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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Selbsthilfe -> Genre, Stil, Technik, Sprache ...
Bitte recht gefühlvoll - mit wie viel Gefühl und Innensicht stattet ihr eure Charaktere aus?

 
 
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agu
Geschlecht:weiblichExposéadler

Alter: 49
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Wohnort: deep down in the Brandenburger woods


Beitrag01.06.2020 01:38
Bitte recht gefühlvoll - mit wie viel Gefühl und Innensicht stattet ihr eure Charaktere aus?
von agu
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo ihr Lieben,

weil das Thema gerade bei einem Romankapitel diskutiert wurde, das ich im Feedback-Bereich eingestellt hatte, will ich hier mal einen allgemeinen Thread dazu starten:

Wie viel oder wie wenig beschriebenes Gefühl und Innensicht haltet ihr bei Buchcharakteren für angemessen?

Ich weiß, so pauschal lässt sich die Frage nicht beantworten, denn es kommt auf das Genre an. Im Liebesroman zum Beispiel - aber auch beim psychologischen Horror - tragen beschriebene Gefühle und die fortlaufende innere Bewertung von Ereignissen und Beobachtungen durch den Charakter, einschließlich Spekulation und immer wieder viel Innenschau, einen Großteil des Romans.
In anderen Genres wird da eher als störend erachtet. In Noir-Krimis und Thrillern reduziert sich der Anteil beschriebener Gefühle und Gedanken auf ein Minimum - man muss sich das Gefühlsleben und die Motivation des Charakters stattdessen durch seine Reaktion auf die Ereignisse erschließen.


Ich persönlich habe schon beides geschrieben, man sagt mir aber nach, dass ich bei den Gefühlen eher Sparkurs fahre.
Ich bin ein großer Anhänger von Show don't tell auf der Gefühlsebene - ich finde Bücher gelungen, bei denen Charakter, Moralsystem und Emotionen der Figur rüberkommen, ohne dass der Autor sie groß beschreibt, einfach weil sie sich durch die (in sich schlüssigen) Reaktionen der Figur erschließen. In solchen Büchern entfalten emotionale Szenen dann eine umso größere Wucht, einfach weil es so wenige davon gibt.
Mir ist aber bewusst, dass das innerhalb der Erwartungshaltung für manche Genres besser funktioniert als für andere. Ein Liebesroman ohne weitschweifige Innenschau der Protagonisten wird vermutlich nicht viele Fans finden - weil gerade das eins der Kernmerkmale des Genres ist. Im Bereich Thriller, Krimi, oder ScienceFiction kann das aber durchaus funktionieren - also ganz generell in Genres, in denen Leser mit einer kühleren Tonart rechnen.


Und wie seht ihr das so?

LG Andrea


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Meine Bücher:
Engelsbrut (2009 Sieben, 2011 LYX) | Engelsjagd (2010 Sieben) | Engelsdämmerung (2012 Sieben)
Die dunklen Farben des Lichts (2012, SP)
Purpurdämmern (2013, Ueberreuter)
Sonnenfänger (2013, Weltbild)
Kill Order (2013 Sieben)
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Wie man ein Löwenmäulchen zähmt / als Eva Lindbergh (2016, Droemer Knaur)
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Ribanna
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Wohnort: am schönen Rhein...


Beitrag01.06.2020 08:23

von Ribanna
Antworten mit Zitat

Ich bin nicht sicher, ob ich deine Frage ganz richtig verstanden habe, versuche mich aber trotzdem an einer Antwort. Smile

Ich bin der Auffassung, dass die Innenwelt und die Gefühlslage der Charaktere immens wichtig sind, egal, um welches Genre es sich handelt.
Es geht ja in jeder Geschichte um Aktion und Reaktion, um Handlung, und Dinge, die geschehen, und alles was geschieht, passiert aus einer Motivation heraus.

Menschen handeln unterschiedlich, weil sie unterschiedliche Erlebnisse, Gefühle, Ansichten haben, weil sie unterschiedlich aufgewachsen sind, weil sie Dinge anders sehen und fühlen als andere. Und dies sollte im Roman auch gezeigt werden.

Ein Krimi heißt ja nicht einfach: Mann erschießt Frau.

Warum er es tut, hat viel mit seiner Innenwelt zu tun. Auch die Innenwelt des Polizisten, der ihn überführt, ist wichtig, weil der ihn nur fassen kann, weil er selbst diese oder jene Erfahrung gemacht hat... usw.usf.
Ohne funktioniert es für mich nicht.


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agu
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Beitrag01.06.2020 10:11

von agu
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Ribanna hat Folgendes geschrieben:
Ich bin der Auffassung, dass die Innenwelt und die Gefühlslage der Charaktere immens wichtig sind, egal, um welches Genre es sich handelt.
Es geht ja in jeder Geschichte um Aktion und Reaktion, um Handlung, und Dinge, die geschehen, und alles was geschieht, passiert aus einer Motivation heraus.


Ja absolut, das sehe ich auch so.
Meine Überlegungen zielen aber eher dahin, wie viel von der Innenwelt und Gefühlslage auch hingeschrieben und ausformuliert werden. Um das mal an einem anderen Beispiel zu verdeutlichen - ein guter Roman fußt immer auch auf guter Recherche und einer detaillierten Ausarbeitung der Hintergrundwelt. Von dem, was man da mal ausgearbeitet hat, landet aber meist nur ein Bruchteil auch hingeschrieben im Buch. Trotzdem durchdringt die Recherche den gesamten Text, weil alle Handlungen auch darauf aufbauen. Aber man erklärt nicht haarklein jedes Detail. Wenn man es doch tut, wird es schnell zu Info-Dump.
Ich bin der Meinung, dass es diese empfindliche Balance auch in der Beschreibung von Gefühlswelt und Innensicht von Figuren gibt - es aber immens von Genre und von persönlicher Präferenz abhängt, wo die Linie zwischen zu viel und zu wenig verläuft.


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Ribanna
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 61
Beiträge: 772
Wohnort: am schönen Rhein...


Beitrag01.06.2020 10:22

von Ribanna
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Puh, das ist schwierig. Ich verstehe was du meinst.
Man sollte zeigen, was der Charakter fühlt, ohne zu schreiben: Bella war sehr zornig.

Soweit klar und einfach.
Aber manchmal werden Handlungen, die ich "zeige", vom (Test)leser anders interpretiert.

Das, was ich im Hinterkopf hatte, sieht der Leser anders. Ist das schlimm? Ist es wesentlich für die Geschichte?
Ich denke, wenn ich zum Beispiel ein Kind sehe, dass sich vor Trotz auf den Boden schmeißt und schreit, komm ein anderer vielleicht und sagt: das Kind ist zornig. ein zweiter: verzweifelt. der Nächste: unartig.
Wenn es für das weitere Geschehen relevant ist, muss ich es also genauer definieren - sonst nicht.

Ich hoffe, ich habe mich einigermaßen klar ausgedrückt? Smile


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agu
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Beitrag01.06.2020 10:26

von agu
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Ribanna hat Folgendes geschrieben:
Aber manchmal werden Handlungen, die ich "zeige", vom (Test)leser anders interpretiert.

Ich denke, das Bild, das im Kopf des Lesers entsteht, ist wie ein Puzzle, das mit jeder Aktion mehr Teile bekommt. Vielleicht ist etwas Spielraum in der Interpretation gar nicht schlecht - dann gibt man dem Leser Raum, seine eigene Lesart zu finden und auch zu spekulieren. Und mit jedem weiteren Satz verdichtet sich ja das Bild. bzw. bei Autoren, die das gut können, hat man über den Verlauf des Buches hinweg dann das Gefühl, den Prota immer besser zu kennen, bis man schließlich jede Regung zu interpretieren weiß - was sehr befriedigend sein kann.


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Stoleti
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Beitrag01.06.2020 10:32

von Stoleti
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Bei den ersten Kapiteln, die ich meiner Freundin mal zu lesen gegeben hatte, stand immer wieder "Warum tut sie das?" am Rand. Ich hatte zuviel nur im Kopf, also erschienen mir ihre Handlungen logisch. Für den Leser muss man, wenn die Geschichte mittendrin anfängt, mehr hinschreiben. Besonders für ungeduldige Leserinnen, die JETZT wissen wollen warum was mit wem los ist und nicht später Wink

Die Protagonistin hat auch noch die Gabe, die Gefühle Anderer zu lesen und ist oft von Personen umgeben, die ihr oder ihrer Art feindlich gesinnt sind. Also ergeben sich ihre Handlungen sehr oft aus dem, was sie bei Anderen spürt.

Langfristig werde ich das wohl eher nach den Anmerkungen mehrerer Testleser anpassen müssen.
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BlueNote
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Beitrag01.06.2020 11:51

von BlueNote
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Ich bin ein großer Anhänger der "Innenansicht" und vielleicht auch der Ich-Perspektive. Womöglich liegt das daran, dass mich am meisten der "Entwicklungsroman" (im weitesten Sinne) interessiert. Subjektivität und das Bewerten von Ereignissen und Situationen finde ich persönlich wichtig. Lange Zeit verfolgte mich die Angst, dass Anhänger der anderen Methode (alles müsse von außen wie bei einem Film sichtbar sein) mich zu ihrer Methode bekehren wollten. Mir fehlt dabei aber der Tiefgang, was vielleicht auch daran liegt, dass ich oberflächliche Hollywoodfilme oder Unterhaltungsromane überhaupt nicht schätze. Längere Zeit habe ich mich während des Romanschreibens mit einer Autorin des filmischen Erzählens beschäftigt, was sich aber irgendwann als ziemlich sinnlos herausgestellt hat.

Wenn auch du filmisch erzählen willst, tu es  - und zwar konsequent - aber sehe es nicht als alleinige Möglichkeit an. Ich glaube, die wenigsten in diesem Forum "können" Innenansicht, deswegen wird hier auch so unendlich auf dem Show don't tell herumgeritten. Show können viel, gutes Tell nur wenige. Aber vielleicht ist ein Eintauchen in die Innenwelt ja aber auch gar kein Tell. Wenn man die Innenansicht eines Protagonisten nachempfinden kann, dann wird das meist nicht nur durch reines Beschreiben erreicht.

Deine Position scheint mir allerdings ohnehin die des konsequenten Show-Romans zu sein. Deine Fragestellung zielt schon auf eine unterschiedliche Bewertung beider Methoden ab. Sonst würdest du nicht fragen, wie viel auch hingeschrieben und ausformuliert werden soll. Warum fragst du, wenn du die Antwort für dich schon weißt bzw. das eine (unfreiwillig?) über das andere stellst? Oder suchst du nur noch nach Bestätigung deiner bereits abgeschlossenen Meinungsbildung?
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Ralphie
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Beitrag01.06.2020 13:45

von Ralphie
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Wenn du mit Innenansicht den Inneren Monolog meinst, so muss ich zugeben, dass ich diesen in meinem Leben sträflich vernachlässigt habe.
 Sad
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agu
Geschlecht:weiblichExposéadler

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Beitrag01.06.2020 15:13

von agu
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BlueNote hat Folgendes geschrieben:

Deine Fragestellung zielt schon auf eine unterschiedliche Bewertung beider Methoden ab. Sonst würdest du nicht fragen, wie viel auch hingeschrieben und ausformuliert werden soll. Warum fragst du, wenn du die Antwort für dich schon weißt bzw. das eine (unfreiwillig?) über das andere stellst? Oder suchst du nur noch nach Bestätigung deiner bereits abgeschlossenen Meinungsbildung?


Nicht notwendigerweise.
Ich wollte die Fragestellung ergebnisoffen als Thread aufmachen - einfach weil mich die verschiedenen Meinungen und Geschmäcker interessieren und ich glaube, dass es sehr spannend ist, die mal zu sammeln. Ich glaube, dass es den allein selig machenden Ansatz ohnehin nicht gibt - die Bandbreite ist riesig und das ist gut so. Gerade bei dem Thema gibt es ein "richtig" oder "falsch" nicht so wirklich - sondern nur ein "gefällt mir" oder "gefällt mir nicht". Das gesamte Spektrum ist handwerklich valide.
Meine persönliche Position neigt in der Tat (inzwischen) zu einem eher minimalistischen Ansatz in der Ausformulierung der Gefühle, aber ich sehe das nicht dogmatisch. Ich lese auch gern Bücher, die das etwas opulenter handhaben. Gut möglich, dass ich selbst wieder in stärker gefühlsbetonte Regionen schwenke, das ist immer auch eine Entwicklung. Ich habe auch mal einen Kunstfälscher-Krimi geschrieben, der bestimmt zu 50% aus Innensicht besteht, weil es da hauptsächlich um die psychologische Entwicklung des Protagonisten (und seinen inneren Absturz) geht. Von daher bin ich absolut kein Gegner dieses Ansatzes.


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Maunzilla
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Beiträge: 2819



Beitrag01.06.2020 19:43

von Maunzilla
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Kommt das nicht auch auf die Zielgruppe an? Ich denke Männer lesen lieber handlungsorientierte Geschichten, während Frauen gefühlsbetonte bevorzugen. Was vielleicht auch daran liegt, daß Männer grundsätzlich einfacher gestrickt sind und nur drei Gefühle kennen. smile

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agu
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Beitrag01.06.2020 19:58

von agu
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Maunzilla hat Folgendes geschrieben:
Ich denke Männer lesen lieber handlungsorientierte Geschichten, während Frauen gefühlsbetonte bevorzugen.

F*ck, ich wusste, die haben mich bei der Geburt vertauscht^^


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SickBoy
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Beitrag01.06.2020 20:52

von SickBoy
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Natürlich kommt es auf das Genre an und auch auf die Erzählperspektive; als Ich-Erzähler rutscht man logischerweise schneller in die Innenansicht. Das lässt sich gar nicht vermeiden und kann auch ganz spannend sein, insofern es gut gemacht ist natürlich.
Ich persönlich bin kein Freund von ausschweifenden inneren Monologen und zu viel Innereien Laughing ; das hat immer ein wenig den faden Beigeschmack der Bevormundung durch den Autor (etwas überspitzt ausgedrückt), so als würde ich nicht kapieren, wie seine Figuren ticken und bräuchte dazu eine extra Erklärung.
Ich denke, man kann Gefühle, Ansichten, sogar Gedankliches etc. super durch Handlungen, Gesten und natürlich wörtliche Rede rüberbringen. Wenn der Protagonist seine Angebetete bei ihrem zweiten Date mehrere Male berührt, am Arm, ihrer Schulter etc., und es dabei beiläufig erscheinen lässt, dann kann das viel emotionaler rüberkommen, als wenn dort steht: "Er spürte, wie er sich langsam in sie verliebte." oder so.
Wie auch im realen Leben: kleine Gesten, große Wirkung Smile

Beste Grüße
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Michel
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Beitrag01.06.2020 22:34

von Michel
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Naja, zwischen "er spürte" und einer rein handlungsbezogenen Schreibweise dürfte ein relativ großer Graubereich zu finden sein.
Aber die Diskussion hat mich doch noch einmal nachdenklich gemacht. Die distanzierenden Verben der Wahrnehmung, die deep POV schnell sehr verdünnen, streiche ich bei anderen teilweise fast zwanghaft an. (Vermutlich auch übertrieben.) Und wenn ich an die letzten drei oder vier Bände Robin Hobb denke (letzter Weitseher-Zyklus): Den zögerlichen, depressiven, sich selbst im Weg stehenden Helden mag ich ja sehr, aber seine seitenlangen Gedankenmonologe haben mich doch ganz schön gefordert.
@agu: Ich hatte meine Wahrnehmung der von Dir eingestellten Szene in einem anderen Faden zum Besten gegeben. Jetzt bin und bleibe ich gespannt, wie sie im Gesamtwerk eingebettet wirken wird. Dass die Geschichte kein neuer Werther wird, ist mir schon länger klar. smile


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Mogmeier
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Beitrag02.06.2020 01:13

von Mogmeier
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Zitat:
Wie viel oder wie wenig beschriebenes Gefühl und Innensicht haltet ihr bei Buchcharakteren für angemessen?

Die bestmögliche Antwort hierauf dürfte lauten: »Kommt darauf an.« – Ich meine, zu diesem Thema könnte man sicherlich Bände schreiben, um damit meterweise Regalwände zu füllen. Und ich hätte noch eine Antwort auf Lager: »Der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel.« Die Frage, die daraus resultiert: Kommen diese Mittel, die dabei durch den Autor Anwendung finden (so mal mehr und mal weniger), auch beim Leser an? Und noch eine Frage: Wie kommt das dann beim Leser an?

Die letztere Frage dabei ist wohl die entscheidende, denn die kann man als Autor nicht oder nur schwer beeinflussen.

In meinem gegenwärtigen Manuskript habe ich z.B. bei gewissen Nebenfiguren (sofern man eine Stadttaube [die, vergiftet, ihrer letzten Stunde frönt] und einen Kieselstein [der sein Dasein scheiße findet] als Nebenfiguren bezeichnen kann) mehr Innenansicht als bei den Hauptfiguren gewählt. Und zwar überschritt ich dabei gewisse Grenzen; ich ging dabei ans Eingemachte, dem Bewusstseinsstrom.

LG Mog


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Nina C
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Beitrag02.06.2020 04:37

von Nina C
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Mh, also ich finde Show don’t Tell nicht generell falsch oder so, aber manchmal habe ich den Eindruck, dass es etwas überbeansprucht wird. Vor allem, wenn Protagonisten Sinneswandel durchmachen oder aus welchen Gründen auch immer ungewöhnlich handeln, möchte ich dafür eine gute Erklärung haben, sonst wirkt es auf mich schlampig. Ich schätze die klassische Erzählung, aber es geht mir auf den Keks, wenn ich beim Lesen denke „Häh, warum macht er/sie das denn nun?!“, weil es sich eben nicht erschließt. Wenn es aber nur durch Handlung gezeigt werden kann, prima!
War das irgendwie nachvollziehbar? Very Happy
Ansonsten, Gefühle meiner Meinung nach genre- nicht geschlechtsabhängig. Und bloß keine reingequetsche Liebesgeschichte in Alles und Jedes. oO

Liebe Grüße

Nina


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Raphael_Lang
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R
Beitrag02.06.2020 09:57

von Raphael_Lang
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Wie viele bisher geschrieben haben, finde ich auch, dass Gefühle immens wichtig sind, um die Motivation der Charaktere greifbar zu machen.

Wenn eine große Entscheidung ansteht, lasse ich die Gefühlswelt entsprechend länger ausfallen. Gerne gebe ich den Charakteren dann etwas zu tun, das ihre Gefühle in eine "materielle Ebene" bringt. Das klassische Show don't tell eben Laughing Während die Charaktere dann etwas tun, stellen sie sich Fragen, oder stellen sich vor, wie dies oder das wäre, wenn doch nur ...


Wenn es sich jedoch um die Frage handelt: Schoko- oder Erdbeereis?, und der Charakter (schon wieder) anfängt seitenlang zu sinnieren, dann schweife ich beim Lesen schnell ab. Das hat auch schon dazu geführt, dass ich das Buch irgendwann weglege und ein anderes anfange.
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nothingisreal
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Beitrag02.06.2020 10:38

von nothingisreal
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Ich persönlich brauche die Gefühle und Gedanken der Figur. Ihre Handlungen machen erst so für mich Sinn.

Für mich gibt es fast nichts, was mich mehr aufregt, als zum Beispiel ein langer Monolog des Gesprächspartner der Hauptfigur, in der die Hauptfigur immens wichtige und/oder schockierende Sachen erfährt, und ich null Ahnung habe, was sie darüber denkt Laughing


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Michel
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Beitrag02.06.2020 15:41

von Michel
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Mogmeier hat Folgendes geschrieben:
In meinem gegenwärtigen Manuskript habe ich z.B. bei gewissen Nebenfiguren (sofern man eine Stadttaube [die, vergiftet, ihrer letzten Stunde frönt] und einen Kieselstein [der sein Dasein scheiße findet] als Nebenfiguren bezeichnen kann) mehr Innenansicht als bei den Hauptfiguren gewählt.
Gibst Du Bescheid, wenn man das kaufen kann? Bitte?

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agu
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Beitrag02.06.2020 17:18

von agu
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Michel hat Folgendes geschrieben:
Mogmeier hat Folgendes geschrieben:
In meinem gegenwärtigen Manuskript habe ich z.B. bei gewissen Nebenfiguren (sofern man eine Stadttaube [die, vergiftet, ihrer letzten Stunde frönt] und einen Kieselstein [der sein Dasein scheiße findet] als Nebenfiguren bezeichnen kann) mehr Innenansicht als bei den Hauptfiguren gewählt.
Gibst Du Bescheid, wenn man das kaufen kann? Bitte?

Ja, das würde mich auch sehr interessieren!


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fancy
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Beitrag02.06.2020 17:27

von fancy
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Ich finde auch, dass es immer drauf ankommt.
Wenn ich zum Beispiel zwei Frauen laut singend durchs Wohnzimmer tanzen lasse, brauche ich nicht extra zu erwähnen, dass sie gute Laune haben.

Wenn ich aber einen Teenager in eine für ihn ungewohnte Situation schubse, sehe ich ihm nicht an der Nasenspitze an, was er davon hält. Da muss ich dann doch in seine Gefühlswelt eindringen.

Auf jeden Fall immer wieder spannend, wo man was in welcher Intensität einsetzt.


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Mogmeier
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Beitrag03.06.2020 03:09

von Mogmeier
Antworten mit Zitat

agu hat Folgendes geschrieben:
Michel hat Folgendes geschrieben:
Mogmeier hat Folgendes geschrieben:
In meinem gegenwärtigen Manuskript habe ich z.B. bei gewissen Nebenfiguren (sofern man eine Stadttaube [die, vergiftet, ihrer letzten Stunde frönt] und einen Kieselstein [der sein Dasein scheiße findet] als Nebenfiguren bezeichnen kann) mehr Innenansicht als bei den Hauptfiguren gewählt.
Gibst Du Bescheid, wenn man das kaufen kann? Bitte?

Ja, das würde mich auch sehr interessieren!

 Confused
Wie schon gesagt, der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel. Und wenn ich einem Kieselstein – um diesen jetzt mal hervorzuheben – ein Bewusstsein schenke, hat das einen triftigen [handlungsbezogenen] Grund. Konnotation und so, is' klar. Soll heißen, solche Absurditäten bringe ich nicht als reinen Schabernack in meinem Roman an, auch wenn es sich am Ende vielleicht so lesen wird.


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Maunzilla
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Beitrag03.06.2020 04:47

von Maunzilla
Antworten mit Zitat

Ich hatte mal die Idee, eine Erzählung aus der Sicht einer Zimmerpflanze zu schreiben. Leider kann ich meine diesbezüglichen Notizen nicht mehr finden, und weiß auch nicht mehr, was ich mir damals dabei gedacht hatte. Rolling Eyes

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