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Gast
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21.07.2020 22:54
von Gast
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Zitat: | Jenni hat Folgendes geschrieben: | Da diskutieren die satten weißen Männer die ganze Nacht und kommen im Morgengrauen gemeinsam zu dem Schluss: Sie leben ihre Utopie bereits. Schön. Darin steckt Romanstoff, schwant mir. Solcher für einen richtig guten Roman unserer Zeit. |
Hmmmm, subtil? Subtil zynisch? Subtil zynisch niederschmetternd? Subtil zynisch niederschmetternd beabsichtigt? Oder nichts von A-D?
Veith schreibt, dass noch Luft nach oben ist. Ich schreibe "Trotz Aller offenkundigen Schwächen und Probleme."
Ja, es gibt auch hier und jetzt Probleme, z.T. sehr gravierende. Utopie und Paradies sind zwei verschiedene Dinge. Magst Du uns verraten, wo und wann Du von allen bekannten Orten der Gegenwart oder der Vergangenheit lieber leben würdest oder bessere Verhältnisse findest als Hier und Jetzt (abgesehen vielleicht von den auch schon von Andreas erwähnten mittlerweile fast kaum mehr existenten indigenen Paradiesnischen)?
Ich sage nicht, dass der status quo für alle Zeiten festgenagelt sein darf, weil es nicht besser ginge, das geht es bestimmt. Ich sehe nur, dass die momentan massiv geäußerte Kritik, die gedankenlose Annahme der heutigen Errungenschaften als selbstverständlich und die gezielt kanalisierte Wut eher zum Abbau als zum Ausbau derselbigen Errungenschaften führen wird, wenn wir uns nicht immer wieder klar machen, wie zerbrechlich sie sind. |
Hallo Jenni,
nur zur Klarstellung:
Ich nehme die Kritik an, und ich kann (auch wenn das bei Dir nicht mitspielen sollte) Verärgerung, Zynismus, Verbitterung und Sarkasmus nachvollziehen und verstehen. Ja, ich bin ein satter weißer Mann in jedem möglichen Wortsinn der Phrase, und ja, natürlich fällt es mir wesentlich leichter als einem Mitglied fast jeder anderen Gesellschaftsgruppe, die momentane Gesellschaftsordnung zu verteidigen und als paradiesisch-utopisch zu sehen.
Trotzdem bin ich davon überzeugt, daß auch diejenigen, die in unserem System nicht in die Kategorie satter weißer Mann fallen, in der Vergangenheit und in der Gegenwart an vielen anderen Orten unglücklicher wären als Hier und Jetzt. Es ist halt immer die Frage, wogegen man vergleicht.
Ich fände es auch besser, wenn es die Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten nicht geben würde, die es hier immer noch gibt. Aber nochmal: Die gesellschaftlichen Tendenzen gehen stark in eine reaktionäre Richtung, was zwangsweise dazu führen wird, dass die Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten mehr statt weniger würden.
Es gibt nicht wenige satte weiße Männer, die das gut fänden. Ich gehöre nicht dazu.
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V.K.B. [Error C7: not in list]
Alter: 51 Beiträge: 6154 Wohnort: Nullraum
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21.07.2020 23:16
von V.K.B.
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Ich schließe mich RAc an.
Klar ist da schon was dran, aber die sexistische und rassistische Komponente hätte man rauslassen können. Genug zu essen haben hier im Forum vermutlich alle. Und streng genommen ist es damit schon dekadent, einen Wettbewerb über eine "bessere Welt" abzuhalten oder daran teilzunehmen.
_________________ Hang the cosmic muse!
Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills … |
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sleepless_lives Schall und Wahn
Administrator Alter: 58 Beiträge: 6476 Wohnort: München
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21.07.2020 23:25
von sleepless_lives
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V.K.B. hat Folgendes geschrieben: | In einer allgemeinen Utopie müssten alle über gleich viel oder gleich wenig verfügen. Und gleich glücklich sein, das heißt, sie müssten auch die gleichen (minimalen) Bedürfnisse haben. Da passt der Mensch nur, so wie er ist, nicht rein. Also müsste er passend gemacht werden, wie auch immer. Und ein solcher Eingriff kann nur mit Freitheitsverlusst einhergehen, nämlich der Freiheit, das sein zu dürfen, was man ist |
Dem kann ich mich nicht so ganz anschließen. Minimal müsste es in "Da passt der Mensch nur, so wie er jetzt ist" geändert werden. Aber dann sagt es eigentlich nicht mehr viel aus. Viele Jäger-und-Sammler-Kulturen erfüllen genau das, außer gleich glücklich zu sein vielleicht, was sich aber meiner Meinung nach sowieso einer Definition entzieht und damit nicht anwendbar ist. Tatsache ist dagegen, dass wir nach heutigen Erkenntnissen Jahrtausende so gelebt habem, dass diese Lebensweise im Zentrum der Menschwerdung selbst stand, nicht die viel späteren auf Besitz gegründeten Bauerngesellschaften oder Nomaden mit Viehbestand.
Noch mehr Probleme habe ich voraussagbar damit:
Ich zitier das mal hier:
Zitat: | Nun, für mich ist das Hier und Jetzt die fast größtmögliche denkbare Utopie (wie ich schon im Stammtischfaden erwähnt habe). So ziemlich Alle in der Vergangenheit und in Anderen Teilen der Welt lebenden Menschen würden Mitteleuropa im Jahr 2020 als die bestmögliche Annäherung an paradiesische Zustände sehen, wenn man sie mit unserer Lebensrealität konfrontieren würde/wird/könnte. Trotz Aller offenkundigen Schwächen und Probleme. |
Da wissen wir, dass es sich nicht so verhält. Menschen der Jäger-und-Sammler-Kulturen würden an Depressionen sterben in unserer Gesellschaft und das nicht im übertragenen Sinn. Sie würden sie als unerträglich einsam, kalt, unfreundlich, unfrei, egoistisch, anti-spirituell und der Natur entfremdet empfinden.
_________________ Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)
If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright) |
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Gast
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21.07.2020 23:32
von Gast
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Zitat: | Menschen der Jäger-und-Sammler-Kulturen würden an Depressionen sterben in unserer Gesellschaft und das nicht im übertragenen Sinn. Sie würden sie als unerträglich einsam, kalt, unfreundlich, unfrei, egoistisch, anti-spirituell und der Natur entfremdet empfinden. |
Jetzt fühle ich mich schon viel besser verstanden! Auch wenn die Erkenntnis völlig unabhängig von meinem Beitrag kam. Ich hab allerdings das Rad der Zeit noch weiter zurückgedreht und “an Depressionen sterben” eher aus der Sicht gegenüber als “an Aggressionen sterben” dargestellt.
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holg Exposéadler
Moderator
Beiträge: 2396 Wohnort: knapp rechts von links
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22.07.2020 00:22
von holg
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Da läuft grad irgendwie die gleiche Diskussion in zwei Fäden und ich hab grad was in den andern gepostet, was hier passen würde.
Naja, bin eh für paar Tage weg.
Tschüsseldorf!
_________________ Why so testerical? |
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Gast
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22.07.2020 07:40 Maikäferflug von Gast
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Wie schön muss es sein, als Käfer den blumigen Garten fliegend zu erkunden, “in einem Meer von Wohlgerüchen herumschweben”, der Blüten Grüsse übermitteln und dabei ihr Nektar laben. Doch ist es so, dass wenn ich meinen Panzer öffne und meine Flügel in der Sonne glitzern lasse, es die kalten Augen der Eidechse anzieht, mit ihrer schnellen Zunge. Und fliege ich deshalb erst Abends dem Licht entgegen, verbrenne ich mir wie Ikarus die Flügel. So bezeugt es der üble Geruch der elend Versengten, die am Boden hilflos mit den Stummeln schlagen oder bereits regungslos schweigen. Wende ich mich schliesslich den Menschen zu, wie sie zwischen den Beeten lustwandeln, so werde ich geschlagen und verscheucht, auf dass ich dort hinfliegen möge, wo ich herkam, als ob ihr Garten nur ohne mich schön sei. Nein, dünkt es mich nach kurzem Probeflug, ich will kein Maikäfer sein.
"Ja, du bist so ein ganz Schlauer", "Da diskutieren die satten weißen Männer die ganze Nacht", "Sei kein verfickter Misanthrop."
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Gast
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22.07.2020 09:36
von Gast
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sleepless_lives hat Folgendes geschrieben: |
Zitat: | Nun, für mich ist das Hier und Jetzt die fast größtmögliche denkbare Utopie (wie ich schon im Stammtischfaden erwähnt habe). So ziemlich Alle in der Vergangenheit und in Anderen Teilen der Welt lebenden Menschen würden Mitteleuropa im Jahr 2020 als die bestmögliche Annäherung an paradiesische Zustände sehen, wenn man sie mit unserer Lebensrealität konfrontieren würde/wird/könnte. Trotz Aller offenkundigen Schwächen und Probleme. |
Da wissen wir, dass es sich nicht so verhält. Menschen der Jäger-und-Sammler-Kulturen würden an Depressionen sterben in unserer Gesellschaft und das nicht im übertragenen Sinn. Sie würden sie als unerträglich einsam, kalt, unfreundlich, unfrei, egoistisch, anti-spirituell und der Natur entfremdet empfinden. |
Ja, das Thema hatten wir schon; das im christlichen formulierte (und bis heute in "abendländischen Kulturen" vorherrschende) Dogma "macht Euch die Erde untertan" hat zu einer weitergehenden Entfremdung von und Objektisierung der Natur geführt.
Ich stimme damit überein, dass die Entwicklung als solche problematisch ist. Ich argumentiere aber vom Zivilisationsstand innerhalb dieses Dogmas.
Die Naturvölker mögen zwar im Einklang mit der Natur gelebt haben, aber ein Zuckerschlecken was das (Über)leben in diesen Zeiten zweifellos auch nicht. Erstmal was dem Ausgesetztsein gegenüber der Natur angeht (ab einem gewissen Alter hat eine Zentralheizung und Strom aus der Steckdose seinen Charme), aber signifikanter was die Sozialstrukturen angeht. Das individuelle und kollektive Machtstreben ist sehr sehr tief genetisch verankert, das wissen wir aus anthropologischen und Verhaltensbiologischen Untersuchungen unter Spezies, mit denen wir als Mensch verwandt sind. Folter, Krieg, Intrigen, (sexuelle und anderweitige) Versklavung, willkürlicher Machtmissbrauch, fehlende Mitbestimmungsmöglichkeit innerhalb der Gruppe - gibt es überall im Tierreich und damit logischerweise auch unter jedem Naturvolk und (allerdings, und das ist mein Punkt, besser kontrolliert und vor Allem thematisiert) in "zivilisierten" Gesellschaften.
Als kleinen Denkanstoß würde ich mal jede Frau, der etwas an sexueller Selbstbestimmung liegt, die Frage stellen, wo und wann (Vergangenheit oder Gegenwart) die geringsten Missstände in dieser Hinsicht vorlagen/liegen. Ja, es gibt im Jahr 2020 in Mitteleuropa Luft nach oben, aber auch eine verdammt hohe Falltiefe nach unten.
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Gast
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22.07.2020 13:30
von Gast
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Zitat: | Das individuelle und kollektive Machtstreben ist sehr sehr tief genetisch verankert, das wissen wir aus anthropologischen und Verhaltensbiologischen Untersuchungen unter Spezies, mit denen wir als Mensch verwandt sind. | Jetzt wird es ja richtig spannend.
In natürlicher Umgebung entstandene, genetisch verankerte Verhaltensweisen entpuppen sich gepaart mit Technologie mitunter als fatal. Man nehme einen latenten Hang "sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen" und drücke den Trägern semi-automatische Feuerwaffen in die Hand. In diese Richtung geht auch der Oscar-nominierte Dokumentarfilm "fressen und gefressen werden" von 1972 (ich weiss nicht, ob er im kollektiven Gedächtnis noch so weit vorhanden ist, dass eine Referenz im Beitrag hätte festgestellt werden können).
Zitat: | Folter, Krieg, Intrigen, (sexuelle und anderweitige) Versklavung, willkürlicher Machtmissbrauch, fehlende Mitbestimmungsmöglichkeit innerhalb der Gruppe - gibt es überall im Tierreich | Da kann ich mich nicht einverstanden erklären. Folter, Intrigen und willkürlicher Machtmissbrauch überall im Tierreich? Mit Phantasie und dem menschlichen Hang, bei Tierverhalten menschliche Züge reinzuinterpretieren, könnte ich mir gerade noch vorstellen, dass dies jemand bei gewissen Affenarten so sehen mag.
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Gast
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22.07.2020 13:41
von Gast
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Zitat: |
Zitat: | Folter, Krieg, Intrigen, (sexuelle und anderweitige) Versklavung, willkürlicher Machtmissbrauch, fehlende Mitbestimmungsmöglichkeit innerhalb der Gruppe - gibt es überall im Tierreich | Da kann ich mich nicht einverstanden erklären. Folter, Intrigen und willkürlicher Machtmissbrauch überall im Tierreich? Mit Phantasie und dem menschlichen Hang, bei Tierverhalten menschliche Züge reinzuinterpretieren, könnte ich mir gerade noch vorstellen, dass dies jemand bei gewissen Affenarten so sehen mag. |
Du kannst mal hiermit anfangen:
https://www.amazon.de/WILDE-DYNASTIEN-Clans-Tiere-Blu-ray/dp/B07NN3FJ4B/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=21YT86S44EJJG&dchild=1&keywords=wilde+dynastien&qid=1595417978&sprefix=wilde+dynastie%2Caps%2C151&sr=8-1
oder aber so ziemlich jede Tierdokumentation der BBC, speziell die von David Attenborough produzierten. Dir wird die Spucke wegbleiben.
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Gast
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22.07.2020 13:54
von Gast
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Ja gut, werde versuchen, mir einiges anzuschauen.
Hab halt oft gesehen, dass wie gesagt menschliche Züge einfach übertragen werden, wie es zuhause der Hunde- oder Katzenbesitzer tun mag.
"Machtmissbrauch" zum Beispiel. Missbrauch bedeutet wissentlicher Gebrauch entgegen der ursprünglichen Intention (meine spontane Definition). Wie können wir bei Tieren die ursprüngliche Intention feststellen oder gar wissentlichen Gebrauch entgegen dieser Intention unterstellen?
[Edit] Aha, David Attenborough. Jetzt wo ich sein Gesicht sehe und die Stimme höre, weckt es Erinnerungen! Trotzdem, auch gute Tierdokus vermenschlichen doch ihre Subjekte zumindest subtil, um dem Publikum die Empathie zu erleichtern.
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nebenfluss Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5982 Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
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22.07.2020 20:23
von nebenfluss
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Constantine hat Folgendes geschrieben: | Hallo nebenfluss,
[...]
Was meinst du mit "spezielle Zusätze"?
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Damit meinte ich eben diese nicht rein formellen Vorgaben, sondern jene, die eine zusätzliche inhaltliche Anforderung an den Text stellen. Speziell sind sie insofern, als man sie bei sonstigen Preis- oder Anthologie-Ausschreibungen so eher nicht findet und sie aus dem Thema eine "Aufgabenstellung" werden lassen, was manche dann wiederum an den Schulunterricht erinnert - nur dass die gelungene Erfüllung szs nicht vorrangig von der Lehrkraft, sondern von den Mitschülern beurteilt wird. Das ist eine ziemlich spezielle Rollenverteilung, und immer wieder outen sich bei dsfo-Wettbewerben einzelne, damit überfordert zu sein.
_________________ "You can't use reason to convince anyone out of an argument that they didn't use reason to get into" (Neil deGrasse Tyson) |
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