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Skagerrak


 
 
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Ralphie
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Beitrag21.03.2021 08:14
Skagerrak
von Ralphie
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Mit schrillen Pfiffen rief die Bootsmannsmaatenpfeife des Dienst habenden Unteroffiziers zum Morgenappell. Und wie ein Ameisenhaufen, in den ein törichter Mensch mit einem Stock stochert, erwachte das Schiff zu neuem, hektischem Leben. Aus allen Schotten stürzten Matrosen in ihren weißen Takelpäckchen, um auf dem Achterdeck, vor und unter den langen Rohren der 15- und 10,5-cm-Bordgeschütze, in Linie anzutreten.

Der Kleine Kreuzer Coburg hatte um zwei Uhr nachts an der Kohlenzunge in Wilhelmshaven die Vorräte aufgefrischt und befand sich seitdem auf hoher See. Im vorgeschriebenen Abstand von zweihundertfünfundsiebzig Metern fuhr das Schiff mit zwanzig Knoten im weiß schäumenden Kielwasser eines anderen Kleinen Kreuzers, der Elbing, so, wie ein dritter Kleiner Kreuzer, die Regensburg, die Bugwellen zerschnitt, die von den Schrauben der Coburg aufgewirbelt wurden. Die gesamte deutsche Hochseeflotte war an diesem Morgen des 31. Mai 1916 unterwegs, zusammengefasst in einem Verband nie gesehenen Ausmaßes: einundzwanzig Großkampfschiffe, sechs ältere Linienschiffe, zahllose Kreuzer, Zerstörer und Torpedoboote, insgesamt hundertdreizehn Schiffe, deren Rauchwolken den Himmel verdunkelten. Die drei Kleinen Kreuzer gehörten der von Vizeadmiral Hipper geführten Vorhut an, dem 2. Kreuzerverband, zu dem auch die fünf großen Schlachtkreuzer Lützow, Derfflinger, Moltke, Seydlitz und Von der Tann sowie zwei weitere Kleine Kreuzer und vierzig Zerstörer zählten.

Fritz Fehlbeer stand am Bullauge seiner Kombüse und betrachtete die Morgenmusterung, von der er als Smutje glücklicherweise verschont blieb. Der Kommandant, Kapitän zur See von Schnichels, betrat das Deck und blickte zu dem hohen Signalmast auf, an dem mehrere bunte Signalflaggen flatterten. An diesem Morgen führte er den Appell selbst durch. In seiner marineblauen Uniform mit dem Eisernen Kreuz und den goldenen Knöpfen und Ärmelstreifen des seemännischen Personals wirkte dieser Offizier trotz seiner Schlankheit und seiner bescheidenen Körpergröße von einem Meter vierundsechzig sehr imposant. Er war erst vor vier Monaten vom Fregattenkapitän zum Kapitän zur See befördert worden. Die Coburg war sein erstes Kommando. Zuvor hatte er vier Jahre lang als erster Offizier auf der Stralsund gedient, jenem Kleinen Kreuzer, der am 18. August des Jahres 1914 den ersten Feuerwechsel dieses Krieges in der Nordsee eröffnet hatte. Franz von Schnichels galt als harter Hund. Das kleinste Vergehen zog eine rigorose Strafe hinter sich. Fritz konnte Abend für Abend die Legionen von armen, auf den Knien rutschenden Teufeln beobachten, die dazu verdonnert waren, die Fußböden der Schiffskorridore mit den Zahnbürsten blank zu schrubben.
»Was sie wohl vorhaben?«, sagte Fritz und biss ein Stück Kautabak ab. Seit seiner Einberufung priemte er wieder. Auf dem Achterdeck trat der Kapitän vor die Front der strammstehenden Maate und Matrosen, denen die frische, salzige Nordseebrise die Mützenbänder in die Gesichter schlug. Die an der Reling versammelten Offiziere und Deckoffiziere grüßten. Der Kapitän machte eine halbe Kehrtwendung, legte die Rechte an den mit goldenem Eichenlaub geschmückten Mützenschirm und rief: »Morgen, Männer!«

»Morgen, Herr Kap’tän!«, schallte es aus über zweihundert Kehlen über das Achterdeck.

»Es geht gegen die Tommies«, meinte Fedder Feddersen, Fritzens Gehilfe, der vor dem Krieg Koch in einem Flensburger Speiselokal gewesen war, ein Halbfriese mit schwarzen Haaren, schwarzen Augen und einem spitzen Mund, der sich beim Grinsen zu einem dünnen Entenschnabel formte. Seinen leiblichen Vater kannte er nicht. Seine Mutter stammte aus Munkwolstrup und war mit einem Mann verheiratet, der auf einem Bananenfrachter zur See fuhr. Seemannsfrauen sind oft monatelang allein. Eines Nachts hatte sie einen sizilianischen Matrosen aus Syrakus mit zu sich ins Bett genommen und war davon schwanger geworden. Als ihr Ehemann von einer Fahrt nach Caracas nach Hause kam, hatte sie schon einen dicken Bauch und konnte ihm das Kind unmöglich unterschieben. Doch der alte Feddersen erwies sich als Mann von Charakter. Er verzieh seiner Frau den kleinen Fehltritt; die Familie zog, um dem Gerede der Nachbarschaft zu entkommen, nach Flensburg, und Fedder bekam trotz seiner ausgeprägten sizilianischen Züge den Namen seines Ziehvaters zugewiesen. »Ich hab’s von Michael Risser, unserm Funkgast. Ist natürlich streng geheim. Wir sollen Sunderland beschießen und die Tommies aus ihren Stützpunkten locken. Wilhelm will es bis nach Berlin knallen hören. Hat schließlich genug für unsere schönen Pötte hingeblättert.«

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Pickman
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Beitrag21.03.2021 08:53

von Pickman
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Guten Morgen Ralphie,

das liest sich äußerst professionell. Das habe ich von Dir nicht anders erwartet.

Nur ein paar Kleinigkeiten:

"hektischem" - würde ich streichen. Der Vergleich mit dem Ameisenhaufen ist stark genug.

"cm" - würde ich ausschreiben.

"Bordgeschütze" - "Geschütze" reicht.

"an der Kohlenzunge in Wilhelmshaven die Vorräte aufgefrischt" - Geht es nur um Kohlen (die "Kohlenzuge" suggeriert das) - dann besser "gebunkert". Geht es um mehr als nur Kohlen - dann würde ich ein paar Beispiel nennen.

"die Bugwellen zerschnitt, die von den Schrauben der Coburg aufgewirbelt wurden" - Das passt nicht. Bugwellen werden am Bug erzeugt, durch die Verdrängung des Wassers durch den Rumpf des bewegten Schiffes. Wenn Du "Kielwasser" nicht wiederholen willst, kannst Du "Heckwelle" schreiben.

"Fritz Fehlbeer stand am Bullauge seiner Kombüse und betrachtete die Morgenmusterung." - Die Kombüse hat ein Bullauge mit Blick auf das Achterdeck? Das scheint mir ein recht privilegierter Platz für eine Schiffsküche.

"den mit goldenem Eichenlaub geschmückten Mützenschirm" - Meinem Sprachgefühl nach sollte es sich nicht um einen Schmuck, sondern um eine Verzierung handeln.

Das liest sich sehr flott - wie schon gedruckt. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.

Liebe Grüße

Pickman


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Tempus fugit.
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Ralphie
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Beitrag21.03.2021 08:57

von Ralphie
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Danke, das mit den Bugwellen stimmt wohl nicht.

 Shocked
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Rodge
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Beitrag21.03.2021 09:28

von Rodge
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Moin, moin,

bezüglich der Sprache, schließe ich mich Pickman an, das ist im Grunde druckreif. Zwei Dinge gefallen mir nicht, aber das ist persönlicher Geschmack:

1. Ich finde den ersten Satz nicht gelungen. Das ist so ein bisschen um die Ecke geschrieben und gibt der Pfeife eine Macht, die sie nicht hat, weil sie ja nur Instrument sein kann. Bestimmt kannst du hier einen besseren Satz finden (z. B. was fühlen die Matrosen, wenn sie das in ihren Kammern hören).

2. Mich stört der Infodump, auch wenn das gut gemacht ist. Letztlich macht das ja dann auch aus deinem Erzähler einen allwissenden Erzähler (und aus mir einen unwissenden Leser, der auch die meisten der sicherlich gut recherchierten Seemannsbegriffe nicht kennt).

Grüße
Rodge
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Ralphie
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Beitrag21.03.2021 09:43

von Ralphie
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Ja, die Seemannsbegriffe sind eine Sache für sich, so ist auch die Bootsmannsmaatenpfeife entstanden. Aber ich weiß nicht, wie ich es ändern soll.

Danke für eure Kommentare.
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Rodge
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Beitrag21.03.2021 10:01

von Rodge
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Ralphie hat Folgendes geschrieben:
Ja, die Seemannsbegriffe sind eine Sache für sich, so ist auch die Bootsmannsmaatenpfeife entstanden. Aber ich weiß nicht, wie ich es ändern soll.

Danke für eure Kommentare.


Warum nicht einfach nur Pfeife?
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Ralphie
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Beitrag21.03.2021 10:17

von Ralphie
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Das Ding heißt nun mal Bootsmannsmaatenpfeife.
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Gast







Beitrag21.03.2021 12:45

von Gast
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Hallo Raphie,

das liest sich sehr gut. Daumen hoch

Ralphie hat Folgendes geschrieben:
Das Ding heißt nun mal Bootsmannsmaatenpfeife.

Laut Wiki könntest du auch kürzer Maatenpfeife oder Bootsmannpfeife sagen. https://de.wikipedia.org/wiki/Bootsmannpfeife

Im zweiten Abschnitt ist sehr viel an Information angehäuft.  Weiß nicht, ob du dir z.B. den letzten Satz (Die drei Kleinen Kreuzer...)  an dieser Stelle nicht sparen könntest. Wenn du der Meinung bist, dass der Satz hier nötig ist, könnte  man vielleicht die namentliche Nennung der Schlachtkreuzer rausnehmen.

LG
DLurie
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Ralphie
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Beitrag21.03.2021 12:51

von Ralphie
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Hallo, DLurie!

Danke für deine Tipps!

Ich war bei der Marine, und dort hießen die Dinger Bootsmannsmaatenpfeife. Das ist mir geläufiger als Maatenpfeife und Bootsmannpfeife.

Trotzdem vielen Dank!
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Ralphie
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Beitrag21.03.2021 12:57

von Ralphie
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Wikipedia ist nur mit Vorsicht zu genießen.
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Pickman
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Beitrag21.03.2021 17:51

von Pickman
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Infodump kann ich hier nicht erkennen. Ich halte die gelieferten Nebeninformationen für genretypisch. Sie vermitteln dem Leser den Eindruck, der Autor wäre dabei gewesen und wüsste auch sonst alles, was man wisse muss.

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Ralphie
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Beitrag21.03.2021 17:54

von Ralphie
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Was die seemännischen Begriffe betrifft: Ich habe "Ein Kriegsende" von Siegfried Lenz gelesen, dort wimmelt es nur so von seemännischen Begriffen, die nicht erklärt werden. Außerdem verlangt der Leser von Arzt- und Seemannsromanen geradezu nach solchen Begriffen. Ich mache mir darüber keine Gedanken.
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Ralphie
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Beitrag21.03.2021 18:11

von Ralphie
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Hallo, Pickman!

Vielen Dank für deinen Kommentar.

Was mir Sorgen bereitet, ist die nächste Szene. Mein Protagonist setzt eine Tellermütze auf, und soweit ich es in Erinnerung habe, wurden die Tellermützen nur bei der Wache, bei Paraden und Landgängen getragen. Da muss ich noch recherchieren.
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Rodge
Geschlecht:männlichKlammeraffe


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Beitrag22.03.2021 11:18

von Rodge
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Pickman hat Folgendes geschrieben:
Infodump kann ich hier nicht erkennen. Ich halte die gelieferten Nebeninformationen für genretypisch. Sie vermitteln dem Leser den Eindruck, der Autor wäre dabei gewesen und wüsste auch sonst alles, was man wisse muss.


Danke für den Hinweis, das wußte ich nicht. Zwar hat es meinen Lesefluß gebremst, aber wenn das genretypisch ist, will ich nichts gesagt haben...

Schuster, bleib bei deinen Genres...
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Ralphie
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Beitrag22.03.2021 11:23

von Ralphie
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lol
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