht. Das keiner freiwillig damit machen möchte, ist mir auch klar. Warum zwingt man nicht den Stärksten und lässt ein kleines Mädchen gehen, das keine Chance auf den Sieg hat? Confused
Das war für mich der Punkt, an dem ich keine Lust mehr hatte, mich mit dem Bucg auseinanderzusetzen.

Warum lesen die Menschen Dystopien? Um unterhalten zu werden. Deswegen gibt es auch so viele Bücher über Serienmörder etc.
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Thomas74
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Wohnort: Annaburg


Beitrag16.12.2020 12:51

von Thomas74
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Ron Swanson hat Folgendes geschrieben:


Warum lesen die Menschen Dystopien? Um unterhalten zu werden.

 Razz Tss, Tss... Das kannst du doch nicht sagen. Das ist ja, als ob dich ein Psychologe fragt, warum du trinkst, und du antwortest, weil es dir schmeckt.
So einfach kann die Antwort nicht sein, bzw. wäre dann dieser Thread obsolet... Verstecken


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Ron Swanson
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Beitrag16.12.2020 12:55

von Ron Swanson
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Thomas74 hat Folgendes geschrieben:
Ron Swanson hat Folgendes geschrieben:


Warum lesen die Menschen Dystopien? Um unterhalten zu werden.

 Razz Tss, Tss... Das kannst du doch nicht sagen. Das ist ja, als ob dich ein Psychologe fragt, warum du trinkst, und du antwortest, weil es dir schmeckt.
So einfach kann die Antwort nicht sein, bzw. wäre dann dieser Thread obsolet... Verstecken


 Verstecken Tut mir leid. Ich werde Fachliteratur heranziehen und Psychologie studieren, um eine bessere Antwort zu finden Wink
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