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Tula Klammeraffe
Beiträge: 903 Wohnort: die alte Stadt
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gold Papiertiger
Beiträge: 4926 Wohnort: unter Wasser
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10.01.2019 23:30 Re: Lamento von gold
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Tula hat Folgendes geschrieben: | Lamento
die preisgabe der utopie:
der entwürfe des lichts das endlich alle trifft
die neue epoche
die kogni-tiefen provisorien
die an nichts mehr binden außer ans selbst
der horizont der sich in den brauen ver-fängt
das blaue vom himmel
die verhöhnung der hungrigen und
das schweigen der schlemmer
die unterdrückte angst vor
der angst vor der verantwortung für
das vergessen schlechthin oder
besser: das ertränken der erinnerung
das ungebrochene vertrauen in die massen
vernichtung als abschreckender beweis
kultureller immunschwäche
das herumschneiden an längst verkrüppelten bäumen
und menschen
die preisgabe der utopie:
wer könnte DIE schon in worte fassen? |
hallo Tula,
wie wäre es, Strophe 3, sowie Strophe 6 zu streichen, da sie im Vergleich zu den übrigen Strophen konkret sind und damit den Stil durchbrechen. Im Prinzip gefallen sie mir, doch finde ich sie hier eher aus besagten Gründen unpassend.
S 7: Vielleicht besser: Die Preisgabe der Utopie. Ein Versuch, sie in Worte zu fassen.
Ansonsten spricht mich dein Text sehr an.
Liebe Grüße
gold
_________________ es sind die Krähen
die zetern
in wogenden Zedern
Make Tofu Not War (Goshka Macuga)
Es dauert lange, bis man jung wird. (Pablo Picasso) |
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 903 Wohnort: die alte Stadt
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11.01.2019 00:23
von Tula
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Hallo gold
vielen Dank für deine Gedanken und Vorschläge. Inhaltlich sollten S3 und S6 passen, d.h. S3 leitet S2 in der Hinsicht weiter, dass es sich in S2 um "moderne" populistisch getrimmte Ansichten handelt, die die Opfer gewisser Umstände obendrein als Schuldige anprangern. Der bekannte und noch nicht betroffene Rest schweigt lieber.
S6 wiederum spricht die geistige Verkrüppelung an, mit negativ orientierten Denkweisen und Modellen (siehe das Herunter-machen von Merkels "wir schaffen das"), die einer freien Entfaltung optimistischer Visionen zuwiderlaufen. 'Yes we can' ist out!.
Insgesamt sollten beide Stellen durchaus offen genug und deutungsfrei bleiben. Ich werde dahingehend über deinen Eindruck, dass sie zu konkret wirken, gern nachdenken.
Zum Abschluss: der Grundgedanke war das "nicht in Worte fassen können", welches normalerweise benutzt wird, wenn es um Bilder des Krieges und ähnliche schreckliche Ereignisse geht. Da wollte ich im Abschluss darauf hinweisen, dass der allgemeine Verlust gesellschaftlicher Ideale und Modelle (auch wenn sie im Detail so nicht verwirklichbar sind) nicht weniger 'unfassbar' ist. Von der Real-Politik in eine nicht weniger reale Umnachtung.
Beim Schreiben meiner Antwort kommen mir nun noch einige Ideen, die man hier einarbeiten könnte, allerdings auf die Gefahr hin, dass mehr Länge dem Gedicht jetzt schaden würde.
Nochmals vielen Dank und liebe Grüße
Tula
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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gold Papiertiger
Beiträge: 4926 Wohnort: unter Wasser
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11.01.2019 07:30
von gold
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Tula hat Folgendes geschrieben: |
d.h. S3 leitet S2 in der Hinsicht weiter, dass es sich in S2 um "moderne" populistisch getrimmte Ansichten handelt | hier kann ich mit dir mitgehen
Zitat: | die die Opfer gewisser Umstände obendrein als Schuldige anprangern.
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Das kann ich nicht aus dem Text herauslesen.
Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, sei noch einmal gesagt, dass ich den Text inhaltlich sehr gut finde. Mir gefällt auch, dass es ein politischer Text ist, sind diese doch sehr rar in unserem Forum.
Liebe Grüße
gold
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 903 Wohnort: die alte Stadt
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11.01.2019 09:21
von Tula
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Moin gold
Hab's überschlafen und sehe nun, dass S3 in der Tat von der grundsätzlichen Absicht abweicht, es geht hier vor allem um die Ideen, nicht um konkrete Handlungen.
Was S6 angeht, bin ich noch am Denkeln.
LG
Tula
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 903 Wohnort: die alte Stadt
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11.01.2019 23:42
von Tula
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hier also die korrigierte bzw. leicht gekürzte Version:
Lamento
die preisgabe der utopie:
der entwürfe des lichts das endlich alle trifft
die neue epoche
der kogni-tiefen provisorien
die an nichts mehr binden außer ans selbst
der horizont der sich in den brauen ver-fängt
das blaue vom himmel
die unterdrückte angst vor
der angst vor der verantwortung für
das vergessen schlechthin oder
besser: das ertränken der erinnerung
das ungebrochene vertrauen in die massen
vernichtung als abschreckender beweis
kultureller immunschwäche
das herumschneiden an längst verkrüppelten bäumen
die preisgabe der utopie:
wer könnte DIE in worte fassen?
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menetekel Exposéadler
Alter: 103 Beiträge: 2447 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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12.01.2019 08:04
von menetekel
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Tula hat Folgendes geschrieben: | hier also die korrigierte bzw. leicht gekürzte Version:
Lamento
die preisgabe der utopie:
der entwürfe des lichts das endlich alle trifft
die neue epoche
der kogni-tiefen provisorien
die an nichts mehr binden außer ans selbst
der horizont der sich in den brauen ver-fängt
das blaue vom himmel
die unterdrückte angst vor
der angst vor der verantwortung für
das vergessen schlechthin oder
besser: das ertränken der erinnerung
das ungebrochene vertrauen in die massen
vernichtung als abschreckender beweis
kultureller immunschwäche
das herumschneiden an längst verkrüppelten bäumen
die preisgabe der utopie:
wer könnte DIE in worte fassen? |
Lieber Tula,
die zweite Fassung zeigt sich im umgenähten Outfit spürbar passender.
Der Soziologe und Autor Harald Welzer spricht von einer "Gravitation der Gegenwart." Ein Leben im Moment, ohne Vorausschau auf eine bessere Zukunft, vielmehr im Rückgriff auf Vergangenes - was sehr "schön" in der Architektur deutlich wird: beispielsweise im Aufbau einer altneuen Altstadt in Frankfurt am Main, im Neubau alter Schlösser etc.
Aber auch in sog. politischen Grundsatzentscheidungen, die allenfalls von heute bis morgen reichen.
"Ohne Utopie keine Zukunft", sagt Welzer. Und er hat Recht.
Um es mit deinen lyrischen Worten zu sagen: Ohne Licht am Ende des Tunnels überdauert nur Dunkelheit. Ein Sich-Begnügen, ein ewiges Provisorium. Ein "Herumschneiden an längst verkrüppelten Bäumen."
Für mich ist dein "Lamento" ein gutes und wichtiges Gedicht, das mir aus dem Herzen spricht.
Was uns bleibt ist die Kunst als Ausdruck und Ort der Utopie.
Applaudierende Grüße
m.
.
_________________ Alles Amok! (Anita Augustin) |
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 903 Wohnort: die alte Stadt
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13.01.2019 15:32
von Tula
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Liebe menetekel
Vielen Dank für deine interessante weiterführende Besprechung des Gedichts. Ja, genau so war's gemeint, das genannte Werk nehme ich als Leseempfehlung entgegen.
In Erwartung wenigstens einiger Lichtblicke dieses Jahr. Da stehen übrigens für Europa nicht wenige Wahlen an.
Sonnige Grüße
Tula
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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