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Laudatio


 
 
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farUnderdog
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Beiträge: 12



F
Beitrag30.08.2019 02:10
Laudatio
von farUnderdog
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Laudatio
"Ja. Nein. Natürlich. Ich werde es machen. Sie können sich auf mich verlassen. Danke."
Er beendete das Telefonat mit zitternden und nicht mehr ganz trockenen Händen. Sein Herz klopfte schnell und stark. Er saß in seinem Büro. Und er konnte sein Glück kaum fassen.
Am Handy war sein Chef gewesen. Hans Fischer hatte gerade das Angebot seines Lebens bekommen und er hatte zugesagt. Es würde ein riesiger Karrierekick werden und ein persönlicher Triumph. Oder es würde der größte Misserfolg und Fehler seines Lebens werden. Doch diesen Gedanken ließ er nicht zu.
Würde Hans ihm die Hand schütteln dürfen? Und wenn er erst an den Ort der Veranstaltung dachte und an alle, die da sein würden. Da wurde ihm kurzzeitig ganz schwummrig.
Er holte ein Blatt her und nahm einen Stift in die Hand. Er begann schnell aber nicht hektisch zu schreiben. Es strömten, so kam es ihm vor, alle Informationen, die er jemals über seinen Lieblingsschauspieler gehört oder gelesen hatte, in seinen Kopf und sein Bewusstsein. Er schrieb drauf los. Bald hatte er mehrere Seiten voll. Er würde die Laudatio über seinen Lieblingsschauspieler halten dürfen.
Die Leute würden strahlen, zu ihm aufblicken, wenn er die Laudatio hält. Und das bei einer renommierten Preisverleihung. Er würde niemanden enttäuschen.
Sein Chef sagte zu Hans einige Zeit nachdem er das Angebot angenommen hatte: "Der eingeplante Kerl liegt anscheinend mit verschnupfter Nase im Bett... Ich wurde gefragt, von jemandem, der mein Kollege und nicht zufälligerweise ein guter Freund ist und für diese Award-Show arbeitet, ob ich in der Firma einen sprachlich begabten, hungrigen, jungen aufstrebenden Mitarbeiter habe, der Fan von diesem einen Schauspieler sei - natürlich war das eher eine als Scherz gemeinte Frage. Doch ich musste sofort an dieses Poster denken von dem Schauspielertyp, das seit Jahren in Ihrem Büro hängt. Und ich habe geantwortet: Ja, so einen hab ich.... Sie hätten sein Gesicht sehen sollen! Aber enttäuschen Sie mich nicht, mein Junge. Ich habe für Sie meine Hand ins Feuer gehalten."
In den nächsten Tagen schrieb er in jeder Situation an der Laudatio. Sie zu schreiben, erwies sich als äußerst kräftezehrend. Er arbeitete in jeder freien Minute daran, er las das Biographie-Buch noch einmal. Er versuchte, die meisten Filme mit dem Schauspieler ein weiteres Mal anzusehen. Er hatte unzählige Fassungen ausgedruckt, von denen er überzeugt gewesen war, jede einzelne wäre die endgültige Fassung. Doch kurz darauf fiel ihm immer etwas anderes, besseres ein und er machte die Verbesserung auf das Blatt, sodass er die neue Fassung daraufhin ausdrucken musste. Er schlief sogar nachts mit einem eingeschalteten Tonbandgerät neben sich liegend.
An Hans` letzten Arbeitstag vor der Laudatio kam sein Chef noch einmal zu ihm in sein Büro, schloss die Tür und wünschte ihm viel Glück.
Schließlich war der Tag der Preisverleihung da. Er hatte sich am Abend vorher Gedanken darüber gemacht, ob er am Morgen ausschlafen soll oder sich für einen relativ frühen Zeitpunkt den Wecker stellen sollte. Er hatte sich dazu entschlossen, auszuschlafen. Am Morgen dann wurde er nur sehr langsam wach. Er lag lange in einer Art Halbschlaf in seinem Bett. Das Tonbandgerät hatte er in dieser Nacht aus gelassen. Er war immernoch sehr müde und konnte die Augen kaum offen halten, als er nach seinem Handy tastete, um nach der Uhrzeit zu sehen. Es war noch Vormittag. Er war erleichtert. Es war ihm, als hätte er einfach die ganze Sache verschlafen. Doch es war noch nicht Abend, wie er ja erleichtert festgestellt hatte. Und so quälte er sich doch Stück für Stück aus dem Bett hinaus und in den Tag hinein.
Er erledigte das wichtigste, wie alles notwendige im Badezimmer, er frühstückte und hörte Musik nebenbei. Und er zog sich an.
Die Art, auf die Hans einige Minuten später von allem erfahren sollte, war insofern ungewöhnlich, als dass sie unmodern, fast veraltet war. Nämlich durch eine Zeitung. Er hatte beschlossen nochmal frische Luft zu schnappen und eine Runde spazieren zu gehen. Draußen kaufte er sich eine Zeitung und setzte sich auf eine Bank. Das machte er manchmal so, nur hatte er sonst immer ein Getränk statt einer Zeitung in der Hand. Doch Hans suchte nach einem Artikel über die Verleihung heute Abend und wurde auch fündig. Als er den Artikel fertig gelesen hatte, war er schon drauf und dran, die Zeitung in den nächsten Mülleimer zu werfen, da wehte ein Windhauch die Ecke einer Seite um und Hans blickte durch Zufall direkt auf den Namen seines Schauspielers. Hans las den Artikel über ihn. Als er mit dem Artikel fertig war, warf er die Zeitung nicht weg, sondern nahm sie mit nach Hause.
Die folgenden Stunden waren sehr seltsam für ihn. Er war permanent gänzlich in Gedanken versunken.
Schließlich als es am Abend so weit war, stand die Limousine vor seiner Tür, die der Chef organisiert hatte, "für einen standesgemäßen Auftritt". Er hatte auf einmal Hunger, weil er seit dem Artikel eigentlich keinen Appetit mehr verspürt hatte.
Er setzte sich in die Limousine und ging die Laudatio zum tausendsten Mal durch - er konnte vor dem Zeitungsartikel einige Stellen nicht auswendig; jetzt verstand er kaum seine eigenen Wörter, die er dort geschrieben hatte, so in Gedanken war er.
Irgendwann kam er an dem Ort an, wo die Verleihung stattfand. Alles war für ihn durchorganisiert und durchgeplant. Er wurde überall hin gebracht und das war auch gut so. Denn allein hätte er an diesem Abend nichts gefunden.
Einige Minuten später stand er in der Nähe der Bühne. Extreme Nervosität hatte ihn ergriffen, doch er war bereit auf die Bühne zu gehen. Das Blatt, auf dem seine Laudatio stand, war von ihm zuvor so oft gefaltet worden, dass es nur noch einen Teil seiner ursprünglichen Fläche hatte. Als es Zeit für ihn war, schritt er auf die Bühne. Kurzer aber respektvoller Applaus kam aus dem Publikum. Er stand auf der Bühne vor all den Leuten und sein Mund fühlte sich so trocken an, als hätte er gerade auf Sand herumgekaut.
In dem Zeitungsartikel hatte gestanden, dass gerade damit begonnen worden war, einen Skandal, der mit Tierquälerei zu tun hatte, und in den der Schauspieler verstrickt war, aufzuklären. Hans Fischer war nicht nur Filmfan sondern auch schon lange Tieraktivist und noch länger Veganer. Und eine Person, die mit Tierquälerei in Verbindung stand, war für ihn so ziemlich das Letzte.
Er begann zu reden. Ohne Namen zu nennen. Die Rede ging über Tierquälerei. Es war eine sehr gute Rede. Er wagte es nicht in die Richtung zu sehen, in der der Schauspieler saß.
Als er fertig war, hätte er nicht sagen können, ob er zehn Sekunden oder zehn Minuten geredet hatte. Er stand da und wartete auf eine Reaktion durch das Publikum. Als nach einigen Sekunden noch keine Reaktion gekommen war, ging er von der Bühne.
In den meisten Zeitungen und Internetartikeln waren am nächsten oder übernächsten Tag zumindest Ausschnitte aus der Rede von Hans Fischer.
Einige Tage später blätterte er durch eine Zeitung und die eine Anzeige für einen Job kam ihm vielversprechend vor. Sein Chef hatte ihm nicht offiziell gekündigt, doch Hans fand, dass das auch gar nicht nötig gewesen war, nachdem der Chef Hans infolge der Rede noch am selben Abend so zusammengebrüllt hatte, dass am Ende der Kopf des Chefs röter war, als dessen Fliege, die sehr rot war... und nur noch ein wenig um den Hemdkragen hing.
Doch wenn auf Grund seiner Rede auch nur ein Steak weniger in irgendeinem total angesagten Steakladen bestellt wurde, dann hatte sich diese Rede für Hans Fischer schon gelohnt.

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Rodge
Geschlecht:männlichKlammeraffe


Beiträge: 845
Wohnort: Hamburg


Beitrag30.08.2019 07:43

von Rodge
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Moin, moin,

ich finde das gut geschrieben, kann mir die Szenen vorstellen, dennoch fallen mir zwei Dinge auf:

- Es ist ja eher eine erzählende Geschichte. Der einzige Dialog, ist der am Anfang und der ist für meinen Geschmack eher nichtssagend. Auch dass er den Auftrag bekommt, könnte man ja beschreiben.

- Die Motivation von Hans ist mir nicht ganz klar. Da wird man lange darauf vorbereitet, dass er ja ein Fan des Laudatierten (kann man das so sagen?) ist und dann spricht er über etwas anderes. Wird man hier nicht auf etwas vorbereitet und anschließend pointenhaft reingelegt? Wenn dem nicht so sein sollte, könnte man z. B. eine Szene am Morgen dazupacken, wo sich Hans aufgrund der Zeitungslektüre damit auseinandersetzt, damit das nicht ganz so vom Himmel fällt.

Grüße
Rodge
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farUnderdog
Geschlecht:männlichSchneckenpost
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Beiträge: 12



F
Beitrag30.08.2019 09:44

von farUnderdog
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Also wenn der Hamburger mit "Moin Moin" grüßt, muss der aus Bayern jetzt hier mit "Servus" antworten.
Servus, Rodge,
Ja klar, da ist ja eine Art Wendung und ein innerer Konflikt.

Und zum anderen Punkt: Es ist schon absichtlich so, dass es für den Leser überraschend ist, aber dein Vorschlag hört sich nicht schlecht an.

farUnderdog
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Gast







Beitrag17.10.2019 19:28

von Gast
Antworten mit Zitat

Hallo farUnderdog,

ich finde die Idee auch erstmal nicht uninteressant, aber ich denke, dass in deinem ersten draft einige Probleme sind.

Der Absatz, in dem das Dilemma des Protagonisten geschildert wird ist:

In dem Zeitungsartikel hatte gestanden, dass gerade damit begonnen worden war, einen Skandal, der mit Tierquälerei zu tun hatte, und in den der Schauspieler verstrickt war, aufzuklären. Hans Fischer war nicht nur Filmfan sondern auch schon lange Tieraktivist und noch länger Veganer. Und eine Person, die mit Tierquälerei in Verbindung stand, war für ihn so ziemlich das Letzte.

Zunächst mal ist der erste Satz dieses Absatzes für mich zu verschachtelt und zu verklausuliert. Immerhin liegt hier die gesamte crux der Geschichte. Man könnte das Ganze einfach durch die Auflösung der Verschachtelung wesentlich mehr auf den Punkt bringen:

In dem Zeitungsartikel hatte gestanden, dass gerade damit begonnen worden war, einen Skandal aufzuklären, der mit Tierquälerei zu tun hatte, und in den der Schauspieler verstrickt war.

Für meinen Geschmack könnte man dramaturgisch noch einiges mehr herausholen, um die Wichtigkeit herauszustellen:

In dem Zeitungsartikel hatte gestanden, dass gerade damit begonnen worden war, einen Skandal aufzuklären, der mit Tierquälerei zu tun hatte.

In den Skandal war der Schauspieler verstrickt.


Ausserdem ist der Ausdruck "Skandal [...], der mit Tierquälerei zu tun hatte" etwas vage. Wenn Hans tatsächlich so starke Gefühle zum Thema Tierwohl hat, dann würden ihm mehr Details zum Inhalt der Anschuldigung im Gedächtnis bleiben (ich sehe die Einleitung als aus seiner Perspektive geschrieben, in sofern würde auch die Detailtiefe seiner Wahrnehmung entsprechen. Wenn Du also einen generischen Skandal ohne nähere Details erwähnst, heisst das für mich als Leser, dass Hans nicht mehr davon in Erinnerung behalten hat, es ihn also offensichtlich nicht zu sehr interessiert hat, und das steht ja in krassem Gegensatz zu seiner Gesinnung, die danach skizziert wird).

Für mich als Leser steht Hans in diesem Stück als ziemlich negativer Charakter da, nämlich Jemand, der sich von einem einzigen Zeitungsartikel (der wie vorher geschildert als recht inhaltslos und populistisch herüberkommt) und seiner Gesinnung schnell in eine Schiene drücken lässt und daraus impulsiv handelt (der "Wutbürger im Zeitalter der Fake News."). Warum hat er nicht die Zeit zwischen dem Lesen des Artikels und dem Vorfahren der Limousine dazu genutzt, zu recherchieren, die Anschuldigungen zu hinterfragen, andere Meinungen zu hören, insgesamt sicherzustellen, dass seine  "Laudatio" ins Schwarze trifft und nicht zum Rohrkrepierer wird?

Ein recht passender 2. Teil der Geschichte wäre für mich, dass sich in den nächsten Tagen und Wochen so langsam die Wahrheit hinter den Schlagzeilen herausschält und die Unschuld seines Idols beweist. Vielleicht ist der Schauspieler sogar ebenfalls ein engagierter Tierfreund, der sich mit der Fleischindustrie angefeindet hat (die darauf hin versucht ihn mit Rufmord zu diskreditieren)?

Daraus würde sich ein ganzes Universum von Fragen zum Thema Leichtgläubigkeit, Kritiklosigkeit, impulsives Handeln und vor Allem zu dem, was das Ganze bei Hans anrichtet, öffnen. Der Schauspieler könnte im Fall seiner Unschuld sogar mit einem ganzen Strauss souveräner Reaktionen weitere Strassen eröffnen (er könnte zum Beispiel die Laudatio öffentlich loben und sie inhaltlich voll unterstützen).

Wenn Du Hans aber als den "Guten" hinstellen wolltest, dem sein Gewissen wichtig genug ist, um dabei seine Existenz aufs Spiel zu stellen, solltest Du meiner Meinung nach unmissverständlich klarstellen, dass die Anschuldigungen gerechtfertigt sind und Hans sich dessen sicher sein kann.

Nur meine €0,02, hoffe es macht Sinn!
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