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Die letzte Zuflucht


 
 
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Kekoura
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Alter: 36
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Beitrag05.10.2018 09:31
Die letzte Zuflucht
von Kekoura
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Präludium

Er

Ein farbloser Tropfen wandt sich aus einer schwarzen Leinwand. Geboren aus der Bedeutungslosigkeit des Nichts.
Verloren in der Unendlichkeit des Seins.
Noch hegte er keinen Argwohn gegen die Bewandtnisse der Realität. Und doch war Er nun hier. Im Hier und Jetzt, das mit ihm geschaffen worden war und sich schwermütig krümmte.
Die Leere wandelte sich in namenlose Fragmente, als Er zum ersten Mal seine Augen öffnete und seine Pupillen noch Schwierigkeiten damit hatten, Dinge zu fixieren.
Die Musik der Stille versiegte, als ihm die ersten Klänge des Daseins zu Ohren kamen und ungefiltert auf ihn hereinbrachen.
Der Geruch des Sterilen wich unbekannten Düften, als Er die Luft in seinen Körper sog. Wohlriechende und Abscheuliche zugleich.
Seine Haut spannte, als Er das erste Mal Kälte empfand und seine Zunge erwachte, als Er sein salziges Selbst schmeckte. Dies alles verband sich zu einer verworrenen Existenz.
Der ersten seiner Art.
Er stand stramm und sah an seinem nackten Körper hinab. Nur weil Er es konnte. Er grub die Zehen in den aufgeweichten Erdboden und beobachtete ihr emsiges Zusammenspiel. Sie waren zwar fremd, doch sie gehörten zu ihm.
Er begutachtete seine kräftigen Beine und hob eines nach dem anderen an. Auch sie waren ein Teil von ihm. Er strich mit den Händen über seinen Körper und genoss das warme Gefühl, dass sie mit seiner Haut teilten. Sein kahler Kopf jedoch, zeigte keinerlei Regung, da sein Gesicht noch keinen Zweck dafür wusste. Er setzte einen Fuß vor den anderen und schritt langsam voran, weil Er auch das konnte.
Er war nicht gerade erst aus dem Nichts entstanden, sondern aus einem langen Schlaf erwacht und sein stetig wachsendes Bewusstsein wurde mit Erinnerungen gefüttert, die schon immer da gewesen waren. Zumindest schien dem so.
Unbedacht stapfte er in die malerische Landschaft hinein, die ein ausschweifendes Kunstwerk aus Farben einfing, um die grüne Vitalität der Bäume zu spüren, ihre starken Wurzeln zu berühren und ihre Standhaftigkeit zu atmen. Er strebte nach der grauen Ruhe der Berge, wollte vor ihrer majestätischen Größe erzittern und ihre weißen Gipfel erfahren. Es dürstete ihn nach der blauen Unendlichkeit der Meere, danch ihre flüssige Rastlosigkeit zu besänftigen und ihre kühle Unberechenbarkeit zu deuten. Er sehnte sich nach der stärkenden Wärme der Sonne, wünschte ihre strahlende Weisheit zu bestaunen und sich an ihrer bedingungslosen Macht zu laben. Er wollte sich im feuchten Dreck suhlen, den Durst der Wüsten stillen und das Spiel von Wind und Gras bewundern. Erhoffte das Schweigen des Gesteins zu stören und gemeinsam mit dem Himmel zu weinen.
Er begehrte alles auf einmal und noch war ihm nicht bewusst, was Er nicht wollte. Die Zeit jedoch, würde ihn auch dies lehren.

~

Als Er den ersten Vogel erspähte, wie er sich in die Lüfte schwang, war Er von seiner Grenzenlosigkeit fasziniert. Neid empfand Er jedoch nicht, denn Er erhob sich einfach selbst mit dem Wind und tat es ihm gleich.
Als Er sein erstes verletztes Geschöpf betrachtete, empfand Er kein Mitleid. Er berührte das geschwächte Wesen und machte es nicht einfach wieder gesund, sondern optimierte es, indem Er dessen anfällige Beine stärkte.
Er modelte seinen Körper um, nur um mit der Geschwindigkeit der Wölfe mithalten zu können.
Es war ein Leichtes für ihn, ein wärmendes Feuer nur mit seinen Händen zu erschaffen, den Regen zu rufen, wenn ihn der Wunsch danach drängte und den Wind zu beschwören, wenn Er seinem traurigen Lied lauschen wollte.
Als Er erstmals Antriebslosigkeit verspürte, sprach Er zu den Bären und sie erlegten ihm sein Abendmahl und wenn ihm gar das Sprechen zu lästig war, befehligte Er die Kreaturen im Geiste. Ob sie wollten oder nicht, denn wenn er sich einmal in ihren Köpfen befand, war ihr freier Wille, dem seinen unterworfen.
Doch der Reiz des Neuen verflog mit der Zeit, die seinem Willen nicht bedingungslos unterstand und Er lernte die Trostlosigkeit der zermürbenden Einsamkeit kennen. Erst zu jener Stunde war ihm bewusst, dass Er der Einzige seiner Art war.
So schuf Er sich aus seinem eigenen Fleisch, Blut und Talent eine Existenz, die ihm ähnelte. Formte ein Ebenbild seiner Selbst und ließ sich dabei von einer betörenden schöpferischen Kraft leiten. Völlig in der Macht der Kreativität versunken, war ihm erst bewusst was Er erschaffen hatte, als Er sein Werk beendet hatte. Als Er Sie vervollständigt hatte.   
Sie entsprach ihm nicht ausschließlich, denn einige Merkmale an ihrem Körper waren anders. Schöner und runder als die seinen. Weicher und zarter. Größer und kleiner. Und einige Dinge, hatten sie beide jeweils exklusiv für sich. Nie zuvor hatte Er etwas Schöneres gesehen und nun, waren sie zu zweit.

~

SIE

Als Sie ins Leben gerufen wurde, hatte Sie ihrem Pendant schon einiges voraus. Ihr erster Tag auf Erden war schon von dem angehäuften Wissen bereichert, dass Er auf Sie übertragen hatte. Dennoch spürte Sie die grenzenlose Faszination, die dieser neue Ort wirkte. Auch wenn das Einzige, was ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit auf sich zog, die Gestalt war, die ihr gegenüberstand. Er war ein wundersames Wesen.
Sie beäugte seine Schönheit nicht einfach nur, sondern schritt auf unsicheren Beinen zu ihm und begutachtete seine Statur ausgiebig. Sie berührte seine Haut, seine Glieder, fuhr die Muskeln an seiner Wirbelsäule entlang und die Rundung seines Gesäßes nach. Sie stellte ein Bein neben das seine und verglich ihre Füße mit den seinen. Warum waren seine viel größer als ihre? Sie zog an dem Ding, welches ihr nicht gewachsen war und erst zuletzt berührte Sie auch sein Gesicht, dass ihr so fremd und doch zugleich vertraut war. Und Er ließ es geschehen.
Sein Gesicht zeigte Regungen, die Sie nicht zu deuten wusste und welche ihm auch neu zu sein schienen. Sie strich über seine Lippen und sein Körper erbebte leicht, als würde Er frösteln.
Sie beobachtete seine Nasenflügel, die sich ab und an nach außen wölbten. Schlussendlich sah Sie in seine Augen. Sah zum ersten Mal wirklich ihn, so wie Er Sie sah und wich erschrocken, oder beschämt, oder verlegen zurück. Im nächsten Moment war das neue Gefühl schon wieder verflogen und erst jetzt betrachtete und betastete Sie auch sich selbst. Von Kopf bis Fuß und die Dinge die nur Sie zu haben schien, wurden einer intensiveren Studie unterzogen.

~

Er

Voller Ehrfurcht stand Er mit angespannten Muskeln vor ihr und wusste nicht wie ihm geschah, als ihre Hände an ihm zerrten, über seinen Körper streichelten, ihn kniffen und abklopften. Einiges schmerzte, Anderes kitzelte, wieder Anderes erzeugte ein warmes, noch nie zuvor gespürtes Gefühl. Eine Regung, die Er nicht deuten konnte und welche von einem Kribbeln in seiner Leistengegend begleitet wurde. Aber Er genoss alle diese Reize, Letzteren jedoch besonders.
Sie rief Reaktionen in ihm hervor, die Er nie zuvor erfahren hatte und als ihre Augen endlich den seinen begegneten, wusste Er, dass Er nicht mehr ohne Sie sein konnte.
Sie jedoch, wich vor ihm zurück. 
Schnell stellte sich jedoch heraus, dass sie nicht vor ihm floh. Sie tat nun das Gleiche bei sich selbst, dass sie gerade noch an seinem Körper verbrochen hatte. Fühlte Sie die gleiche wohlige, prickelnde Wärme, die Sie in ihm ausgelöst hatte? Er wünschte es ihr, wenn Er sich auch mehr wünschte, es selbst noch einmal auszukosten. Von ihr zu kosten. Doch für diesen Moment genügte ihm auch, ihren wunderbaren, sich verrenkenden Körper bei der Erkundung ihrer Selbst zu beobachten.

In der Ferne war der Ruf eines Tieres zu hören, der Sie plötzlich aus ihre Konzentration riss und Sie aufhorchen ließ. Dabei reckte Sie den Kopf wie ein aufgeschrecktes Reh in die Höhe und hielt kurz inne.
Ohne Vorwarnung lief Sie los. Nichts mehr war von der Unsicherheit zu erkennen, die ihre Beine gerade noch wanken ließen. Völlig selbstverständlich lief Sie dem Geräusch entgegen, als hätte Sie nie etwas anderes getan und Er tat es ihr gleich.
Er folgte ihr, genoss den Anblick ihrer Muskulatur, die sich unter ihrer Haut abzeichnete. Sie wirbelte kleine Tröpfchen auf, die sich als Morgentau auf dem Gras niedergelassen hatten und mit der Erde vermischt ihre Unterschenkel sprenkelten. Sie sprang anmutig über Gestein und Unebenheiten, die der Ebene Struktur verliehen. Als Sie einen erneuten Ruf vernahm, kam Sie schlitternd zum Stehen und korrigierte ihre Laufrichtung. Immer aus sicherer Entfernung von ihm verfolgt.
Sie kletterte einen kleinen Abhang hinauf, der am oberen Ende von Bäumen besetzt war und Er kostete den Anblick ihrer Rundungen aus, die sich fließend ihren Bewegungen anpassten.
Oben angekommen verschwand Sie zwischen den Stämmen, als Sie in den sich auftürmenden Wald hinein lief. Er beeilte sich ihr hinterher zu kommen, doch Sie war nicht mehr zu sehen. Er eilte zwischen den eng zusammenstehenden Gewächsen umher. Schob Äste und Gestrüpp beiseite, um vorwärts zu kommen, doch Sie war ihm entschwunden.
Der Wald tat das, was er am besten konnte. Er verbarg seine Bewohner vor den Blicken von Gefährdern, die sich auf der Suche nach Nahrung auf die Lauer legten. Und der Forst hatte nun auch Sie verschluckt.
Er sah sich nervös um, horchte in den Wald, doch Sie war nicht aufzufinden. Plötzlich machte das Tier erneut auf sich aufmerksam. Es konnte nicht mehr weit entfernt sein und Er versuchte sein Glück, indem Er dessen Klang folgte.
Er bewegte sich schnellen Schrittes weiter und nicht weit entfernt, entdeckte Er Sie wieder. Sie stand vor einem Baum und blickte hinauf in das verschnörkelte Geäst. Sie zeigte keine Regung, als Er sich vorsichtig auf Sie zu bewegte und noch bevor Er Sie erreicht hatte, sah Er einen kleinen Primaten mit dunklem Fell über ihr in einem Baum sitzen.
Der Primat saß völlig gelassen auf einem Ast und sah zu ihr hinunter. Das Geschöpf war nicht größer als einer seiner Unterarme, mit langen Extremitäten, die ihm das Klettern erleichterten. Das Tier rief ihr etwas entgegen und entblößte dabei lange Eckzähne, die seinen Feinden gefährlich werden konnten, sollte es sich bedroht fühlen. Doch Sie blieb völlig ruhig, während Er sich behutsam weiter näherte.
Und als der Primat sich langsam zu beruhigen schien, antwortete Sie. Sie ahmte seine Geräusche nach, wie auch Er es schon so oft getan hatte und tauschte sich mit dem Tier aus.
Er war nah genug herangetreten, um dem Gespräch der beiden Fremden zu lauschen. Doch Er verstand nicht. Er war verwirrt. Er vernahm den Austausch der Beiden, doch Er konnte den Sinn nicht heraushören. Wie konnte das sein? Er sprach die Sprache aller Lebewesen. Er horchte konzentrierter, doch Er vernahm nur die grunzenden kehligen Laute, die die Beiden von sich gaben. Ratlosigkeit machte sich breit.
Er durchforstete seinen Verstand und doch verstand Er das Wesen nicht, wie Er es zeitlebens immer gekonnt hatte. Sein Kopf dröhnte bei dem Versuch, sein Talent anzuwenden. Das Talent, dass eben noch da gewesen war und plötzlich im trüben Gewässer seines Verstandes versank. Sie aber hatte diese Gabe von ihm übernommen.
Das Gespräch verstummte und Sie drehte sich zu ihm um, beobachteten ihn einen kurzen Augenblick und prüften seinen Blick. Beide sprachen wieder zueinander, ohne den Blick von ihm abzuwenden. Es wirkte fast so, als sprächen sie über ihn.
Unbehagen machte sich in ihm breit. Ein Unbehagen, dass sich aus einer Hilflosigkeit speiste, die Er nie zuvor gespürt hatte. Denn zum ersten Mal tat Er etwas nicht.
Weil Er es nicht konnte.
Nicht mehr.

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reißwolf
Leseratte


Beiträge: 138



Beitrag05.10.2018 15:51

von reißwolf
Antworten mit Zitat

Zitat:
Präludium

Oh ha! Hier steht nicht einfach »Prolog« oder »Vorspiel«. Die Lateinisierung »Präludium« für Vorspiel deutet auf etwas sakral-Monumentales hin. Wir haben es womöglich mit dem Praeambulum einer Fuge zu tun, das lässt an Johann Sebastian Bach denken. Vielleicht auch etwas Mythisches von Gewicht, Kaliber Odyssee oder Genesis. So denn, sing uns deine Ode, lass die wuchtigen Wendungen deiner Worte unser Ohr und Herz umwerben!

Zitat:
Ein farbloser Tropfen wandt sich aus einer schwarzen Leinwand.

Oh, eine aldtmodische dt-Schreibweise. Doch meintest du das Wort, was du schriebest? Googeln wir doch mal. Wußt ichs doch! »Wandt« ist die Kurzform des Prätorium-Indikativs von »wenden«. Ein Tropfen wendet sich? Ich habe den Verdacht, du hattest eher das Wort »winden« im Sinn. Dann sollte es heißen »wand«. (Was, führt man sich den Vorgang wirklich vor Augen, auch nicht besonders treffend ist.) Kann es sein, dass dich hier der Wunsch, unbedingt eine archaische dt-Schreibweise zu verwenden, in eine Falle geführt hat?

Zitat:
Geboren aus der Bedeutungslosigkeit des Nichts. Verloren in der Unendlichkeit des Seins.

Jetzt gehts aber richtig ab! Gehüllt in den Mantel des Schmerzes fährt die Seele des Nichts im Zug des Schicksals auf dem Gleis des Nirgends in das Tal des Zweifels auf der Suche nach dem ewigen Schrei des Seins … Es gab mal eine (zum Glück lang zurückliegende) Zeit, da gingen deutsche Schlagertexte ein bisschen in diese Richtung. Solche Sätze kann man allenfalls als Parodie durchgehen lassen. Ernstgemeint sind sie nur eins: peinlich.

Zitat:
Im Hier und Jetzt, das mit ihm geschaffen worden war und sich schwermütig krümmte.

Geschaffen worden war . Hab ich’s nicht gesagt? Genesis! Ein Schöpfungsmythos. Im Hier und Jetzt ist eine der am meisten abgedroschenen Redewendungen. Vom bedeutungsgeschwängerten Wortgeschwurbel fällt die Sprache hinab ins bodenlose Nichts der farblosen Alltagsbanalität. Daran ändert auch das hilflose »schwermütige Krümmen« deines Hier und Jetzt nichts. Wie, by the way, muss man sich das Krümmen des Hier und Jetzt vorstellen? Die Krümmung der Raumzeit in die vierte Dimension, wie Einstein postuliert hatte?

Zitat:
[…] und seine Pupillen noch Schwierigkeiten damit hatten, Dinge zu fixieren.

An dieser Stelle springt die Sprache hinterrücks ins soeben pathetisch besungene Hier und Jetzt. Absicht oder Unvermögen?

Zitat:
Die Musik der Stille versiegte, als ihm die ersten Klänge des Daseins […]

Bei Simon and Garfunkel klang das eigentlich ganz gut. Klang der Stille. Ich mag Paradoxe. Klänge des Daseins dagegen ... das ist wieder der Pathos-Stil, der sich so verzweifelt wie erfolglos um Bedeutung müht. Die Inkonsistenz des Tons zieht sich durch dein Praeambulum hindurch, wie der Cantus Firmus durch die Bach’sche Polyphonie.

Zitat:
[…] zu Ohren kamen

Und schon wieder springt es, diesmal mitten im Satz: Eine weitere abgegriffene Redewendung, zudem noch falsch angebracht. »Zu Ohren kommen« verwendet man, wenn etwas eigentlich Vertrauliches zu jemandem durchdringt. Du aber meintest an dieser Stelle einen anderen Vorgang: Die Schallwellen treffen auf das Trommelfell. Wie könnte man das jetzt treffend formulieren? »Zugetragen bekommen«? Nein, sicher nicht. Ich hab’s! Es gibt ein einziges Wort, was diesen komplexen Vorgang hinreichend wiedergibt: Hören. Aber das zu sagen, schien dir offenbar zu banal, also musste ein sprachlicher Schlenker her. Leider daneben gegriffen.

Zitat:
Dies alles verband sich zu einer verworrenen Existenz. Der ersten seiner Art.

Genusfehler. Existenz ist feminin.

Zitat:
Er stand stramm und sah an seinem nackten Körper hinab. Nur weil Er es konnte.

»Nur weil Er es konnte« Diesen Satz kenne ich. Man verwendet ihn, um jemandes Lust an der puren Macht zu illustrieren. »Der Mann hat doch gute Arbeit geleistet. Warum feuern Sie ihn?« – »Weil ich es kann!« Oder: Zur Feier seines Geburtstages ließ der Häuptling 100 Leute hinrichten. Nur weil er es konnte. Gemeinhin wird mit dieser Floskel ein ungeheuerlicher Akt rücksichtsloser Machtausübung verknüpft. Und was macht deine Figur, nur weil sie es kann? Sie sieht an sich hinab! Ist das zu fassen!

An dieser Stelle lasse ich es mal gut sein, sonst reite ich den geschundenen Schimmel des Sarkasmusses noch zu Thode. Trotz des Nebels deiner mal pathetischen, mal banalen, immer aber ungeschickten Sprache wird, meine ich, eine Grundidee erkennbar. Wir haben es mit einer Art Schöpfungsmythos zu tun, richtig? Sowas wie Adam und Eva, vielleicht auch zwei Urgötter in Menschengestalt, ihre allmähliche Konkretwerdung aus dem Morast der Elemente. Ja, so kann man anfangen, so fängt der Jahrtausende alte Gilgamesch-Epos an, so fängt das Alte Testament an. Das sind Schriften von einem, sagen wir es bescheiden, gewissen Schwergewicht. Seinerzeit hat man sie noch mit Keilschrift in Granit gehauen. Gilgamesch, Moses – und jetzt kommst du. Mene mene tekel. Das bedeutet: Gewogen und zu leicht befunden. Granittafeln sind es sicher nicht, die du hier produzierst.
Ich will damit sagen: Wer sich in Sprache, Stil und Inhalt auf Augenhöhe gewichtiger Mythen wähnt, schreibt auf enormer Fallhöhe. Bei Abstürzen kommt zu den Blessuren noch der Spott Dritter, zum Beispiel von meiner Seite.

Empfehlung: Backe erstmal kleinere Brötchen und drossle das Pathos auf ein erträgliches Maß. Feile an deinem Denken. Wenn der Gedanke Gewicht hat, wiegen auch die Worte schwer, die ihn ausdrücken. Dass passiert von ganz allein, du musst dich dann nicht krampfhaft um eine bedeutungsschwangere Sprache bemühen.

Viel Spaß beim Verwenden oder Verwerfen!
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Rodge
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Beitrag05.10.2018 17:00

von Rodge
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Was keine Farbe hat, ist schwarz. Ein farbloser Tropfen, der auf eine schwarze Leinwand fällt ist ein Nichts im Nichts. Für mich sind das ausgetretene Pfade, nix spannendes dabei, nach wenigen Zeilen schon, habe ich aufgehört zu lesen.

Grüße
Rodge
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Kekoura
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Beiträge: 9
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K
Beitrag05.10.2018 17:08
Wow!
von Kekoura
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vielen Dank für deine Zeit! Das schmerzt richtig, aber auf genau die  Art und Weise, die ich mir erhofft habe.
Ich werde mir deine Kritik zu Herzen nehmen, vor allem aber nochmal im Detail zu Gemüte führen.
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d.frank
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Beitrag05.10.2018 17:47

von d.frank
Antworten mit Zitat

Woah..hallo Herr oder Frau reißwolf, ich überlege, nur wegen ihrer offenkundigen Abwehr des Pathetischen ein Stück meines aktuellen Projektes in den öffentlichen Bereich zu stellen.. Wink Laughing

Ich hab´s leider selbst mit dem Zeug Embarassed Crying or Very sad  und sehe das in anderen Texten nur zu klar bestätigt.

Zum Text selbst:

Wenn man es schafft über die ersten Sätze hinauszukommen, die wirklich nur leer und aufgeblasen sind, findet man schon ein, zwei Perlen:

Zitat:
Seine Haut spannte, als Er das erste Mal Kälte empfand und seine Zunge erwachte, als Er sein salziges Selbst schmeckte.


Zitat:
Er grub die Zehen in den aufgeweichten Erdboden und beobachtete ihr emsiges Zusammenspiel


Das mochte ich irgendwie. Weil das ziemlich schwer zu beschreiben ist, wie jemand eben noch Gestaltloses in einen Körper fährt und weil das sowas von purem Erwachen hat, in das man sich auch selbst einfühlen kann.

Ansonsten bin ich in der folgenden Beschreibung von Allmacht und gleichzeitiger Demut sehr schnell ausgestiegen, aus von reißwolf benannten Gründen.

Der Abschnitt mit Eva? las sich wieder angenehmer, weil man der naiv kindlichen Neugier folgen kann und sich fragt, ob das jetzt ein Genderding wird: Der gottgleiche, allwissende Herrscher unterwirft sich der Naivität, dem rein Sinnlichen, in Gestalt der Frau und Mutter. Ich kenne mich nicht aus mit dem alten Testament, aber letztendlich versuchst du ja schon deinen eigenen Weg damit zu gehen. Ob der Affe da jetzt die beste Wahl ist, bleibt zu überlegen. Ich finde den Aspekt interessant, dass der Gott gleichzeitig Mensch und mittendrin ist, das enthebt ihn aus seiner unfasslichen Allmacht, aber das bekommst du nicht so geschickt zu fassen oder es wird zu Brei geredet. Wink
Am Ende, dass er die Macht abgibt an dieses vorurteilsfreie, unverdorbene Wesen, das führt einen schon in eine andere Betrachtung des eigentlich Zugrundeliegendem.


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Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
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reißwolf
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Beitrag06.10.2018 13:41

von reißwolf
Antworten mit Zitat

d.frank hat Folgendes geschrieben:
Woah..hallo Herr oder Frau reißwolf, ich überlege, nur wegen ihrer offenkundigen Abwehr des Pathetischen ein Stück meines aktuellen Projektes in den öffentlichen Bereich zu stellen.. Wink Laughing

Nur her damit! Pathos an sich muss ja nicht schlecht sein. Es ist halt sehr schwer, dabei weder ins Verlogene noch ins unfreiwillig Komische abzudriften. Aber es ist möglich.
Zitat:
Wenn man es schafft über die ersten Sätze hinauszukommen, die wirklich nur leer und aufgeblasen sind, findet man schon ein, zwei Perlen:
Zitat:
Seine Haut spannte, als Er das erste Mal Kälte empfand und seine Zunge erwachte, als Er sein salziges Selbst schmeckte.

Zitat:
Er grub die Zehen in den aufgeweichten Erdboden und beobachtete ihr emsiges Zusammenspiel

Ja, einverstanden. Ich würde vielleicht nicht gleich "Perle" sagen, aber diese Sätze sind tatsächlich gelungen. Man übersieht das Gelungene allzu leicht, denn der Text produziert zuviel Schall und Rauch.
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Phenolphthalein
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Beitrag06.10.2018 15:22

von Phenolphthalein
Antworten mit Zitat

reißwolf hat Folgendes geschrieben:
d.frank hat Folgendes geschrieben:
Woah..hallo Herr oder Frau reißwolf, ich überlege, nur wegen ihrer offenkundigen Abwehr des Pathetischen ein Stück meines aktuellen Projektes in den öffentlichen Bereich zu stellen.. Wink Laughing

Nur her damit! Pathos an sich muss ja nicht schlecht sein. Es ist halt sehr schwer, dabei weder ins Verlogene noch ins unfreiwillig Komische abzudriften. Aber es ist möglich.


Nun, wenn man bedenkt, warum der Text (vermutlich)  eingestellt wurde, was also der Zweck dahinter gewesen sein soll, dann fällt mir persönlich nur ein: »Das ist es nicht Wert.«
Aber natürlich schaue ich gerne dabei zu, wenn jemand (? um seiner Selbst willen ?), ein wortgewaltiges Schauspiel anbietet.
Hoch die Tassen: Ein Troll ist immer der andere!


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Beitrag06.10.2018 15:40

von d.frank
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@reißwolf
Zitat:
Nur her damit! Pathos an sich muss ja nicht schlecht sein. Es ist halt sehr schwer, dabei weder ins Verlogene noch ins unfreiwillig Komische abzudriften. Aber es ist möglich.


Bist du sicher? Ich bin da noch am Sortieren. Ab wann ist es Pathos? Mit verlogen meinst du allgemeingültig, nicht zu Ende gedacht?
Unfreiwillig komisch, ja, das wird es schnell, wenn man versucht, etwas unnatürlich aufzublähen, statt zu seinem Kern vorzudringen, leider kann ich ein Lied davon singen. Crying or Very sad

@Phenolphthalein

Da hab ich wohl was nicht mitbekommen.
Kannst du mal näher aufklären?


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Phenolphthalein
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Beitrag06.10.2018 15:54

von Phenolphthalein
Antworten mit Zitat

d.frank hat Folgendes geschrieben:


@Phenolphthalein

Da hab ich wohl was nicht mitbekommen.
Kannst du mal näher aufklären?


Könnte ich womöglich, doch wo bliebe da (bestenfalls) der Lerneffekt?
Im Übrigen, Dich habe ich doch gar nicht angesprochen, oder?


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d.frank
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Beitrag06.10.2018 16:08

von d.frank
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Zitat:
Im Übrigen, Dich habe ich doch gar nicht angesprochen, oder?


Keine Ahnung, ich bin leider notorisch neugierig, tschuldigung. Embarassed


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Rodge
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Beitrag08.10.2018 08:24

von Rodge
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Der Pathos taugt auch dann nix, wenn die Wörter stimmig sind. Warum: Weil das keiner lesen will! Die Leser wollen unterhalten werden, du must etwas glaubhaft machen durch stimmiges und spannendes Erzählen!

"Verloren in der Unendlichkeit des Seins" ist stimmig und belanglos. Schon tausendmal gelesen und doch nie verstanden, was das heißen soll. Stimmungsvoll und ohne ausgetretene Pfade, das ist gutes Schreiben!

Grüße
Rodge
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