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jessicagluch
Erklärbär
J Alter: 23 Beiträge: 2
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J 22.11.2018 19:43 Auf Parties Über Politik Zu Reden von jessicagluch
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Wer Wir Sind / Auf Parties Über Politik Zu Reden
Mein erster Kuss war ein Junge mit
Pralinen statt Augen und Wimpern so lang
Wie die Sommer, in denen wir
Piraten im Dreck spielten.
Und die erste Hand, die je meine hielt
Als hinge ihr Leben davon ab
Gehörte einem Mädchen, das der Sonne
So ähnlich war, dass ich den Rest meines Lebens damit verbracht hätte,
Ihrem Licht zu folgen, oder so lange
Wie sie mich ließe.
Und du sagst, du glaubst nicht an Paralleluniversen
Doch die klingst genau wie eins.
Als ich an deinem Geburtstag Gute Nacht sage
Tu ich‘s mit zwei linken Füßen. Und das Schweigen, das bleibt
Summt wie ein ganzes anderes Leben, statt Stille. Und all die Dinge, die wir im Universum nebenan sind
Kichern in den Kommas, und sind still.
(Vielleicht sind sie nur gekommen, um zu lauschen
Neugierig, was hier aus uns wird.)
Also erzählen wir ihnen von dem Tag an dem wir
Revolutionen auf meinem Schlafzimmerboden planen, oder wie wir
Einen ganzen Montagmittag mit Eis essen und Lebenspläne schmieden verbringen,
Und auf den meisten unserer Parties über Politik reden und für unser Bier
Beide selbst bezahlen.
Von den Tagen, an denen du mich zur Schule fährst. In deinem Auto bin ich das Mädchen, Beifahrerin unseres Lebens,
Das nie nach dem Lenkrad greift –
Die Straße ist schon in Ordnung.
Und du bist der Junge, der mit mir Musik hört
Über all den Herzschmerz, der nie uns gehören wird.
In diesem Leben sind die Schlaglöcher in unseren Unterhaltungen
Immer stolpern, niemals Fall.
Diese Welt ist reserviert für Quentin-Tarantino-Filme und
Hallos auf dem Weg zu Physik.
Und als ich mein eigenes Herz breche
Bist du da, nicht, um mich zu retten
Sondern um zuzuhören, bis ich mich erinnere,
Wie ich mich ganz alleine rette:
Und wer wir sind, ist wie du dich vor "für immer" fürchtest,
Und auf Parties über Politik zu reden,
Und ob wir wohl eine Zukunft hätten.
In einem Jahr schick‘ ich dir Postkarten
Von Orten weiter westwärts.
Und wenn es nach mir ginge, kann es alles genauso bleiben, wie es ist
Denn es gibt niemandem, mit dem ich lieber
Auf Parties über Politik geredet hätte.
Weitere Werke von jessicagluch:
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Soleatus Klammeraffe

Beiträge: 650
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 24.11.2018 23:46
von Soleatus
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Hallo Jessica!
Das gefällt mir weitgehend, es hat eine eigene Stimme. Schade, dass mir Stellen wie "Doch die klingst genau wie eins." unangenehm aufstoßen - Versehen oder Aussageabsicht? "Denn es gibt niemandem" lässt mich dann für alle diese Fälle Unachtsamkeit vermuten. Die bringt den Text nicht um, dafür ist er zu gut; aber noch besser, überzeugender wäre er ohne solche Stolperer.
Gruß,
Soleatus
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Klemens_Fitte
Spreu
 Alter: 40 Beiträge: 2845 Wohnort: zuckerstudio waldbrunn
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 26.11.2018 12:25
von Klemens_Fitte
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Einerseits freut es mich ja, dass dieser Einstand nicht unkommentiert geblieben ist, andererseits fürchte ich schon ein wenig, Soleatus könnte seinen Kommentar ins Nichts geschrieben haben; da bin ich gebranntes Kind meiner dsfo-Erfahrung.
Dennoch: Lesenswertes sollte nicht unkommentiert bleiben, und lesenswert finde ich das allemal. Ich hätte zwar das ein oder andere zu kritteln – neben den von Soleatus angemerkten Flüchtigkeitsfehlern (?) etwa die Großschreibung jedes Wortes im Titel oder die durchgängige Großschreibung zu Versbeginn; ich denke immer, ein Text, der dem Fließtext so nah ist, sollte das auch formal ausdrücken. Und warum ist die Kommasetzung am Versende manchmal beibehalten, manchmal nicht? – aber den Sound und viele der verwendeten Bilder mag ich sehr. Das hier Markierte bspw.:
Zitat: | Mein erster Kuss war ein Junge mit
Pralinen statt Augen und Wimpern so lang
Wie die Sommer, in denen wir
Piraten im Dreck spielten. |
Mir scheint das sprachlich schon sehr gekonnt, auch wenn es ab und zu Gefahr läuft, in Leerlauf zu fallen, mE insbesondere in der vorletzten Strophe. Aber: ich mag das vorerst mal nicht zerreden. Gern gelesen.
_________________ 100% Fitte
»Es ist illusionär, Schreiben als etwas anderes zu sehen als den Versuch zur extremen Individualisierung.« (Karl Heinz Bohrer) |
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Aranka
Bücherwurm
A
Beiträge: 3366 Wohnort: Umkreis Mönchengladbach

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A 26.11.2018 13:25
von Aranka
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Hallo Jessica!
Ein gelungener Einstandstext: erfrischend im Ton, überraschend und überzeugend in vielen Bildern und überwiegend gekonnt in der Formulierung. Ich habe ihn mit Freude gelesen.
Weniger überzeugend finde ich zwei Autorenentscheidungen in der formalen Umsetzung: a)Komma-Setzung (für mich inkonsequent), b)Großschreibung am Zeilenbeginn (für mich unpassend).
Bin gespannt auf weitere Texte von dir. Aranka
_________________ "Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)
„Erst als ihm die Welt geheimnisvoll wurde, öffnete sie sich und konnte zurückerobert werden.“ (Peter Handke) |
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Abari
Alla breve
 Alter: 42 Beiträge: 1887 Wohnort: ich-jetzt-hier
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 26.11.2018 14:56
von Abari
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Hey,
mal ein anderes, sehr inniges und dennoch nicht kitschiges Liebesgedicht. Ich mochte die Bilder von Anfang an, die Du in meinen Kopf malst. Die lakonisch-zärtliche Art (anders vermag ich es nicht zu beschreiben) des Textes mag ich sehr.
Es lohnte sich tatsächlich über die angemerkten Stellen nachzudenken. Das steigerte den Lesegenuss noch einmal.
Sehr gern gelesen.
Willkommen im Forum.
_________________ Das zeigt Dir lediglich meine persönliche, höchst subjektive Meinung.
Ich mache (mir) bewusst, damit ich bewusst machen kann.
LG
Abari |
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Tula
Klammeraffe

Beiträge: 895 Wohnort: die alte Stadt
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 27.11.2018 01:10
von Tula
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Hallo Jessica
ein guter Text, ohne Zweifel. Ein wenig zu ausschweifend vielleicht, und die kleinen Stolperer ... kommen schon mal vor. Bin jedenfalls gespannt auf mehr.
LG
Tula
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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k.
Gänsefüßchen
K Alter: 31 Beiträge: 17 Wohnort: Muc
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K 07.12.2018 22:22
von k.
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Gefällt mir wirklich gut, hat Kraft und Frische! Meine Vorschläge wären, ob nicht gewisse Kürzungen noch zur Kraft des Textes beitragen würden: Ob Strophe 6 tatsächlich nötig ist, bzw. poetischen Mehrwert liefert, das würde ich mir überlegen.
Dann gibt es die eine Stellen, wo ich einem kleinen Reim noch gelungener fände statt der Nominalform: Immer stolpern, niemals fallen."
Zudem ist das entweder ein Fehler oder ein zu krasser Satzbruch:
"Und du sagst, du glaubst nicht an Paralleluniversen
Doch die klingst genau wie eins."
Also alles in allem ein guter Text, über manche Bilder würde ich nochmal nachdenken, entweder etwas verdichten, oder zumindest noch mehr nach passenden Metaphern und Vergleichen wühlen, da geht noch mehr, einguter Aufgriff eines alten Themas, aber noch lange nicht optimal.
BG
K.
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YesYesYes Gänsefüßchen
Y
Beiträge: 15 Wohnort: Frankfurt/M.
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Y 13.02.2019 12:01
von YesYesYes
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Ich bin spät dran, aber will das nicht unkommentiert lassen. Die erste Strophe hat mir wahnsinnig gut gefallen:
> Mein erster Kuss war ein Junge mit
> Pralinen statt Augen und Wimpern so lang
> Wie die Sommer, in denen wir
> Piraten im Dreck spielten.
Vielleicht ist das meine melancholische Grundstimmung, aber der Rest des Textes kommt daran nicht mehr heran. Die Infantilität auf der einen Seite, die veränderte Wahrnehmung des Körpers des begehrten Objekts, in die sich Spuren dieser Infantilität schleichen -- Liebe als Erinnerung an das, was jedem in die Kindheit scheint?
Parallel dazu die leibliche Ebene, die Ankündigung eines Verzehren-Wollens ("Praline"), die mit dem Wissen darum spielt, dass Küssen eine reichlich obszöne Angelegenheit ist, möglicherweise ein Spiel mit Kannibalismus (sagen Verliebte nicht manchmal, darum wissend: "Ich könnte dich vernaschen"?).
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