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Hallogallo Klammeraffe
Alter: 61 Beiträge: 645 Wohnort: Auenland
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28.01.2019 09:10 Verkauft von Hallogallo
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Wir wurden versklavt
kein Zweifel
die endlosen Autoschlangen
die sich zu nachtschlafender Zeit in die Städte quälen
die vollgestopften Vorortzüge
die Kinder
mit den viel zu großen Schultaschen an den zugigen Bushaltestellen
all das ist eindeutig
wir wurden verkauft
kein freier Mensch tut sich so etwas an
wenn er nicht von seinem Besitzer dazu gezwungen wird.
damit das nicht so krass auffällt
zeigt uns Helene Fischer ihre rasierten Beine
und Traumschiffkapitän Florian Silbereisen
die Traumstrände im Fernsehen
die wir selber nie in Wirklichkeit sehen werden
Weitere Werke von Hallogallo:
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findling Leseratte
Beiträge: 112
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03.02.2019 01:04
von findling
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Nicht versklavt, noch verkauft,
nur die Seele gierig für eine Plastikwelt getauscht.
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YesYesYes Gänsefüßchen
Y
Beiträge: 15 Wohnort: Frankfurt/M.
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Y 08.02.2019 20:21
von YesYesYes
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Ich hoffe, kritische Kritik ist auch erwünscht. Schreiben ist immer schwierig und ich will dir nicht in deinen kreativen Prozess kaputt machen, aber so ein Forum ist doch nur etwas wert, finde ich, wenn auch negative Kommentare erlaubt sind.
So habe ich den Text gelesen: Hier wird eine bürgerliche Existenz aus einem Nirgendwo kritisiert, z.T. mit Zugriff auf brachiale Ausdrücke ("verkauft", "versklavt"), die sozialkritisch-moralisierend alltägliche Erfahrungen aufgreifen, wogegen ein "freier Mensch" postuliert wird. Massenmediale Figuren (Silbereisen, Fischer) werden als Verführer aufgebaut und gegen die "Wirklichkeit" gestellt.
Das gefällt mir daran: Ich finde, der Text hat Rhythmus, die Zeilen "all das ist eindeutig // wir wurden verkauft" fließen.
Das gefällt mir nicht daran:
- die Bilder (Pendler_innenverkehr,...) erscheinen mir zu vertraut, ziemlich abgegriffen, überlagert von Generationen der Kritik an diesem spätkapitalistischen Lebensstil; das nimmt ihnen für mich eine eigenständige Wirkung
- die dramatische Struktur ist letztlich moralisierend und mir zu platt; wer ist denn der Besitzer dieser Menschen? Setzen sie sicht freiwillig in die Bahn? Und wäre nicht genau das das eigentlich Interessante, dass Menschen sich das freiwillig antun? Insofern hat die Moral etwas Schräges, erzählt von Verführung als Überwältigung, wo sachlich Verführung als Einverstanden-Sein interessanter wäre
- Wenn es eine sozialkritische Dimension haben soll, fehlt mir eine Perspektive, die die Handlungsfähigkeit der -- deinem Bild folgend -- Verkauften darstellt, aber sie sind nur passiv
- Affektiv genommen hat der Text zudem etwas esoterisches, insofern er die passiven, verkauften Menschen abwertet -- sie lassen sich so billig verführen -- und die Leser_in des Textes aufwertet, die zum Kreis der Eingeweihten gehört, die die "Wirklichkeit" sehen
Ein bisschen abgeschwächt wird das durch die Textzeile, die die Leser_in mit in das Geschehen reinnimmt und eine andere Note als der Rest des Textes erklingen lässt: "die wir selber nie in Wirklichkeit sehen werden".
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Hallogallo Klammeraffe
Alter: 61 Beiträge: 645 Wohnort: Auenland
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11.02.2019 09:04
von Hallogallo
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Danke für dein Feedback!
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Kigosh Schneckenpost
K Alter: 36 Beiträge: 14 Wohnort: Schweiz
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K 11.02.2019 12:28
von Kigosh
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Hallo Gallo
Ich formuliere Mal meine Gedanken zu deinem Text:
Wie Yes schon bemerkt hatte, liest sich der Text sehr gut und rhythmisch.
Einige Bemerkungen zum Inhalt:
"Wir wurden versklavt"
Ich habe mich immer gefragt: von wem? Lässt man diese passive Konstruktion so stehen, dann impliziert dies, es gäbe einen "bösen Mastermind", der "uns" (d.h. Leserinnen und Leser) überlistet hat, der über uns die Herrschaft übernommen hat. Er (wobei er nicht eine Person sondern eher ein Prinzip/Idee/Konzept ist) ist der Besitzer!
Die Evidenz für unsere Sklaverei:
die endlosen Autoschlangen - okay, sehe ich ein, niemand steht freiwillig gerne im Stau
"die Kinder
mit den viel zu grossen Schultaschen" - Hierüber bin ich gestolpert. Ich sehe zwar die Kritik: Leistungs- und Konformitätsdruck an den Schulen, aber wie führt das zu Sklaverei? Mir zumindest erschliesst sich der Zusammenhang nicht intuitiv. Bildung konnotiere ich eher positiv als negativ. Klar, "viel zu grossen Schultaschen" sind eindeutig negtaiv konnotiert und die Metapher ist auch erkennbar, aber nicht die Assotiation mit Sklaverei (m.E.).
"wir wurden verkauft"
Von versklavt zu verkauft also? Auch hier habe ich mich gefragt: von wem? Das Verkaufen impliziert ein Subjekt (Verkäufer), der ein Objekt ("uns, die Versklavten") verkauft an einen Abnehmer (der neue Sklavenhalter). Mir ist nicht klar, wer der Verkäufer ist. Wenn Du aber freien Willen postulierst (und mehr als ein Postulat kann es nicht sein), würde es für mich mehr Sinn machen, wenn wir uns selbst verkauft hätten. Doch das bringt der Text meiner Meinung nach nicht deutlich rüber.
"kein freier Mensch tut sich so etwas an"
Ah, hier sind wir auf philosophischem Glatteis, worin besteht denn die Freiheit des Menschen? Vielleicht in der Freiheit die Unfreiheit zu wählen? Siehst Du worauf ich hinaus will?
Hoffe konnte Dir einige Anregungen bieten.
Cheers
Kigosh
_________________ Do or do not, there is no try!
Meine Geschichten:
Ein Winternachtstraum |
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Orschi Wortedrechsler
Beiträge: 70 Wohnort: Baden (bei Karlsruhe/Rhein)
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11.02.2019 13:43
von Orschi
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Zitat: | Wir wurden verkauft
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Zitat: | Wir wurden versklavt |
Das hört sich schon nach einem Bild von der Gesellschaft an, das politisch ist. Das könnte im Programm einer Partei stehen, die mir nicht geheuer ist, weil soviel Verschwörung in ihrem Gejammer besungen wird.
An sich fehlt noch:
Zitat: | Wir wurden verraten |
oder noch direkter:
Zitat: | Wir sind beleidigt |
Zitat: | Wir sind die Opfer und die anderen sind unfair |
Gut, das geht jetzt über den depressiven Moment hinaus in die Interpretation . Vielleicht geht es ja zu weit, abgründige Gedanken/Vorstellungen herauszuhören.
Ich empfehle, Stoiker zu werden, denn nicht die Dinge selber erschüttern die Menschen, sondern ihre Einbildung darüber, wie die Dinge seien, die reine Phantasie rüttelt sie durch. Sokrates sagt: Der Tod ist nicht erschreckend, sondern die Bilder, die man sich davon macht - und trank seinen Schierlingsbecher
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