kein Herbstgedicht

[Tula]

kein Herbstgedicht

Ich weiß, ich könnte ihn jetzt preisen,
nur weil er tausend Farben hat,
die im Orchester um uns kreisen;
ein zartes Timbre jedes Blatt.
Mich reizt das nicht; so lass ich ‘s bleiben.

Natürlich könnte ich ihn loben,
bloß weil, was er in Früchten trägt,
wie ein Geheimnis eingewoben,
bereits den nächsten Zyklus prägt.
Ich mag das aber nicht beschreiben.

Gewiss, ich könnte ihn besingen:
just weil durch Groll und jähe Wut
stets wieder Gunst und Gnade dringen.
Wozu? Von Schwung und stiller Glut
berauscht will ich nur in ihm treiben.

[Zinna]

Moin Tula,

neben dem (erfreulichen) Nieselgrau draußen bin ich in dein Nichtherbstgedicht gestolpert.
Hach.
Ton, Bilder, Reime, Rhythmus, Wortreigen.
Hach.
Ich lass mich einfach mittreiben.

Lieblingsstelle:

ein zartes Timbre jedes Blatt.

Bunte Grüße
Zinna

[schwarzer lavendel]

hallo tula,
erst wollte ich dich loben -
wie zinna schon schrieb.

aber dann endet dein gedicht so positiv und
geradezu freundlich, damit kann ich ja nun gar
nichts anfangen.
liebe grüße
charlotte - herbstmuffelin

[Elena]

Lieber Tula,

beim Lesen des Gedichts fragte ich mich: Ja, weshalb hat er denn das Gedicht eigentlich geschrieben, wenn ihn das zarte Timbre (hier habe ich Zweifel, dass ein Blatt beim Fall ein Geräusch macht, das auch ein Timbre hat) nicht reizt und er den nächsten Zyklus nicht beschreiben will, aber ganz nebenbei doch ein Wort darüber fallenlässt?

Nun sind die Jahreszeiten beliebte Themen der meist romantischen Lyrik, und es ist verständlich, dass du zwar über den Herbst schreiben willst, aber dann doch lieber nicht, sozusagen ein indirektes Herbstgedicht, zwar geschrieben, aber nicht so gemeint, zumindest irgendwie anders. Reichlich inkonsequent.

Sauber geschrieben, da muss ich dich loben, und ich tu es gern.

Lieben Gruß, Elena

[Tula]

Moin Zinna

Das freut mich sehr, dich hier beim Herbstspaziergang wiederzufinden. Ich hoffe, der Herbst begnadet dich heute mit ein paar Sonnenstrahlen.

Flämingsche Grüße
Tula

[Tula]

Moin Charlotte

Verstehen kann ich das Herbstmuffeln, vor allem wenn das Wetter gar nicht besser werden will. So hoffe ich, dass auch dich ein paar Sonnenstrahlen treffen, natürlich beim Spaziergang durch herbstlich bunte Landschaft.

LG
Tula

[Tula]

Moin Elena

Natürlich liegt in diesem Widerspruch die Idee fürs Gedicht. Lyrich bedenkt vielleicht auch, dass bereits tausende und abertausende Herbstgedichte geschrieben wurden, die Hälfte davon wahrscheinlich seit der Erfindung des Internets ...

Aber dieser Widerstand bricht eben schnell, wenn man mitten im Orchester der Farben  steht, und wer aufmerksam lauscht, kann es sogar hören. Also hoch vom Schreibtisch, raus und einfach treiben lassen, so wie es Lyrich von der ersten Zeile an wirklich meinte ...

LG
Tula

[Abari]

Ich mag den Text. Er hat dieses feine Schmunzeln, das Du bereits in vielen Texten präsentiert hast.

Warum nicht in Zeiten von "Keinem Liebeslied" (gut, ist ein paar Jahre her) mal "Kein Herbstgedicht"? Stimmt für mich.

[Elena]

Lieber Tula,

ist ja klar, was du wolltest. Herbst, den Archetyp der lyrischen Melancholie, den wolltest du nicht, dein Autoren-Ich will schweigend genießen, sich treiben lassen, wie du schreibst. Wieder die Frage: Warum tut er es dann nicht, sondern erklärt erst mal, was er nicht will. Das scheint mir der wirkliche, in diesem Gedicht nicht aufgelöste Widerspruch zu sein.

Lieben Gruß, Elena

[Tula]

Hallo Abari

nun hast mich neugierig gemacht. "Kein Liebeslied" klingt sehr verführerisch.

Dankend lieben Gruß

Tula

[Tula]

Hallo Elena

eine Interpretation zum Widerspruch wäre, dass der Autor zunächst die Schönheit des Herbstes herunterspielt, sich innerlich wehrt, über ihn zu schreiben,  und ihn dann doch nach und nach mit wachsender Begeisterung, obgleich unbewusst, preist, lobt und besingt, bis zur Pointe.

Eine zweite, die schlichtere, wäre einfach die, dass er es von Anfang vorzieht, sich einfach nur treiben zu lassen, weil das viel aufregender ist. Also was ihn da nicht reizt, ist nicht der Herbst, sondern das Schreiben.

Eine dritte, bzw. Erweiterung zur zweiten, wäre die, dass er von Anfang an den Leser an der Nase herumführt ... Wie könnte er denn "kein Herbstgedicht" schreiben? Das schafft kein Dichter ...

LG
Tula

[Abari]

Dies oder dies.

(korrigiert)

[Tula]

Achso, ja sehr schön, d.h. vor allem die Rap-Variante

LG
Tula

[Abari]

Cool. Mir ist das zwar noch ein wenig zu weich, aber ich habe das andere nicht gefunden. Die Beginner haben auch irgendwann mal ein "Kein Liebeslied" gemacht, aber online ist nur "Ein Liebeslied" von denen.

Gefunden hab ich noch dies und erinnerte mich noch an dies und dies.

[Tula]

Dankenden Gruß
Tula

[menetekel]

Lieber Tula,

mir mundet dein widersprüchliches Herbstgedicht.
Eigentlich ... sollte man in Zeiten wie diesen nur die Weltseuche besingen.
Doch: Wer hat dazu schon Lust? Und wer will es lesen?

Ich
nich

Deshalb: Grüße der Zustimmung
m.

[Abari]

[Tula]

Moin menetekel

[poetnick]

Hallo Tula,

bin spät dran. Doch ein paar Blätter hängen ja noch. Es herbstet nach Kräften, und diese Frische wirkt auf mich belebend.