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Jedes große Abenteuer beginnt mit Bewusstlosigkeit


 
 
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sleepless_lives
Geschlecht:männlichSchall und Wahn

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Beitrag09.02.2020 02:13
Jedes große Abenteuer beginnt mit Bewusstlosigkeit
von sleepless_lives
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Ein Roman, der als Spaß begann und erlaubte Vergnügliches zu schreiben, wenn in den Hauptprojekten mal wieder alles sehr düster wurde. Spaß oder nicht, die einmal angefangene Geschichte forderte Vollendung. Jetzt, ca 110.000 Wörter später, ist das so gut wie erreicht und deshalb möchte ich den Anfang zur Diskussion stellen. Mich interessiert vorwiegend, ob die Art von Einstieg funktioniert, ohne zu langweilen. Es ist reine Unterhaltungsliteratur (oder soll zumindest so aussehen).   



Kapitel 1

Es begann wie so viele abenteuerliche Geschichten in einer Trinkwirtschaft. Im Unterschied zu den meisten anderen derartigen abenteuerlichen Geschichten endete es jedoch nicht mit dem nächstmorgendlichen Erwachen im schmierigen Rinnstein einer Seitengasse. Mit besudelten Kleidern und einem kopfschüttelnden respektierlichen Bekannten, der von oben auf einen herabblickte und etwas von sich gab wie »Die arme Ehefrau«. Das wäre bei mir schon deshalb schwierig gewesen, weil ich Junggeselle war. Abgesehen von einer kurzen Scheinehe, hieß das, weniger als drei Wochen in ihrer Dauer. Das zählte nicht. Die vorgenannte Wirtschaft duckte sich in eine schlecht beleuchtete Ecke im Hafenviertel meiner Heimatstadt Humbug und rechtschaffene Leute verkehrten dort nicht. Sie hieß ›Anker und Kette‹, zumindest stand es so oder ähnlich in einem verblassenden Schriftzug über der Eingangstür, aber jedermann nannte sie nur die ›Spelunke‹. Es war der Treffpunkt zwielichtiger und niederträchtiger Charaktere, die die Titulierung ›Gesindel‹ glatt als Kompliment empfunden hätten.

Ich versuchte mich zu dieser Zeit als Importeur von feinen Seidenstoffen, die meine Schwester Alba-Maria in ihrem Laden in der Hofgasse verkaufte. Die Konkurrenz jedoch war übermächtig.
»Beim Krummlinger zahle ich nur fünf Dücken für die Elle«, sagte Alba-Maria. »Wenn du deine Preise nicht senkst, Vitus, werde ich nichts mehr bei dir kaufen. Familie hin oder her.«
Ich sah mich gezwungen, mit halbseidenen Kapitänen Geschäfte zu machen und konnte derhalben die Einkehr in die Spelunke nicht vermeiden. Die beste und feinste Seide wurden in den fernen Südländern Annih-C und Annih-B hergestellt, auf der anderen Seite des Zirkelmeeres. Eher am Rande sei hier erwähnt, dass in den alten Zeiten das Zirkelmeer ›Ondino‹ geheißen hatte, was so viel bedeutete wie ›Ohne Ende‹. Doch in unserem Zeitalter der Wohlgeordnetheit war der großartige Seemann Christopher Lumbus entlang der Küsten Richtung Osten gesegelt, aber nach fünf Jahren und drei Monaten entlang der westlichen Küsten wieder in Humbug eingefahren. Damit war bewiesen, dass Ondino rund war, nach Lumbus' Winkelmessungen sogar kreisrund. Keineswegs ohne Ende. Die Königliche Nautische Ordinalsocietät ordnete im Einvernehmen mit der Königlich Traaktinischen Vermessungsgesellschaft die sofortige Umbenennung in ›Zirkelmeer‹ an, um den Triumph der Wohlgeordnetheit gebührend zu würdigen.

Die Seiden-Route führte entlang der östlichen Küste, an deren Ufern alle bekannten Zivilisationen angesiedelt waren. Sie bot Bequemlichkeit und Sicherheit für die Handelsschiffe in den vielen Häfen, führte jedoch zu gesteigerten Kosten aufgrund der mannigfaltigen Zölle und Abgaben. Die großen Handelshäuser wie Ammahamma, Fonticulus, die Ostwindige Handelsgesellschaft und Emptum Curtis hatten Abkommen mit den verschiedenen Stadtpatriarchen, Herzögen, Fürsten und Königen, die ihnen Erlassungen sicherten im Gegenzug zum Vorauswahlrecht des jeweiligen Hofschneiders. Das hatte in der Vergangenheit zu Kriegen geführt, denn die nördlicheren Edelleute konnten es nicht ertragen, schlechter gekleidet zu sein als ihre südlicheren Kollegen. Besonders mein Heimatland Traaktinien ganz im Norden fühlte sich benachteiligt, umso mehr als es sich zur mächtigsten Seefahrernation am ganzen Zirkelmeer gemausert hatte.
»Ich lass mich doch nicht von Lumpen mit Lumpen lumpen!«, empörte sich der vormalige Traaktinische König Horibert III, der Geile – die Zwillingsgötter seien seiner eitlen Seele gnädig – und sandte die Armada aus. Nach einem zweiundvierzigjährigen Seekrieg einigte man sich auf ein kompliziertes Verteilungssystem der Auswahlrechte, für das eigens eine neue Form des Abakus entwickelt werden musste.

Auch besaßen die großen Handelshäuser bewaffnete Begleitschiffe, die mit den vereinzelten Piraten und den Freibeutern enttäuschter, modefixierter kleinerer Herzogtümer fertig wurden. Ich dagegen hatte nichts dergleichen, weder Abkommen noch Begleitschiffe. Ich nannte noch nicht einmal ein Handelsschiff mein Eigen. Die etablierten Kapitäne, die meine Seide transportierten, verlangten exorbitante Preise. Nur aufgrund der Kosten, die ihnen dabei entstanden, wie sie sagten. Sie selbst verdienten dabei so gut wie nichts. Sie hatten das immer wieder beteuert, als ich sie zu Verhandlungen in ihren Marmorvillen in Oberhumbug besuchte. Mit betrübter Miene hatten sie sich abgewandt und aus den offenen Verandatüren über Zierrasen, Springbrunnen, Bronzestatuen und Sommerpavillons hinweg auf das Meer gestarrt.  

Waghalsige Kapitäne, wie man sie nur in der Spelunke fand, vermieden die Häfen größerer Städte und legten nur nahe kleiner Fischerdörfer an, immer auf dem Sprung, kontrollierenden Schiffen der jeweiligen Marine durch eine Flucht auf die offene See zu entkommen. Bereit so weit hinauszufahren, dass die Verfolger aufgaben. Im Zentrum des Zirkelmeeres tobte zu allen Zeiten ein gewaltiger Sturm und seine Ausläufer streckten ihre Schlechtwetterfinger nur zu gerne nach Schiffen aus, die sich zu weit auf die See hinausgewagt hatten. Die Flucht gelang meistens, wenn man den gelegentlichen Schiffsuntergang und damit einhergehenden Tod aller an Bord unter Gelingen einordneten durfte.

»Treib doch Unzucht mit dir selbst!«, sagte einer von diesen Kapitänen an jenem verhängnisvollen Tag vor zwölf Jahren. Nicht zu mir, sondern zu einem abgehalfterten Steuerbeamten. Stufe IV-b oder c, schätzte ich. Ach, hätte ich doch nicht die Unterhaltung mitangehört damals in jener schicksalhaften Stunde, wie anders wäre es mir ergangen, wie viel wäre mir erspart geblieben! All die Schimpfwörter zum Beispiel, die der Kapitän dem Steuerbeamten an den Kopf warf, und den Bierkrug, der kurz später folgte und mich anstelle seines vorgesehenes Ziels traf.

Als ich wieder zu mir kam, sagte jemand: »Nichts für ungut«, und ein Holzbein wechselte mit lautem ›Klock‹ direkt neben meinem bodenlägigen Kopf seine Position. Es gehörte zum Krug-werfenden Kapitän. Ich rappelte mich auf. Die halbseidenen Kapitäne waren ausnahmslos vom Volk der Ahaben, der einzigen Zivilisation westlich von Traaktinien. Wobei diese Zuordnung den Begriff ›Zivilisation‹ ein wenig dehnte. Etwa als würde man Silberfischchen als Fische klassifizieren. Sie waren grob und streitlustig. Die Kapitäne, nicht die Silberfischchen, trotz dass ihnen allen ein Bein von Geburt an fehlte und durch ein Holzbein ersetzt war. Ihr größte Schwäche war ihr Faible für alles Weiße. Der Steuerbeamte war nicht mehr zu sehen, war geflohen oder hinausgetragen worden. Ich musste eine lange Zeit ohnmächtig gewesen sein, der Wirt machte Anstalten, die Spelunke zu schließen, indem er die Hosentaschen der Volltrunkenen nach ein paar Münzen durchsuchte und sie dann auf die Straße beförderte. In einer schummrigen Ecke saßen zwei Lohnbuchhalter, ihre Hände schon wieder unter den Röcken von irgendwelchen Weibern.

»Sagt der Arsch, ich kann das nicht«, meinte der Kapitän zu mir.
»Ach«, sagte ich.
»Diese Fischblase, diese geteerte. Kann ich's oder kann ich's nicht?«
»Du kannst es«, sagte ich vorsichtshalber.
»Worauf du einen fahren lassen kannst.«   
»Ähm ... was denn?«
Mein Denkvermögen war ganz offensichtlich noch beeinträchtigt, so eine Frage zu stellen.
»An der Westküste bis ins Seidenland schippern«, brauste er los und eine Ader an seiner Schläfe schwoll bedrohlich an.
Ich horchte auf. Ich sah das Schicksal seine Fäden spinnen, auch wenn es sich später als die ältliche Mutter des Wirtes herausstellte, die in einer Ecke still vor sich hinstrickte.
»Du kannst es, aber würdest du es auch tun?«
»Was für eine dumme Frage, natürlich, zum Henkel!«
Ich war mir sicher, er meinte ›Henker‹. Und es war keine dumme Frage gewesen. Außer Lumbus war niemand an der Westküste entlanggesegelt und schon gar nicht jemand, bei dessen Schiff die Planken mutmaßlich nur aus Bequemlichkeit zusammenhielten. Und weil ihnen niemand gesagt hatte, dass sie auseinanderfallen könnten. Noch niemand gesagt hatte!

An der Westküste gab es nichts. Davon allerdings eine Menge. Lumbus hatte von Steppenlandschaften an der Küste berichtet, meist in regelrechte Wüsten übergehend, bestenfalls spärlich bewachsen, immer ausgedorrt. Auf etwa der Hälfte des Weges hatte er ein gewaltiges Flussdelta passiert, Sandbänke durchtrennt von unzähligen Flussarmen. Nirgendwo während seiner gesamten Fahrt bemerkte Lumbus Anzeichen menschlicher Siedlungen. Es gab nur Ödland, das ein Aufstocken der Vorräte schwierig gestaltete und sorgsame Planung erforderte. Nichts, wofür die Ahaben'schen Kapitäne bekannt waren. Doch die Aussicht auf einen abgabenfreien Transport ohne Kontrollen, ohne Seeräuber, übte eine unwiderstehliche Anziehung auf mich aus.      

»Ich hätte Verwendung für jemanden, der die Westroute fährt. Aber ich hab nie jemanden gefunden, der es wagt.«
»Excrementum! Ich tu es. Welche Ware?«
»Seide.«
»Meine dicke Lotte!«
Seine Augen leuchteten. Im Seidenhandel gab es die größten Profite.
»Beteiligung?«, fragte er.
Ich hatte mehr Glück als Verstand. Wobei das laut des Urteils meiner gehässigen Mitschüler auf der Handelsschule nicht viel bedeutete. Ich hatte mal gerade so eben genug Geld für die Rohseide bei den jetzigen Preisen auf den Märkten von Annih-C. Ich hätte ihm unmöglich auch noch eine Anzahlung auf einen festen Transportpreis geben können. Aber er schlug eine Gewinnbeteiligung vor.
»In Ordnung. Zehn Prozent.«
»Fünfzig, nix drunter.«
»Zwanzig.«
»Vierzig, mein letztes Wort.«
»Fünfundzwanzig.«
»Dreißig.«
Ich überlegte, oder genauer gesagt, gab vor zu überlegen. Dann, als hätte ich mir einen Ruck gegeben, sagte ich: »Gut, dreißig.«

Das Ganze war eine Ritual. Man einigte sich immer auf dreißig Prozent.
»Abgemacht! Aber du kommst mit.«
»Was? Witzig. Weißt du, was ich gerade verstanden habe? Du hättest gesagt, ich solle mitkommen.«
Ich lachte laut. Es war komisch.
»Das hab ich auch gesagt.«
Die Lautstärke seiner Stimme hätte man anderswo als unflätiges Herumschreien bezeichnet, in der Spelunke galt es nur als nachdrückliches Sprechen. Oder hätte als das gegolten, wenn jemand dort die übertragene Bedeutung des Wortes ›Nachdruck‹ gekannt hätte und es nicht für die Tätigkeit gehalten hätte, mit der man jemanden, den man geschubst hatte, der aber nicht gefallen war, endgültig die Balance entzog.   
Nie begleitete ein Importeur das Schiff mit seinen Waren. Es war viel zu gefährlich und unbequem. In den Besatzungen gab es immer jemanden, der aufgrund seiner Herkunft oder Erziehung mit der gewünschten Ware vertraut war, oft auch noch die Sprache im Einkaufsland sprach. Diesem Menschen legte man dar, was man wolle, worauf zu achten sei, wie er mit dem Verkäufer feilschen solle. In meinem Fall konnte ich beinahe mit Sicherheit davon ausgehen, dass ein Annih-Cese oder Annih-Bese zur Mannschaft gehörte, der sich mit Seide weidlich auskannte.  

Dem Kapitän wurde das Geld zum Kauf ausgehändigt und bei einem Festpreis für den Transport zusätzlich fünfzig Prozent jenes als Anzahlung. Brachte der Kapitän nicht die Ware oder, falls etwas schiefgelaufen war, das Geld dafür zurück, verlor er laut handelsüblicher Vereinbarung sein Schiff. Es ging in Besitz des Auftraggebers über. Das Risiko hätten viele Kapitäne in Kauf genommen und sich mit dem Geld davon gemacht, hätten dann einfach das Land des geprellten Importeurs vermieden und sich nur noch in anderen Ecken der Welt herumgetrieben, wären da nicht die Reposchen gewesen. Gegen eine Erfolgsbeteiligung von einem Drittel des Schiffspreises kassierten die Mitglieder dieses Berufsstandes das Schiff ein, wo auch immer es war, und brachten es zu seinem neuen rechtmäßigen Eigentümer. Niemand fragte, welche Methoden sie dabei anwendeten. Sie waren nicht als zimperlich bekannt. Mit einem Wort, die Vorstellung, dass ich den Kapitän begleiten würde, war absurd. Als würden Katzen Hunde jagen.

»Das kann nicht dein Ernst sein.«
»Und ob!«
»Als Nächstes schlägst du vor, wir sollten ins Hinterland gehen.«
Eindeutiger konnte man ihm die Absurdität seines Vorschlages nicht klar machen. Menschen lebten an den Küsten und auf ein paar küstennahen Inseln. Punkt. Hier hatten sie immer schon gelebt und hier würden sie es auch weiterhin tun. Hier gehörten sie hin. Hier herrschte das Zeitalter der Wohlgeordnetheit. Das Hinterland hatte das offensichtlich nicht mitbekommen. Was dort herrschte, wollte man gar nicht wissen. Die Geschichten der Alten, waren voller Andeutungen von schrecklichen Wesen mit riesigen Zähnen und Krallen, deren einziges Trachten die Auslöschung aller Zweibeiner der Gattung Mensch zu sein schien. Neuere Geschichten existierten nicht. Gelegentlich kribbelte es einem jungen Mann in den Knien von zu viel Abenteuerlust und er machte sich auf, um ein wenig das Hinterland zu erkunden. Nur ganz am Rande mal ein bisschen reinschnuppern. Man hörte nie wieder etwas von diesen jungen Männern und niemand suchte nach ihnen. Genauso wenig wie ein Mensch seinen Fuß ins Hinterland setzen sollte, gehörte ein Importeur auf ein Schiff. Auch die Tatsache, dass ich als Sohn eines wenn auch früh verstorbenen Bootsbauers leidlich Erfahrung im Umgang mit Schiffen hatte, änderte nicht das Geringste daran.
»Du willst mich wohl verstuhlgangen, du Landwurzel«, rief der Kapitän und schlug mit der Hand auf den Tresen. »Hinterland. Was für eine Schrumpfnudel bist du denn. Ich red doch nicht vom Hinterland, du Schleimalge.«

Die Feinheiten meiner Argumentation waren offensichtlich verlorengegangen. Ich versuchte es mit weniger Raffinesse: »Ich bin der Importeur, ich bleibe hier. Du bist der Kapitän, du fährst nach Annih-C. Comprende?«
»Nix da. Auf der Ostroute ist das so. Auf der Westroute nicht.«
»Sagt wer?«
»Sagt der einzige Kapitän, der bereit ist, die Westroute zu befahren.«
»Ist der hier auch irgendwo?«
Ich sah mich um.
»Du Öffnung de la derriere, du. Ich bin das.«
»Ich sehe trotzdem keinen Grund für meine Anwesenheit auf dem Schiff.«
»Du nimmst dein Geld selber mit. Wenn du es verlierst, ist das dein Problem. Ich behalte unter allen Umständen mein Schiff.«
Ich überlegte. Diesmal wirklich. Das Abenteuer lockte mich. Was für ein Narr ich war. Im Licht der Öllampe draußen über dem Eingang rannte eine kalbgroße Dogge an der Kaimauer entlang, verfolgt von einer Siamkatze.
Ich hörte mich »Einverstanden« sagen.
»Wusste doch, dass du ein cleveres Kerlchen bist. Wirt, noch zwei Schnaps.«
»Geschlossen«, sagte der Wirt.
»Geschäftsabschluss.«
»Und da kommt ihr Hansel nicht eher drauf«, sagte der Wirt, stellte dann aber doch zwei Gläser mit Seetang-Schnaps vor uns hin, mit langsamen Bewegungen, als müsste er gegen seinen Widerwillen anschwimmen.



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Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

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Kiara
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 44
Beiträge: 1404
Wohnort: bayerisch-Schwaben


Beitrag09.02.2020 12:10

von Kiara
Antworten mit Zitat

Nur ein Gedanke:

Warum den Anfang nicht umstellen?

Es geht los mit:

Die vorgenannte Wirtschaft (evtl. anderes Wort bei dieser Umstellung) duckte sich in eine schlecht beleuchtete Ecke im Hafenviertel meiner Heimatstadt Humbug und rechtschaffene Leute verkehrten dort nicht. Sie hieß ›Anker und Kette‹, zumindest stand es so oder ähnlich in einem verblassenden Schriftzug über der Eingangstür, aber jedermann nannte sie nur die ›Spelunke‹. Es war der Treffpunkt zwielichtiger und niederträchtiger Charaktere, die die Titulierung ›Gesindel‹ glatt als Kompliment empfunden hätten.
Hier begann...

Liebe Grüße


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Zum Schweigen fehlen mir die Worte.

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- Düstere Lande: Schatten des Zorns (2020)
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Calvin Hobbs
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 55
Beiträge: 563
Wohnort: Deutschland


Beitrag09.02.2020 13:17

von Calvin Hobbs
Antworten mit Zitat

Hallo smile
Habe noch vor der Hälfte angefangen, nur quer zu gelesen.
Den ersten Absatz fand ich ganz okay, aber schon nach der ersten wörtlichen Rede kommt der Erklärbär.
Das Springen zwischen Orten, Zeiten und Personen macht diesen Text für mich nicht entspannend, im Gegenteil. Bei jedem neuen Begriff ist sofort die Frage: Muss ich mir das merken? Ist das für die Geschichte wichtig?

Warum fängt die Geschichte nicht mit Handlung an? Der Prota könnte schon längst auf See sein, ein Konflikt mit dem Kapitän/Passagier entspinnt sich, der eine Rückblende und auch wenige Erklärungen beinhalten könnte.
Handlung und Charaktere treiben eine Story voran und nicht, wer wann wo was entdeckt haben könnte.
Dein Schreibstil empfinde ich als angenehm, Du gehst interessant mit der Sprache um, aber inhaltlich hast Du mich bereits verloren.
MfG


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Gast







Beitrag10.02.2020 11:00
Re: Jedes große Abenteuer beginnt mit Bewusstlosigkeit
von Gast
Antworten mit Zitat

Hallo sleepless,

das erste Mal, dass ich mich ans Kommentieren von Fantasy wage.

Ich habe das gerne gelesen und fand es auch nicht langweilig. Dennoch gab es einige Stellen, an denen ins Stocken geriet:  

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:

….
Waghalsige Kapitäne, wie man sie nur in der Spelunke fand, vermieden die Häfen größerer Städte und legten nur nahe kleiner Fischerdörfer an, immer auf dem Sprung, kontrollierenden Schiffen der jeweiligen Marine durch eine Flucht auf die offene See zu entkommen. Bereit so weit hinauszufahren, dass die Verfolger aufgaben. Im Zentrum des Zirkelmeeres tobte zu allen Zeiten ein gewaltiger Sturm und seine Ausläufer streckten ihre Schlechtwetterfinger nur zu gerne nach Schiffen aus, die sich zu weit auf die See hinausgewagt hatten. Die Flucht gelang meistens, wenn man den gelegentlichen Schiffsuntergang und damit einhergehenden Tod aller an Bord unter Gelingen einordneten durfte.

Arg um die Ecke gedacht, wie ich finde.

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:

...
Die Lautstärke seiner Stimme hätte man anderswo als unflätiges Herumschreien bezeichnet, in der Spelunke galt es nur als nachdrückliches Sprechen. Oder hätte als das gegolten, wenn jemand dort die übertragene Bedeutung des Wortes ›Nachdruck‹ gekannt hätte und es nicht für die Tätigkeit gehalten hätte, mit der man jemanden, den man geschubst hatte, der aber nicht gefallen war, endgültig die Balance entzog.

Zu umständlich, wie ich finde.

Die folgenden, kursiv markierte erklärenden Einschübe nehmen für mich deutlich Spannung aus dem Dialog. Weiß nicht, ob man die Informationen nicht besser an anderer Stelle unterbringt.
sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
  

...
Dem Kapitän wurde das Geld zum Kauf ausgehändigt und bei einem Festpreis für den Transport zusätzlich fünfzig Prozent jenes als Anzahlung. Brachte der Kapitän nicht die Ware oder, falls etwas schiefgelaufen war, das Geld dafür zurück, verlor er laut handelsüblicher Vereinbarung sein Schiff. Es ging in Besitz des Auftraggebers über. Das Risiko hätten viele Kapitäne in Kauf genommen und sich mit dem Geld davon gemacht, hätten dann einfach das Land des geprellten Importeurs vermieden und sich nur noch in anderen Ecken der Welt herumgetrieben, wären da nicht die Reposchen gewesen. Gegen eine Erfolgsbeteiligung von einem Drittel des Schiffspreises kassierten die Mitglieder dieses Berufsstandes das Schiff ein, wo auch immer es war, und brachten es zu seinem neuen rechtmäßigen Eigentümer. Niemand fragte, welche Methoden sie dabei anwendeten. Sie waren nicht als zimperlich bekannt. Mit einem Wort, die Vorstellung, dass ich den Kapitän begleiten würde, war absurd. Als würden Katzen Hunde jagen.

»Das kann nicht dein Ernst sein.«
»Und ob!«
»Als Nächstes schlägst du vor, wir sollten ins Hinterland gehen.«
Eindeutiger konnte man ihm die Absurdität seines Vorschlages nicht klar machen. Menschen lebten an den Küsten und auf ein paar küstennahen Inseln. Punkt. Hier hatten sie immer schon gelebt und hier würden sie es auch weiterhin tun. Hier gehörten sie hin. Hier herrschte das Zeitalter der Wohlgeordnetheit. Das Hinterland hatte das offensichtlich nicht mitbekommen. Was dort herrschte, wollte man gar nicht wissen. Die Geschichten der Alten, waren voller Andeutungen von schrecklichen Wesen mit riesigen Zähnen und Krallen, deren einziges Trachten die Auslöschung aller Zweibeiner der Gattung Mensch zu sein schien. Neuere Geschichten existierten nicht. Gelegentlich kribbelte es einem jungen Mann in den Knien von zu viel Abenteuerlust und er machte sich auf, um ein wenig das Hinterland zu erkunden. Nur ganz am Rande mal ein bisschen reinschnuppern. Man hörte nie wieder etwas von diesen jungen Männern und niemand suchte nach ihnen. Genauso wenig wie ein Mensch seinen Fuß ins Hinterland setzen sollte, gehörte ein Importeur auf ein Schiff. Auch die Tatsache, dass ich als Sohn eines wenn auch früh verstorbenen Bootsbauers leidlich Erfahrung im Umgang mit Schiffen hatte, änderte nicht das Geringste daran.
»Du willst mich wohl verstuhlgangen, du Landwurzel«, rief der Kapitän und schlug mit der Hand auf den Tresen. »Hinterland. Was für eine Schrumpfnudel bist du denn. Ich red doch nicht vom Hinterland, du Schleimalge.«


Und noch eine Kleinigkeit. Du verwendest ja z.T. altmodische Begriffe, was mir gefällt.  Dann stören mich aber irgendwie Wörter wie modefixiert, exorbitant und klassifizieren..

LG
DLurie
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Michel
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Beitrag10.02.2020 11:50
Re: Jedes große Abenteuer beginnt mit Bewusstlosigkeit
von Michel
Antworten mit Zitat

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Es ist reine Unterhaltungsliteratur (oder soll zumindest so aussehen).   
Hm. Ganz ehrlich? Für mich ganz persönlich erreicht der Text hier weder das eine noch das andere.

Ich habe vor Jahren in Anfänge von Walter Moers hineingelesen. Im Gegensatz zu begeisterten Lesern z.B. der "Stadt der Träumenden Bücher" habe ich mich schnell zu langeweilen begonnen. Vielleicht liegt mir humoreske Fantasy einfach nicht, aber dann hätte ich mich nicht gleich mehrfach durch einige Scheibenwelt-Romane gefressen. Aber da ist der Humor auch gleich ein paar Umdrehungen weiter geschraubt, das liest sich, wie sich Monty Pythons beste Episoden sehen. Hier jedenfalls geht es mir wie mit den Moers-Büchern.

Was nicht heißt, dass ich nichts Kreatives finde. Die großen Entdecker-Reisen und die zugrunde liegende Geographie quasi umzustülpen, finde ich eine prima Idee. (Gut, Abercrombie hat das in seinen Shattered-Sea-Büchern auch schon gemacht.) Den üblichen Tavernen-Beginn aufzuspießen: Geschenkt. Ahab und Columbus zu verwursten: Schöner Querverweis auf die Klassiker. Alles exzellent gemacht; ich hätte auch nichts anderes erwartet.

Nur lesen möchte ich es nicht. Die schönste Karikatur des "Tell everything, then – perhaps– show" versandet, wenn sie sich genauso langatmig liest wie das Original im Prosa-Einstand. Die schönste ausgearbeitete Welt mit weiteren Querverweisen (ist das Momo im Mittelteil?) erschöpft sich, wenn nichts darin passiert. Und die fünfundzwanzig kreativsten Permutationen der Wörter "Scheiße" und "Arsch" lesen sich ausgesprochen vergnüglich, aber ...

Aber.

Es passiert nichts. Ja, die Biergläser fliegen. (Glas in pseudo-mittelalterlicher Taverne??). Ja, die Steuerbeamten bekommen auf die Mütze. (Hab ich auch neulich verwurstet.) Ja, Käpt'n Ahabolzbein gibt die Karikatur der "Schatzinsel". Aber am Haken hast du mich nicht, ich beginne abzuschweifen und unwillkürlich nach der Stelle zu suchen, wo verdammt noch mal endlich die Geschichte losgeht und der anus facialis mit dem Holzbein auf sein Schiff steigt. Unterhaltungslektüre muss mich eben auch unterhalten, ganz egal wie persiflierend.

Fazit: Deine Eingangsfrage muss ich für mich verneinen.


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sleepless_lives
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Beitrag10.02.2020 19:33

von sleepless_lives
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Danke für die Rückmeldungen. So in der Art hatte ich das schon befürchtet.
Im Einzelnen:

@Kiara
Kiara hat Folgendes geschrieben:
Warum den Anfang nicht umstellen?

Weglassen ginge, umstellen nicht. Denn der erste Teil ist ja allgemeiner Natur und bezieht sich weder auf die spezielle Kneipe noch den Protagonisten. Weglassen erzeugt auch ein kleines Problem, denn in einem Pseudo-Prolog davor (nicht eingestellt) erklärt der Erzähler, dass er rückblickend seine Erfahrungen aufschreibt, was dann irgendeine Art von Einleitung erfordert. Der direkte Einstieg wäre für den Erzähler zu modern. Aber das könnte man sicher anders lösen.


@Calvin Hobbs
Okay, da muss wohl einiges geändert werden, damit die Spannung gehalten wird.

Calvin Hobbs hat Folgendes geschrieben:
Bei jedem neuen Begriff ist sofort die Frage: Muss ich mir das merken? Ist das für die Geschichte wichtig?

Das frage ich mich allerdings nie beim Lesen eines Unterhaltungsromans. Es ist doch Aufgabe des Autors, sicherzustellen, dass man kein Nachschlagewerk braucht, um den Roman zu verstehen.  

Calvin Hobbs hat Folgendes geschrieben:
Warum fängt die Geschichte nicht mit Handlung an? Der Prota könnte schon längst auf See sein, ein Konflikt mit dem Kapitän/Passagier entspinnt sich, der eine Rückblende und auch wenige Erklärungen beinhalten könnte.

Das verschiebt das Problem nur. Nachgeschobene Erklärungen finde ich persönlich noch schlimmer, auch wenn man häufig auf sie trifft. Aber da fühl ich mich als Leser manipuliert, das Buch wird zur Mogelpackung. Ich denke, ich brauch für diesen Anfang einfach schon vorher mehr Handlung. Noch was, das kracht, halt.


@DLurie  

Ja, die ersten beiden Stellen, die du nennst, sind kritisch. Die haben sich durch meinen Filter geschlichen. Werde ich umformulieren oder sie kommen raus. Und es stimmt natürlich auch, dass sich der Dialog verlangsamt durch die kursiv markierten Stellen. Aber irgendwann muss man die Voraussetzung der Geschichte vermitteln. Da führt kein Weg daran vorbei. Entweder in kleinen Stücken, die etwas Anderes (hier den Dialog) unterbrechen, oder in langen erklärenden Passagen. Das letztere war früher weit verbreitet, aber die meisten Leser heutzutage akzeptieren das nicht mehr. Vielleicht kann ich das in noch kleinere Bissen aufteilen.
 
Was die Fremdwörter angeht, die passen eigentlich sehr gut. Ältere Texte im Deutschen sind oft gespickt davon, weil die Schreiber noch sehr vom Latein beeinflusst sind. Google-Book-Suche für »exorbitant« bis 1800. (Zugegeben, da sind wohl auch ein paar komplett lateinische Texte dabei)  


@Michel
Moers' Roman kenne ich nur dem Namen nach, da kann ich also nichts dazu sagen. Aber grundsätzlich ist das, was du sagst, ja auch schon der Tenor der anderen Rezensenten. Wenn ich allerdings bedenke, wie erfolgreich der Moers ist, krieg ich gleich wieder Zweifel.

Michel hat Folgendes geschrieben:
Die schönste ausgearbeitete Welt mit weiteren Querverweisen (ist das Momo im Mittelteil?)

Die Welt ist zeimlich unausgearbeitet wink, interessiert mich auch nicht so sehr, ist ja nur ein Vehikel. Das im Mittelteil ist Australien Laughing  (Momo kenn ich auch nur dem Namen nach).

Michel hat Folgendes geschrieben:
Ja, die Biergläser fliegen. (Glas in pseudo-mittelalterlicher Taverne??)

Fliegt da ein Bierglas? Ne, da fliegt kein Bierglas, nur ein Bierkrug. Und nicht Mittelalter, eher 17. Jahrhundert. Mit Anklängen ans 18. Jahrhundert, an die Aufklärung, obwohl ich vom Eindreschen auf die Aufklärung schon wieder abgekommen bin. Da müsste ich jetzt weit ausholen, um das zu erklären. Also sowohl das Eindreschen, als auch das Aufhören damit.
Es gibt allerdings keine Schusswaffen an der Zirkelsee. Das Warum und Wie bräuchte jetzt auch wiederum längere Erklärungen.

Michel hat Folgendes geschrieben:
Ja, Käpt'n Ahabolzbein gibt die Karikatur der "Schatzinsel"

 Laughing
(eher "Moby Dick" jedoch)


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Beitrag10.02.2020 20:17

von V.K.B.
Antworten mit Zitat

Hallo Sleepless,

Zitat:
Mich interessiert vorwiegend, ob die Art von Einstieg funktioniert, ohne zu langweilen.
Ehrlich gesagt, nein. Die ersten Absätze lesen sich für mich wie ein typischer Erklärbär-Prolog schlechter Fantasy, wo einem erstmal die Welt erklärt wird, ohne dass der Leser schon irgendeinen Zugang dazu hat und sich das weder merken kann noch wissen will. Auch wenn da durchaus Humor dabei ist, reicht dieser (jedenfalls für mich) nicht aus, um darüber hinwegzutäuschen. Ich muss mich zusammenreißen, nicht quer zu lesen.

Danach wird es etwas besser, aber der Humor mäandert für mich zwischen "platt" und "okay, ganz witzig", reißt mich aber nicht vom Hocker. Bis ich bei der draußen eine Dogge jagenden Katze, sobald der Prota zustimmt. dann doch lachen muss. Also meiner persönlichen Einschätzung nach nur so "meh", aber das mag auch viel vom persönlichen Geschmack abhängen.

beste Grüße,
Veith


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Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills …
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Calvin Hobbs
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Beitrag10.02.2020 21:47

von Calvin Hobbs
Antworten mit Zitat

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:

Calvin Hobbs hat Folgendes geschrieben:
Bei jedem neuen Begriff ist sofort die Frage: Muss ich mir das merken? Ist das für die Geschichte wichtig?

Das frage ich mich allerdings nie beim Lesen eines Unterhaltungsromans. Es ist doch Aufgabe des Autors, sicherzustellen, dass man kein Nachschlagewerk braucht, um den Roman zu verstehen.  


Es ist Dein Buch und Dein Geschichte - richtig! Aber es gibt halt Menschen, die andere Lesegewohnheiten haben als Du.
Es ist die Aufgabe des Autors, dass der Leser sich wohlfühlt. Und Du stellst das "Nachschlagewerk" an den Anfang, damit Du sagen kannst: "Hier. lieber Leser, das habe ich Dir jetzt erklärt und nun bitte behalte das, denn das Worlbuilding hat mir viel Spaß, aber auch Arbeit gemacht. Es ist nähmlich wichtig, dass Du (der Leser) erkennen sollst, wie toll, bunt und groß die Welt ist, die ich extra für Dich erfunden habe."
Sorry, aber so funktioniert das, zumindest für mich, nicht.



sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:

Calvin Hobbs hat Folgendes geschrieben:
Warum fängt die Geschichte nicht mit Handlung an? Der Prota könnte schon längst auf See sein, ein Konflikt mit dem Kapitän/Passagier entspinnt sich, der eine Rückblende und auch wenige Erklärungen beinhalten könnte.

Das verschiebt das Problem nur. Nachgeschobene Erklärungen finde ich persönlich noch schlimmer, auch wenn man häufig auf sie trifft. Aber da fühl ich mich als Leser manipuliert, das Buch wird zur Mogelpackung. Ich denke, ich brauch für diesen Anfang einfach schon vorher mehr Handlung. Noch was, das kracht, halt.


Die "nachgeschobenen Erklärungen" sind ganz allein Dein Problem. Wenn Du es nicht schaffst, diese Informationen subtil und in winzigen Dosen in die Handlung einfließen zu lassen, anstatt mit dem Eimer über dem Leser auszuschütten, dann fehlt noch einiges an Übung.
Eine Fantasy-Welt entfaltet sich mit den Charakteren und ihren Handlungen innerhalb ihrer Geschichten und nicht in geographischen oder historischen Verweisen.


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Beitrag11.02.2020 15:59
Re: Jedes große Abenteuer beginnt mit Bewusstlosigkeit
von nebenfluss
Antworten mit Zitat

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Es ist reine Unterhaltungsliteratur (oder soll zumindest so aussehen).   

Dafür würde ich als erstes den Titel ändern.
Etwas ausführlicher später.


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sleepless_lives
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Beitrag12.02.2020 00:26

von sleepless_lives
pdf-Datei Antworten mit Zitat

@ V.K.B.
Gut, das mit den Zuviel an Erklärungen bestätigt, was die Vorredener schon auszusetzen hatten. Wie schon erwähnt, ja, das muss aufgebrochen werden.
Was den Humor angeht, hat wohl jeder einen eigenen Geschmack. Darüber lässt sich im Gegenteil zu vielen anderen subjektiv gefärbten Einschätzungen überhaupt nicht streiten.


@ Calvin Hobbs
Calvin Hobbs hat Folgendes geschrieben:
sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:

Calvin Hobbs hat Folgendes geschrieben:
Bei jedem neuen Begriff ist sofort die Frage: Muss ich mir das merken? Ist das für die Geschichte wichtig?

Das frage ich mich allerdings nie beim Lesen eines Unterhaltungsromans. Es ist doch Aufgabe des Autors, sicherzustellen, dass man kein Nachschlagewerk braucht, um den Roman zu verstehen.  


Es ist Dein Buch und Dein Geschichte - richtig! Aber es gibt halt Menschen, die andere Lesegewohnheiten haben als Du.
Es ist die Aufgabe des Autors, dass der Leser sich wohlfühlt.

Du widersprichst im Grunde meinen Ausführungen, obwohl die deinen zustimmen (dass die Leser sich nichts besonders merken sollen müssen). Das macht die Antwort jetzt ein wenig schwierig, denn muss ich da jetzt ein "Aber" hinsetzen oder ein "Genau"? Obwohl: Dass der Leser sich wohlfühlt, ist ganz sicher nicht die Aufgabe des Autors. Abgesehen davon, dass es den Leser nicht gibt, was der eine liebt, hasst der andere, und abgesehen davon, dass der Autor sehr wenig Kontrolle darüber hat, wie sein Werk rezipiert wird, so ist das Wohlfühlen wohl ein wenig geeignetes Kriterium. Schon die Mythen und Sagen, die immerhin Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende überdauert haben, sind nicht gerade Wohlfühlgeschichten. Mitreißen sollen die Geschichten und das schließt oft auch Aufwühlen ein. Etwas, das einem im Kopf bleibt oder sogar heimsucht in der Nacht als Traum oder Alptraum. Die Fernsehserie "Game of Thrones" zum Beispiel - zum Wohlfühlen?    

Calvin Hobbs hat Folgendes geschrieben:
Und Du stellst das "Nachschlagewerk" an den Anfang, damit Du sagen kannst: "Hier. lieber Leser, das habe ich Dir jetzt erklärt und nun bitte behalte das, denn das Worlbuilding hat mir viel Spaß, aber auch Arbeit gemacht. Es ist nähmlich wichtig, dass Du (der Leser) erkennen sollst, wie toll, bunt und groß die Welt ist, die ich extra für Dich erfunden habe.".

Wie kommst du darauf? Wie schon in der Antwort an Michel geschrieben, die Welt interessiert mich nicht besonders, außer dass sie mir erlaubt, die Geschichte zu erzählen, die ich erzählen will, und meinen Protagonisten zu diesem Zweck in eine bestimmte Situation zu bringen. Merken muss man sich nichts, ich helfe der Erinnerung schon nach, wenn irgendetwas später gebraucht wird. Das, was dargestellt ist, wird benötigt als Exposition. Das ist ja die Krux daran. Stell dir eher etwas in Richtung "Robinson Crusoe" vor, auch wenn es natürlich nicht wirklich auf einer einsamen Insel weitergeht. Aber egal, wo, wie und was, es darf natürlich nicht langweilen.

Calvin Hobbs hat Folgendes geschrieben:
Die "nachgeschobenen Erklärungen" sind ganz allein Dein Problem. Wenn Du es nicht schaffst, diese Informationen subtil und in winzigen Dosen in die Handlung einfließen zu lassen, anstatt mit dem Eimer über dem Leser auszuschütten, dann fehlt noch einiges an Übung. .

Du empfiehlst, die Erklärungen nachzuschieben, und dann weichst du aus, wenn man dir widerspricht. Ich habe nichts davon gesagt, sie auf einmal anzubringen, ich meinte auch die, die in kleinen Dosen nachgeschoben werden. Denn das ändert nichts an ihrem grundsätzlichen Charakter als einem Trick anstelle von erzählerischer Notwendigkeit. Statt in einer - mit Verlaub zu sagen - recht arroganten Haltung hier, mir Übung abzusprechen, könntest du vielleicht ein Beispiel aus der Literatur anführen, wo du denkst, dass das besonders gut umgesetzt ist. Und ich bringe Beispiele, wo ich zeige, was mich stört, auch natürlich aus veröffentlichen Büchern. Da reicht ja oft "der Blick in Buch" bei Amazon. Wenn ich mich erinnere, welche Bücher das waren, denn ich hab sie natürlich nie gekauft.  

Calvin Hobbs hat Folgendes geschrieben:
Eine Fantasy-Welt entfaltet sich mit den Charakteren und ihren Handlungen innerhalb ihrer Geschichten und nicht in geographischen oder historischen Verweisen.

Schon wieder die Welt. Aber wer behauptet so etwas? Hier gleich ein gewichtiges Gegenbeispiel. Der erste Scheibenwelt-Roman von Terry Pratchett. Der, der entscheidend mitverantwortlich war, ihn berühmt zu machen und eine Welt eingeführt hat, die zum Kult wurde. Im Prolog: Keine Charaktere, keine Handlung, sondern Erklärung der Welt mit Querverweisen.  

   
@nebenfluss
nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Es ist reine Unterhaltungsliteratur (oder soll zumindest so aussehen).   

Dafür würde ich als erstes den Titel ändern.

Das ist nicht der richtige Titel, nur einer hier fürs Forum (den Titel würde ja sowieso ein Verlag bestimmen). Obwohl wenn ich mir es jetzt so überlege, zwischen all den Magiern, Vampiren, Drachen, Geheimnissen und Chroniken, hätte man doch sofort ein Alleinstellungsmerkmal. Laughing


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Beitrag12.02.2020 09:18

von Michel
Antworten mit Zitat

"Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg usw." hat ja auch ganz gut funktioniert und (nach meiner Wahrnehmung) eine kleine Welle ähnlicher Titel losgetreten. Der hier würde mich, abseits aller Flachserei, zumindest neugierig machen.
An "Momo" hatte mich übrigens der immerwährende Wirbelsturm erinnert. In einem Kinderspiel im ersten Teil des Buchs kommt so etwas vor, ausgelöst von einem Schum-Schum Gummilasticum.
Unsere "Habe ich gelesen"-Listen dürften sich deutlich unterscheiden. Finden sich eigentlich auf Deiner viele Klassiker wie "Moby Dick"? Das würde mir ein paar Formulierungen und Referenzen erklären. (Und wäre, für Fantasy, erstaunlich viel E. Cool )


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Beitrag12.02.2020 23:16

von sleepless_lives
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Michel hat Folgendes geschrieben:
"Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg usw." hat ja auch ganz gut funktioniert und (nach meiner Wahrnehmung) eine kleine Welle ähnlicher Titel losgetreten.  

Ja, stimmt. Zu oft geht so etwas aber nicht, denke ich. Und wenn man schon die Titel-Konvention bricht, dann sollte man besser sehr überzeugend sein mit dem Anfang. Man bekommt ja nur eine Chance. Klappentext und erste Seiten. Make or break.

Michel hat Folgendes geschrieben:
An "Momo" hatte mich übrigens der immerwährende Wirbelsturm erinnert. In einem Kinderspiel im ersten Teil des Buchs kommt so etwas vor, ausgelöst von einem Schum-Schum Gummilasticum.

Ach so. Jetzt wird es klar. Idea Ich hatte das auf das Hinterland bezogen. Das Outback in Australien wird ja manchmal so dargestellt, als sei es eine ganz andere Welt.  

Michel hat Folgendes geschrieben:
Unsere "Habe ich gelesen"-Listen dürften sich deutlich unterscheiden. Finden sich eigentlich auf Deiner viele Klassiker wie "Moby Dick"? Das würde mir ein paar Formulierungen und Referenzen erklären. (Und wäre, für Fantasy, erstaunlich viel E. Cool )

Wahrscheinlich. Obwohl bei Moby Dick war es eher die Kindheitserinnerung an den schon damals alten Film mit Gregory Peck. Smile


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