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Sterne, die Sterne


 
 
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Tula
Geschlecht:männlichKlammeraffe


Beiträge: 904
Wohnort: die alte Stadt


Beitrag10.12.2018 00:52
Sterne, die Sterne
von Tula
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Neue Version »

Sterne, die Sterne


Schau hinauf ins Gewirr! Dort fügen sich wirbelnd Legenden;
fern und alt wie sie selbst, mit Flügeln das Pferd und ein Schütze,
der den Himmel erstürmt, dem leuchtet das Schwert an den Lenden.

Einem folgst du beherzt durch Sümpfe und blutende Hitze;
bald sind ewiges Eis und Mauern der Feinde durchbrochen.
Jener verspricht dir den Traum, erwartet dich schon auf der Spitze.

Kräfte der Lebens-Physik:  Dir liegt noch die Scham in den Knochen.
Lachend ruft er hinab: Wir müssen auf Wettbewerb bauen!
Einer fasst sich dann Mut, im Nu wirst du niedergestochen.

Jemand spendet dir Trost. Du siehst jetzt, es fehlte Vertrauen.
Also gibst du ihm deins.  Und gibst ihm und lässt dich erweichen.
Später merkst du er hat … dich nur über's Öhrchen gehauen.

Fragt mich ein jüngerer mal: Wie kann ich den Gipfel erreichen? -
Lauf 'nem Stern hinterher.  Es könnte sich immerhin lohnen.
Schau nur hinauf ins Gewirr! Dort ziehen im Strom deinesgleichen.

Der den Himmel erstürmt, erlischt in der Flut von Millionen.



_________________
aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser)
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Soleatus
Klammeraffe


Beiträge: 999



Beitrag14.12.2018 10:13

von Soleatus
Antworten mit Zitat

Hallo Tula!

Ein weiterer, ehrenhafter Versuch, Hexameter in Reimgedichten (hier: einer Terzine) einzusetzen, scheint mir?! Meinem Eindruck nach scheitert er aber genauso wie alle seine Vorgänger an den Widersprüchen zwischen den beiden Versgrundsätzen: Dem Reim, der die Aufmerksamkeit auf dem Versschluss des jeweiligen Verses verlangt und die Erwartung zum Schluss des folgenden Verses lenkt, dabei den Klang im Sinn hat; und dem Hexameter, der die Bewegung im Sinn hat, Aufmerksamkeit vor allem vor dem Versschluss erfordert und vom Ende eines Verses immer zum Anfang des nächsten Verses denkt. Das kann nicht vereint werden; am Ende wird der dem einen Grundsatz nicht gerecht und dem anderen auch nicht und wirkt beliebig; uninteressant.

Hier - ein kleines Beispiel - hast du von V7-V16 ausschließlich Schluss-Silben auf "-en"; das machte ich schon in einem "gewöhnlichen" Reimgedicht nicht, und die deutschen Hexametristen haben es schon sehr früh als große Gefahr erkannt und zu vermeiden versucht, weil es einen toten Punkt erzeugt und die Hinüberführung der Bewegung in den nächsten Vers unglaublich erschwert. Dem Reim ist das gleichgültig, er ist ja immer ein Schlusspunkt; aber es zeigt, wie die Ermöglichung des einen das andere Prinzip schädigt.

Kurz: Wer Hexameter reimt, verschwendet seine Zeit. Wirklich!

Gruß,

Soleatus
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firstoffertio
Geschlecht:weiblichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5854
Wohnort: Irland
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Beitrag14.12.2018 22:41

von firstoffertio
Antworten mit Zitat

Soleatus' Analyse ist mal wieder interessant und lehrreich.

Vielleicht erklärt sich dadurch, dass ich mich schwer auf den Inhalt konzentrieren konnte?
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Tula
Geschlecht:männlichKlammeraffe


Beiträge: 904
Wohnort: die alte Stadt


Beitrag14.12.2018 23:39

von Tula
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Soleatus,

vielen Dank für deinen Kommentar, der war mir in der Tat sehr aufschlussreich. Natürlich stimme ich dir gern in allen Punkten zu; nur fehlte mir doch ein Gedanke von dir zum Inhalt, worauf es mir hier ankam und warum ich auf die Form kam usw.

Nach den Sternen zu greifen, ist nicht unbedingt ein leichtes Unterfangen; und selbst wenn man für kurze Zeit glaubt, dem Himmel nahegekommen zu sein, geht das mit dem wieder-Erlöschen unglaublich schnell. Das trifft eigentlich für alles im Leben zu: Beruf, Familie und auch das dichterische Hobby.
Was das letztere anbelangt, sollte jeder gewarnt sein, der moderne Lyrik schreiben möchte:

- niemals Hexameter (total veraltet)
- wenn, dann bitte keine gereimten Hexameter (weiß doch jeder, dass man die Dinger seit Jahrhunderten nicht mehr reimt)
- ach ja, und am besten ÜBERHAUPT NICHT REIMEN (ebenfalls sehr unmodern, Anthologien sogenannter moderner Lyrik haben bei zehn Gedichten allerhöchstens ein gereimtes dabei)

Ironie beiseite: die Idee zum Hexameter kam mir erst mit der ersten Strophe, der Blick in den Himmel hat etwas Erhabenes, Feierliches an sich, das sollte man sprachlich irgendwie verarbeiten. So reizte mich die Aufgabe, es allen guten Ratschlägen widersprechend als gereimtes Gedicht obendrein noch in eine feste Form zu pressen. Die gute alte Terzine ist ja nicht unbedingt moderner als das immer wieder entstaubte Sonett.

Also ist die gewählte Form bei diesem Gedicht eine Metapher für dessen Inhalt: das vergebliche Bemühen, nach den Sternen zu greifen. Schon im Ansatz eine Zeitvergeudung, wie du richtig bemerkst.

Da ich nun aber mal ein großer Verschwender bin, habe ich mir deine weiteren Überlegungen zu Herzen genommen. Oder es zumindest versucht. Mir fiel selbst auf, dass die Verse zu abgesetzt zueinander stehen. Nun wurde mir klar warum: also habe ich mal an ihrer Verbindung zueinander gearbeitet und ebenso an der inhaltlichen Absicht etwas nachgeschliffen; das mit dem Wettbewerb war zu beruflich ausgelegt (obgleich auch dieser auf alles gut zutrifft; sogar auf die Foren der Hobbydichter smile

Somit eine neue Version. Die übermäßige Verwendung von -en Vers-Abschlüssen habe ich etwas behoben; da die Betonung ohnehin stets auf der vorletzten Silbe liegt, hoffe ich, dass wenigstens die neue Version in dieser Hinsicht nicht allzu störend wirkt.
Insgesamt wirst du sicherlich an deiner Schlussfolgerung festhalten: gereimte Hexameter sind kein guter Treibstoff für den Flug in den Himmel moderner Lyrik, aber wenn auf irgendeinem Seitenarm ein kleiner blasser Zwerg vor sich hindümpelt, wird der Rest der Galaxis ja nicht sofort kollabieren.

In diesem Sinne,

LG
Tula


Sterne, die Sterne

Schau hinauf ins Gewirr! Das wirbelnde Licht! Legenden
ziehen durch schweigende Nacht. Mit Flügeln das Pferd und ein Schütze,
der den Himmel erstürmt, dem leuchtet das Schwert an den Lenden.

Folge dem Einen beherzt. Bei Stürmen und blutender Hitze
sind bald ewiges Eis und stolzhohe Mauern durchbrochen.
Jener verspricht dir den Traum, erwartet dich schon auf der Spitze.

Kräfte der Lebens-Physik:  Liegt dir noch Scham in den Knochen,
ruft jemand lachend hinab: Nicht DU bist es, der uns hier fehlte.
Einer fasst sich dann Mut, im Nu wirst du niedergestochen.

Spendet ein anderer Trost, war es wohl Freundschaft, die zählte.
Also gibst du ihm deine.  Gibst ihm und lässt dich erweichen.
Später merkst du, dass er ... dich nur aus Berechnung erwählte.

Fragst du mich irgendwann: Wie kann ich den Gipfel erreichen? -
Träume und folg' einem Stern.  Es könnte sich immerhin lohnen.
Schau hinauf ins Gewirr! Dort ziehen im Strom deinesgleichen.

Der den Himmel erstürmt, erlischt in der Flut von Millionen.


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Tula
Geschlecht:männlichKlammeraffe


Beiträge: 904
Wohnort: die alte Stadt


Beitrag15.12.2018 00:28

von Tula
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Hallo firstoffertio

sorry, zwischendurch musste ich mich noch um andere Sterne kümmern ...

Also auch dir mein Gruß, vielleicht ist der Inhalt jetzt etwas klarer (d.h. immer noch offen genug, ein jeder denke sich seinen Teil über Sterne)

LG
Tula


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menetekel
Geschlecht:weiblichExposéadler

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Beiträge: 2451
Wohnort: Planet der Frühvergreisten


Beitrag15.12.2018 09:18

von menetekel
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Hallo Tula,

mir gefällt gerade das "Überlebte" der gewählten Form.
Durch sie parodiert sich der erhabene An- und Ausblick des Inhalts gleichsam selbst.
Was manchen Lesern vermutlich erst in den beiden Endversen klar wird, schwingt von Anfang an mit:
Ein hintersinniger Witz, den ich an dir bereits kenne und schätze.

Die nachgebesserte Version ist besser, weil srtaffer.

Beifällige Grüße
m.


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Tula
Geschlecht:männlichKlammeraffe


Beiträge: 904
Wohnort: die alte Stadt


Beitrag16.12.2018 02:18

von Tula
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Hallo menetekel

vielen Dank! Ja, die letzten beiden Zeilen bringen gewissermaßen die Synthese des Gedichts und Ironie soll natürlich mitschwingen. Ich überlegte bei der zweiten Version, wie man die Balance zwischen leichter Resignation und dem 'trotzdem weitermachen' besser hervorbringen könnte; deshalb habe ich den Aufruf zum Träumen eingebaut, denn auf diese sollte der Mensch auf keine Weise verzichten, der nächtliche Himmel wie auch das Leben schlechthin wären ohne Sterne schlichtweg unerträglich.

Zwei Nuancen: nach den Sternen zu greifen ist ja sprichwörtlich. Wie der Leser ersieht, stehen die Sterne hier nicht nur abstrakt als hehre Ziele und Wünsche; es geht auch um Vorbilder und Menschen, die wir gern als Freunde bewundern und sich dann leider nicht als solche herausstellen. Mir ging es darum, dass jeder Weg zum Erfolg immer vom sozialen Wechselspiel mit anderen Menschen abhängig ist.

Dann fiel mir heute noch eins meiner Lieblingszitate vom Pessoa ein, das hier wirklich gut zum Thema passt:

Wir verwirklichen uns nie.
Wir sind zwei Abgründe – ein Brunnen, der in den Himmel starrt.


So in etwa wollte ich den Schluss gelten lassen. Nie aufgeben, es könnte sich lohnen. Sich einzureihen dort oben, wenn auch selbst unsere großen Erfolge im Strom untergehen werden. In diesem Sinne sollte ich das 'erlischt' durch 'versinkt' ersetzen.

Adventsgrüße
Tula


Sterne, die Sterne

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sind bald ewiges Eis und stolzhohe Mauern durchbrochen.
Jener verspricht dir den Traum, erwartet dich schon auf der Spitze.

Kräfte der Lebens-Physik:  Liegt dir noch die Scham in den Knochen,
ruft jemand lachend hinab: Nicht DU bist es, der uns hier fehlte.
Einer fasst sich dann Mut, im Nu wirst du niedergestochen.

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