Novemberblues

[Tayfun]

Nicht das allererste, aber mein Erstling, in dem ich versucht habe, bewußt ein Gedicht zu schreiben und mich auch lyrisch auszudrücken. Bei der ganzen Anstrengung konnte ich natürlich unmöglich auf Versmaß oder Sonstiges achten   , von dem ich ohnehin bisher nur eine schwache, angelesene Ahnung habe. Mich würde es sehr interessieren, welche Fehler da alle drin stecken. Gesamteindruck und so - aber ohne Samthandschuhe. Mein Papierkorb ist groß und gnädig. Nur so komme ich weiter.

Novemberblues

Regen hängt fest in Fronten
schlichter Deutung von Schwarzweiss
Neblige Schwere dämmert grau,
entkleidet den Tag aller Farben.

Bäume, bewipfelt von Krähen,
recken fingrig kahles Geäst
ins Gewölk trüber Gedanken,
sinnend auf Raub jeden Strahls.

Wind pfeift virtuos Konzert durch
heimelige Fugen und Ritzen,
bläst sich auf zum reinigenden Sturm.
Schüchterne Sonne wagt jähes Blinzeln.

Wolken duschen begierig im Licht
bemalen weltgrößte Leinwand im Nu
und tanzen rosarot golden im Blau
stürmischen Blues dazu.

[Dliessmgg]

Hm.

Das ist nicht schlecht, aber es berührt mich trotz schöner Metaphern nicht. Störend finde ich, dass zum Schluss plötzlich etwas englisches kommt. Wenn schon, dann würde ich schon so beginnen und weitermachen oder es ganz sein lassen.

Ausserdem zähle ich zumindest dieses Gedicht nicht als Blues. Meiner Meinung gehört zum Blues Kreuzreime, Umgangssprache, und ein tatsächliches oder fiktives eigenes Erlebnis, das so verallgemeinert wird, dass viele sagen können, schon etwas ähnliches erlebt zu haben. Im ursprünglichen Blues waren übrigens die fröhlichen Texte massiv in der Überzahl, also kann man nicht sagen, dass Blues einfach Trauer ist.

[Tayfun]

Hi Dliessmgg,

danke dir für deine aufklärenden Zeilen über den Blues. Wußte ich gar nicht, paßt aber doch! Blues ist für mich melancholisch-melodiös- experimentell bis heftig.  Ich mag ihn, dito Jazz,  aber gestehe auch freimütig, habe null Ahnung von der Theorie, höre ihn einfach. Wenn ich Musik höre, was ich relativ selten tue  (und dann Klassik, sorry, ich weiß).

Aber es geht mir ja eigentlich nicht um den Blues.  
Mir ging es um den genialen Ausdruck "Winterblues" (der ja seine Hochblütezeit bereits im November hat, sobald die Tage kurz und grau werden ). Der unschöne deutsche Ausdruck "Winterdepression" oder präziser "Melatoninmangel" inspiriert  ja nicht gerade. Mag ich nicht. Deshalb m u ß hier der englische Ausdruck stehen.

Ich finde diesen Begriff Winterblues deshalb so genial, weil, wenn man seinen Allerwertesten mal in Richtung Natur schiebt, die Augen aufmacht und all das Schöne, das Rauhe des Winters sieht und genießt, ja dann ... ist das Musik und jedes melatonine Depressiönchen könnte sich in Wohlgefallen auflösen. Anstelle der ansteigenden SSRI-Konsumkurve, die die Pharmakonzerne beglückt.

Aber was quatsch ich ... ? Danke dir für deine Rückmeldung!

LG Tayfun