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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Ãœbersicht -> Antiquariat -> Zehntausend 01/2019
The clock ticks life away

 
 
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hobbes
Geschlecht:weiblichTretbootliteratin & Verkaufsgenie

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Beiträge: 4290

Das goldene Aufbruchstück Das goldene Gleis
Der silberne Scheinwerfer Ei 4
Podcast-Sonderpreis


Beitrag01.01.2019 20:00
The clock ticks life away
von hobbes
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Kati betrachtet die Uhr an der Wand, 11:58 Uhr zeigt sie an, gerade überquert der Sekundenzeiger die Zwölf, zack, 11:59 Uhr, noch eine letzte Minute Schule, eine letzte Minute Erdkunde. Berger erzählt von Erdzeitaltern, seit 11:21 Uhr ist er im Jura angekommen, nur noch ungefähr 195 Millionen Jahre vom Jetzt entfernt, wie doch die Zeit vergeht, für Berger vergeht sie zu schnell. Ach, schon so spät, wird er sagen, wenn der Zeiger erneut die Zwölf passiert, wenn es klingelt, wenn alle aufspringen, nach Hause wollen. Moment, wird Berger sagen, die Hausaufgaben. Aber da sie sind längst aus dem Raum, seine Schüler.

Kati würde sie am liebsten anhalten, die Zeit. Zumindest eine Minute lang, alles und alle einfrieren, wie früher beim Stopp-Essen, nur sie nicht, sie wird von ihrem Platz aufstehen, an Mara, Jule und Sophie vorbeigehen, vor Julius' Tisch stehen bleiben, ihm in die Augen sehen, und er, er wird sie dann auch endlich ansehen müssen.
Aber er ist ja gar nicht da, heute nicht, gestern nicht, wann eigentlich überhaupt mal. Außerdem sieht er sowieso nur sich selbst. Zuhören müsste er, aber was soll sie ihm schon sagen, sie findet ja doch keine Worte, nicht mehr seit 00:35 Uhr.

Vielleicht wäre es sowieso klüger, die Zeit voranzudrehen, dorthin, wo alles wieder gut ist, aber wenn man älter ist als – sagen wir mal: zehn, wird nichts mehr gut. Der eine Mist löst den anderen ab und manchmal, da fällt man voll rein, ins Dreckloch.

11:59:28 Uhr, Kati seufzt, was ihr einen Seitenblick von Basti einbringt. Basti packt ein Duplo aus, es knistert, Berger stört sich nicht daran, Berger stört sich an gar nichts; Basti beißt die eine Hälfte des Duplos ab, hält ihr die andere hin, aber Kati schüttelt den Kopf und da ist es wieder, das Aufflackern in seinem Blick, Was soll das Kati, was ist los mit dir, rede mit mir, aber sie kann nicht, es geht nicht, nicht mehr. Er klebt ihr den Duplo-Sticker auf den Tisch, Joshua Kimmich, ist denn schon wieder Fußball-WM.
Ciao Kati, wird Basti nachher sagen und einen Moment innehalten, Sehen wir uns bei Beppi, wird er fragen, noch hat er nicht aufgegeben, noch ist er einfach nur verwirrt, aber bald wird sich Ärger einschleichen in seine Stimme, weil sie einfach nicht mit ihm redet, die Kati, was soll das denn, sie können doch über alles reden. Denkt er. Hat sie auch mal gedacht.

Die Zeit zurückdrehen, denkt sie jetzt und sieht erneut auf die Uhr, 11:59:45 Uhr, die Uhren gehen langsamer, seither.

Komm schon Kati, sagt der Basti, auf ein paar Pfeile.
Ein paar Pfeile bei Beppi, wie immer. Seit zwei Jahren bringt sie ihre eigenen Pfeile mit und jetzt wäre sie endlich gut genug für ihr erstes richtiges Turnier, aber jetzt geht es nicht mehr, sie kann nicht mehr zu Beppi gehen, kann überhaupt keine Pfeile mehr werfen. In Filmen ist alles ganz einfach, du klebst das Bild, sein Bild, auf die Dartscheibe, dann wirfst du die Pfeile, mitten ins Gesicht, und alles ist gut oder zumindest besser; aber Kati wüsste nicht, ob sie am Ende nicht doch nur auf ihr eigenes Bild werfen würde, so einfach ist es nämlich nicht, nicht im echten Leben.

So einfach war es auch nicht an diesem Abend, als sie auf seinem Bett lag. Wie ist sie da überhaupt hingekommen, das war nicht geplant, aber jetzt liegt sie da, nackt, und er über ihr und er sieht sie gar nicht. Die Kati sieht ihn auch nicht mehr, will ihn nicht mehr sehen, sieht nur noch die Uhr, eine Cars-Uhr, wie so ein Elfjähriger, dabei ist er neunzehn und zuerst dachte sie, ist ja süß, neunzehn Jahre und eine Cars-Uhr. Bei 00:31 dachte sie das noch, ist ja süß und natürlich will ich, bei 00:34 war sie sich nicht mehr sicher, und Nein, dachte sie, 00:35 Uhr, Nein, ich will nicht, aber da war es auch schon vorbei und zu spät, wie schnell doch die Zeit vergeht, aber seither nicht mehr.

Ist doch nichts passiert, das machen doch alle, das wollen doch alle.
Wollen die dann auch die Zeit zurückdrehen, auf 23:00 Uhr vielleicht, 23:00 Uhr und das Wissen, der mit der Cars-Uhr, der ist nicht süß, überhaupt nicht, was machst du bei dem, spinnst du jetzt.
Aber sie hat das alles ja längst gewusst, schon vor 23:00 Uhr. Nur, alles Wissen hilft nichts, am Ende ist sie dann doch eine von denen geworden, über die sie mit Basti beim Pfeile werfen Witze gemacht hat.

11:59:59 Uhr und tick, es klingelt, So spät schon?, fragt Berger und zückt seine Uhr. Ciao Kati, sagt Basti und sieht sie an, wartet noch immer auf die Antwort, die sie ihm nicht geben kann. Die Hausaufgaben, sagt Berger, aber niemand hört mehr zu, es klingelt und klingelt und als es ausgeklingelt hat, ist es 12:00:15 Uhr und niemand ist mehr da, nur Kati, Ich-hab-da-noch-eine-Frage-Herr-Berger-Mara, Berger selbst und das Angelusläuten der Marienkirche.

*

Und drüben, vor Beppis Kneipe, karrt Hannes leere Bierfässer heran und wuchtet sie auf den Wagen, während Beppi an der Tür lehnt, die Straße hinauf- und wieder hinunterschaut.
Hannes lässt die Karre stehen und stellt sich neben Beppi; er kramt nach seinen Zigaretten, wie immer bietet er Beppi eine an, wie immer winkt Beppi ab. Beppi, der genau wie die Kneipe hinter ihm nach altem Rauch stinkt und das, wo seit Jahren keiner mehr darin geraucht hat, Beppi schon gar nicht, er hat in seinem ganzen Leben noch keine Zigarette geraucht.
Wie sieht es mit dem Turnier aus, fragt Hannes. Hast du einen für mich, auf den ich wetten kann?
Hm, sagt Beppi. Da gäbe es schon eine.
Eine?, fragt Hannes.
Aber sie wird nicht kommen, sagt Beppi.
Ja dann, sagt Hannes und schnippt Asche zur Seite.

*

Und im Cafe Carolus sitzt die Regina mit ihrer Freundin Marga. Marga fragt nach der Kati, was die so mache, ob sie immer noch mit dem Huber-Burschen in dieser gammeligen Kneipe herumhinge und fände da nicht demnächst ein Dartturnier statt?
Die Regina pustet auf ihren Cappuccino. Ich wünschte, es wäre so, denkt sie und schüttelt den Kopf über diesen Gedanken, darüber, dass sie jahrelang wünschte, die Kati würde eben nicht mit dem Huber-Burschen in der gammeligen Kneipe herumhängen und Pfeile an die Wand werfen.
Man muss aufpassen, was man sich wünscht, sagt sie leise.
Wie bitte?, fragt Marga und Regina tut so, als wäre sie mit den Gedanken woanders gewesen, war sie ja auch, schnell fragt sie nach dem neuen Hund und schon ist die Kati vergessen, jedenfalls für die Marga.

*

Und in der Lebertstraße, im Besprechungsraum Zwei sitzt der Andreas neben der Maria und vor einer Tasse Kaffee und dem Quartalsbericht.
Besser als je zuvor, sagt Maria und lächelt. Wir stehen besser da als je zuvor. Und Andreas nickt und lächelt zurück, aber denken tut er an Kati. Was ist denn mit ihr, hat er Regina gestern Abend gefragt, Regina hat nur mit den Schultern gezuckt und dann musste er plötzlich an Julius denken, den Sohn vom Chef, er wusste gar nicht, warum. Wie der neulich bei Frau Huber am Schreibtisch stand und wie er, Andreas, ihm sofort eine reinhauen wollte, einfach so, aber besonders, als der Julius von der Party erzählte. Frau Huber fragte nach den Mädchen und dieser schmierige Rotzlöffel grinst einfach nur. Viel zu lange stand er, Andreas, am Drucker und starrte ihn an, so lange, bis ihn Frau Huber mit einem, Herr Landmann, Wollen Sie auch einen Keks, aus der Erstarrung holte. Nein, danke, sagte er und ging.
Andreas?, fragt die Maria jetzt, Was meinst du dazu?
Und er sieht sie an und weißt nicht, wovon sie redet, aber egal, die Maria lächelt und fragt, ob sie heute Abend darauf anstoßen wollen und vielleicht wird er dieses Mal mitgehen, denn wenn einen die Maria so anlächelt, wenn sie noch dazu das rote Kleid trägt, dann kann man so manches vergessen, vielleicht sogar die eigene Tochter, zumindest eine Zeitlang.

*

Und an der Bechtelstraße läuft der Peter mit dem Kambrium. Der Peter ist der Hundesitter vom Berger, der Kambrium ist der Hund vom Berger, der neue, denn der Berger ist auch der Mann von der Marga. Und gerade als der Peter beim Beppi und dem Hannes vorbei gelaufen ist, den Kambrium musste er ziehen, der schnuppert so gern an fremden Beinen und noch lieber hätte er an die Sackkarre gepinkelt, gerade als ihn der Peter endlich vorbeigezogen hat, fährt der Julius mit seinem Cabrio an Hannes' Laster vorbei, lässt den Motor so laut aufheulen, dass der Kambrium das Bellen anfängt und partout nicht mehr aufhört, er bellt und bellt mitten ins Angelusläuten hinein, man versteht sein eigenes Wort kaum mehr.

So einer wie der kommt immer davon, sagt der Hannes und tritt seine Zigarette aus. Und der Beppi nickt und der Peter ist kurz davor, dem Kambrium den Hals umzudrehen, die Regina denkt an die Zeit zurück, als ihre größte Sorge war, die Kati könne vom Klettergerüst fallen, in der Lebertstraße hat Andreas der Maria noch immer keine Antwort gegeben, und die Kati, ja, die Kati.





Titelzeile entnommen aus In the End, Linkin Park

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lebefroh
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Beitrag11.01.2019 23:11

von lebefroh
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Eigentlich gefällt mir der Text sehr gut. Er ist kurzweilig und gut geschrieben. Er packt mich und macht ich neugierig. Ich mag, wie die Protagonisten mit einander verwoben sind.

Nur frage ich mich, der Vorgaben wegen: Sind da nicht zu viele Rückblicke drin? Ist es nicht zu sehr auf die eine Person fokussiert?

Dass Du einen englischsprachigen Titel gewählt hast, finde ich schade. Warum nicht auf deutsch? Aber das ist Geschmacksache.

Trotzdem mein 2. Platz.
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Tape Dispenser
Geschlecht:männlichEselsohr
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Beiträge: 272



T
Beitrag12.01.2019 01:18

von Tape Dispenser
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Ein interessantes Stimmungsbild, dass mich vom Sound her teilweise an Wolf Haas erinnert hat. Die Minute und die ganzen Zeitangaben erscheinen mir hier ein wenig zu aufgepfropft, dass hätte der Text nicht nötig gehabt. Etliche Fragen bleiben unbeantwortet, aber vielleicht willst du daraus ja etwas Längeres machen.
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Eredor
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Moderator
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Traumtagebuch
Beitrag12.01.2019 20:48

von Eredor
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Das find ich stark. Coole Erzählstimme. Den Bezug zum Thema muss ich aber erst noch finden - (Un)Haltbare Gegenwart? Die auf Widerruf gestundete Zeit? Ich müsste schon beide Augen zudrücken. Was ich auch fast gewillt bin, zu tun.

_________________
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- Lütfiye Güzel
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firstoffertio
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Podcast-Sonderpreis Silberner Sturmschaden


Beitrag12.01.2019 23:12

von firstoffertio
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Das hat was.

Erst dachte ich, oh je, Schule. Aber dann finde ich es gut, wie in diesem nüchternen Stil und aus den nebeneinanderstehenden Szenen etwas entsteht, das nur "teilweise" "erzählt" wird.

Ich mag ja nicht gerne so viele Namen, und komme hier auch durcheinander, aber das macht vielleicht gar nicht so viel aus, und ich sehe schon, dass sie doch nötig sind, um die Personen zu unterscheiden, wenn die Personen auch eher so Typen sind.

Was mir hier durchaus gewollt erscheint.

Schön der Name des Hundes.

Auf jeden Fall schön gedehnt, die Minute, und der Text ungefügig, also auch anstrengend.

Das Motto/Thema? Ist da. Die Zeit wird immer wieder angesprochen, will zurückgedreht, angehalten, vorgedreht werden. Fühlt sich an. Alles geschieht in ihr. Als ob sie Luft wäre.

Zeitdehnung der Minute an verschiedenen Orten eindeutig vorhanden.
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Literättin
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Lezepo 2015 Lezepo 2016


Beitrag13.01.2019 09:40

von Literättin
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Hat irgendwas, ist aber schwer zu greifen: wer hier mit der Kati, was sie nicht wollte, tat, ich rate mich so durch: Der Basti Huber? Für Kati war das schlimm. Die anderen finden das, was sie da erahnen wohl auch schlimm, aber mir bleibt ein Rätsel, woher die das wissen wollen.

Zudem: Anfangs ist mir überhaupt nicht klar, wie alt die Kati ist. Später im Verlauf des Textes dechiffriere ich die Sprache als Süddeutsch. Anfangs dachte ich – zumal des frühen Schulschlusses und der Erdzeitaltergeschichte mit dem leicht dösigen Lehrer, es ginge um eine Sextanerin. Ich musste mehrfach lesend ansetzen, um sie dann irgendwann letztlich bei 13-14 anzusiedeln. Oder doch nicht? Der Basti ist ja in ihrer Klasse. Und ist neunzehn. Und ist der, auf dessen Bett sie, oder? Der mit der Cars-Uhr.

Einzig dieser Satz hier:
Zitat:
Wollen die dann auch die Zeit zurückdrehen, auf 23:00 Uhr vielleicht, 23:00 Uhr und das Wissen, der mit der Cars-Uhr, der ist nicht süß, überhaupt nicht, was machst du bei dem, spinnst du jetzt.

deutet darauf hin, dass es nicht Basti ist, auf dessen Bett sie lag. Die anderen davor und danach jedoch schon.

Für mich bleibt das unklar. Unklar bleibt, wie gesagt auch, woher die anderen davon wissen (können), sofern derjenige nicht getratscht hat. Könnte Sinn ergeben? Geht es vielleicht um den Dorftratsch, der aus Kati eine Gebrandmarkte macht? Hat da ein wesentlich Älterer eine junge Jugendliche genötigt?

Grundsätzlich liest sich der Text wie eine klassische gehobene Kurzgeschichte. Eher E also schon. Aber in sich – auch aufgrund der vielen Protagonisten und Nebenhandlungen bis hin zum Hund der lärmend offenbar das Gespräch, das für den Leser alles aufklären könnte, übertönt, wirkt das auch ansatzweise wie ein "urig" komischer, bayerischer Krimi, schräg-lakonisch konterkariert. Mir aber zu viel Rätsel raten müssen und unfreiwilliges Absätze x-mal nachlesen müssen, um herauszufinden wer was mit wem getan hat oder zu besprechen wusste. Fast will ich sagen: knapp am Ziel (oder der eigentlichen Intention?) vorbei. Hätte etwas weniger auf Rätsel getrimmt, mehr hergegeben. Denn dass Kati in dem Kaff offenbar allein und bloßgestellt dasteht, das ist eigentlich eine Geschichte wert. Hier geht sie in der Machart etwas unter. Und am Ende frage ich mich, wer eigentlich die Mara ist, in „Ich-hab-da-noch-eine-Frage-Herr-Berger-Mara“.  Und letzte kleine Kritik: Der Titel passt mir nicht zum Schreibstil des Textes und irgendwie auch nicht richtig inhaltlich.

Die Kriterien: E – irgendwie schon, ja, oder? Die (un)haltbare Gegenwart – eher in der Umkehrung (was geschah, lässt sich nicht aus der Zeit streichen). Die Gestundete Zeit als Inspiration – eher Nein. Ich finde sie nicht. Die Gleichzeitigkeit des parallelen Geschehens: ja.


_________________
when I cannot sing my heart
I can only speak my mind
- John Lennon -

Christ wird nicht derjenige, der meint, dass "es Gott gibt", sondern derjenige, der begonnen hat zu glauben, dass Gott die Liebe ist.
- Tomás Halík -

Im günstigsten Fall führt literarisches Schreiben und lesen zu Erkenntnis.
- Marlene Streeruwitz - (Danke Rübenach für diesen Tipp.)
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Herdis
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Beiträge: 134
Wohnort: Nordhessen


Beitrag13.01.2019 16:28

von Herdis
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Ein bestimmter Ort, während einer Minute betrachtet. Diese Vorgabe ist für mich erfüllt.

Von der Mottovorgabe "(Un-)Haltbare Gegenwart "Die gestundete Zeit" von Ingeborg Machmann:
Die auf Widerruf gestundete Zeit
wird sichtbar am Horizont."
inspiriert oder sich damit auseinandersetzend?

Nicht wörtlich. Auch ansonsten, eher ein nein. Wenn man jetzt das Abwarten (stunden der Zeit) am Ende der Unterrichtsstunde einbezieht, dann ein jein. Diese Vorgabe wurde m.E. weniger beachtet.

Ob E-Lit oder U-Lit- da halte ich mich (bei allen Texten, die ich hier bewerte) raus.

Und da ist Kati, über deren dunkles, trauriges Geheimnis der Leser erst Stück für Stück aus verschiedenen Sichten erfährt, verschiedene Fäden, die sich miteinander verbinden und letztlich ein (ungemütliches und ernstes) Bild ihrer Lage ergeben. Ich fand das eine spannende Herangehensweise, insbesondere, da sich alle Personen schon im Vorfeld ihre eigenen Gedanken gemacht haben und in irgendeiner Weise in der Konstellation involviert sind. Leicht verständlich und nachvollziehbar geschrieben. Den Schreibstil (z.B. Der Peter ist der Hundesitter vom Berger, der Kambrium ist der Hund vom Berger, der neue, denn der Berger ist auch der Mann von der Marga. ) fand ich sehr erfrischend. Vielleicht lässt das den Ernst von Katis Lage noch einmal kontrastreicher zurück.


_________________
"Wenn ich nicht schreibe, fühle ich, wie meine Welt schrumpft. Ich empfinde, wie ich mein Feuer und meine Farben verliere." Anais Nin

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V.K.B.
Geschlecht:männlich[Error C7: not in list]

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Wohnort: Nullraum
Das goldene Rampenlicht Das silberne Boot
Goldenes Licht Weltrettung in Silber


Beitrag14.01.2019 06:07

von V.K.B.
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Hallo Inko,
puh, schwierig. Ich versuche mal, neutral und objektiv zu bleiben, denn dein Umgangssprachstil widert mich an. Ich hasse es regelrecht, dieses "der Soundso" und "die Soundso", ja, ich weiß, in Teilen von Deutschland wird so gesprochen und wahrscheinlich auch so gedacht, aber ich kann das nicht ab. Personen sind keine Gegenstände, verdammt noch eins! Wenn jemand so schreibt, will ich das nicht lesen und tue es auch eigentlich nicht, Wettbewerb mal die Ausnahme. Aber das wirft mich komplett raus, da kann die Geschichte noch so gut sein. Und für E-Lit wünsche ich mir eine gehobene Sprache, keine regionalen Unsitten.

Aber ich versuche mal, meine persönliche Aversion gegen diese Sprachunsitte auszublenden und die Geschichte dahinter zu lesen. Vielleicht sollte ich sie in einen Editor kopieren, all diese verdammten Personenartikel tilgen und sie dann noch mal lesen, ohne mich über die Sprache aufzuregen? Nein, die Sprache gehört ja dazu.

Kommen wir zur Themenvorgabe: Ja, ist umgesetzt, wenn die gestundete Zeit auch nicht die eigentliche Minute betrifft, sondern die Nacht davor. Beisammensein mündet in einer Vergewaltigung und die Welt geht trivial mit dem Erdkundelehrer und seinen rechtzeitig zu erwähnenden Hausaufgaben weiter, jeder scheint irgendwie zu wissen, was passiert ist und es wird ignoriert. Ist ja ganz normal, dass Jugendliche Sex haben. Also warum sich da noch um Einvernehmlichkeit sorgen? Tja, in einer Welt, wo Menschen Dinge sind und Artikel haben, wundert mich das ehrlich gesagt gar nicht. Und berührt mich auch nicht. Nee, sorry, das ist überhaupt nicht meins.

Den E-Aspekt sehe ich nur in Ansätzen erfüllt, eben weil es ein "Alltagsthema" und kein Genre ist. Literarische Sprache finde ich nicht, auch die Ausarbeitung des Themas bleibt an der Oberfläche. Da sind zwar ein paar gute Ansätze drin, aus denen man mehr hätte machen können, aber so ist mir das für einen Zehntausenderwettbewerb zu wenig.

Mag jetzt eine sehr persönliche Abneigung gegen die Geschichte sein, aber letztendlich wird doch immer nach persönlichem Gefallen bewertet, und aus der Gesamtzahl ergibt sich dann die Wertung. Meine Punkte hast du damit nicht gewinnen können.

Trotzdem beste Grüße,
Veith


_________________
Hang the cosmic muse!

Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills …
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Municat
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 56
Beiträge: 353
Wohnort: Zwischen München und Ingolstadt


Beitrag14.01.2019 17:18

von Municat
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Moin Inko smile

Die Geschichte verwirrt mich erst mal (was ja, wie wir im backoffice-Faden gelernt haben, eher ein Pluspunkt in dieser Literaturgattung ist). Obwohl es sich eigentlich um eine Dehnung handelt, sehe ich Kati hier
Zitat:
Vielleicht wäre es sowieso klüger, die Zeit voranzudrehen, dorthin, wo alles wieder gut ist, aber wenn man älter ist als – sagen wir mal: zehn, wird nichts mehr gut.
als Grundschulkind, denn sie will die Zeit vorspulen zu einem Punkt, an dem sie 10ist, und spätestens hier
Zitat:
Ein paar Pfeile bei Beppi, wie immer. Seit zwei Jahren bringt sie ihre eigenen Pfeile mit und jetzt wäre sie endlich gut genug für ihr erstes richtiges Turnier,
als junge Erwachsene. Die Rückblenden lassen kurz den EIndruck enstehen, dass es sich um eine geraffte Geschichte handelt, aber spätestens bei den Büroszenen wir dann wieder klar, dass es gedehnt ist.

An Grundstory glaube ich zu erkennen: Kati, eine ehrgeizige Dartspielerin, steht auf Julius, den eingebildeten Sohn reicher Eltern, der sie nach einer Fete ins Bett geschleift hat. Erst will sie ihn, dann will sie einen Rückzieher machen und er nimmt sie trotzdem. Irgendwie gibt sie sich selbst die Schuld an dem Übergriff und traut sich nicht mehr unter Leute, obwohl ihr ihr Kumpel Basti bestimmt den Rücken stärken würde. Andreas ist wohl Katis Vater, denke ich mal. Auch er weiß nicht, was mit seiner Tochter los ist, spürt aber einen instinktiven Hass gegen Julius.

Schön aufgedröselt ist sie, die Geschichte. In der beschriebenen Minute geht es nicht um den Übergriff an sich, sondern daum, wie verschiedene Menschen damit umgehen. Das Ding mit der Zeit ... hmmm ... ja, doch: Kati wünscht sich ja, die Zeit beeinlussen zu können und stellt fest, dass genau das nicht geht. Vielleicht ist es ja genau das: Unhaltbare Gegenwart bedeutet bei Dir, dass Kati die Gegenwart nicht halten kann / will und deshalb in die Vergangenheit (Schulszene) abdriftet.

Punkte vergebe ich erst, wenn ich alle Beiträge kommentiert habe


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Gräme dich nicht, weil der Rosenbusch Dornen hat, sondern freue dich, weil der Dornbusch Rosen trägt smile
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Mardii
Stiefmütterle

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Beitrag15.01.2019 14:41

von Mardii
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Ein Text zum Thema Minute in einer Stadt, Gegend … . Stilistisch gefällt mir das überhaupt nicht, obwohl die Erzählung an sich nicht schlecht ist. Die ständige Bezeichnung der Personen mit Artikeln stört mich sehr.

_________________
`bin ein herzen´s gutes stück blech was halt gerne ein edelmetall wäre´
Ridickully
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d.frank
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D

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D
Beitrag15.01.2019 15:20

von d.frank
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Mag ich, hat sowas Leises, Alltägliches und erzählt trotzdem von den nicht minder großen Dramen des Lebens. Die Erzählstimme in ihrer Naivität passt auch. Liest sich als spräche jemand Unbeteiligtes, jemand, der bei dem Beppi in der Nichtraucherkneipe sitzt und ein Stück aus dem Kiezleben weitergibt, das er selbst noch nicht so ganz verstanden hat und es sich deshalb so ein bisschen erklärt, wertfrei und dabei trotzdem nicht ganz ohne Urteil. Mag ich wirklich, einerseits, andererseits wäre das wohl auch das Einzige, das ich dem Text ankreiden wollen würde, ginge es darum, seine Schwächen aufzudecken. Dadurch, dass der Ton sehr eigentümlich ist, bekommt der Erzähler eine starke Persona und man muss sich, vielleicht anders als bei den Texten, die ebenfalls von oben auf eine Minute Leben schauen, fragen, wer da wohl erzählt, wer die Macht hat, so tief und gleichzeitig in und auf alle diese Vorgänge zu blicken.

Edit: Sechs Punkte für den einzigen Text, der die Minute Leben, wie ich finde, so beleuchtet, dass ich eine strikte Verbindung und eine Motivation im Wechsel der Perspektive sehen kann. Obwohl ich weiter oben den Ton des Erzählers angekreidet habe, passt er letztendlich in dieses Kiezgeschehen und fühlt sich schlüssig an - so als säße man eben in dieser Kneipe und bekomme zwischen zwei Schlücken Cola den neusten Tratsch zugetragen. Was ich besonders mag, ist diese unterschwellige Bedrohung, die hier in so Alltäglichem, beinahe Langweiligem steckt und die ein Stück weit hausgemacht ist, sodass man als Leser am Liebsten in die Geschichte greifen und den ein oder anderen mal kurz durch rütteln möchte. Anders, als bei den anderen Texten kommen die Charaktere mir hier sehr nah. Unter der scheinbar seichten Oberfläche liegen eine ganze Menge Verstrickungen und auch eine gute Prämisse.


_________________
Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
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Heidi
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Wohnort: Hamburg
Der goldene Durchblick


Beitrag15.01.2019 22:00
Re: The clock ticks life away
von Heidi
Antworten mit Zitat

Ich lese hier mehrere Episoden, die sehr stark miteinander verstrickt sind. Ich hatte es ja schon einige Male erwähnt, aber auch hier wieder: Gerade bei den Dehnungsgeschichten hätte ich mir mehr Abwechslung gewünscht, Figuren, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben, außer, dass sie Mensch sind und eben dieses Menschsein dann zum Mittelpunkt und Schauplatz der Episoden wird und daraus wiederum ein Zusammenhang entsteht, der mich berührt. Das finde ich in diesem Text nicht vor, momentan gibt es noch keinen Nachhall, aber das kann sich nach erneutem Lesen ja noch ändern. Ich komme wieder.

---

Es hat sich nichts geändert. Nein, es ist sogar noch schlechter für deinen Text geworden, weil ich nun gerafft habe (hat etwas gedauert bei mir), dass die Minutendehnungsgeschichten ja nicht nur enorme Verstrickungen, von Figuren, die einander kennen in sich tragen, sondern zeitgleich nicht zeitgleich stattfindet sondern je nach Bedarf. Die eine Minute findet, angepasst an Katis Probleme, eben dann statt, wenn es für Kati gut ist, um ihr Leben darzustellen. Insgesamt liest sich der Text wie eine Jugendautobiografie von Kati. Katis Probleme mit Bekannten und Freunden und all die Dinge, die einen halt im Oberstufenalter so beschäftigen (vielleicht auch schon Mittelstufe). Das finde ich von Stil und der Umsetzung her gut gelungen, der Text bringt mir die Kati an sich schon nahe, wobei ein wenig mehr Tiefe noch schöner wäre. Was aber nicht gelingt, ist diese Dehnungssache. Das Motto kann ich auch nicht aus dem Text herausfühlen, ich erlebe in Kati nicht diese gestundete Zeit, die am Horizont sichtbar wird und das Thema, na ja, eigentlich ist das auch nicht drin - das hat stark damit zu tun, weil der Text Kati von A nach B agieren lässt.

Es gibt von mir keine Punkte für diesen Text, aber ich bin mir sicher, er wird ganz weit oben landen, ich denke, er könnte sogar gewinnen oder zumindest auf dem Treppchen stehen. Und wenn nicht, dann wird er bestimmt auf andere Weise anerkannt, sagt mir mein Gefühl.
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Nihil
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Moderator
Alter: 34
Beiträge: 6039



Beitrag17.01.2019 18:05

von Nihil
Antworten mit Zitat

Die Kati, die Kati. Jeder hat eine Meinung zu ihr, und am Ende weiß man doch kaum was über sie als Person. Vielleicht liegt das auch daran, weil statt der Gegend im Grunde ein Ausschnitt aus dem Leben eines Mädchens gezeigt werden soll – der dann aber nur eine Minute lang ist. Das ist eine Vermischung von beiden Themenalternativen, die keine von beiden genau (genug) erfüllt. Als „Stadt“ reicht es mir nicht aus, nur eine Bar, ein Cafe, Katis Zuhause usw. anzureißen. Zudem erscheint es recht unwahrscheinlich, dass alle diese Personen, die zufällig irgendeine Beziehung mit „der Kati“ haben (warum eigentliich diese ständigen Artikel vor den Namen?), in genau der gleichen Minute irgendwie an sie denken. Möglich natürlich, aber, hng. Es muss ja nicht alles naturalistisch sein, aber dann möchte ich im Gegenzug gerne etwas dafür „geboten“ bekommen, was mir hier in diesem Text einfach fehlt. Ich denke, die andere Themenvariante wäre für dieses Thema besser geeignet gewesen, wenn man noch mehr von Kati erfahren hätte. So entstehen zwar Schlaglichter, die ein loses Netz an Verbindungen ausleuchten, aber trotzdem beliebig bleiben.

Die Schulszene spielt mit den verschiedenen Zeitangaben, was mir anfangs gar nicht, mittlerweile von den hier gezeigten Szenen aber noch am besten gefällt. Auch wenn ich nicht verstehe, warum hier absichtlich ein Zeitraum knapp über der Minute gewählt wurde. Vom ersten Schauen auf die Uhr bis zum Klingeln vergehen mindestens 80 Sekunden, was man jetzt als Kleinkariertheit bezeichnen kann; aber die Erinnerung an das weniger geglückte Date und das Philosophieren über die Zeit hätten ohnehin länger als eine Minute gedauert. Wenn der Leser also ohnehin ein Auge zudrücken muss, hätte man es dann auch genau bei der Minute belassen können. Weil ich aber dennoch diese öde Zeit des Warten auf Garnichts gut dargestellt finde, gibt es noch ein paar Pünktchen.
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MoL
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Das bronzene Stundenglas


Beitrag21.01.2019 20:45

von MoL
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Irgendwie ... war ich erst drin, dann kurzzeitig wieder raus, dann aber voll dabei. Der Schluss ist gnadenlos gut. Das gitb Punkte! Smile

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"Menschen und andere seltsame Wesen"
----------------------------------
Hexenherz-Trilogie: "Eisiger Zorn", "Glühender Hass" & "Goldener Tod", Acabus Verlag 2017, 2019, 2020.
"Die Tote in der Tränenburg", Alea Libris 2019.
"Der Zorn des Schattenkönigs", Legionarion Verlag 2021.
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Catalina
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Beitrag22.01.2019 08:56

von Catalina
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Es gibt längst die Pille, eine unverheiratete Frau mit Kind wird nicht mehr aus der Gemeinschaft ausgeschlossen (oder schlimmeres) und die Zeit, in der es lebensnotwendig war, einen Mann zu finden, der sich um Frau und Kind kümmert, ist lange vorbei. Aber dieses Erbe wird Frau sicherlich noch lange beeinflussen! "Such dir gut aus, mit wem du schläfst!" Dazu kommt dann noch die Heiligkeit der Jungfräulichkeit. "Das erste Mal ist etwas ganz besonderes!" Und - naja - es macht auch einen Unterschied, ob man penetriert oder penetriert wird. Ach, ich vergaß noch die Erwartungen, die man als junger Mensch an sein erstes Mal hat - bei den meisten Mädchen spielt Romantik da doch eine zentrale Rolle.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich kann Katis Wut und Leere sehr gut nachvollziehen.

Kati ist wütend auf sich selbst und auf Julius. Ich bin wütend auf dieses Erbe, diese eingepflanzte Moral, die es so vielen Frauen nicht möglich macht, dem Sex so ungezwungen gegenüberstehen zu können, wie es Männer tun. Aber eigentlich ist das hier gar nicht Thema... Smile

Sehr angenehm zu lesen, der Text. Flüssiger Schreibstil. Etwas Platz für Interpretation. Das vorgegebene Thema zu finden, damit habe ich etwas Schwierigkeiten. Der Wunsch, die Zeit zurückzudrehen, vielleicht? Na gut, mit viel Wohlwollen.

Insgesamt ein sehr runder Text, der viel Routine vermuten lässt.

Er hätte eigentlich Punkte verdient, aber die Konkurrenz mit Texten, die mich mehr berühren oder zum Nachdenken bringen, ist einfach zu stark. Es tut mir aufrichtig leid.
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Michel
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Beitrag22.01.2019 16:59

von Michel
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Hier wurde die Aufgabe erst gegen Schluss noch einmal gelesen: Huch, eine ganze Gegend, nicht nur Kati? So liest sich das zumindest. Außerdem ziemlich lange Rückblende in Teil 1. Dann wird‘s vielschichtiger, das gleiche Geschehen aus den Perspektiven der drei, vier, fünf Figuren, die alle miteinander verbunden sind. Ach, die Kati. Letztlich interessiert‘s dann doch keinen, dass sie Sex gegen ihren Willen hatte.
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Jenni
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Beitrag23.01.2019 01:05

von Jenni
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Da ist diese eine Minute von der ich lese, kurz vor zwölf, was natürlich bereits eine metaphorische Bedeutung mitbringt, dieses kurz vor zwölf, aber das ist gar nicht die entscheidende, schicksalverändernde Minute, weil die war schon um 00:35 Uhr. Um kurz vor zwölf jedenfalls beschäftigen sich verschiedene Menschen gedanklich oder im Gespräch damit, was der Kati passiert ist oder was sie getan hat, und aus all diesen Gedanken und Gesprächen darf ich mir das dann auch erschließen: Um 00:35 Uhr hat sie es sich anders überlegt, und war es damit noch einvernehmlich, was zwischen ihr und Julius passiert ist, oder war es eine Vergewaltigung. Das immerhin ist ein Thema, ein aktuelles, und (Un-)Haltbare Gegenwart ist es auch, nicht nur dadurch, dass dieses Ereignis Katis Wahrnehmung der Vergänglichkeit verändert hat. Einzig den recht naiven Tonfall, den mag ich nicht, der soll mir die Naivität der Kati widerspiegeln wahrscheinlich, aber ich glaube genau das mag ich daran nicht, weil es dann doch schon ein fertiges Urteil darstellt, und auch weil der Tonfall hätte variieren können mit der Perspektive. Aus der Vorgabe jedoch ist viel gemacht, nimmt man an, dass es die Meinungen der Anderen braucht, dass sie Teil der Geschichte sind, ebenso wie die nicht definitive Erwähnung dessen, was nicht nur für die Kati unaussprechlich bleibt.
Drei Punkte für Kati.
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nebenfluss
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Beitrag25.01.2019 17:02

von nebenfluss
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Hallo hobbes,

du hast die Vorgaben in einem Beitrag erfüllt, für den mir in erster Linie das Wort „sympathisch“ einfällt. Also bis kurz vor Schluss, denn die letzten fünf Worte sind nun wirklich ein Mega-Abtörner. Keine Ahnung, was mir das sagen soll. Minute um, oder wie? Aber dann dürfte da kein Punkt hintendran sein. Das hätte womöglich einen entscheidenden Unterschied gemacht.
Ich ärgere mich ja so gut wie nie wirklich über Texte (sind ja eben doch nur Texte), aber da habe ich doch sehr unwirsch die Kaffeetasse auf den Tisch geknallt (war zum Glück nicht mehr viel drin) und beschlossen, mir zur Strafe auch keinen E-Kommentar herauszukordeln. Oder darüber nachzudenken, ob „herauskordeln“ überhaupt ein richtiges Wort ist.
Marga hieß übrigens meine Oma mütterlicherseits. Beppi heißt oder heiß überhaupt niemand, den ich kenne, auch nicht mit Spitznamen. Schade eigentlich, ich würde gerne mal jemanden Beppi nennen.
Schade auch, dass der Text letzten Endes haarscharf an einem „Trostpunkt“ vorbeigeschrappt ist. Aber nicht zu ändern, leider, siehe oben.


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anderswolf
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Beitrag25.01.2019 17:08

von anderswolf
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Das ist dann wohl E. Oder vielleicht nicht. E ist vielleicht, das wird mir eben klar, mehr so die Stammzelle unter den Geschichten. Das, was jedes Genre werden kann. Der perfekte, weil multifunktionale Anfang.
Wobei das so nicht stimmt, die Geschichte taugt natürlich für mehr und ist sogar ziemlich gut. Und ziemlich gut konstruiert: in einer anderen Minute hat die Kati ihre Unschuld mit dem Julius verloren, und die Eltern machen sich seither ihre Gedanken. Ebenso ihre Freunde. Nur offensichtlich der Julius nicht, der seither irgendwie weg ist. Diese andere Minute hat ihr Echo in der eigentlich beschriebenen Minute. In der eigentlichen Minute sieht man die Kati, die gern mit Basti beim Beppi ihre Pfeile wirft (bald vielleicht nicht mehr), man sieht den Beppi, der Katis Potential gesehen hat, man sieht die Mutter von der Kati und den Vater, natürlich weggeschieden, wobei sich beide natürlich noch sorgen, und man sieht den Kambrium, der in etwa denkt, was alle sich denken: Oh, die Blase platzt gleich.
Denn die Kati ist natürlich schwanger, es ist alles viel schlimmer als die harmlose Geschichte suggeriert. Derweil ist das die beste Dehnung, vielleicht auch die beste Geschichte des Wettbewerbs. Was fehlt, ist der Tiefgang und vielleicht auch das Eigenständige, Unbequeme, Ungefügte. Ja, es gibt ein Rätsel hinter allem, aber keine Moral (wo gibt's die schon?), noch nicht mal wirklich viel Gefühl, es gibt einfach nur die Geschichte und das Rätsel, wer in welcher Beziehung zur Kati und natürlich, was eigentlich mit der Kati, ja, der Kati. Also irgendwie eigentlich die Kati.
Erinnert insgesamt an Nöstlingers Stundenplan.
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fabian
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Beitrag25.01.2019 17:44
Re: The clock ticks life away
von fabian
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Kommentiert um noch bewerten zu können.
(The clock ticks ...)
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hobbes
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Beitrag28.01.2019 22:16

von hobbes
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Hallo zusammen,

ich hatte bisher noch nicht allzuviel Lust, hier zu antworten. Was daran liegt, dass ich befürchte, dass dann das eintritt, was viel zu oft eintritt und worauf ich eigentlich keine Lust mehr habe, dass ich nämlich meine eigenen Texte klein und schlecht rede.

Nicht, dass ich ihn für überaus großartig halten würde, diesen Text, schon gar nicht im Vergleich zu dem, was es hier noch zu lesen gab. Irgendwo in diesem Mittelfeld, in dem er jetzt zu finden ist, hätte ich ihn auch selbst eingeordnet.

Tatsächlich habe ich vor allem nach dem Lesen der anderen Texte darauf vertraut gehofft, dass das eintritt, was schon sehr oft eingetreten ist, dass nämlich ganz viel oder zumindest viel mehr als ich darin vermutet hätte, von Euch im Text gefunden wird.
Und tja, das ist zwar auch dieses Mal in Andeutungen passiert, aber so richtig ging die die Rechnung nicht auf.

(Falls sich das jetzt so anhört, als würde ich einfach irgendeinen Text einreichen, scheiß doch auf die Vorgaben - nein. So ist es dann auch wieder nicht. Aber zuerst einmal scheine ich besagte Vorgaben das eine oder andere Mal etwas anders zu verstehen als andere und dann ist es ja auch so, dass oft genug sowieso keine rechte Einigkeit darüber besteht, wie die Vorgaben denn nun ganz genau zu verstehen sind. Und daher habe ich irgendwann aufgehört, mir darüber tagelang den Kopf zu zerbrechen, um dann doch zu keinen weiteren Erkenntnissen zu kommen.
Und vor allem ist es jetzt auch schon oft genug passiert, dass ich dachte, mei, der ist ja nun völlig eher daneben, der Text, was die Vorgaben betrifft. Und siehe da, alles kam anders.)

Was mich am meisten erstaunt hat, beim Lesen der Kommentare, war, dass der Text für einige (viele?) so rätselhaft war/geblieben ist. Ich sehe da rein gar nichts rätselhaftes, aber eventuell liegt das auch daran, dass das meiste von dem, was ich sonst so schreibe um Welten rätselhäfter ist.
Das einzig (nachvollziehbar) rätselhafte (für mich) ist noch diese Frage:
Literättin hat Folgendes geschrieben:
Unklar bleibt, wie gesagt auch, woher die anderen davon wissen (können), sofern derjenige nicht getratscht hat.

wobei die sich mir auch nicht stellt, denn die anderen wissen doch gar nichts, die ahnen nur, dass irgendwas nicht stimmt. Und für eine Ahnung reicht doch, dass die Kati irgendwie völlig anders ist als sonst.

Für alle, die noch über "was/wie/wer" rätseln, verweise ich der Einfachheit halber auf Municat und anderswolf, die beiden haben das wunderbar zusammengefasst, wobei die Kati meiner Meinung nach gar nicht schwanger und ihr Vater auch (noch?) gar nicht weggeschieden ist, aber doch, auch das könnte durchaus möglich sein.

Ah, das ist doch noch ein andere Frage, die nämlich:
Literättin hat Folgendes geschrieben:
Und am Ende frage ich mich, wer eigentlich die Mara ist, in „Ich-hab-da-noch-eine-Frage-Herr-Berger-Mara“.

Da hast du recht, das ist ein Überbleibsel von etwas, von dem vorher mehr im Text war. Ganz am Anfang wird Mara ja auch erwähnt, eine Klassenkameradin, und genau an diesem Anfang stand in einer früheren Version noch etwas mehr zu ihr, aber ich dachte, das spricht auch so für sich, oder kennt ihr sie etwa nicht, die SchülerInnen, die am Ende dann doch immer noch eine Frage haben und üblicherweise um das Lehrpersonal herum zu finden sind? Und im Grunde ist Mara für die Geschichte auch nicht weiter wichtig. Abgesehen davon, dass sie halt auch noch da ist.

In jedem Fall vielen Dank für Eure Kommentare, für die Punkte natürlich auch und falls doch noch Fragen offen geblieben sind, immer her damit.
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hobbes
Geschlecht:weiblichTretbootliteratin & Verkaufsgenie

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Beiträge: 4290

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Beitrag30.01.2019 10:47

von hobbes
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Falls sich das so angehört hat, als würde ich die Kommentare nicht noch einzeln beantworten: Ja, das dachte ich auch.
Aber siehe da, kommt alles anders.

*

lebefroh hat Folgendes geschrieben:
Eigentlich gefällt mir der Text sehr gut. Er ist kurzweilig und gut geschrieben. Er packt mich und macht ich neugierig. Ich mag, wie die Protagonisten mit einander verwoben sind.

Nur frage ich mich, der Vorgaben wegen: Sind da nicht zu viele Rückblicke drin? Ist es nicht zu sehr auf die eine Person fokussiert?

Dass Du einen englischsprachigen Titel gewählt hast, finde ich schade. Warum nicht auf deutsch? Aber das ist Geschmacksache.

Trotzdem mein 2. Platz.

Hey, vielen Dank! Freut mich, dass der Text so gut bei dir ankam.

Und die Vorgaben, tja. Warum sollten keine Rückblicke drin sein? Wegen der Minute, in der alles "abgehandelt" sein muss? Weil das dann zeitlich alles gar nicht reinpasst?
Ich fand es beim Lesen der Kommentare (also aller Kommentare, nicht nur hier) immer wieder erstaunlich, wie sicher sich mancher darüber war, wie viel in eine Minute hineinpasst. Ich glaube ja, es passt mehr hinein, als man der Minute spontan zutraut.

Und der Titel. Titel sind (fast) immer sauschwer, also für mich. In diesem Fall fand ich, dass das Gefühl, das bei mir aufkommt, wenn ich das Lied höre, aus dem die Titelzeile stammt, mit dem Text zusammenpasst. Noch dazu geht es im Lied auch um (vergehende) Zeit.
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