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Vogelsucher Leseratte
Alter: 18 Beiträge: 179
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23.08.2020 12:32 Wie spinnt man Geschichten? von Vogelsucher
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Hallo!
Folgendes Problem: Ich kann nur Photos schießen, keine Filme drehen.
Mit meinem Schreibstil bin ich einigermaßen zufrieden; ich habe mir vor einer Weile vorgenommen, jeden Tag einen Augenblick einzufangen, um Dinge besser beschreiben zu können. Zum Beispiel Lichtflecken auf dem Fensterrahmen, einen See oder eine Zimmerecke. Nach zwei Monaten habe ich die Übung dann beendet, weil ich keine großen Probleme mit meinem Stil feststellen konnte.
Jetzt wollte ich eigentlich die gleiche Übung mit fiktiven Handlungen statt Augenblicken wiederholen, denn ein ausreichender Schreibstil ohne die Fähigkeit, spannende Geschichten zu erfinden, nützt natürlich nicht viel.
Aber da scheitert es bei mir. Ich habe noch nicht einmal versucht, die Übung anzufangen, weil mir einfach nichts Gescheites einfällt. Ich scheine unfähig zu sein, mir interessante Handlungen mit überraschenden Wendungen, Gefahren und Absichten der Akteure zu überlegen.
Was könnt ihr mir empfehlen, wie überlegt ihr euch Geschichten?
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agu Exposéadler
Alter: 49 Beiträge: 2009 Wohnort: deep down in the Brandenburger woods
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23.08.2020 12:46
von agu
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Hallo Vogelsucher,
um Dich heranzutasten, kannst Du einfache Kreativitätstechniken aus der Ecke "Was wäre wenn" ausprobieren, hier einige Beispiele:
Nimm Dir ein Foto - egal was für eins, es kann einfach ein Bild in einem Buch sein, oder auf einer Webseite, aus einer Zeitschrift... und dann denk Dir eine Geschichte dazu aus. Du schaust auf das Bild und fragst Dich - was sind das für Leute? Warum tun sie das, was sie gerade tun? Was ist das für ein Gesichtsausdruck? Schaut diese Person nachdenklich, oder lächelt sie? Wenn ja, warum? Vielleicht wegen etwas, das gerade im Hintergrund passiert? Wenn ja, was kann das sein...
Oder wenn Du spazieren gehst und an einem interessanten Ort stehen bleibst, könntest Du Dir ein Notizbuch mitnehmen und Dir aus den Details, die Du siehst, ein Handlungsfragment überlegen.
Beispiel: Wenn Du auf einem Waldweg bist und Du siehst Fußabdrücke und einen Busch - dann überlegst Du Dir, wer hier entlang gegangen sein könnte. Was er gedacht hat. Vielleicht hat er über ein Problem gegrübelt. Was für ein Problem? Schwierigkeiten im Job? Probleme mit der Ex-Frau? Oder etwas viel Schwerwiegenderes? Vielleicht wird er erpresst und er starrt auf die riesige Brombeerhecke, die neben dem Weg verläuft und fragt sich, ob man den Erpresser je finden würde, wenn er ihn in so einer Hecke versteckt ... schon hast Du den Anfang für einen Krimi
Das 'Was wäre wenn'-Prinzip funktioniert eigentlich immer. Was wäre, wenn in dem Baum vor meinem Fenster Kobolde leben?
Was wäre, wenn von einem Tag auf den anderen einfach kein Regen mehr fällt?
Was wäre, wenn im Haus gegenüber ein geheimnisvoller neuer Bewohner einzieht, der zu merkwürdigen Zeiten nachts in seinem Garten herumschleicht? Was macht der da?
Auf diese Weise kannst Du Dich über kleine Szenen soweit herantasten, dass Du irgendwann eine Handlung für eine Kurzgeschichte zusammenkriegst.
Das ist natürlich nur der erste Schritt auf einem langen Weg - zu einer Novelle oder sogar einem Roman braucht es noch eine ganze Menge mehr. Aber man muss ja einen Schritt nach dem anderen machen
_________________ Meine Bücher:
Engelsbrut (2009 Sieben, 2011 LYX) | Engelsjagd (2010 Sieben) | Engelsdämmerung (2012 Sieben)
Die dunklen Farben des Lichts (2012, SP)
Purpurdämmern (2013, Ueberreuter)
Sonnenfänger (2013, Weltbild)
Kill Order (2013 Sieben)
Choice / als Chris Portman (2014, Rowohlt)
Wie man ein Löwenmäulchen zähmt / als Eva Lindbergh (2016, Droemer Knaur) |
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Bunt Speck Eselsohr
Beiträge: 436 Wohnort: Brimm
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23.08.2020 12:49
von Bunt Speck
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Hi Vogelsucher,
vor allem lasse ich mir Zeit und nutze ein Notizbuch. Darin fange ich Ideen auf, halte sie fest und lasse sie reifen, dann spinne ich die Ideen weiter, wenn mir was in den Sinn kommt. Das kann schnell gehen und es kann ewig dauern. Irgendwann bilden sich dann aus den Ideen und Szenen Geschichten und die Zusammenhänge wachsen dann auch.
Ist halt eine Frage der Geduld ... für mich. Und es gitb Tage und auch Wochen, wo einfach nichts entstehen will.
Grüße
Bunt
_________________ Don't worry, we're in no hurry.
School's out, what did you expect? |
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MissClara Klammeraffe
Beiträge: 666
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23.08.2020 13:02
von MissClara
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Hi! Das ist eine Frage, die kann man schwer mal eben so beantworten. Aber auch hier gilt: Man kann es üben. Erstmal würde ich mich mit den Grundregeln von Dramaturgie beschäftigen. Dh., jede gute Geschichte braucht (meines Erachtens) einen DRAMATURGISCHEN BOGEN. Heldenreise wäre so ein Stichwort, Ganz simple ausgedrückt: Dein Protagonist hat ein Ziel. Dieses Ziel muss ihm nicht mal bewusst sein, im Gegenteil, oft steht sein Ziel im Konflikt mit seinem Verhalten und er muss erst erkennen, was er tun kann, um sein wahres Ziel zu erreichen.
Das ist nur EINE Variante davon, wie man in der Theorie einen dramaturgischen Bogen aufbauen könnte. Die Details muss man dann natürlich für sich finden. Ob es ein Junge ist, der davon träumt die Welt zu bereisen, weil er glaubt, auf diese Weise seinem verstorbenen Vater nahe zu sein und am Ende erkennt, der Vater ist in ihm. Oder eine Frau, die sich vorgenommen hat, ihre Nachbarn zu vergraulen und während sie das tut merkt, dass die Menschen nebenan ganz anders sind, als sie dachte.
Bitte jetzt nicht drauf festnageln, dass das alles vorhersehbar ist usw. Natürlich ist die Kunst, die Kniffe darin auszuarbeiten. Ich persönlich bin jedenfalls ein Verfechter vom sogenannten "plotten" - man arbeitet die Geschichte theoretisch aus (Fallhöhe, größte Angst usw.) und geht dann in die Feinheiten. Manche starten dabei mit einem Charakter, dessen Konflikt sie unbedingt erzählen wollen. Oder mit einer These ("Geld macht nicht glücklich"). Oder mit einer historischen Epoche. Oder oder oder. Egal wo man startet, man kann immer einen dramaturgischen Bogen spannen. Etwas, das dem Leser zwischen den Zeilen sagt: "Hier geht die Reise los, komm mit, ich erzähle es dir."
Andere schreiben einfach drauf los und dabei ergibt sich von alleine alles, weil sie beim Schreiben merken, welche Geschichte sie erzählen wollen.
Falls du dir Theorie aneignen möchtest, empfehle ich z.B. "Story" von Robert MCKee. Nicht erschrecken, ist ein ziemlich Wälzer. Man kann aber auch durchaus bei jedem einzelnen Kapitel schon was lernen, wenn man zb. nur über Figurenentwicklung etwas lernen möchte.
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MissClara Klammeraffe
Beiträge: 666
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23.08.2020 13:04
von MissClara
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Zitat: |
Das 'Was wäre wenn'-Prinzip funktioniert eigentlich immer. Was wäre, wenn in dem Baum vor meinem Fenster Kobolde leben?
Was wäre, wenn von einem Tag auf den anderen einfach kein Regen mehr fällt?
Was wäre, wenn im Haus gegenüber ein geheimnisvoller neuer Bewohner einzieht, der zu merkwürdigen Zeiten nachts in seinem Garten herumschleicht? Was macht der da?
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Das find ich super auf den Punkt gebracht!
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Ribanna Klammeraffe
Alter: 61 Beiträge: 772 Wohnort: am schönen Rhein...
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23.08.2020 13:35
von Ribanna
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Schöne Szenen, die man dann weiter "spinnen" kann, findet man auch in Wartezimmern, an Bushaltestellen, im Eiscafe oder Straßencafe.
Was machen die Leute da? Wo will die Dame mit dem großen Hut hin? Sind die zwei Menschen, die dort stumm am Tisch sitzen, ein Paar?
Überall, wo du warten musst, kannst du Menschen beobachten und dich fragen, wo sie gerade herkommen, was sie vor Ort machen, wohin sie wollen etc.
Das schult den Blick, hilft, Szenen zu erkennen und auch, sich Charaktere besser "vor Augen zu führen".
_________________ Wenn Du einen Garten hast und eine Bibliothek wird es Dir an nichts fehlen. |
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Ralphie Forenonkel
Alter: 71 Beiträge: 6407 Wohnort: 50189 Elsdorf
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23.08.2020 14:05
von Ralphie
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Wenn ich mir eine Geschichte zusammenbastele, habe ich immer einen Satz für den Schluss: Sie kriegen sich. Dazwischen kann alles passieren.
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Katze Gänsefüßchen
Beiträge: 16
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23.08.2020 15:38
von Katze
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Ganz ehrlich: ich überlege mir die Wendungen und Probleme meiner Geschichten nicht im voraus. Wenn das Schreiben mich nicht so mitreißt, dass die von ganz allein geschehen, interessiert mich der Fortgang nicht mehr.
Also: ich plotte nicht, habe keinen Handlungsrahmen und weiß auf Seite 10 oft nicht, was auf Seite 100 geschehen wird. Zumindest nicht im Fantasy-Bereich.
Manchmal weiß ich nur eine Szene; eine kurze Begegnung zwischen zwei Menschen zum Beispiel, die sich schwer tun, voreinander ehrlich zu sein. Dann fange ich eben an und schreibe, um den Weg bis zu dieser Begegnung aufzuzeichnen. 200 Seiten später stehen sie sich gegenüber. Oder eben auch nicht, wenn sich die Geschichten eigenständig anders entwickelte.
Die Ausgangszene, das sind die kleinen Gedanken, die auch mein Notizbuch füllen. Die kommen wirklich, wenn ich mit offenen Augen durch die Straßen gehe oder ein Bild betrachte etc. Allerdings schaffen es diese konservierten Ideen nur selten in eine Geschichte.
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Natalie2210 Klammeraffe
N Alter: 37 Beiträge: 583
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N 23.08.2020 19:02
von Natalie2210
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Hallo!
Eine Möglichkeit ist auch, von einem (realen) Ereignis auszugehen, und darum eine Geschichte zu spinnen. Sorj Chalandon macht das in "Am Tag davor" ganz großartig - ein Grubenunglück in Frankreich ist der Auslöser, und er erfindet Protagonisten, die es miterleben und entsprechend reagieren.
Am Besten wäre natürlich etwas, das dich persönlich beeindruckt hat, denn dann ist es für dich sehr präsent. Das können Personen sein, Ereignisse, Orte, oder auch Geschichten, die deiner Meinung nach ein unbefriedigendes Ende fanden - und dann würde ich, wie Katze schrieb, einfach einmal starten. Die Geschichte entwickelt sich dann während des Schreibens.
lg,
Natalie
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MarVeRiCk94 Leseratte
Alter: 29 Beiträge: 116
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23.08.2020 20:18
von MarVeRiCk94
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Hi Vogelsucher,
Die großen Geschichten, die ich schon geschrieben habe, sind bei mir meistens aus spannenden Träumen, bzw. Albträumen, die ich mal Nachts hatte, entstanden. Mein Fantasy-Epos, von dem ich heutzutage hier immer ganz vage berichte, entstand aus einem Albtraum, den ich eines Nachts vor rund 7-8 Jahren hatte, und bildet heute (natürlich in stark veränderter Form zum Traum von damals) das Finale des gesamten Epos.
Und so sind viele Geschichten für mich entstanden; meistens hatte ich eine gute Idee und dachte mir dann: "Darin kulminiert ALLES! Das ist das große Finale!" und hab dann Schritt für Schritt den Weg dorthin erarbeitet. Es hat lange Zeit in Anspruch genommen (inzwischen sind ja auch einige Jährchen vergangen ), viele Wege die ich genommen hab, hab ich auch wieder zurückgehen müssen, um die Geschichte an den Punkten auszubessern, aber im Großen und Ganzen bin ich jetzt vollends zufrieden mit meinem Endprodukt. Nur verlegt krieg ichs nicht
Bücher zu schreiben mag verlockend einfach klingen, doch meistens ist die Umsetzung der Idee doch pure Anstrengung. Trotzdem, wenn man es für sich als Hobby behält so wie ich, findet man an der Arbeit trotzdem sein Gefallen.
_________________ "Life is more than the Real Life." |
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Mogmeier Grobspalter
Moderator Alter: 50 Beiträge: 2677 Wohnort: Reutlingen
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23.08.2020 22:36
von Mogmeier
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Hallo Vogelsucher,
eine Idee (also bezogen auf die Menge bzw. Anzahl dieser Idee, verdeutlicht anhand der Zahl 1) lässt selten gleich eine Geschichte daraus entstehen.
Ich mache das immer folgendermaßen: Zuerst sammle ich alles Mögliche an Ideen (so wie mir die gerade in den Sinn kommen, also ohne danach zwanghaft zu suchen). Viele dieser Ideen scheinen dabei für den Moment alles andere als ausbaufähig zu sein, aber es sind gerade diese scheinbar nicht ausbaufähigen Ideen (manchmal auch nur kleinere Eindrücke) die beim nächsten Schritt sozusagen das Gelbe vom Ei sind.
Nun heißt es, diese Ideen zusammenzuführen. Und hierbei gilt: je mehr sich diese Ideen voneinander unterscheiden, desto besser das Ergebnis. Will sagen, suche nicht die Ideen, die zusammenpassen könnten, sondern suche, oder besser gesagt, bilde selbst den Zusammenhang zwischen den unterschiedlichsten Ideen, denn genau diese Verknüpfung ist dann deine Story.
LG Mog
_________________ »Nichtstun ist besser, als mit viel Mühe nichts schaffen.«
Laotse |
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Maunzilla Exposéadler
Beiträge: 2832
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24.08.2020 00:44
von Maunzilla
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Wie man eine gute Geschichte komponiert, ist eine Kunst für sich. Am besten besorgst du dir den einen oder anderen Autoren-Ratgeber. Es gibt da etliche auf dem Markt, die viele hilfreiche Ratschläge und Ideen enthalten, auch praktische Übungen und Tips, wie man einen Verlag findet.
Schau dir z.B. mal die Bücher von Stephan Waldscheidt, James N. Frey oder Sol Stein an.
Im Übrigen ist es hilfreich, gute Romane zu lesen und sie zu analysieren. Wie hat der Autor sie aufgebaut? Welche Figuren treten auf, wie stehen diese zu einander? Was geschieht in welchem Kapitel? Da kann man viel lernen. (Auch aus Filmen.)
_________________ "Im Internet weiß keiner, daß du eine Katze bist." =^.^= |
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