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Challenge & Bayes oder Das Huhn hat die Straße überquert


 
 
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sleepless_lives
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Beitrag19.06.2020 18:00
Challenge & Bayes oder Das Huhn hat die Straße überquert
von sleepless_lives
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Challenge & Bayes oder Das Huhn hat die Straße überquert

Oh, we close our eyes, the perfect life is all we need.
Moby


Auf Höhe der alten Befestigungsanlagen wechsele ich vom Strand zum Fußweg. Die historischen Kanonen des Southsea Castle verrosten, Beton und Steinwerk zerbröckeln, Brombeersträucher, Brennnesseln, Efeu überwachsen Wälle, Mauern, gusseiserne Zäune und Wilder Wein erklettert selbst den Leuchtturm. Es ergeht den historischen Anlagen nicht besser als ihren modernen Entsprechungen im Hafen von Portsmouth. Wir haben den Krieg abgeschafft. Wir fanden das ganz in Ordnung. Wäre auch schwierig, das mit dem Krieg, so ohne Armeen. Apriori und Posthoc bellen, rennen voraus, die Körper lang gesteckt in die Bewegung hinein, wissen, dass gleich die Uferpromenade beginnt, mit ihren Fish-&-Chips-Shops, dem South Parade Pier und seinen Vergnügungsstätten und Restaurants, dem Grand Hotel Palace und den Möwen, die man auf dem ebenen Asphalt so gut herumscheuchen kann, viel besser als unten am steinigen Strand davor. Barsois sind Kinder des Windes wie die Möwen. Minus der Flügel allerdings; vielleicht gefällt es ihnen deshalb so, die Möwen zu jagen. Erwischen tun sie sie doch nicht, mit den Hühnern in der Stadt ist das eine andere Sache.

Die Hunde heißen nicht wirklich Apriori und Posthoc, genauso wie ich nicht Bayes heiße und Challenge nicht Challenge. Sie gehören auch nicht mir, haben sich uns, das bedeutet, Challenge, Mr Robot und mir, nur angeschlossen. Passte ihnen wohl in den Kram. Ist aber auch egal, wir haben Besitz und Eigentum ebenso abgeschafft. Vollständig und gänzlich: Öffentlich, gewerblich, privat, moralisch. Für das letztere standen Challenge und ich auf dem Pier, ganz am Ende, dort wo schon immer Pfähle sich aus dem Wasser reckten und die Reste eines Stahlgestänges an den Traum des Piers erinnerten, sich weiter ins Meer zu strecken. Ein stürmischer Tag, die See wildbewegt, graublaue Wasser-Himmel-Zerrissenheit. Wir nehmen die Ringe, die uns an andere Menschen, längst zu Schatten geworden, gebunden hatten, und werfen sie so weit ins Meer, wie es geht.
Du gehörst nicht mir, schreie ich in das Tosen des Windes.
Und du nicht mir, ruft Challenge und dann umarmen wir uns und küssen uns und betrinken uns später in der Bar des Grand Hotels mit dem teuersten Rum, den wir finden können.

Ich hab einmal eine Liste gekritzelt, auf eine Serviette, mit all den Sachen, die ich an Challenge liebe. Sie sieht so aus:
1.) Alles
2.) Alles
3.) Alles
4.) Alles
5.) Alles
Das geht noch eine Weile so weiter, bis irgendwo in den Zwanzigern ein Ausreißer auftaucht:
2?.) Jerk Chicken, wie sie es zubereitet, in mit Kräutern und Kokosnussmilch gewürztem Reis mit roten Bohnen.
Ein Rezept ihrer karibischen Mutter. In der Tat unwiderstehlich. Wie Challenge.
Sie steht auf dem Balkon unserer gegenwärtigen Suite im ersten Stock des Grand Hotels, hat die Haare mit Faden umwickelt zu Antennen, die in alle Richtungen deuten, hat nicht mehr an als eines meiner T-Shirts, die dunkle Haut in perfekter Antisymmetrie zu den weißen Vorhängen, die nach draußen wehen in das Sonnenlicht, das über die Promenade vagabundiert. Die Hunde rasten aus vor Freude, als sie sie bemerken.
Weißt du, wie sehr ich dich liebe, schreit sie über die Straße (ich bin am Eingang des Piers angekommen), gebe vor, ich könne sie nicht verstehen über das Wellenrauschen hinweg. Sie weiß natürlich, dass ich nur so tue, wiederholt es trotzdem noch einmal, noch einmal.

Heute kocht sie und es gibt … muss ich wohl nicht mehr erwähnen, angesichts der Tatsache, wie groß meine Pupillen geworden sind.
Lass uns draußen essen, schlage ich vor und hole einen Tisch und zwei Stühle aus der Hotellobby und stelle sie in die Mitte der Straße, direkt vor dem Pier (auf der einen Seite) und dem Hotel (auf der anderen).
Straßenverkehr haben wir auch abgeschafft.
Ich decke den Tisch mit einem feinen, makellos weißen Tischtuch, dem edelsten Porzellangeschirr, Silberbesteck und Kristallgläsern, alles aus dem Hotel. Ich gebe mir große Mühe, das Arrangement perfekt auszurichten, der Entropieerhöhung der Zukunft ein bisschen mehr Material zur Verfügung zu stellen. Wir werden später alles so stehen lassen, wie es ist, morgen ziehen wir weiter zur Isle of Wight.
 
Challenge, nun in einem safranfarbenen Sommerkleid, das ich noch nicht kenne, kommt mit den Töpfen in einem Korb von der Hotelküche. Oh Mann, wie das allein schon riecht. Es würde mir den Verstand rauben, wenn es der Anblick von Challenge nicht schon längst getan hätte.  
Der Grill dort ist phantastisch, sagt sie mit einem Lächeln.
Ich nicke. Hatte ich gestern auch schon festgestellt.
Mr Robot sitzt auf ihrer Schulter. Auch ein Wanderer, wie wir alle, bei uns geblieben, weil es ihm wohl gelegen kam, ein Graupapagei. Wir haben ihn auf unserer Reise zum Meer in einer Wohnung gefunden, drei viertel verhungert, aber Challenge hat ihn wieder aufgepäppelt. Sie ist Ärztin, sie kann so was, sie wird immer gebraucht. Ich musste mich doch ein wenig umstellen, ganz neue Sachen lernen. Wie man mit einer Schrotflinte umgeht zum Beispiel. Big Data ist nicht mehr so, stattdessen die ganze Welt unsere Privatsphäre geworden. Globalisierung rückwärts. Sozusagen.
Während des Essens wechseln Wolken und Sonne umtriebig vor dem blauen Himmel über uns, schleudern mal Glanzlichter auf die Promenaden- und Piergebäude und tauchen sie mal in milchige, freundliche Einheitlichkeit, ein Mangel an Kontrast, der seltsamerweise Klarheit schafft, wie die Milchglasscheiben historischer Großformatkameras: Nichts, das so real wirkte wie die Projektion der Welt darauf.  

Oi, was gibt's denn da zu glotzen?, plärrt Mr Robot.   
Er kann selbstverständlich sprechen, scheint auch jede Menge zu verstehen, aber außer der gerade von sich gegebenen Äußerung, hat er nur drei andere im Repertoire, wie es scheint:
(2) Halt's Maul!
(3) Domo arigato, Mr Roboto (halb gesungen, halb gesprochen, und er tritt dabei rhythmisch von einem Fuß auf den anderen)
(4) Krise, Krise, ich will Krise und zwar sofort!
Graupapageien gehören zu den intelligentesten Vögeln, heißt es, und Mr Robot war wahrscheinlich um einiges klüger als sein letzter Besitzer (den aufgeschnappten Phrasen nach zu urteilen) und außerdem wer wäre ich, dass ich eine Kreatur unter dem Himmel kritisieren würde, aber manchmal beschleicht mich ein Verdacht. Nämlich, dass er gar nicht Krise meint, sondern Kekse. Ich spreche das natürlich nicht laut aus, sondern nehme nur unauffällig jedes Mal im Waitrose ein paar Packungen Malted Milk Biscuits mit. Vielleicht regt er sich ja auch nur über die Hühner auf. Vogelsolidarität reicht nicht allzu weit meiner Erfahrung nach und hört spätestens beim Sperber auf. Die Hühner, die die Straßen, Plätze und Parks der Städte für sich erobert haben. Nachdem ihre ehemaligen Besitzer die Hallentore und Hühnerhaustüren nicht mehr schließen konnten, weil sie tot inmitten ihrer Tiere lagen. Erst haben sie sich die Hühner wohl gewundert. Nanu, warum verteilen die Großen Dicken Zweibeiner nicht weiter lecker Futter? Dann ist das Huhn ein paar Mal um den am Boden Liegenden herumgetrippelt, hat den Kopf schief gelegt, hat mit dem linken Auge geschaut, dann einen zögerlichen Schritt getan und zur Sicherheit noch einmal mit dem rechten Auge hingesehen. Hat noch einmal Nanu gesagt, aber nichts Menschliches rührte sich mehr.
So groß sind sie eigentlich gar nicht, so platt am Boden, hat das Huhn gedacht, kleiner als ich. Und nach einer ausgedehnten und vorsichtigen Erkundung der näheren Umgebung ist es aufgebrochen und da war nicht viel, das es aufhalten hätte können. Denn schon bald war auch kein anderer Mensch mehr am Leben.  

Ich hätte es kommen sehen müssen, sage ich zu Challenge.
Unsinn, sagt sie, du bist Data Scientist, kein Genetiker oder Biologe.
Bayes' Theorem, sage ich, Prior klingt schon so wie Prion.
Sie verengt die Augen zu Schlitzen und tippt mit dem Finger an die Stirn. Sie hat natürlich recht. Aber wenn da etwas Uraltes im Genom lauert, eine kleine tödliche Sequenz im Chromosom 3, eingeschlossen, noch bevor wir zu den heutigen Menschen wurden, wenn es in allen Menschen wartet, dann ist der Prior gleich Eins. Hundert Prozent Wahrscheinlichkeit. Und dann bedarf es keiner gefährlichen Krankheit, nur eines unauffälligen Auslösers und die Menschheit geht den Bach hinunter, bevor sie eine Chance hat, etwas dagegen zu unternehmen. Eine kleine genetische Manipulation in den Hühnern, um die nächste Vogelgrippe zu verhindern, nicht genug getestet, und mit einer Art harmlosen Erkältung, die auf Menschen überspringt, als Resultat. Und das war's. Schluss, aus, finito, mit der Krone der Schöpfung, der Feind, der so lange still in uns auf seine Chance wartete, erweckt.

Am Abend liegen Challenge und ich auf den Bohlen des Pier, teilen uns einen Joint, hören Musik aus einer ans Handy angeschlossenen, solar- und batteriebetriebenen Aktivlautsprecherbox, liegen eng beieinander, Kopf an Kopf, auf Handtüchern, die mit Schildern - Nicht an den Strand mitnehmen! - versehen waren, schauen in den sich langsam verdunkelnden, schützenden Himmel. Die Hunde dösen ein paar Schritte weiter, Mr Robot sitzt auf einem Touristenfernrohr an der Kopfseite des Piers. Er sieht aus wie der Kapitän am Bugspriet eines riesigen Schiffes. Wir treiben in die sternenbesetzte Nacht, die sich im Osten schon am Horizont abzeichnet, der aufgehende Mond das neue Leuchtfeuer, das uns den Weg weist.
Das ist das erste Mal, dass ich mich ganz und gar zu Hause fühle, sagt Challenge.
Ich stütze mich auf, schaue sie an.
Hier in England, meinst du?
Nein, in der Welt, sagt sie, in der Welt, im Leben.
Sie lächelt, strahlt wie die untergegangene Sonne, springt auf und stellt sich in die Mitte des Piers.
Und glücklich, sagt sie, streckt die Arme aus und dreht sich zur Musik um die eigene Achse, selbstvergessen, offen, als würde sie in der Kreiselbewegung alles um sie herum in sich aufnehmen können, die Hände in der Luft horizontale Pirouetten hinzufügend.   

Adam und Eva, rückwärts, sage ich, wie der Anfang, so das Ende.
Anstatt uns zu verführen, hat die Schlange zugebissen und der Engel mit dem flammenden Schwert uns in den Garten Eden zurückgetrieben. Nichts ist ewig jedoch. Wie es einst den Ursprung gab, gibt es nun den Schlusspunkt. Aufgeschoben, ist nicht aufgehoben. Eine aberwitzig seltene Mutation lässt uns nur ein wenig länger durchhalten gegen den Feind im Genom, aber alt werden wir nicht werden. Ein Jahrzehnt oder so haben wir vielleicht, wir, die einzigen zwei Menschen, die übrigblieben. Durch das Augenzwinkern eines fernen, aber milden Gottes beide in London angespült, als es begann. Die eine in der Notfallabteilung eines NHS-Krankenhauses arbeitend, in die keine Patienten mehr kamen. Weil es keine mehr gab. Patienten, Menschen. Bayes' Prior, mal wieder. Wenn keiner mehr lebt, geht die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung auf null herunter. Der andere, ich, fassungslos und voll unsäglicher Trauer durch die Straßen irrend, irgendwo endend, wo man halt hingelangt, wenn man ziellos geht und geht und geht. Die ursprüngliche Heimat, der logische und emotionale Fluchtpunkt scheinbar unerreichbar auf der anderen Seite des Kanals. Und da steht sie, vor ihrer Arbeitsstelle genauso traurig und elend, genauso vor den Kopf geschlagen, genauso benommen, Tränen in den Augen. Die wunderbare, einzigartige, berauschende, nachtdunkle, tiefgründende, kopfverdrehende Challenge. Sie, die immer für mich der einzige Mensch wäre, in jeder denkbaren normalen Welt und immer ohne rechte Chancen dort, und die es durch lächerlich unwahrscheinliche Ereignisketten einer absurden Existenz in der Tat in der heimgesuchten Wirklichkeit wurde.

Ich stehe auf und gehe zu Challenge, umarme sie. Sie legt die Arme um meinen Hals und wir wiegen uns mit der Musik und den Wellen, die schon trunken sind von nächtlicher Dunkelheit. Manchmal denke ich, dass alles nur ein Traum ist und ich in meiner kleinen überteuerten Londoner Wohnung aufwache, meine Augen öffne in der ehemaligen Wohnung nahe Clapham Junction, so nahe am Bahnhof gelegen, dass ich die Stationsansagen durch das geöffnete Fenster höre. If you see something, say something. Und ich werde von einer schrecklichen Angst geschüttelt wegen des Traums. Aber es kann ja nicht sein und ich beruhige mich wieder, atme tiefer und langsamer. Wie selbstsüchtig das ist, wie erbärmlich, wie grausam. Und doch wie richtig es sich anfühlt.
Ich ziehe Challenge noch näher an mich, lege die Stirn an die ihre und lasse ihren Blick in einem Frontalaufprall jeden Gedanken in meinem Hirn auslöschen. Sie presst sich an mich, küsst mich.
Wir schließen die Augen.

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V.K.B.
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Das goldene Rampenlicht Das silberne Boot
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Beitrag03.07.2020 22:31

von V.K.B.
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Hallo Inco,
die erste Geschichte, die ich lese (ausgewählt nach interessantem Titel) und gleich eine, der ich Punkte geben möchte. Slow-burn definitiv und auch slow-read. Jedenfalls, wenn man sich die Zeit nimmt, sich an das zu erinnern, was man mal über Stochastik wusste und die Metaphern aufzuschlüsseln. Besonders gefällt mir die Sprache, teils sperrig, teils wunderschön, genau wie die Welt, die sie beschreibt. Der Aufbau gewollt etwas verwirrend, erst ist euphemistisch von "abgeschafften" Problemen die Rede. langsam kristallisiert sich die "Lösung" als Null-Wahrscheinlichkeit von Krisenereignissen durch Extinction-Event heraus. Adam und Eva in reverse, die Idee gefällt mir. Nimmt man das biblische Paradies als Utopie an (was ich nie tun würde), kann man auch eine dem entsprechende Endzeit als solche sehen. Frage ist nur: Wann gehen ihnen die Kekse aus?

Kommen wir jetzt zu den Vorgaben: Utopie ist relativ, könnte man am besten darüber definieren, wie viele Menschen glücklich sind. Die beiden scheinen es zu sein, als 100% Utopie, der Rest kann verrotten (oder von den Hühnern gefressen werden). Ungewöhnliche Umsetzung, aber ja, passt für mich. Problematisch wird es mit der Person, die sich eine Krise wünscht. Diese Vorgabe setzt du um, indem du ihr den Fuckfinger zeigst und die Zunge rausstreckst. Bzw setzt sie streng genommen nicht um, zeigst aber, dass sie dir beim Schreiben bewusst war.  Nun ist ein Papagei aber keine Person und Kekse keine Krise, doch die Chuzpe, so mit einer Vorgabe umzuspringen, gefällt mir. Volle Punkte in der Vorgabenkategorie geben kann ich dafür aber nicht, aber das wird in anderen Kategorien locker ausgeglichen. Auch wenn es die erste Geschichte ist, die ich lese, ich bin sicher, die ist am Ende bei den Punkten dabei. Es sei denn, die anderen sind alle ähnlich gut oder besser. Gerade überkommt mich ein Kribbeln, mit dem Satz von Bayes ausrechnen zu wollen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für Punktevergabe jetzt ist, aber ich glaub, ich gehe das eher positivistisch statt stochastisch an und lese lieber den Rest.

Diese habe ich auf jeden Fall sehr gerne gelesen,
Veith

Edit: Erste Geschichte, die ich gelesen habe, und auch am Ende mein erster Platz. Glückwunsch.


_________________
Hang the cosmic muse!

Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills …
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d.frank
Geschlecht:weiblichReißwolf
D

Alter: 44
Beiträge: 1123
Wohnort: berlin


D
Beitrag04.07.2020 15:25

von d.frank
Antworten mit Zitat

Das ist eine wirklich schöne und sehr persönliche Utopie, viel mehr dann aber auch wieder nicht, weil sie nur einen Moment abbildet, den man dann doch nicht festhalten kann. Utopie insofern zwar getroffen, aber der Papagei wirkt ein bisschen angepappt, als hätte in dieser Idylle eben wenigstens einer was Schlechtes sagen müssen (Aufgabenstellung). Trotzdem, das ist herzerwärmend, hoffnungsvoll, eigentlich wunderschön. smile
Wir schließen die Augen. Ja, lass uns die Augen verschließen..


_________________
Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
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Hummelchen48
Geschlecht:weiblichWortedrechsler


Beiträge: 93
Wohnort: Rheinland-Pfalz


Beitrag05.07.2020 06:45

von Hummelchen48
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Hallo,

sehr "verliebt" geschrieben.

Grüße

Hummelchen
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Gast







Beitrag05.07.2020 10:48

von Gast
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In der Tat selbstsüchtig, und doch so nachvollziehbar.
Ist hier die von einer Person herbeigewünschte Krise schon passiert und führte dann in eine Welt, die zumindest für zwei eine Utopie sein kann?
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nicolailevin
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 259
Wohnort: Süddeutschland


Beitrag05.07.2020 11:36

von nicolailevin
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Ein bisschen sperrig, der Text, aber er hat Tempo, Schwung. Da ist jemand in Sci-Fi und Dystopieszenarien sehr erfahren, scheint mir.

Ich mag die Pointe. Dass die Welt eigentlich nur so wunderbar und perfekt sein kann, weil es keine anderen Menschen mehr gibt. Da hätten sich die Hinweise auf die utopische Situation in der ersten Hälfte durchaus rarer machen können, die wirken so ein bisschen hineingezwängt, um bloß nicht disqualifiziert zu werden.

Wie nah Utopie und Dystopie beisammen liegen, zeigt der Text schön, er spielt mit den Vorgaben und den entsprechenden Erwartungen der Leser. Mich hats ein wenig an den Film "Passengers" erinnert, dieses glückliche Paar im Endzeitszenario, aber das soll kein Kritikpunkt sein, denn den Film fand ich von der Grundidee her auch klasse.

In meinen Top 3.
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silke-k-weiler
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 49
Beiträge: 748

Das goldene Schiff Der goldene Eisbecher mit Sahne


Beitrag05.07.2020 22:38

von silke-k-weiler
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Lieber Text,

da mach ich mir doch mal ein Kreuzchen an Deinen Titel, zwecks näherer Betrachtung bei der zweiten Leserunde meiner Favoriten und eventueller Vergabe von Punkten.
Eine kleine genetische "Optimierung" am Huhn fällt uns auf die Füße, als diese eine "Schläfer-Sequenz" in uns mobil macht.
Mensch tot, Klappe auf, Huhn quietschfidel.
Und mittendrin "Adam und Eva, rückwärts". Sehr schön geschrieben, ich habe den Text richtig genossen. Diese Momentaufnahmen, nicht unbedingt aus den letzten Tagen der beiden letzten Menschen, aber ein Ende ist absehbar.
Was mir bei all den wunderbaren Bildern und Formulierungen entging, ist, ob Du die Vorgaben eingehalten hast. Da bin ich mir nicht so sicher. Eine handfeste Krise wünschen sich weder Challenge noch der Erzähler. Hm. Egal. Du bist in der nächsten Runde.

Danke, dass ich Dich lesen durfte.

Herzlichst
Silke

PS: Das war auch großes Kino! Daumen hoch


******

Ok, einmal aufs Treppchen, und zwar auf Platz 3. 8 wohlverdiente Punkte und Handgeklapper.

Wunderschön erzählt, die Geschichte der beiden, lebendig, leise melancholisch, aber bei allem absehbarem Ende nicht hoffnungslos. So wie das Leben ist. Danke dafür.
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hobbes
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Beiträge: 4292

Das goldene Aufbruchstück Das goldene Gleis
Der silberne Scheinwerfer Ei 4
Podcast-Sonderpreis


Beitrag06.07.2020 21:53

von hobbes
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Oh, noch ein Text, den ich mag. Auf Anhieb ist er mir ein klein wenig zu geschwätzig, auf Anhieb verstehe ich auch nicht unbedingt, was er mir sagen will, aber er ist einer von denen, bei dem mir das erst einmal überhaupt nichts ausmacht.

(...)

So. Weil es mir ein bisschen schwer fällt, meine ersten drei Plätzen zu vergeben, muss ich jetzt auswürfeln genauer herausfinden, was ich an diesen drei Texten mag.
An dem hier mag ich seine Sprache.

Was mich total für ihn einnimmt: Die Liste smile

Dann: diese nebenbei aufgeworfenen Informationen, die dann halt auch noch so daherkommen, dass ich unwillkürlich grinsen muss, z.B.:
Zitat:
Straßenverkehr haben wir auch abgeschafft.


Dann, dass der Text einerseits irgendwie witzig ist, ich also des öfteren grinsen muss und gleichzeitig ist da so eine riesengroße Traurigkeit im Raum. Die da ist, ohne dass sie konkret angesprochen wird. Halt auch mehr so nebenbei. Das beste aus allem machen und so tun, als wäre es genau das richtige.

Die Beschreibung, wie die Hühner die Welt für sich entdecken.

So Nebenbeikleinigkeiten, wie die Schilder an den Handtüchern.
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Ribanna
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Alter: 61
Beiträge: 772
Wohnort: am schönen Rhein...


Beitrag09.07.2020 13:53

von Ribanna
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Alle Menschen tot, die einzigen zwei Lebenden vom baldigen Tod bedroht? Das ist eine Tragödie, aber keine Utopie.
Mir gefällt auch nicht, dass ich Ausdrücke recherchieren musste, um sie ( so einigermaßen) zu verstehen.

Vielleicht lasse ich einen Punkt da, denn gut geschrieben ist es ansonsten.


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Heidi
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Beiträge: 1425
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Der goldene Durchblick


Beitrag10.07.2020 21:38

von Heidi
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Zwei Menschen sind übriggeblieben nach einer Katastrophe, ausgelöst durch irgendwas in Hühnern – an dieser Stelle wurde es mir etwas zu „technisch“, aber ich habe es so verstanden, dass ähnlich wie angeblich beim Coronavirus, hier Hühner anstatt Fledermäuse eine Krankheit auf den Menschen übertragen haben.

Dieses Virus oder diese Krankheit hat in dieser Geschichte zum Ende der Menschheit geführt. Oder, nein, nicht ganz. Der Ich-Erzähler und Challenge, eine Frau mit karibischen Wurzeln, haben überlebt und genießen nun eine Welt in Utopie ganz für sich.

Mir gefällt es, wie die Liebe der beiden Figuren in den Vordergrund gerückt wird, wie zärtlich der Ich-Erzähler Challenge beschreibt und sie als herausfordernde, aber auch liebenswerte Frau erwachen lässt. Es kommen Werte zum Tragen, die mich beeindrucken, etwa die Hochzeit der beiden, die ganz am Anfang geschrieben wird, mit dem Schrei in die Wellen: Du gehörst mir nicht.

In meinem Lesen wird eine selbstlose Liebe aufgezeigt, die diese beiden Menschen in ihrer heilen Welt voll und ganz ausleben können. Das geht soweit, dass der Ich-Erzähler am Ende sogar den egoistischen Gedanken hegt, es sei gut so, dass keine anderen Menschen mehr existieren und er dadurch gemeinsam mit Challenge dieses neue, harmonische Leben auskosten könne.

Mich erinnert diese Utopie sehr an das Verliebtsein an sich. Zwei Menschen, die in ihrer Luftblase der Liebe schweben. Ein anderer wird nicht benötigt, weil die Liebe allein genügt.
Was für eine faszinierende Tatsache, die das Verliebtsein ausmacht: Anfangs diese Harmonie, diese Selbstlosigkeit sich selbst und dem anderen gegenüber, anfangs dieser allgegenwärtige Freiheitsgedanke, diese Sicherheit, geliebt zu werden, weil geliebt wird.
Und dann das Erwachen aus der Luftblase, aus dem Rausch, das unweigerlich jede Beziehung trifft. Diesen Punkt erreichen Challenge und Bayes nicht. Sie leben ein Märchen und es ist ein Märchen, das ich mag.

Ich finde die von dir gewählten Namen tiefgründig und passend. Die Utopie wird bis in die Zehenspitzen hinein spürbar. Nicht nur Challenge erwacht zum Leben, auch der Ich-Erzähler ist plastisch vorhanden in meinem Lesen.

Gratulation! Dieser Text ist mein Favorit und bekommt alle Punkte.
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Xeomer
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Alter: 36
Beiträge: 135
Wohnort: Xeothon


Beitrag10.07.2020 22:44

von Xeomer
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Lieber unbekannte Autorin,
lieber unbekannter Autor,

ich sehe die Aufgabenstellung als erfüllt an.

Der Text ist mir persönlich zu romantisch, zu umschrieben und insgesamt für mich schwer zu erfassen. Ich musste die Abschnitte mehrmals lesen. Aber das betrifft mich. Denn ich glaube, dass der Text qualitativ sehr hochwertig ist und sehr vielen sehr gut gefallen wird.

Auf jeden Fall erkenne ich eine Menge Herzblut die in den Text eingearbeitet worden ist. Das alleine wird mir wahrscheinlich den ein oder anderen Punkt wert sein. Das kann ich aber erst abschließend beurteilten, wenn ich noch weitere Texte gelesen habe.

Dann komme ich noch einmal zurück.

Viele Grüße,
Xeomer


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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag11.07.2020 19:03

von Constantine
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Bonjour

Bedeutungsschwangere Leere. Das war mein Eindruck, als ich diesen Text gelesen habe. Mir kommt vieles zu gekünstelt vor, zu dick aufgetragen, zB die Namen der Protagonisten mit ihren Bedeutungen. Ein Zuviel, das mich zu sehr ablenkt und wodurch mir die eigentliche Geschichte und die Protagonisten in den Hintergrund geraten sind, als dass ich sie greifen kann. Wenn man es englisch betiteln möchte, zu viel style und zu wenig substance und am Ende bin ich als Leser leider nicht zufrieden.
Es tut mir leid. Leider nicht in meiner Top Ten.

Merci beaucoup
Constantine
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chaoticinfinity
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 26
Wohnort: Bayern


Beitrag12.07.2020 08:32

von chaoticinfinity
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Gefällt mir sehr gut. So ohne Menschen ists vermutlich wirklich eine utopie
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Malaga
Geschlecht:weiblichKlammeraffe


Beiträge: 826



Beitrag12.07.2020 11:31

von Malaga
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Schöne Geschichte, die beiden letzten Menschen - Gegenbild zu Adam und Eva. Berührend - obwohl ichdieses Wort eigentlich nicht mag.
Nur suche ich vergeblich die Vorgaben im Text.
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firstoffertio
Geschlecht:weiblichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5854
Wohnort: Irland
Das bronzene Stundenglas Der goldene Spiegel - Lyrik (1)
Podcast-Sonderpreis Silberner Sturmschaden


Beitrag12.07.2020 23:30

von firstoffertio
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Gefällt mir gut.
Die Apokalypse das Paradies für die beiden.
Eine besondere Form der Utopie, aber auch eine.
Zurück zum Ursprung.
(Und kein Sci-Fi. Nur so ein dämliches Prion.)
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Gast







Beitrag13.07.2020 22:31

von Gast
Antworten mit Zitat

- Welche Krise(n) wurde(n) überwunden? Menschheit verschwindet

- Wie? Virusbefall

- Aus welchem Blickwinkel wird das Geschehen geschildert? Das Einzig Überlebende Paar nebst ein paar zugeflogenen Haustieren

- Wer ist der in der Ausschreibung geforderte Unzufriedene? Latent Beide, denn sie sind durch Virusbefall dem Tod geweiht

=> Anforderungen erfüllt? Ja

-----------------------------------------------

- Hat die Darstellung logische Fehler? Ist die Handlung schlüssig? Es ist evolutionär unsinnig, dass ein Virus seine gesamte Wirtspopulation tötet, denn dadurch entzieht er sich selbst seine Lebensgrundlage. Man kann sogar beobachten, dass Viren, die "zu starke" Schäden bei ihren Wirten anrichten, sich zu einem verträglicheren Verhältnis ihren Wirten gegenüber entwickeln.

- Wie ist die handwerkliche Ausgestaltung? Der sprachlich und erzählerisch beste Text im Wettbewerb. Hier stimmt Alles: Starke und eindringliche Bilder, perfekte Erzählperspektive, gutes timing, ein flüssiges und logisches Einweben der Erklärung für die "Krisenbewältigung," ein toller Kontrast zwischen der intensiven Liebe und der der Tragik des herannahenden Endes.  

- Punkte und Begründung: Trotz des inhaltlich signifikanten Fehlers eine glatte 12. Leider verfallen die lt. Wettbewerbsregeln, da keine 10 Beiträge punktwürdig erscheinen.

----------------------------------------------

- Welche anderen Einreichungen sind vom Sujet her vergleichbar? 5,5% (vergleichbares Sujet), Kulturdialog und Unkraut (Fokus auf Pärchen)


- Sonstige Kommentare:
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poetnick
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Alter: 62
Beiträge: 834
Wohnort: nach wie vor


Beitrag16.07.2020 21:36

von poetnick
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Hallo Unbekannt,

habe hier eine fein erzählte Geschichte in ihrer melancholisch
gewirkten Stimmung gelesen. Die entworfenen Bilder und Figuren
sprechen mich an. Das Huhn...wird wohl einige Punkteeier legen.

LG - Poetnick


_________________
Wortlos ging er hinein,
schweigend lauschte er der Stille
und kam sprachlos heraus
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Michel
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Der silberne Durchblick Der silberne Spiegel - Prosa
Silberne Neonzeit


Beitrag17.07.2020 10:41

von Michel
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Was ist eigentlich eine Utopie?Wenn ich mich an Tante Wikipedia halte, ist das hier höchstens eine, weil in diesem Nicht-Ort eine fiktive Lebensform der Zukunft erzählt wird. Allerdings mit Verfallsdatum.
Gehe ich nach dem Bauchgefühl, dann lese ich eine Dystopie, außer für die letzten beiden Überlebenden der genetischen Katastrophe, die auch nicht mehr viel Zeit haben. Aber eine so schöne Dystopie! Zwei, die sich lieben und Huhn kochen und sich ganz und gar angekommen fühlen. Dystopische Romanze, die Frage nach dem Sinn verliert sich hinter dem Sein. Ein Kompliment möchte ich loswerden: Diese Geschichte hat mich beim Radfahren genauso begleitet wie vor dem Einschlafen. Irgendetwas hat mich nicht losgelassen; vielleicht dieser Schauder bei der Vorstellung, dass die Geschichte der Menschheit jetzt auserzählt ist. Und das wäre ganz schön dystopisch, finde ich.


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Seit 27. April im Handel: "Rond", der dritte Band der Flüchtlings-Chroniken
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Gast







Beitrag17.07.2020 20:58

von Gast
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Gratuliere zum ersten Platz! Hätte es bei mir noch geklappt mit der Punktevergabe, diese "Utopie für zwei" wäre in meinen Top 3. Dort wäre übrigens auch der letztplatzierte Beitrag.
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d.frank
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D
Beitrag18.07.2020 16:03

von d.frank
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Jetzt, wo wir alle wissen, dass das hier ein Mann geschrieben hat, dürfen die Frauen unter uns das wiederlesen und dabei ein paar Tränen vergießen. Wink Laughing

Nein, mal ehrlich, was ich noch gesagt haben wollte, weil im ersten Kommentar nicht gesagt: Die Story ist ein Paradebeispiel dafür, wie so Liebesgedöns funktionieren kann, Hut ab!

Und was ich noch sagen wollte, weil jetzt klar ist, zu wessen Identität der Text gehört: Gemeinheit, dass sich nicht ein Wort vom Autor unter den anderen Beiträgen findet. Ich bin dafür, dass der Preis erst ausgehändigt wird, wenn das nachgeholt ist...
Aber ok, ich suche das Zimmer "irgendwasmitvier" und werde meine Beschwerde dorthin richten.


_________________
Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
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sleepless_lives
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Beitrag19.07.2020 00:20

von sleepless_lives
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Vielen Dank für Kommentare und üppige Punkte. Heute nur noch ein paar allgemeine Gedanken, morgen dann mehr zu den einzelnen Beiträgen.

Why did the chicken cross the road?

Das ist ein verbreitetes Witzrätsel in der englischsprachigen Welt.

Und warum hat das Huhn nun die Straße überquert?

To get to the other side!

Haha.
 
Für mich hatte das immer noch den Beigeschmack, dass das ein Autofahrer entnervt fragt, nachdem er gerade ein Huhn überfahren hat. Und was hat das jetzt mit Utopien zu tun? Nichts. Oder alles. Denn es bringt schon dien Gedanken auf den Tisch, dass Utopien in einer nicht märchenhaften Welt die Tendenz haben, subjektiv zu sein, dass Idealwelten aus einem bestimmten Blickwinkel konstruiert werden. In der Utopie eines Huhns in der Legebatterie kommen wir Menschen nicht vor, sind das Problem und können nicht Teil der Lösung sein. Und da sind wir schon beim Posthumanismus, allerdings diesmal für die zu schreibende Geschichte wörtlich genommen, im Gegensatz zu üblicher Bedeutung und Gebrauch. Aber halt, nicht so schnell, nochmal zurück, nochmal auf Anfang.

Ich mag keine Utopien. Ich misstraue ihnen. Sie sind Teil dessen, was Lyotard und andere Philosophen als Große Erzählungen bezeichnet haben. Übergreifende Entwürfe, die eigentlich unerreichbar sind, aber dieser Aspekt geht irgendwie immer irgendwann verloren. Doch die Idee des Ideals erlaubt denen, die die Macht haben, sie so zu gebrauchen, wie es ihnen gefällt. In ihrer Reinform findet man die Utopie vornehmlich in der Propaganda, egal ob auf der ultarechten oder ultralinken Seite. Ein Entwurf für ganze Gesellschaften, die ganze Welt, das ist halt so viel sexier als eine kleine Initiative, die das Kleinbiotop in der Nähe von Unteroberberg retten will. Ganz besonders aber halte ich eine "Utopie der Gegenwart" für einen Widerspruch in sich. Das Konzept verlangt eine anti-kausale, anti-historische Sichtweise, verlangt anzunehmen, dass unsere Probleme irgendwie extern sind und wie mit dem Umlegen eines Schalters gelöst werden können. Aber wenn wir nicht wieder eine Märchenwelt annehmen, dann ist selbst nach dem Umlegen des magischen Schalters alles wieder wie vorher. Wie schon von anderen erwähnt, leben wir in den Industrienationen schon jetzt in einer Utopie, in der zwei Probleme der Menschheit gelöst sind. Fühlt sich nur nicht so an irgendwie. Also was tun? Den Blickwinkel verengen. Nein, nicht nur den Blickwinkel, die ganze Utopie, reduzieren auf zwei Menschen, auf eine Privat-Utopie. Und da sie immer in Gefahr wäre in der normalen Welt, muss die Welt halt weg. Einmal mehr eine postapokalyptische Erzählung, aber keine Dystopie, weil niemand mehr da ist, der es zu einer Dystopie machen könnte. Jetzt müssten sie nur noch die Augen schließen in ihrem exklusiven Glück. Aber halt, nicht so schnell, nochmal zurück, nochmal auf Anfang.

Wie schreibt man Geschichten, die von "Elementen wie Hoffnung, Mut, Aufbruch geprägt" sind, wenn alles gut und schön ist. Wenn die Geschichte irgendeine ernsthafte Entwicklung einschließt, dann kann es eigentlich nur die Bedrohung des utopischen Zustandes, eventuell sogar das Scheitern sein. Eher Geschichten der Verzweifelung und Depression. Die stärksten hoffnungsvollen Geschichten, die ich gelesen oder als Theaterstücke, Filme, Fernsehserien gesehen habe, basieren alle auf einem Trotzdem mit großem T. Die Überwindung extrem negativer Zustände oder manchmal nicht mal eine Überwindung, sondern nur eine Geste, die Hoffnung verspricht. Also? Etwas finden, das besteht gegen das Schlimmste, das das Leben gegen einen wirft. Oh, die Liebe. Aber halt, nicht so schnell, nochmal zurück, nochmal auf Anfang.   

Und jetzt alles vergessen. Nichts davon spielt eine Rolle. Nur ein Mann, der am Ufer des Meers entlang geht, der Ich-Erzähler, und eine Frau, die auf dem Balkon eines Hotels steht. Namen sind unwichtig, erfinde irgendetwas. Der Rest wird sich von selbst ergeben. Und schon schält sich etwas aus der Dämmerung des Ungedachten: Er ist nicht allein, da sind Hunde. Zwei. Sie rennen voraus. Fang an zu schreiben ...


_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

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holg
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Beitrag19.07.2020 13:34

von holg
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Hallo Sleepless

nach dieser Gedankenschilderung wird mir einiges klar.

Wo ich einhaken wollen würde ist hier:
"so viel sexier als eine kleine Initiative, die das Kleinbiotop in der Nähe von Unteroberberg retten will"

Ich denke nichts ist sexier als das, wenn es sich global durchsetzt, und womöglich ist genau das die Erzählung, die unsere Zeit braucht (und mit think global, act local eigentlich schon kennt).


Was ganz anderes:
Bayes Theorem ist in deiner Geschichte sehr präsent (und mir dank Corona auch vor kurzem wieder ins Gedächtnis gerufen worden)

Bei mir hat bei Bayes und Challenge was anderes geläutet und die Suche nach Bayes Challenge führte mich zu
Zitat:
belief is not relevant to rational action


Ich frage mich seitdem, ob das Zufall oder Absicht ist.



Sehr, sehr schöner Text, übrigens.


_________________
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