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nothingisreal Papiertiger
Beiträge: 4002 Wohnort: unter einer Brücke
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15.12.2019 16:38 Re: Nachdem" und Gleichzeitigkeit erlaubt? von nothingisreal
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fancy hat Folgendes geschrieben: |
Ich stimme dir in allem zu. Allerdings hätte ich extra nicht deine Beispiele gewählt, damit nicht wieder besonders "rohe oder ungebildete Personen" als Beispiel dienen müssen.
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Asylbewerber können akademische Titel tragen und Gangsterkinder Klassenbeste sein (spreche aus Erfahrung) - trotzdem sprechen sie nicht hochgestochenes, perfektes Deutsch. Wollen sie vielleicht auch nicht.
Malaga hat Folgendes geschrieben: | Hallo miteinander,
die Frage treibt mich um, ob Vorzeitigkeit grammatisch zwingend in Sätzen mit "nachdem" ist.
Umgangssprachlich hört man oft Sätze wie: "Nachdem ich zwei Wochen lang Schmerzen habe, sollte ich wohl endlich zum Zahnarzt gehen."
Ist das auch korrekt oder eben nur umgangssprachlich toleriert?
LG, Malaga |
In meinen Ohren klingt das falsch, auch umgangssprachlich. Aber ich hätte nichts dagegen, so etwas in einem Roman zu lesen, solange die Figur immer so spricht.
_________________ "Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten." - William Somerset Maugham |
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Taranisa Bücherwurm
Alter: 54 Beiträge: 3207 Wohnort: Frankenberg/Eder
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15.12.2019 16:53
von Taranisa
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V.K.B. hat Folgendes geschrieben: | Zu viel Dialekt ist für mich aber auch ein No-Go, weil es mich immer aus dem Lesefluss wirft. |
Dialekt in einem Maße, dass es auch von Personen anderer Landstriche gut gelesen werden kann, oder auch das Nutzen spezieller Wörter, die in Bezug zu diesem Dialekt typisch sind, lassen die Geschichte authentischer wirken. Ein "zu viel" würde mich auch stören. Besondere Charakter spezifische Eigenheiten (wie Lispeln, stressbedingtes Stottern …), die sich in der direkten Rede ausdrücken, sofern nicht übertrieben oder nervig, würde für mich zur Geschichte gehören.
Das bezieht sich jedoch nur auf die direkte Rede, der übrige Text sollte in einem guten Deutsch geschrieben sein, denn Lesen bildet - u.a. auch die eigene Art, sich auszudrücken.
_________________ Henkersweib, Burgenwelt Verlag, ET 12/18
Die Ehre des Henkersweibs, Burgenwelt Verlag, ET 12/20
Spielweib, Burgenwelt Verlag, ET 12/21
Das Gegengift des Henkersweibs, Burgenwelt Verlag, ET 11/22
Der Stab der Seherin, Burgenwelt Verlag, Herbst 2024 |
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Maunzilla Exposéadler
Beiträge: 2821
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15.12.2019 17:37
von Maunzilla
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nothingisreal hat Folgendes geschrieben: | Es geht nicht darum, dem Leser zu zeigen, wie viele hübsche Wörter man als Autor kennt und wie poetisch man sie aneinanderreihen kann, sondern den Leser mit authentischen Figuren zu überzeugen. |
Dann muß Shakespeare aber ein sehr schlechter Autor gewesen sein...
nothingisreal hat Folgendes geschrieben: | Ich freue mich jetzt schon auf Romane, in denen neu angekommene Asylbewerber und Gangsterkinder, nur um zwei Beispiele zu nennen, perfektes Deutsch sprechen. |
Ich freue mich auf Romane, in denen sie authentisch schlechtes Arabisch oder afrikanische Dialekte sprechen....
Und das bitteschön sorgfältig recherchieren. Nicht, daß noch jemand merkt, daß der faule Autor einfach schlechtes Deutsch in den Google-Translator eigegeben hat.
_________________ "Im Internet weiß keiner, daß du eine Katze bist." =^.^= |
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sleepless_lives Schall und Wahn
Administrator Alter: 58 Beiträge: 6475 Wohnort: München
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15.12.2019 18:53 Re: Nachdem" und Gleichzeitigkeit erlaubt? von sleepless_lives
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Malaga hat Folgendes geschrieben: | Hallo miteinander,
die Frage treibt mich um, ob Vorzeitigkeit grammatisch zwingend in Sätzen mit "nachdem" ist.
Umgangssprachlich hört man oft Sätze wie: "Nachdem ich zwei Wochen lang Schmerzen habe, sollte ich wohl endlich zum Zahnarzt gehen."
Ist das auch korrekt oder eben nur umgangssprachlich toleriert? |
"Nachdem" kann auch kausal benutzt werden und dann mit Gleichzeitigkeit. Der Duden bezeichnet den Gebrauch als "landschaftlich". Den Link hat ja Bananenfischin schon eingestellt. Genauer kann man es hier sehen, wo diese Verwendung von "nachdem" vorkommt. Auf dieser Seite der Uni Augsburg steht auch, dass sich "weil" und "da" genauso aus ursprünglich temporalen Konjunktionen entwickelt haben. "Nachdem" hat es nur nicht ganz geschafft, sich allgemein zu verbreiten.
Dass Figuren umgangssprachlich in einem literarischen Text reden können, brauchen wir eigentlich nicht zu diskutieren. Sonst verschwände ja die Hälfte der Literatur, zumindest ab dem 20. Jahrhundert. Auch oft Dialekt, wie zum Beispiel in Uwe Johnsons "Mutmassungen über Jakob". In ähnlicher Weise, wenn auch vielleicht limitierter, kann auch der personale Erzähler sich anderer Sprachebenen bedienen, nicht nur der geschriebenen Standardsprache, die ja selbst ständig in Veränderung begriffen ist.
Murmel hat Folgendes geschrieben: | Allenfalls in einer Ich-Erzählung kann ich Dialekt und schlampige Sprache in den narrativen Text einfließen lassen. |
Nein, das geht auch ohne Ich-Erzähler. Das Problem liegt in dieser Art von moralischer Wertung. "Schlampig"? Was ist denn ordentliche Sprache? Wir können Thomas Mann als Maßstab nehmen und dann kommt niemand im Forum durch. Das Kriterium kann doch nur sein, ob die verwendete Sprache passend ist zur Erzählstimme und ob sie ausdrucksstark ist. Das ist auch nichts Neues, Döblin hat schon in den Zwanzigern 'schlampig' erzählt:
Alfred Döblin hat Folgendes geschrieben: | Da steht unser Franz Biberkopf anders da. Nach fünf Wochen ist auch seine Ida tot, im Krankenhaus Friedrichshain, komplizierter Rippenbruch, Riß im Brustfell, kleiner Lungenriß, anschließendes Empyem, Brustfellvereiterung, Lungenentzündung, Mensch, das Fieber geht nicht runter, wie siehst du schon aus, nimm dir n Spiegel, Mensch, du bist erledigt, du bist hin, du kannst einpacken. Sie haben sie seziert, in die Erde getan in der Landsberger Allee, drei Meter unter der Erde. | Alfred Döblin, Berlin Alexanderplatz, DTV, 1965/2008
PS:
Maunzilla hat Folgendes geschrieben: | nothingisreal hat Folgendes geschrieben: | Es geht nicht darum, dem Leser zu zeigen, wie viele hübsche Wörter man als Autor kennt und wie poetisch man sie aneinanderreihen kann, sondern den Leser mit authentischen Figuren zu überzeugen. |
Dann muß Shakespeare aber ein sehr schlechter Autor gewesen sein... |
Offensichtlich hast du recht wenig Ahnung von Shakespeare. Er ist das Paradebeispiel für die Verwendung verschiedener Sprachebenen bis hin ins Vulgäre bei den einfachen Leuten unter seinen Figuren. Niemand hat es so wie er verstanden, seine Figuren unterschiedlich reden zu lassen und - besonders erheiternd in diesem Zusammenhang - er hat viele Wörter und Phrasen erfunden, die es im Englischen damals nicht gab oder so nicht gab, oder ungebräuchliche verwendet und bekannt gemacht (hier in der englischsprachigen Wikipedia oder hier in einem Artikel der Welt). Ich hatte schon vor, ihn als Beispiel für den kreativen Umgang mit der Sprache zu zitieren.
_________________ Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)
If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright) |
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V.K.B. [Error C7: not in list]
Alter: 51 Beiträge: 6154 Wohnort: Nullraum
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15.12.2019 18:53
von V.K.B.
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Maunzilla hat Folgendes geschrieben: | Dann muß Shakespeare aber ein sehr schlechter Autor gewesen sein... | Naja, auf besonders dichterische Sprache hat er zumindest in seinen Theaterstücken gar keinen großen Wert gelegt. Das kommt uns nur heute so vor, weil die Sprache nie mehr angepasst wurde und mittlerweile eben schon sehr veraltet ist (Shakespeare selbst hat seine Stücke immer aktualisiert, wenn sie schon älter waren und wiederaufgeführt wurden). Da scheint zwar immer mal wieder durch, dass Shakespeare durchaus mit Worten umgehen konnte, aber er hat es nicht unbedingt darauf angelegt, große Kunst zu schaffen, sondern Unterhaltung für die Massen geschrieben. Das würde ich jetzt nicht mit Goethe oder Schiller vergleichen, die einen ganz anderen (künstlerischen) Anspruch hatten. In Shakespeares Stücken findest du auch jede Menge Zoten und wirklich dämlichen, prolligen Humor, und das war zu seiner Zeit vergleichbar American Pie Niveau, damit auch die ungebildeten Leute was zu lachen hatten. Hat er auch extra dafür eingebaut, damit wirklich jeder was mit seinen Stücken anfangen konnte, vom gebildeten Adeligen bis zum letzten Dorftrottel. Da ich nicht weiß, wie Leute zu Shakespeares Zeiten in der Umgangssprache gesprochen haben, würde ich mir kein Urteil darüber erlauben, wie authentisch Wortwart etc. in den Dialogen waren. Auf jeden Fall gibt es da große Unterschiede, wie seine Charaktere sprechen, er hat nicht für alle die gleiche, hochgestochene Sprache verwendet, sondern nach Bildungsstand und gesellschaftlicher Position der Figuren variiert.
Ich denke, Shakespeare selbst hätte da eher die Position von fancy und NIR unterschrieben.
Edit: Oh, da sich mein Post (anscheinend nur um Sekunden) mit dem von sleepless überschnitten.
_________________ Hang the cosmic muse!
Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills … |
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Willebroer Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5437 Wohnort: OWL
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15.12.2019 19:35
von Willebroer
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nothingisreal hat Folgendes geschrieben: | Ich freue mich jetzt schon auf Romane, in denen neu angekommene Asylbewerber und Gangsterkinder, nur um zwei Beispiele zu nennen, perfektes Deutsch sprechen. |
Da sollte man unterscheiden zwischen Wortschatz/Wortwahl und Aussprache. Vor allem letztere macht den Eindruck von "gebrochen Deutsch" aus. Das kann man im Schriftlichen kaum wiedergeben. Karl May hat es auf lustige Weise versucht. Wie spricht jemand das A aus, wie die S-Laute, rollt er das R?
Der Wortschatz ist oft ziemlich schnell im Bereich vergleichbarer Deutscher angekommen. Die Aussprache dagegen kann ab einem bestimmten Alter nur noch sehr begrenzt den Muttersprachlern angeglichen werden.
Das klassische Indianer-Deutsch ("Großer weißer Bruder sprechen mit gespaltener Zunge") ist jedenfalls kein realistischer Dialog.
Vermutlich sind die Unterschiede zwischen verschiedenen Milieus oder Bildungsstufen weitaus größer als bei der nationalen Herkunft. Es ist also immer angebracht, auf solche Feinheiten zu achten.
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gold Papiertiger
Beiträge: 4936 Wohnort: unter Wasser
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15.12.2019 20:29
von gold
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fancy hat Folgendes geschrieben: | Ein glaubwürdiger Dialog zeichnet sich dadurch aus, dass die Protagonisten sich einer real gesprochenen Sprache bedienen. Klingt aus ihnen stets der Autor durch, der seinen feinen Umgang mit der Sprache zelebriert, sind sie zwar in korrektem Deutsch verfasst, wirken aber wenig glaubwürdig. |
Sehe ich auch so.
_________________ es sind die Krähen
die zetern
in wogenden Zedern
Make Tofu Not War (Goshka Macuga)
Es dauert lange, bis man jung wird. (Pablo Picasso) |
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gold Papiertiger
Beiträge: 4936 Wohnort: unter Wasser
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15.12.2019 20:42
von gold
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ich habe mal versucht, Marcel Reich-Ranicki in einem Textausschnitt sprechen zu lassen:
"Dass ist ein sährrrr schlächtes Buch..."
hab´s dann aber verworfen.
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Willebroer Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5437 Wohnort: OWL
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15.12.2019 21:27
von Willebroer
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gold hat Folgendes geschrieben: | ich habe mal versucht, Marcel Reich-Ranicki in einem Textausschnitt sprechen zu lassen:
"Dass ist ein sährrrr schlächtes Buch..."
hab´s dann aber verworfen. |
Das war eigentlich schon ganz gut!
Eine Karikatur ist auch keine realistische Darstellung, kann aber mehr zeigen als die Realität.
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gold Papiertiger
Beiträge: 4936 Wohnort: unter Wasser
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15.12.2019 22:08
von gold
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Willebroer hat Folgendes geschrieben: | gold hat Folgendes geschrieben: | ich habe mal versucht, Marcel Reich-Ranicki in einem Textausschnitt sprechen zu lassen:
"Dass ist ein sährrrr schlächtes Buch..."
hab´s dann aber verworfen. |
Das war eigentlich schon ganz gut!
Eine Karikatur ist auch keine realistische Darstellung, kann aber mehr zeigen als die Realität. |
_________________ es sind die Krähen
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gold Papiertiger
Beiträge: 4936 Wohnort: unter Wasser
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15.12.2019 22:12
von gold
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gold hat Folgendes geschrieben: | ich habe mal versucht, Marcel Reich-Ranicki in einem Textausschnitt sprechen zu lassen:
"Dass ist ein sährrrr schlächtes Buch..."
hab´s dann aber verworfen. |
willebroer hat Folgendes geschrieben: |
Das war eigentlich schon ganz gut! |
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Ralphie Forenonkel
Alter: 71 Beiträge: 6393 Wohnort: 50189 Elsdorf
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16.12.2019 07:33
von Ralphie
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gold hat Folgendes geschrieben: | ich habe mal versucht, Marcel Reich-Ranicki in einem Textausschnitt sprechen zu lassen:
"Dass ist ein sährrrr schlächtes Buch..."
hab´s dann aber verworfen. |
Schade.
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Selanna Reißwolf
Beiträge: 1146 Wohnort: Süddeutschland
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16.12.2019 17:09
von Selanna
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Maunzilla hat Folgendes geschrieben: | das ungebildete Volk auf der Straße |
So viel Dünkel ... das lässt mich schaudern.
Zum Thema: In wörtlicher Rede können gewisse grammatikalische Eigenheiten oder Fehler dem Dialog Farbe verleihen bzw. zur Charakterisierung beitragen. Dagegen habe ich gar nichts. Im Fließtext hingegen stehe ich dem skeptisch gegenüber, aber das ist nur imho.
_________________ Nur ein mittelmäßiger Mensch ist immer in Hochform. - William Somerset Maugham |
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Malaga Klammeraffe
Beiträge: 826
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16.12.2019 18:07
von Malaga
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Wow, heiße Diskussion, die sich inzwischen entwickelt hat!
Ich denke dazu auch, die Dosis macht das Gift. Ich kann zum Beispiel die Krimis des viel gelobten Haas nicht lesen, wegen seiner ständigen Weil-Sätze. Würde die aber auch mit richtigem Satzbau nicht ertragen.
Aber meine eigentliche Frage war schon durch Bananenfischins Beitrag beantwortet, danke, Und für die Karte dazu auch, sleepless_lives
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