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Verblasste Gischt


 
 
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Eisteufel
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 36
Beiträge: 23
Wohnort: NRW


Beitrag04.03.2019 22:40
Verblasste Gischt
von Eisteufel
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

So... auf ein Neues würde ich sagen... auf dass mich meine Lindwurm-Partizipkonstruktionen fressen mögen wink Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und freue mich über jede Rückmeldung. Liebe Grüße, Eisteufel


Langsam kroch die träge untergehende Sonne hinter die spitz hervorstehenden Klippen und versenkte den Kalkstein und das hart gegen ihn donnernde Meer für einen kurzen Augenblick in einem intensiven Orange.
Sie konnte die Brandung monoton gegen die Steilhänge schlagen hören, während sie ihre Fußspitzen in die sanften Ausläufer der am Strand verebbenden Wellen streckte.
Ein von Minute zu Minute kälter werdender Wind wehte ihr ins Gesicht, brachte Gischt und Salzgeschmack mit sich, während sie einfach nur schweigend, und in die Fluten stierend da saß, die Knie eng an den Körper gepresst. Rot glimmend senkte sich die Sonne gen Horizont. Nur noch ein schwacher, langgezogener Schimmer am Ende des weiten Meeres zeugte vom Tag, und ließ sie in einem seltsamen Zwischenlicht aus Abend und Nacht zurück.
Die letzten schwachen Strahlen glommen durch die verkohlten Skelettbeine in der Ferne, die schwankend in Wind und Wasser standen und aussahen, als würden sie jeden Augenblick unter einer der beiden Kräfte nachgeben.
Doch sie taten es nicht.
Seit Jahrzehnten standen sie einfach nur da, ragten alt und kahl, beinah trutzig auf, gegen den grau werdenden, bleiernen Himmel; selbst die enormen Klippen nahmen langsam die Farbe von Asche an, waren nicht mehr strahlend weiß, sondern wirkten mit einem Mal ungemein fahl und dreckig.
Es fröstelte sie, sie zog die Beine enger an sich, schlang ihre Arme um die Knie und drückte die Fußsohlen in den scharrenden, den gesamten Strand einnehmenden Kies.
Es war kein schöner Strand.
Die groben, glitschigen Steine bohrten sich bereits schmerzhaft in die Haut ihrer Oberschenkel, es roch nach Algen, Fisch und Tang. Und über allem schwebte der penetrante, alles übertünchende Gestank nach Öl.
Jetzt da es dunkel war, sah man es nicht, doch bei Tageslicht war das Meer hier an diesem Ort einfach nicht mehr blau. Auch nicht grün.
Es war braun.
Eine graubraune Brühe, die nur durch ihre rhythmische Bewegung erkennen ließ, dass sie das weite Meer war.
Doch auch weit war es nicht mehr, wurde es doch für sie immer beschränkt durch die Klippen und das Skelett. Dass es nicht immer so gewesen war, machte sie fast noch trauriger, als die Tatsache, dass es nun so war.
Der Wind frischte auf, schlug ihr in frostigen Böen entgegen und brachte sie zum Zittern, sodass sie sich schließlich ungelenk und mit steifen Gliedern erhob, langsam über den mit Algen und Öl überzogenen, rutschigen Kies den Strand hinabspazierte.
Die Arme fest um ihre Schultern schlingend, lauschte sie in die heraufziehende Nacht hinein.
Das schier ohrenbetäubende Scharren und Knarren konnte sie selbst gegen Wind und Brandung schon von Weitem hören. Ohne, dass sie es gewollt hätte, hatten ihre Füße sie hierher getragen. Sie hatte nicht darauf geachtet, wohin ihre Schritte sie führten und nun stand sie vor dem alten, schief in den Angeln hängenden Messingtor.
Der alte Vergnügungspark am Strand.
Sie konnte sich noch nicht einmal mehr daran erinnern, wann er geschlossen worden war, während sie über die schiefen, verbogenen Stäbe hinwegkletterte.
Man hatte ihn irgendwann einfach vergessen.
Tot wiegten sich die einstmals bunten, mittlerweile vom Sonnenlicht ausgeblichenen und im aufkommenden Dunkel der Nacht fast schwarzen Schiffschaukeln im Wind. Wurden hin und her getrieben und doch erfüllten sie keinen Zweck mehr.
Mit stockenden Schritten ging sie weiter, spürte, wie ihre Beine taub und schwer wurden, ihre Fußsohlen an Unebenheiten im Boden aufrissen.
Vor dem alten Pferdekarussell blieb sie schließlich stehen.
Sacht strich sie mit ihrer Hand über die zerzauste, strähnige Kunstmähne des Holztieres, an der unermüdlich der Wind zerrte. Das einstmals so prunkvolle, strahlende Karussell war nun nicht mehr, als eine dunkle Masse vor einem noch dunkleren Himmel.
Sie schloss die Augen und versuchte sich angestrengt daran zu erinnern, wie es einst ausgesehen hatte. Viele kleine, bunte Lichter, die das Karussell beleuchteten. Ganze Reihen von teils winzigen, funkelnden Birnchen, die sich in der Spiegelverkleidung des sich rund drehenden Mittelstückes reflektierten und brachen. Entschlossen, und eine ungeahnte Anspannung verspürend, kniff sie die Augen noch fester zusammen, versuchte sich an alle Einzelheiten zu entsinnen, an die sie sich auch nur in Ansätzen erinnern konnte.
„Wer will noch mal, war hat noch nicht? Hereinspaziert und aufgesessen! Auch für Sie, junge Dame?“
Sie riss erschrocken die Lider auf und wurde augenblicklich geblendet von gleißenden Lichtern. Ihre Augen zwinkerten tränend gegen die ungewohnte, vollkommen überraschende Helligkeit an und erkannten letztlich verschwommen das runde Gesicht eines kleinen Mannes mit grauem Schnauzbart und Strohhut auf dem Kopf. Ein weiterer Blick offenbarte ihr ein gestreiftes Hemd und einen Stock in der Linken, während er ihr mit der Rechten einen Fahrschein in die Hand drückte.
Knisternd erwachten derweil die Lichterketten und Straßenbeleuchtungen hoch über ihr zum Leben, tauchten sie in ein warmes, orangerotes Licht.
Stimmen kamen auf, übertönten die des Mannes vom Karussell, ein Juchzen und Rufen schien von überall her zu schallen. Entgeistert drehte sie sich einmal um die eigene Achse, sodass der Saum ihres Kleides nur so flog, sah sich fassungslos, jedoch mit stetig anwachsender, letztlich überwältigender Begeisterung um.
Gut gekleidete Herren, mit Stock und Zylindern auf den Köpfen, elegante Damen in langen Kleidern flanierten gemächlich über die beleuchtete Promenade und sahen ihren Kindern lächelnd dabei zu, wie sie laut lachend und schreiend auf den Karussells fuhren. Ein Trubel und Stimmengewirr tat sich auf, welches sie zunächst erschreckte, jedoch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, als auch sie die kleine Promenade hinabging und verschluckt wurde von einem Rausch aus Farben und Formen, Stimmen und Lauten. Ein warmes, angenehmes Untergehen.
Bunt glitzerten die kleinen Lämpchen an den Verkaufsbuden, die Händler priesen ihre Waren an, winkten, zogen die Hüte. Die Kinder vor den kleinen Läden hatten den Mund verschmiert von Schokoladeneis, oder das Gesicht und Haare verklebt von rosa Zuckerwatte.
Lautes Quietschen ließ sie den Blick schließlich abwenden und sie sah Väter ihren Kindern auf den Schiffschaukeln Anschwung geben, während die Mütter dem Kettenkarussell zuwinkten, welches sich hoch über ihren Köpfen unermüdlich drehte.
Rasselnd und quiekend setzte sich nun auch das Pferdekarussell in Bewegung, spielte beim Drehen eine bekannte, leicht leiernde Melodie.
Eilig lief sie zurück, die drei Stufen hinauf und setzte sich auf den Rücken eines der Pferde, hielt sich an der Messingstange vor ihr fest und ließ sich wild im Kreis drehen, auf und ab und immer wieder rund.
Die bunte Welt um sie herum verschwamm zu einem glitzernden Strudel aus Stimmen und Farben, stets untermalt vom lauten Zischen der Dampfmaschine, vom Scheuern der Antriebsriemen und der Melodie, der bei genauerem Hinhören ein Ton auf der Walze fehlte.
Glücklich nahm sie den hölzernen Pferdekopf in die Arme, legte ihren Kopf auf seinen.
Die Mähne roch nach Salz und See, keine Spur von Öl.
Das Karussell drehte sich und drehte sich, langsam aber sicher verlor sie jedwedes Gefühl für Zeit und Raum. Doch es machte nichts, verlor sie sich doch gern in dem unermüdlichen Drehen und Schwanken.
Ihr war, als würde das Karussell stetig schneller werden, während sie ihre Nase in den Pferdehaaren vergrub und die Augen schloss, nur noch lauschte und auf den fehlenden Ton wartete.
Er kam wieder nicht. Und in dem Moment, da sie sich vorgenommen hatten, sich einen eigenen Ton für ihn auszudenken, setzte die Musik abrupt aus und das Karussell blieb ruckartig stehen.
Verwirrt öffnete sie die Augen, doch was sie sah, war nicht mehr der hübsch bemalte Pferdekopf mit der wallenden Mähne.
Die Haare waren verschwunden, nur noch vereinzelte, ausgeblichene Zotteln wogten im Wind, die Augen waren abgekratzt und starrten ins Leere.
Hastig sah sie sich um, eine nagende, altbekannte Angst kroch unaufhaltsam in ihr hoch. Sie war mit einem Mal vollkommen allein.
Die Kinder, welche mit ihr zusammen gefahren waren, waren nicht mehr da. Verschwunden.
Die bunten Lichter verblassten, flackerten noch ein letztes verzweifeltes Mal auf, ehe sie schließlich allesamt surrend und knisternd verloschen. Die Musik, die Stimmen, das laute Stampfen und Rattern der Dampfmaschine, all das war verschwunden und einer seltsamen, drückenden Stille gewichen. Nur das Meer konnte sie noch hören. Dumpf und schwer pochte die Brandung gegen den Strand.
Unbeholfen stieg sie von dem verwitterten Pferderücken ab, fühlte, wie die Farbe unter ihren Händen brach und abblätterte.
Sie musste zurück.
Mit steifen Schritten und auf Beinen, die nicht mehr zu ihr zu gehören schienen, wankte sie über die abgerundeten, von Algen verklebten Steine zurück zum Strand. Der erste Hauch eines roten Schimmers war bereits in der Ferne zu erkennen, und ihr war, als würde ihr bei diesem Anblick jemand einen Stahlwolleklumpen in die Kehle stopfen.
Die Nacht war nicht mehr schwarz.
Wie am Abend zuvor war die Welt um sie herum grau geworden.
Erschrocken fuhr sie zusammen, als ihre Füße die Kälte und Nässe des Meeres spürten, welches sie umspülte.
Wieder roch sie den Tang und den fischigen Ölgestank.
Es kostete sie Überwindung zurück in diesen widerwärtigen Sud zu steigen.
Nach zwei Schritten blieb sie stehen. Fühlte den kalten Wind auf ihrem noch kälteren Gesicht und das eisige Wasser ihre Waden umwinden.
Dies war stets der Moment, an dem es am schlimmsten war.
Da sie einfach nicht zurück wollte.
Beim Blick auf das Ende des Meeres hätte sie am liebsten angefangen zu schreien.
Die Sonne kroch müde und doch unaufhaltsam über den fernen Horizont und tauchte ihre Welt in eint tiefrotes Licht.
Erschöpft legte sie den Kopf zur Seite, sodass ihr die langen, schwarzen Algenhaare ins fahle Gesicht fielen.
Sie ging weiter, immer weiter ins Meer hinein, bis sie die verkohlten, bemoosten Beine des pechschwarzen, ausgebrannten Pierskeletts erreicht hatte, sich mit einer verkrampften Bewegung mühsam an ihnen hochzog und begann die porösen, mit Salz überlagerten Relikte empor zu klettern.
Der Wind zerrte an ihrem Kleid, an ihren Haaren, riss an dem ausgeblichenen, blau-weiß gestreiften, einstigen Sonntagskleid, welches nun mehr wie ein alter Fetzen an ihr hing.
Abrupt hielt sie inne, als die ersten Sonnenstrahlen durch die Ritzen zwischen den schwarzen Balken glommen und ihr Gesicht für den Bruchteil einer Sekunde wärmten. So warm und rot.
Wie die Flammen, die damals den Pier zerstört hatten.
Wann war das noch gewesen?  Sie wusste es nicht mehr. Es war so unendlich lange her.
Sie versuchte sich krampfhaft daran zu entsinnen, sich irgendwie zu erinnern, bevor das gleißend helle Sonnenlicht sie verschlang.
Ein letztes Lächeln huschte über ihr Gesicht.
Aber natürlich… es war an ihrem Geburtstag gewesen. Und sie hatte doch nach Besuch des Piers noch so gern auf den Pferden reiten wollen.

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gold
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Beitrag05.03.2019 09:54

von gold
Antworten mit Zitat

liebe Eisteufel,

das wäre sicher eine faszinierende Geschichte, aber ich konnte leider nicht weiterlesen. Die vielen Adjektive und Adverbien machten das Lesen für mich  anstrengend, sodass ich das Hineinbegeben in den Text abgebrochen habe. Sehr schade, denn ich glaube, in deiner Geschichte steckt etwas Lesenswertes. Aber leider hast du mir die Freiheit genommen, eigene Bilder zu produzieren und nur das macht - meiner Meinung nach - einen Text erlebbar.

Ich hoffe, du kannst mit meinen Zeilen etwas anfangen und sie rumoren nicht in dir.

Liebe Grüße Wink
gold


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Valentin
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Alter: 39
Beiträge: 177



Beitrag05.03.2019 13:37
Re: Verblasste Gischt
von Valentin
Antworten mit Zitat

Hallo Eisteufel,

ich denke wir haben ganz unterschiedliche Vorstellungen davon, was einen guten Text ausmacht.
Damit möchte ich aber kein Urteil abgeben. Ich kann mir sogar gut vorstellen, dass die Punkte, die mich stören, für andere eben das Sahnehäubchen sind.

Also: Das soll keine Bewertung sein.

Was ich dir anbieten will ist eine andere Perspektive auf deinen Text. Mir hilft sowas, mein Handwerk besser zu verstehen, ohne mich genötigt zu fühlen etwas zu ändern. Vielleicht hilft es dir auch. Oder es ist nur ein Trugschluss meinerseits Smile. In dem Fall ignorier meinen Kommentar.

---

Normalerweise hätte ich nach dem ersten Satz abgebrochen.

Eisteufel hat Folgendes geschrieben:


Langsam kroch die träge untergehende Sonne [kriechen impliziert langsam. Träge würde ich persönlich auch dazu zählen. Und irgendwie beißen sich hier für mich kriechen und untergehen. ] hinter die spitz hervorstehenden [Klippen die spitz hervorstehen, ist für mich wieder so eine Dopplung. Klippen ragen nun mal steil empor. Interessant fände ich, wenn es hier anders wäre und wie du das beschreiben würdest.] Klippen und versenkte [versenkte ... in einem intensiven Orange - versenken klingt in diesem Zusammenhang seltsam in meinen Ohren. Das typische wäre: tauchte ... in ein intensives Orange. Aber ich denke, das wolltest du auf jeden Fall vermeiden.] den Kalkstein und das hart [donner impliziert das für mich] gegen ihn donnernde Meer für einen kurzen Augenblick [da die Sonne untergeht, ist es doch offensichtlich, dass es nur kurz ist. Davon abgesehen streckt es den Satz noch weiter, ohne nennenswerten Mehrwert] in einem intensiven [so ein Allerwelt-Adjektiv. Wieso nicht etwas spezifischer. irgendetwas, das einen Rückschluss auf den Charakter ermöglicht. An was erinnert das Orange den Prota? feuriges Orange, warnwesten Orange, pumpkin-pie Orange,] Orange.  


Ich habe aber noch ein bisschen weitergelesen.

Zitat:
Sie konnte die Brandung monoton gegen die Steilhänge schlagen hören, während sie ihre Fußspitzen in die sanften Ausläufer der am Strand verebbenden Wellen streckte.
Ein von Minute zu Minute kälter werdender Wind wehte ihr ins Gesicht, brachte Gischt und Salzgeschmack mit sich, während sie einfach nur schweigend, und in die Fluten stierend da saß, die Knie eng an den Körper gepresst.
[Sie macht einiges parallel "während". Was mich aber mehr störte war, dass sie gleichzeitig (diesen Eindruck erweckt der Text bei mir) die Fußspitzen ins Wasser streckt und die Knie an den Körper presst. Das beißt sich für mich als Bild. Jemand zieht die Knie an den Körper und streckt gleichzeitig die Zehen ins Wasser, wenn ein kalter Wind aufzieht?]



Zitat:
Rot glimmend senkte sich die Sonne gen Horizont. Nur noch ein schwacher, langgezogener Schimmer am Ende des weiten Meeres zeugte vom Tag, und ließ sie in einem seltsamen Zwischenlicht aus Abend und Nacht zurück.
Die letzten schwachen Strahlen glommen durch die verkohlten Skelettbeine in der Ferne, die schwankend in Wind und Wasser standen und aussahen, als würden sie jeden Augenblick unter einer der beiden Kräfte nachgeben.
[Die Sonne sinkt wirklich ungemein langsam. Bei mir erweckt es den Eindruck, als würde in den ersten fünf Sätzen nichts anderes passieren.]


Hier habe ich dann abgebrochen. Trotz der detaillierten Beschreibung entstand bei mir kein Bild. Irgendwie war es sogar eher so, dass jedes Detail gerade zu von mir analysiert werden wollte, ob es überhaupt in das Bild passe. Und dann fragte ich mich: Was ist denn eigentlich bisher passiert und ich konnte die Frage nicht wirklich beantworten, außer mit: Die Sonne ist untergegangen.

---

Ich hoffe, ich konnte meinen Eindruck einigermaßen verständlich erläutern.
Ansonsten frag einfach.

BG
Calvin


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Eisteufel
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Beitrag05.03.2019 17:03

von Eisteufel
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Hallo gold und Calvin Tower, vielen Dank für eure Rückmeldungen. Ja ich muss gestehen, dass Adjektive neben meinen Partizipkonstruktionen definitiv mein Steckenpferd sind. Grade bei Beschreibungen von Landschaften und Umgebungen, die ich selber gesehen habe, bin ich stets versucht ein möglichst... naja, in meinen Augen genaues Abbild davon zu erschaffen, dass es sich der Leser möglichst detailliert vorstellen kann, aber das kann wohl auch nach hinten losgehen. Vielleicht fühlt man sich da als Leser bevormundet, das war glaube ich golds Primärpunkt, dass kein Raum für eigene Bilder im Kopf entsteht, richtig?  Ist oftmals wahrscheinlich einfach zuviel des Guten. Und um Gottes Willen, bei mir rumort nichts und ich bin auch in keinerlei Weise offended. Wink  Und wenn nach dem Lesen der ersten Zeilen nichts weiter hängen bleibt, als "Die Sonne ist untergegangen"... joa... Verloren in zuvielen Adjektiven.

Liebe Grüße, Eisteufel


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Eisteufel
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 36
Beiträge: 23
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Beitrag05.03.2019 17:11

von Eisteufel
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Nachtrag: jetzt verstehe ich, was du mit deinem ersten Satz mit der unterschiedlichen Auffasung von Texten meintest, Calvin Tower. Ich habe mal in dein Werk "Ausgelöscht" reingeschaut (noch nicht intensiv gelesen, nur überflogen) und muss sagen.... für meinen Geschmack wären die Sätze  oftmals viel zu kurz. Embarassed  Da verstehe ich auch den Adjektiv- und Lindwurmoverkill. Vielleicht ist das bei mir auch noch der letzte Rest Nachwehe eines langen, qualvollen Germanistikstudiums, wo man bei Hausarbeiten immer in den schönsten, ausschweifendsten Schachtelsätzen geschrieben hat. Aber ich sehe, was du meinst, dass unser persönlicher Stil da definitiv auseinander geht.

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Graenee
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Beitrag06.03.2019 10:37

von Graenee
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Hey Eisteufel!

Ich fand es mit den Adjektiven jetzt gar nicht so schlimm (wenn auch ein kleines bisschen mehr Raum für Fantasie schön wäre).

Ich habe eigentlich nur eine Stelle, bei der ich sagen kann, dass etwas mich und was konkret:

"Es fröstelte sie, sie zog die Beine enger an sich, schlang ihre Arme um die Knie und drückte die Fußsohlen in den scharrenden, den gesamten Strand einnehmenden Kies.
Es war kein schöner Strand.
Die groben, glitschigen Steine bohrten sich bereits schmerzhaft in die Haut ihrer Oberschenkel, es roch nach Algen, Fisch und Tang. Und über allem schwebte der penetrante, alles übertünchende Gestank nach Öl."

1. "scharrenden, den gesamten Strand einnehmenden Kies." Das finde ich unnötig und etwas zu umständlich. Wenn du es einfach nur nennen würdest, wäre auch klar, dass er den ganzen Strand einnimmt und, dass die Steine grob und schmerzhaft sind kommt ja im übernächsten Satz auch schon (und schöner formuliert). Also vielleicht einfach: drückte ihre Fußsohlen in den Kies.
2. "es roch nach Algen, Fisch und Tang. Und über allem schwebte der penetrante, alles übertünchende Gestank nach Öl." Da bin ich mehrmals drüber gestolpert und konnte mich nicht damit anfreunden, egal wie oft ich es gelesen habe. Zwei mal von Gerüchen zu schreiben passt einfach nicht, auch nicht, wenn der letzte Gestank den Rest überlagert. Vielleicht einfach: Die groben, glitschigen Steine bohrten sich bereits schmerzhaft in die Haut ihrer Oberschenkel. Über allem schwebte der penetrante, alles übertünchende Gestank nach Öl, Fisch und Tran. (Klingt sogar noch ekliger als die Gerüche in verschiedene Sätze zu trennen - Für den Leser wird im Laufe der Geschichte ja klar, dass der Ölgestank vorherrscht, hier wird erstmal eine Atmosphäre geschaffen)

Hoffe, das hilft :)
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Valentin
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Beiträge: 177



Beitrag06.03.2019 12:05

von Valentin
Antworten mit Zitat

[quote="Eisteufel"]Ich habe mal in dein Werk "Ausgelöscht" reingeschaut (noch nicht intensiv gelesen, nur überflogen) und muss sagen.... für meinen Geschmack wären die Sätze  oftmals viel zu kurz. Embarassed /quote]

uhhh, hast du den alten Schinken ausgepackt ... rotwerd Da läuft es mir kalt den Rücken runter. Das waren damals meine ersten Gehversuche, was das Schreiben angeht. Noch sehr unbeholfen, wie man nicht übersehen kann.
Mittlerweile habe ich den Plot zig mal überworfen und vieles neu geschrieben. Bin schwer am überlegen, ob ich hier eine Arbeitsgemeinschaft aufmache, für den Feinschliff. Aber wahrscheinlich habe ich die meisten schon aufgrund der vielen Posts von damals verprellt. Naja, mal schauen. Am 31. Oktober geht das Manuskript auf jeden Fall zum Agenten. Da sollte es dann gut poliert sein.

Du hast aber recht. Der Stil ist ähnlich geblieben. Kurz halt. Very Happy

Ich denke, der Stil hängt ganz von den eigenen Vorlieben ab, der anvisierten Zielgruppe und dem persönlichen Ziel. Ich möchte z.B. nicht, dass jemand die Geschichte bei Seite legt, weil er sich durch einen Text quälen muss. Die Sprache ist wichtig, doch die Geschichte ist mir wichtiger. Deshalb sollte die Sprache für mich so klar wie möglich sein.

Zum Glück gibt es unterschiedliche Geschmäcker. So gibt es für jeden was.

BG
Calvin


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BlueNote
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Beitrag06.03.2019 15:20

von BlueNote
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Hallo Eisteufel,

ich denke, dieser opulente Stil ist einfach dein Ding, mit den vielen Impressionen und Naturbetrachtungen. Es liest sich recht angenehm. Aber für mich hat es Calvin ziemlich auf den Punkt gebracht mit dem Einwand
Zitat:

dann fragte ich mich: Was ist denn eigentlich bisher passiert und ich konnte die Frage nicht wirklich beantworten, außer mit: Die Sonne ist untergegangen.

Einfach auf Adjektive zu verzichten, dieser Ratschlag wäre mir aber zu einfach. Wahrscheinlich diente dieser nur dazu, deine Texte zu zerstören. Aber wenn schon sehr viel aufgefahren, aufgetischt wird, wäre es doch auch gut, wenn es wirklich Relevantes zu lesen gäbe und nicht nur Wetter, Wind und Sonne, Erinnerungen und ein Gang vom Strand zum alten Kinderkarussell. Den Eindrücken und Erinnerungen kann ich durchaus etwas abgewinnen, nur scheinen sie mir ein bisschen amorph zu sein. Nur Atmosphäre allein kann einen Text nicht tragen. Oder die Selbstreflexion. Du müsstest irgendeine Ingredienz noch dazu mischen. Dies könnte sein: ein Dialog, Antagonisten, Zwischenmenschliches oder eine Aktion. Vielleicht auch eine … Aussage?! Es gäbe so vieles. Irgend ein Kontext sollte durchschimmern. Gefühle wie Traurigkeit alleine oder Sentimentalitäten  sind für einen literarischen Text zu wenig.

Aber deine Beschreibungen sind reizvoll. Ob zu dick aufgetragen, darüber könnte man streiten. Aber das ist nun mal der literarische Weg, den du beschreitest. Ich würde den Stil behutsam verändern und nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.

BN
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Murmel
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Beitrag06.03.2019 15:58
Re: Verblasste Gischt
von Murmel
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Eisteufel hat Folgendes geschrieben:
Langsam kroch die träge untergehende Sonne hinter die spitz hervorstehenden Klippen und versenkte den Kalkstein und das hart gegen ihn donnernde Meer für einen kurzen Augenblick in einem intensiven Orange.
Sie konnte die Brandung monoton gegen die Steilhänge schlagen hören, während sie ihre Fußspitzen in die sanften Ausläufer der am Strand verebbenden Wellen streckte.

Hallo Eisteufel, ich weiß nun nicht, wo du mit deinem Text hin willst, aber du bist ein Meister der Redundanz. Mir ist es egal, ob du Adjektive oder Adverbien verwendest, aber warum du starke Verben oder aussagekräftige Substantive verwendest und die noch mit ihnen verstärkst, ist mir ein Rätsel.

Langsam - kroch (kann man schnell kriechen???) die träge (= langsam, kriechend)  untergehende Sonne … ja was denn sonst? Da komme ich mir veralbert vor.
Klippen = spitze Felsen. Oder etwa nicht?
Ich finde es gut, dass "sie" hören kann. Steilhänge oder sanfte Ausläufer (eigentlich schon wieder doppelt, gemoppelt)? Das macht kein Bild. Du verdoppelst die eine Aussage und lässt andere, wichtige Informationen weg. Nichts gegen Adjektive und Adverbien, wenn sie ergänzen und verändern, aber nicht, wenn sie dasselbe sagen.

Du schreibst ja selbst, dass du eine umfassende Beschreibung bieten willst (und kennst auch dein Problem), dann beschreibe. Sie steht an einer Bucht mit einem Kieselstrand und die von Klippen umfasst wird, und sieht die Sonne untergehen. Das kann man nun sicher poetischer formulieren, aber bitte nicht einen Absatz lang eine Sonne langsam, träge, kriechend untergehen lassen.


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Beitrag06.03.2019 22:31

von firstoffertio
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Ich habe dir  mal als Experiment viele der Adjektive und ein paar redundante Stellen weggenommen:

Langsam kroch die untergehende Sonne hinter die Klippen und versenkte den Kalkstein und das gegen ihn donnernde Meer für einen kurzen Augenblick in ein intensives Orange.
Sie konnte die Brandung gegen dagegen schlagen hören, während sie ihre Fußspitzen in die am Strand verebbenden Wellen streckte.
Ein von Minute zu Minute kälter werdender Wind wehte ihr ins Gesicht, brachte Gischt und Salzgeschmack, während sie schweigend, und in die Fluten stierend da saß, die Knie eng an den Körper gepresst. Nur noch ein schwacher Schimmer am Ende des weiten Meeres zeugte vom Tag, und ließ sie in einem Zwischenlicht aus Abend und Nacht zurück.
Die letzten Sonnenstrahlen glommen durch die verkohlten Skelettbeine (das verkohlte Skelett? Sonst sind ein wenig viel Beine hier, wenn du das auch beabsichtigt haben magst. Aber ich lass es mal so stehen.) in der Ferne, die schwankend in Wind und Wasser standen und aussahen, als würden sie jeden Augenblick unter einer der beiden Kräfte nachgeben.
Doch sie taten es nicht.
Seit Jahrzehnten standen sie da, ragten trutzig auf gegen den bleiernen Himmel; selbst die weißen Klippen nahmen langsam die Farbe von Asche an.
Es fröstelte sie, sie zog die Beine enger an sich, schlang ihre Arme um die Knie und drückte die Fußsohlen in den Kies.
Es war kein schöner Strand.

Im Folgenden habe ich zwei Probleme:
Wie können sich die Steine in ihre Oberschenkel bohren, wo sie doch die Knie angezogen hat?
Und wie kann sie all die Gerüche riechen, wenn doch der Ölgeruch alles übertüncht?

Zitat:
Die groben, glitschigen Steine bohrten sich bereits schmerzhaft in die Haut ihrer Oberschenkel, es roch nach Algen, Fisch und Tang. Und über allem schwebte der penetrante, alles übertünchende Gestank nach Öl.  
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Eisteufel
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Beitrag08.03.2019 08:34

von Eisteufel
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Hallo zusammen und vielen Dank für eure Rückmeldungen und die Zeit, die ihr in das Lesen und die Kommentare gesteckt habt. Ich schreibe das jetzt mal als Sammelnachricht, da sich die Meinungen bezüglich der Adjektive und Adverbien doch sehr ähneln. Razz  Ich werde mir die Geschichte nochmal vornehmen und überarbeiten und versuchen die Dopplungen an Adjektiven rauszuschmeißen, dass es nicht so gänzlich überladen ist man den Leser so erschlägt, dass er nicht mehr weiterlesen möchte. Danke dir, firstoffertio, für deine Überarbeitung des ersten Absatzes, das liest sich so wirklich besser. Ich werde trotzdem versuchen irgendwie einen Mittelweg zu finden, dass nicht alle Adjektive den Kürzungen zum Opfer fallen, aber dass sie sparsamer gesäht werden. @BluteNote  ja irgendwie ist dieses Opulente mein Ding aber ihr habt natürlich recht, dass die Geschichte hinter der Sprache nicht zurückstecken und darunter vergraben werden sollte. Also ich mache mich mal fleißig an die Arbeit und werde die geänderte Geschichte dann hier posten.^^

Liebe Grüße, Eisteufel


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