Was ist ein Name?

[Charlie Brokenwood]

„Mama, schau mal!“
„Was denn Emma?“
„Da ist ein Schmetterling.“
„Wo denn?
„Da - schau her, Mama“
„Ah - hier, auf dem Buch. Gefällt dir der Schmetterling?“
„Ich mag rosa und gelb und lila, Mama.“
„Sollen wir das Buch mitnehmen und es uns ansehen? Ja? Da drüben ist eine Bank. – Komm, setz dich zu mir Emma.“

„Mama?“
„Ja, Emma?“
„Was steht denn da?“
„Hier steht: Der kleine bunte Schmetterling flattert von Blume zu Blume.“
„Und wie heißt der Schmetterling?“
„Ich weiß nicht, Emma, hier steht nur …“
„Aber er muss doch einen Namen haben!“
„Wie soll er denn heißen?“
„Ist er ein Mädchen?“
„Ich weiß nicht. Was meinst du?“
„Ja, der Schmetterling ist rosa, der muss ein Mädchen sein.“
„Wirklich, Emma?“
„Nein, aber ich mag, dass er ein Mädchen ist.“
„Okay, ein Mädchen also. Und wie soll es heißen?“
„Er hat doch schon so viele Buchstaben, ist da kein Name dabei?“
„Oh Emma – na dann suchen wir mal. Das E kennst du doch schon. Findest du es?“
„Sieh‘ mal, Mama, hier ist eines – und da ist eines.“
„Ja, das stimmt. Da sind zwei E. Und der Buchstabe hier, da gibt es auch zwei davon, das ist ein Te.“
„E, Te, Te, E“
„Ja, genau Emma, aber wenn man es spricht, sagt man T, so wie in Schmetterling - oder in Wette.“
„Aber da ist doch der Name, Mama!“
„Wo denn, Emma?“
„Na ETTE, der Schmetterling heißt ETTE.“
„Ja, das ist ein schöner Name, der gefällt mir.“
„Und ich werde Ette immer finden, ich muss nur da hinschauen.“
„Ach Emma – komm her und lass dich drücken. -  Weißt du, was du gerade gemacht hast? Nein? Du hast gerade dein erstes Wort gelesen!“

[WSK]

Süß geschrieben. <3
Kann ich gut nachvollziehen, mein Großer lernt auch gerade lesen.

[HansGlogger]

Ja, schön geschrieben. Ette ist ein etwas ungewöhnlicher Name für einen Schmetterling. Vielleicht Else oder Ella, beide haben aber drei verschiedene Buchstaben. Oder ist die Geschichte sehr realistisch? Kinder lernen zuerst das "E" und dann gleich das "T".

[Charlie Brokenwood]

Also: Kinder haben doch eine andere Vorstellung von Namen, und den Namen hat doch Emma "gefunden" oder "erfunden". Vielleicht, weil die Buchstaben im Wort Schm ETTE rling einfach nebeneinanderliegen (und Mama etwas geholfen hat).

Diese Geschichte ist erfunden, eigentlich eine Reaktion auf das Drabble von Klemens_Fitte über den Jungen in der Buchhandlung, das fand ich so deprimierend, da wollte ich etwas Positives zum Thema Bibliothek schreiben.

Das "E" lernen Kinder bei uns (Österreich) relativ früh, wenn sie schlecht sehen und zum Augenarzt müssen. Um zu "lesen" werden da "E"s an die Wand projiziert, wo die drei Balken in verschiedene Richtungen gedreht werden und das Kind bekommt ein "E" aus Papier / Kunststoff in die Hand und muss die Öffnungen in dieselbe Richtung drehen - als Sehtest sozusagen.

Und das "T" habe ich als Autorin (und Mama) ausgewählt, weil da die Buchstaben nebeneinanderstehen.

Allerdings hat mein Kind als Kleinkind auch eine "Tante Ette" gekannt, das war die Tante, die immer eine Kette umgehabt hat -die Tante (K)ette eben (Das K konnte es noch nicht aussprechen). Deswegen find ich Ette jetzt als Namen nicht so ungewöhnlich. Wenn man Kinder nicht einbremst, wird man oft von ihrer Phantasie entzückt und überrascht.

In der Realität "lesen" oder besser "erkennen" Kinder zuerst meist ihren Namen (oder zumindest den Anfangsbuchstaben - was bei Emma ebenfalls "passen" würde), sofern der nicht allzu lange ist und sie vor Schulbeginn zu lesen beginnen.

Wenn sie erst in der Schule lesen lernen, dann meist mit den Buchstaben M und I und A. Das ist die in Österreich übliche Lehrmethode.

Also etwa so: MIMI IM (und dahinter ein Bild von einem Haus)
MAMA AM (+ Bildchen).