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davidmuc Klammeraffe
Alter: 57 Beiträge: 711 Wohnort: München
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26.11.2018 02:32 Spaziergang von davidmuc
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Spaziergang
Auf facebook hab ich dich gesperrt. Gezielt:
Denn was das für ein Leben war, zu zweit.
Wir schwammen ohne Ziel und zwar zu weit.
Doch dann hast du auf dem Konzert gespielt,
du schautest mir beim Applaudieren zu,
ich hab nicht alles, was ich fand, gehasst,
da habe ich dich an der Hand gefasst,
wie früher gingen wir spazieren, du
und ich, ein Veilchen zog in früher Blässe
die freche, blanke Frühlingsblüherfresse,
Ich staune und weiß nicht mehr, was ich darf,
als wir uns auf das weiche Laken heben.
Ich will nicht mehr an deinem Haken leben,
doch du liegst auf dem Handtuch, das ich warf.
Weitere Werke von davidmuc:
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Pnin Gänsefüßchen
Alter: 69 Beiträge: 22 Wohnort: Wien
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21.12.2018 12:11
von Pnin
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Mit strengen Gedichtformen, besonders aber mit Sonetten ergeht es nicht wenigen Autoren wie Strafgefangenen, die im Gefängnis alt geworden sind und gar nicht mehr raus in die beängstigende Freiheit wollen. Ab einem gewissen Zeitpunkt ist die einengende Vorgabe nicht mehr kreative Herausforderung. Dann wird sie so heimelig, dass man die zuwiderlaufenden Bedürfnisse deformiert oder ganz ausklammert. Viele Gedichte zeitgenössischer „Klassizisten“ haben deshalb einen eigenen Geruch, der mir eher unangenehm ist.
Nicht aber dieses! In dem weht ein anderer Wind. Wieder einmal sieht man, wie gesund ein Spaziergang auch für die Kunst ist. Zwar stocken die Augen beim vergnügten Schlendern an einigen wenigen Stellen, aber was für eine gelungene, erfreuliche Anlage! (S2: „fand“ finde ich wie in S4 den „Haken“ schal, obwohl beides reimtechnisch erste Sahne ist, sogar so sehr, dass ich mit jedem weiteren Verkosten unsicher werde.)
Spätestens bei den zwei Versen mit dem grimassierenden Veilchen muss ich jeden Vorbehalt aufgeben und spüre in mir die Begeisterungskresse sprießen. Hach! Wie in diesem Sonett enjambierend gegen die starre Form angerannt wird, erinnert an einen tobenden Liebesirren in der Gummizelle. Sprachlich aber als Kontrapunkt nur klare, kühle Aussagesätze, auf dem Rasen kein metaphorisierendes Beikraut, damit die Zweideutigkeit des geworfenen Handtuchs exakt im letzten Wort explodiert. Ganz große Klasse. Witz und meisterhafte Formbeherrschung als Fassung einer klassischen Unentschiedenheit – da hinterlässt jemand beachtliche Fußspuren.
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wunderkerze Eselsohr
W
Beiträge: 381
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W 21.01.2019 18:23 Antwort von wunderkerze
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Dies ist kein Sonett, sondern höchstens ein sonettähnliches Gebilde. Die Merkmale eines Sonetts kannst du im Internet nachlesen. 'Ohne Ziel' und 'zu weit' ist doppelt gemoppelt. Dann frage ich mich, was das für eine Künstlerin ist, die sich aus dem Applaus heraus von ihrem Ex an die Hand nehmen lässt. Und worüber staunst du? Dass sie mit dir geht oder über die ...fresse? Zwischen den Strophen 3+4 ist ein unangenehmer Zeitenwechsel. Hier würde vielleicht ein Punkt helfen, wie anderswo auch.
Viele Grüße
Wunderkerze
_________________ wunderkerze |
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Willi Wamser Gänsefüßchen
Beiträge: 47
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27.01.2019 15:26
von Willi Wamser
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Ächz, auch wenn wunderkerze kreiselt, das ist ein intelligentes, ein sehr gutes Sonett.
greetse
ww
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davidmuc Klammeraffe
Alter: 57 Beiträge: 711 Wohnort: München
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30.01.2019 03:51
von davidmuc
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Ach, Pnin!
Wer wäre nicht gerührt von solcher Hingabe an den Text. Ich freu mich erstmal einfach.
...
... !
Grade weil ich durch Deine zuletzt gelesene Kritik eher Mitleid als Begeisterung erfahren habe, aber so freundschaftlich. Dankeschön, Pnin. Das hilft. Vor allem dem, der sich nächtlich in den Wahn schreibt und nicht mehr erkennt, wo er die Welt berührt oder daneben greift.
Aber, aber, wunderkerze!,
ich hoffe nicht, dass Du mich irgendwie auf "das Internet" verweist, wenns um Sonette geht, ich kann Dir seit meinem Uniabschluss dazu ein paar Regalreihen schicken, zu Theorie wie Praxis. Viel gewagter und sehr lesenswert ist Ann Cotten, (suhrkamp, fremdwörterbuchsonette), der Rest gern per PN, deshalb gleich zum nächsten Punkt:
"frage ich mich, was das für eine Künstlerin ist, die sich aus dem Applaus heraus von ihrem Ex an die Hand nehmen lässt."
Das war die Geschichte die real passiert ist: Bei ihrem Klavierkonzert sah ich sie nach einem Jahr wieder. Sie war seitdem in der Psychiatrie und kannte sich selbst nicht. Es war kein großes Konzert, sie spielte in einem Altenheim. Wir haben danach einen Tag verbracht, der mit einem Spaziergang begann und mir ein Buch voller Gedichte wert wäre. Und das könnte ich jetzt alles als Prosa weitererzählen, aber das ist nicht mein Metier.
Die Unsicherheit, was ich in dieser Lage darf, hat mich zwangsläufig zum Schluss geführt.
Und deshalb, Hallo Willi Wamser danke,
ich hatte das schon fast wieder vergessen, zu ungunsten einiger recht belanglose Schreiberei und Suche.
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