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Darf man so etwas formulieren?

 
 
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Papiertiger
Geschlecht:männlichLeseratte

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Beiträge: 125
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Beitrag16.11.2019 14:57
Darf man so etwas formulieren?
von Papiertiger
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Hallo,

mein Testleser meint: "Zu starker Tobak, Finger weg!" Ich finde aber, dass das ok ist. Was meint ihr?

Es geht um folgenden Gedanken des absoluten Bösewichts in meinem Roman:

"Und diese Glubschaugen - das kann nur ein Scheißjude sein!"

Wohlgemerkt als Gedanke, nicht als wörtliche Rede. Da steht zwar nicht "Er dachte, dass...", aber aus dem Kontext geht hervor, dass hier nicht der Erzähler fabuliert, sondern der Bösewicht denkt.

Vielen Dank und beste Grüße

Dirk
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Justadreamer
Geschlecht:männlichLeseratte
J

Alter: 26
Beiträge: 196
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J
Beitrag16.11.2019 15:17

von Justadreamer
Antworten mit Zitat

Hallo Papiertiger,

Wenn ich lesen würde: "Und die Glubschaugen  - das kann nur ein Jude sein", fände ich es fast besser, weil das Wort "Jude" selbst schon als abwertend gilt und somit gar kein "Scheiß" nötig ist, um die Botschaft zu übermitteln.

Wahlweise kann man an geeigneter Stelle auch schreiben wie:
"Blalabla , Jude....." Er schien förmlich auf dem Wort "Jude" herumzukauen, bis er schließlich angewidert das Gesicht verzog und es wie einen faulen Essensrest ausspuckte. (Kann man natürlich noch anders formulieren)

So hast du zwei Dinge erreicht:
Sicherstellen, dass die Einstellung der Figur deutlich wird
Niedrigstellung der Juden in der Gesellschaft durch die Pejorisierung des Wortes an sich deutlich werden lassen

Ich persönlich finde also eher, dass es schlechter Tobak ist und kein zu harter Laughing Beziehungsweise eine Stelle, in der man etwas tiefgründiger werden kann.
Trotzdem würde ich dich jetzt nicht an den Marterpfahl binden für diese Formulierung Wink
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gold
Geschlecht:weiblichPapiertiger


Beiträge: 4943
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Beitrag16.11.2019 15:51
Re: Darf man so etwas formulieren?
von gold
Antworten mit Zitat

Papiertiger hat Folgendes geschrieben:
Hallo,

mein Testleser meint: "Zu starker Tobak, Finger weg!" Ich finde aber, dass das ok ist. Was meint ihr?

Es geht um folgenden Gedanken des absoluten Bösewichts in meinem Roman:

"Und diese Glubschaugen - das kann nur ein Scheißjude sein!"

Wohlgemerkt als Gedanke, nicht als wörtliche Rede. Da steht zwar nicht "Er dachte, dass...", aber aus dem Kontext geht hervor, dass hier nicht der Erzähler fabuliert, sondern der Bösewicht denkt.

Vielen Dank und beste Grüße

Dirk



hallo,

wenn du deinen Bösewicht ("Bösewicht" klingt etwas harmlos und veraltet, vielleicht kannst du einen stärkeren Ausdruck dafür wählen?)wirklich als solchen darstellen willst, solltest du m.E. kein Blatt vor den Mund nehmen. Als Leser würde ich davon ausgehen, dass das nicht deine Denke, sondern die deiner widerwärtigen Figur ist.

Ob du "Scheißjude" schreibst oder nur "Jude" wählst, kommt auf die soziale Schicht der Figur an, also seine sonstige Art, sich auszudrücken.


Nur meine five cents.

LG gold


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Papiertiger
Geschlecht:männlichLeseratte

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Beitrag16.11.2019 16:00

von Papiertiger
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Klar, den nenne ich nur hier "Bösewicht". Wollte damit nur ausdrücken, dass das eben das widerwärtige Ekelpaket ist, das zu allem Überfluss auch noch antisemitisch eingestellt ist.

Ich finde eigentlich auch, dass man diesen schrecklichen Ausdruck "Scheißjude" bringen kann, da es klar wird, dass das eben die Denke dieses bösen Menschen ist. Deshalb wählte ich auch so eine drastische Formulierung. "Jude" ist zwar auch tendenziös, wäre mir aber in dem Kontext zu zahm.

Mal sehen, vielleicht kommen noch ein paar Meinungen.
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Ribanna
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Beitrag16.11.2019 17:08

von Ribanna
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Für mich wäre entscheidend, um was es sich in dem Roman geht.

Ist die Judenbeschimpfung notwendig? Oder soll sie nur ein Tabu brechen? Kommt der Antisemitismus des Bösewichts auch durch anderes zum Ausdruck, oder nur durch diese Beleidigung? Ist es überhaupt relevant, dass er antisemitisch ist, oder ist er einfach nur ein A...loch?

Ich denke, man sollte sehr vorsichtig sein, wenn man rassistische oder antisemitische Sprache benutzt, und sehr genau abwägen, ob das wegen irgendeinem "Effekt" passiert oder ob man damit tatsächlich etwas zeigen kann.


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Minerva
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Beitrag16.11.2019 17:12

von Minerva
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Das Thema passt ja prima zu meinem Roman. Da sagt auch mal einer "Saujude", einfach, weil er das eben so denkt (ich aber garantiert nicht).
Und eine Menge ruft (nach tatsächlich so stattgefundenem Ereignis und in genau dem Wortlaut): "Juda verrecke."
Ja, es ist schrecklich, aber es war eben so.

Ich halte nichts davon, sich zu zensieren, insbesondere, wenn man das Gedankengut nicht teilt. Stattdessen "zeigt" man damit ja, wie es war oder wie solche Menschen denken. Es geht um die Absicht, es real darzustellen, nicht um subtil dies als eigenes Gedankengut zu verbreiten und in der Regel verstehen die meisten das auch.
(Einfacher ist es, wenn es sich nicht um die Hauptperson handelt, sondern nur eine, der die Hauptperson begegnet.)

Du musst eben abwägen, ob du damit leben könntest, wenn dir das als Gedankengut unterstellt wird (auch wenn in der Regel der Rest des Romans eher das Gegenteil zeigt), du dafür aber authentisch rüberkommen willst.

Natürlich könntest du auch nur Jude schreiben, wenn es passt. Wenn die Person aber gerade in Rage ist, wird sie möglicherweise eher das andere denken.

Stephen King hat mal geschrieben, dass er immer solche Leserbriefe bekommt, von Leuten, die nicht verstanden haben, dass "Nigger" nicht seine  Meinung ist, sondern die der fiktiven Person.


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Ralphie
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Beitrag16.11.2019 17:19

von Ralphie
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Finger davon!
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Papiertiger
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Beitrag16.11.2019 17:29

von Papiertiger
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Interessant - die Meinungen sind geteilt. Ist halt brisant, war mir bewusst.

Dass es sich nicht um das Gedankengut des Erzählers handelt, geht aus dem Kontext hervor. Dafür, dass es sich um das Gedankengut des Autors handelt, gibt es nicht den geringsten Hinweis.

Im Gegenteil: Das Drastische dieses Ausdrucks erzeugt Abscheu - soll es zumindest. Es soll den Bösen noch böser machen. Der Autor leitet den Leser eher dazu an, sich zu schütteln. Subtil ist da ja mal gar nichts.

Ich werde das so explizit schreiben. Auch auf die Gefahr hin, dass es böse Briefe hagelt. Im Prinzip hat King recht: Die Leute reagieren auf Schlagwörter, schwingen die Moralkeule und kapieren in Wirklichkeit nichts.

Interessant das mit dem "Nigger". Genau der schlimme Ausdruck kommt nämlich auch in meinem Buch vor. Da aber in wörtlicher Rede eines anderen Übeltäters. Auch das werde ich so lassen.

Danke für eure Meinungen.

Viele Grüße

Dirk
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Minerva
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Beitrag16.11.2019 17:34

von Minerva
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Bei meinen Testlesern hat sich keiner beschwert, das Leute im Roman solche Dinge sagen. Und die Testleser sind auch über jeden Verdacht erhaben!

Hm, vielleicht kommt es auch krasser rüber, wenn es direkt im Kopf von einem stattfindet.

Ich hab neulich "Unsere Mütter, unsere Väter" geschaut und mir dann durchgelesen, worüber man sich damals nach der Ausstrahlung so beschwert hatte. Unter anderem darüber, dass keiner der Hauptpersonen ein verseuchter Hitlerfanatiker war. Und das wäre ja schon Geschichtsverklärung .. man tut so, als wären es arme Opfer und Mitläufer, und zeigt nicht wie es wirklich war.

Na, was wäre denn passiert, hätte man eine der Figuren so gemacht (was allerdings im Widerspruch dazu gestanden hätte, da einer der Freunde ein Jude war)?
Dann hätte man sich auch wieder aufgeregt und Verbreitung diversen Gedankenguts unterstellt.

Also, einen Protagonisten mit solchem Gedankengut kann man vielleicht erst in 250 Jahren entspannt darstellen.
Den Antagonisten oder Nebenfiguren schon eher.


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lebefroh
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Beitrag16.11.2019 18:06

von lebefroh
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Zitat:
weil das Wort "Jude" selbst schon als abwertend gilt und somit gar kein "Scheiß" nötig ist, um die Botschaft zu übermitteln.


Das Wort "Jude" gilt als abwertend??

Das ist mir neu. Wenn Menschen das Wort "Jude" abwertend benutzen, ist das äußerst erschreckend, aber im normalen Sprachgebrauch ist es das mit Sicherheit nicht.
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Ralphie
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Beitrag16.11.2019 18:13

von Ralphie
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Ich erinnere mich, dass ich im Kölner Hauptbahnhof von einem Jugendlichen als "Du Jude" beschimpft wurde. Das Wort hat in Deutschland noch immer eine negative Aussage.
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lebefroh
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Beitrag16.11.2019 18:14

von lebefroh
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Zitat:
Ich werde das so explizit schreiben. Auch auf die Gefahr hin, dass es böse Briefe hagelt. Im Prinzip hat King recht: Die Leute reagieren auf Schlagwörter, schwingen die Moralkeule und kapieren in Wirklichkeit nichts.


Wenn dir "böse Briefe" sowieso egal sind, was fragst du überhaupt nach?

Natürlich darf der Bösewicht böse Sachen sagen. Nur dass Du damit trotzdem ein antsemitisches Klischee weiterverbreitest, und zwar eins, was ich heute für weniger bekannt halte, das von den Glubschaugen. Von daher finde ich es gibt durchaus bessere Wege, um einen Antisemiten darzustellen, als so.
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Gerling
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Beitrag16.11.2019 18:25

von Gerling
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Es ist ein Roman, Herrgott nochmal. Natürlich kann man das machen.

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Ciddy
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Beitrag16.11.2019 19:08

von Ciddy
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Zitat:
man tut so, als wären es arme Opfer und Mitläufer, und zeigt nicht wie es wirklich war.

Das liegt möglicherweise daran, dass die Verharmlosung von Wehrmachtsverbrechen und die Überbewertung des Einflusses des "Zauber Hitlers" auf die Köpfe jener Soldaten nicht zu unterschätzen sind. Die Auseinandersetzung mit Wehrmachtsverbrechen war bis in die 90er quasi nicht existent, grausam sei immer nur die SS, die Wehrmachtsoldaten wiederum alle schlichtweg verblendet gewesen.

Ich habe den Film nicht gesehen, doch diese Argumentation ist mir nicht fremd. Deshalb das am Rande.

Zitat:
Das ist mir neu. Wenn Menschen das Wort "Jude" abwertend benutzen, ist das äußerst erschreckend, aber im normalen Sprachgebrauch ist es das mit Sicherheit nicht.

Du kannst dich natürlich auch rein auf die Semantik des Begriffes berufen. Ob es zielführend ist, die Brisanz dahinter einfach wegzuignorieren, bezweifel ich. Das erinnert mich an die Plattitüde, das Wort "Kanake" hieße doch bloß "Mensch". Ganz so krass ist es hier sicher nicht, doch die Argumentation ist eine ähnliche.

Zitat:
Die Leute reagieren auf Schlagwörter, schwingen die Moralkeule und kapieren in Wirklichkeit nichts.

Wenn du einen Begriff wie "Moralkeule" in einem solch sensiblen Kontext für angebracht hälst, frage ich mich ebenfalls, ob die die richtige Frage gestellt hast.

Zitat:
Es soll den Bösen noch böser machen.

Vielleicht hast du dich hier unglücklich ausgedrückt. Für ein reines Stilmittel halte ich den Begriff für unangebracht, da ich ihn für zu sensibel halte und er Assoziiationen hervorruft, die über das reine, undifferenzierte "Böse" (als solches verstehe ich die Figur bislang) hinausgehen und es auch gar nicht mal so krass widerspiegeln, weil die Gründe hinter der Benutzung eines solchen Wortes auch eine Menge anderes sein kann, das nicht einer antisemitischen Haltung entspringt. Du solltest meiner Meinung nach also explizit darauf abzielen, eine antisemitische Haltung der Figur zu übermitteln, Antisemitismus vielleicht sogar zentral behandeln, oder eben andere Gründe suchen, die dahinter stecken (schlechte Bildung, große Schnauze, Rebellentum, etc.). Um einfach nur das "Böse" darzustellen, findest du sicherlich auch bessere Wege. Zum Beispiel, indem deine Figur böse Dinge tut, anstatt böse Dinge zu sagen. Das ist nun aber der literarische Aspekt dahinter und geht an deiner Frage vorbei.

Vor Abscheu schütteln würde ich als Leser mich jedenfalls nicht. Ich würde bei deiner Figur in erster Linie auf ein Arschloch schließen. Einfach, weil ich weiß, wie locker so ein Wort über die Lippen gehen kann, ohne zu verstehen, was man da eigentlich sagt.

Wenn es deine Sorge ist, dass man dir als Autor daraus einen Strick dreht, so halte ich die Sorge für übertrieben. Ganz so schnell geht wohl nicht, da müsstest du dir schon einige explizite Fehltritte leisten. Man könnte dir höchstens vorwerfen, nicht ausreichend sensibel mit deinen Worten umzugehen. Aber das hängt dann vom Gesamtpaket ab.

Schlussendlich kann dir all das aber auch egal sein, denn es ist dein Roman. Es ist dir vermutlich nicht egal, sonst hättest du diesen Thread nicht eröffnet. Aber wenn du fragst, ob man "das so sagen kann": Du kannst sagen was du möchtest. Wenn dich die Reaktionen kümmern, dann ist es bloß nicht unklug, sie vorher abzuschätzen.
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lebefroh
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Beitrag16.11.2019 19:16

von lebefroh
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Ciddy hat Folgendes geschrieben:
Du kannst dich natürlich auch rein auf die Semantik des Begriffes berufen. Ob es zielführend ist, die Brisanz dahinter einfach wegzuignorieren, bezweifel ich. Das erinnert mich an die Plattitüde, das Wort "Kanake" hieße doch bloß "Mensch". Ganz so krass ist es hier sicher nicht, doch die Argumentation ist eine ähnliche.


Dass "Jude" als Schimpfwort benutzt wird, ist mir klar. Genauso wie "Opfer", "Schwuler" und viele andere. Aber das heißt nicht, dass "Jude" an sich ein abwertendes Wort ist. Der Poster oben schrieb, man müsse dem "Jude" kein "Scheiß-" zufügen, weil "Jude" an sich schon als abwertend gilt - so als würde das Wort in gar keinem anderen Kontext existieren. Wenn das Wort "Jude" als reines Schimpfwort wahrgenommen wird, finde ich das sehr erschreckend.
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lebefroh
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Beitrag16.11.2019 19:18

von lebefroh
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Ralphie hat Folgendes geschrieben:
Das Wort hat in Deutschland noch immer eine negative Aussage.


Ich hoffe sehr, dass das auf den Kontext ankommt.
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Ciddy
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Beitrag16.11.2019 19:24

von Ciddy
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Ja, das hängt dann natürlich vom Kontext ab. Ob mir der Dozent im Geschichtsseminar erklärt, Person XY sei Jude gewesen, oder ob mir jemand auf dem Bahnhof "Jude" hinterherruft, löst natürlich ganz verschiedene Reaktionen aus. Es handelt sich hier aber offenkundig um eine Person, die klar in letzterer Kategorie zu verorten ist. Und dann reicht "Du Jude" völlig aus, um sofort auf eine Form der Beschimpfung zu schließen.

Dass das Wort "Jude" grundsätzlich als Beschimpfung wahrzunehmen ist, das ist genauso undifferenziert wie das Gegenteil.
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Papiertiger
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Beitrag16.11.2019 19:27

von Papiertiger
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Vielleicht trägt es zu Klärung bei, dass mein Roman Antisemitismus überhaupt nicht zum Thema hat. Auch nicht implizit.

Es handelt sich um einen historischen Roman, der im 18. Jahrhundert spielt. Auch damals gab es leider schon Antisemitismus, aber wie gesagt, darum geht es nicht.

Mir geht es einzig um den Punkt, ob es gelingt, durch den Ausdruck, den ich benutzt habe, den Bösen mit sprachlichen Mitteln noch böser zu machen.

Dass der nicht nur dadurch böse wird, sondern auch durch seine ganzen Taten, bleibt davon völlig unbenommen.

Ich habe mir beim Schreiben überhaupt nichts dabei gedacht, bin nur durch meinen Testleser stutzig geworden. Die Diskussion hier bestätigt, wie "riskant" die Wortwahl ist.

Trotzdem sehe ich noch nicht das überzeugende Argument, dass es unmöglich macht, so etwas in einer fiktiven Geschichte zu schreiben, wenn klar ist, dass nicht der Erzähler denkt, sondern der Antagonist.

Am liebsten würde ich zehn jüdische Mitbürger fragen, was sie bei sowas empfinden, leider kenne ich keinen.
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Ralphie
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Beitrag16.11.2019 19:37

von Ralphie
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Hi, Papiertiger!

Kannst du nicht schreiben: "wie ein Franzose." Wenn du das "Scheißjude" in deinem Roman stehen lässt und das Ding veröffentlicht wird, machst du dich vor dem Gesetz strafbar. Da spielt es keine Rolle, ob dein Bösewicht das Wort ausgesprochen hat.
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Papiertiger
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Beitrag16.11.2019 19:43

von Papiertiger
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Ralphie hat Folgendes geschrieben:

Wenn du das "Scheißjude" in deinem Roman stehen lässt und das Ding veröffentlicht wird, machst du dich vor dem Gesetz strafbar. Da spielt es keine Rolle, ob dein Bösewicht das Wort ausgesprochen hat.

Ehrlich, ist das so?

Falls ja, wäre es natürlich ein K.O.-Kriterium. Ganz klar. Aber in einer fiktiven Geschichte?

Was ist denn, wenn in einem Roman ein Schurke sinngemäß sagt: "War doch alles nicht so schlimm damals bei den Nazis."

Dann ist doch nicht der Roman Volksverhetzung, oder doch? Ich kann das nicht glauben, habe aber von diesen rechtlichen Dingen gar keine Ahnung. Vielleicht bin ich viel zu naiv.
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Gerling
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Beitrag16.11.2019 19:58

von Gerling
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Ralphie hat Folgendes geschrieben:
Hi, Papiertiger!

Kannst du nicht schreiben: "wie ein Franzose." Wenn du das "Scheißjude" in deinem Roman stehen lässt und das Ding veröffentlicht wird, machst du dich vor dem Gesetz strafbar. Da spielt es keine Rolle, ob dein Bösewicht das Wort ausgesprochen hat.


Das stimmt nicht. In einem fiktiven Roman kann man Afroamerikaner Nigger nennen. Juden auch Scheißjuden. Genauso, wie man Deutsche als Judenmörder bezeichnen kann. Und so weiter und so fort ...


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Beitrag16.11.2019 19:58

von gold
Antworten mit Zitat

Ralphie hat Folgendes geschrieben:


Wenn du das "Scheißjude" in deinem Roman stehen lässt und das Ding veröffentlicht wird, machst du dich vor dem Gesetz strafbar. Da spielt es keine Rolle, ob dein Bösewicht das Wort ausgesprochen hat.


Hallo Ralphie,

kannst du das belegen?


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