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Felicitas von Rabengrund, unwohl geboren


 
 
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nebenfluss
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Beitrag29.07.2018 15:09
Felicitas von Rabengrund, unwohl geboren
von nebenfluss
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Es war einmal (und Ähnliches geschah auch zuvor schon und kann selbst heute noch jederzeit vorkommen) eine Dame, die saß in ihrem Arbeitszimmer und ließ ihr Haar wachsen. Ein anstrengender Job, insbesondere das Kämmen, weshalb sie dies wegrationalisiert hatte; ihr goldenes Vließ fiel knotig und dreadlockig-verfilzt vom Schädel hinab, und damit es sich nicht in ihren Mund verirrte, wenn Felicitas von Rabengrund an ihrem koffeinfreien Morgenkaffee nippte, hängte sie die Matte von etlichen Metern Länge stets zum Fenster hinaus - und noch aus einem zweiten Grund, oder besser gesagt: einer Hoffnung.
Der König nämlich kam gleich nach dem Frühstück unter eben dieses Fenster und benötigte Felicitas' Frisur, um damit die Straße vor ihrer Tür zu fegen. Gerade war es wieder so weit: Der vertraute Ruck zeigte die Ankunft des Herrschers an. Wie Felicitas dieses Kitzeln an den Haarwurzeln genoss! Und doch kam ihr das Arrangement auch sonderbar und unbefriedigend vor.
„Was für ein armer König, der vor meiner Tür saubermachen muss!“, dachte sie. „Ach, hätte er doch eine Königin, die es für ihn tut. Ich würd's ja machen - caren und kehren -, aber mich fragt ja keiner.“ Für sie aber ziemte es sich natürlich nicht zu fragen (Den König etwas fragen! Ein nervöses Zittern durchfuhr Felicitas und das Glas in ihrer Hand, winzige Macchiato-Spritzer fielen in den Zimmerbrunnen und gesellten sich zu dem Tropfen Froschurin, der sich dort seit dem gewaltsamen Tod von Quakie selbst recycelte), und wie jeden Tag, wenn sie ihrer Machtlosigkeit gewahr wurde, nervte das Gekitzel dann doch, und mit einem kräftigen Zug an der Haarmasse stellte Felicitas klar, es sei für heute genug. Der König hob nicht einmal den Kopf, er kannte diese Launen schon; deshalb musste er ja täglich wiederkommen, und nie wurde er fertig.
Felicitas von Rabengrund begab sich in ihr Schlafgemach, um dort auf dem Bett hockend Seiten aus einer feministischen Zeitschrift zu reißen. Ihre Sammlung spanischer Pfirsichkerne auf dem Nachttisch war noch etwas feucht, vielleicht war durch Einwickeln Abhilfe zu schaffen? Es war diese typische Zeit am Vormittag, wenn die Traurigkeit kommt. Vanilla, Zofe im Palast des Königs (gleich nebenan), hatte endgültig den WhatsApp-Kontakt abgebrochen, genervt von Felicitas' unzähligen Verführungsversuchen, heimlich am Arbeitsplatz herum zu fotografieren. Das Interieur des Königshauses interessierte Felicitas brennend, doch Vanilla war hart geblieben. Der Berufsstand der Zofe in einem Haus ohne Königin gab Anlass zu allerlei Spekulationen, von denen die Annahme, in den Gemächern herrsche statt Zucht und Ordnung Chaos und Anarchie, Felicitas am hartnäckigsten verfolgte. Und der blöde König! Warum kletterte er nicht empor und hielt um ihre Hand an? Sie würde der Schlamperei schon ein Ende setzen! Und ablehnen konnte sie doch immer noch.
So wütend und unkontrolliert Felicitas nun war, entglitt ihr schließlich ein Pfirsichkern und kullerte mitten unter die Liegestatt. Ohne lange zu zögern, ging sie auf die Knie und schleuderte ihr Kopfvlies (vom Straßendreck praktischerweise schon etwas steif) unter dem Bett hindurch, woraufhin auf der anderen Seite lediglich eine von Staubflusen umwebte Plastikkrone mit mehreren abgebrochenen Zacken erschien. Nach drei erfolglosen Versuchen war klar: Das Bett musste verschoben werden.
Und wie staunte da Felicitas, als sich nach mühevollem Abrücken des Kopfendes eine kleine Tür in der Wand zeigte, von der Größe etwa so, dass ein sechsjähriges Kind aufrecht hätte hindurchgehen können! Und wie groß war erst ihr Schreck, als sie, nun auf allen Vieren, die Klinke hinuntergedrückt und die Tür vorsichtig aufgezogen hatte! Auf der anderen Seite wartet nicht nur ein anderer Raum, sondern auch eine andere Zeit. Es handelt sich eindeutig um das Schlafzimmer des Königs. Felicitas' Blick wird geradezu magisch von einem scharlachroten Apfelstecher auf dem Nachttisch des Monarchen angezogen, sowie auf der gigantischen Schlafstatt, unter dem königlichen Wappen an der Decke, von einem Himalaya aus Bettwäsche in einer solch unfassbaren Unordnung, wie sie ein Einzelner unmöglich anrichten kann, auch nicht zwei oder drei, nein -
Ungebetene Schlüpfrigkeiten knabbern nun an den Synapsen im Kopf der armen Felicitas, Ansichten von in der Sonne des beharrlichen Straßefegetrainings gebräunten und fein ausmuskulierten maskulinen Knetefingern - greifbares Einvernehmen über Forschungsreisen in bisher höchst verheimlichte Gegenden – nackte, auch nylonverpackte Schenkel in diversen Farben und Schattierungen – fröhliches Aneinandergerüttel zur Schmach der unwohl Geborenen dieser flachen Welt, und das Ärgste: All diese adjektivgeschwängerten Fühl-Ideen schicken sich zusammenfügend an, als Szene hochaufgelösten 3D-Adult-Contents auf die Oberflächen des vor Felicitas liegenden Zimmers zu projizieren …
Die Tür fliegt zu, hektisches Atmen, Schlüsseldreh zweimal im Schloss, ein Versteck, ein Versteck! Unter den Teppich damit, ins Gefrierfach! Im Spülkasten gehört er versenkt, und zwar sofort, oder noch besser: Dort. Da gibt es doch diese Schachtel mit den Shampoo-Quittungen und ungeöffneten Mahnschreiben des königlichen Finanzamtes. Ja. Darin wird der Schlüssel ganz sicher schleunigst vergessengehen.
Gedacht, getan, wird die Kiste mit der Aufschrift „Mach endlich deine Steuer – jetzt!!!“ vom obersten Regalbrett heruntergehievt. Begleitend segelt ein Faltblatt herab und bettelt um Aufmerksamkeit. Es bewirbt eine etwas esoterisch anmutende Art künstlicher Befruchtung, wenn auch ohne Frucht, dafür mit monarchalen Folgen fürs Wirtsgeblüt. Neben langweiligen medizinischen Details (verabreicht wird offenbar eine Spritze direkt in die Halsschlagader) bebeispielt ein halbes Dutzend lächelnder Königinnen mit Sprechblasen am Mund die völlige Risikolosigkeit des Eingriffs. Zur Überprüfung wird das Pflanzen eines Blaubeerbaums im Garten empfohlen, der bei Anschlagen der Therapie monatlich erblühen sollte.
Felicitas von Rabengrund spricht neuerdings mit sich selbst. Ob das die Lösung wäre? Königin zu werden, ohne den König zu ehelichen? So sitzt sie da und grübelt, glücklichst unglücklich über die Ambivalenz allen Seins.
Und wenn sie sich nicht entscheidet, sitzt sie da noch morgen.



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Kaja_Fantasy
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Beitrag04.08.2018 18:40

von Kaja_Fantasy
Antworten mit Zitat

Extrem cool.
Bei dieser Stelle mit der feministischen Zeitschrift musste ich echt lachen und die mit der Halsschlagader ist auch genial.
Insgesamt gute Message, interessanter und trotzdem flüssiger Schreibstil (die Mischung aus Modernität und Altertümlichkeit gefällt mir sehr gut) -und mir ist doch glatt meine Abneigung gegenüber (modernen) Märchen verloren gegangen.
Hut ab!
Nur eine Stelle habe ich nicht ganz verstanden: Warum soll hinter der Tür nicht nur ein anderer Ort, sondern auch eine andere Zeit sein?
Und hier bin ich an einer Formulierung hängen geblieben:
Zitat:
und damit es sich nicht in ihren Mund verirrte, wenn Felicitas von Rabengrund an ihrem koffeinfreien Morgenkaffee nippte, hängte sie die Matte von etlichen Metern Länge stets zum Fenster hinaus - und noch aus einem zweiten Grund, oder besser gesagt: einer Hoffnung.

Da musste ich kurz überlegen und wurde etwas rausgerissen, hätte ich von daher in zwei Sätze aufgeteilt: ...stets zum Fenster hinaus. Es gab jedoch noch einen weiteren Grund, aus dem sie dies tat, oder besser gesagt: eine Hoffnung.


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(Aus: "The hitchhiker´s guide to the galaxy", von: Douglas Adams)

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poetnick
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Beitrag05.08.2018 19:10

von poetnick
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Hallo nebenfluss,

ein Märchen das im Grossen und Ganzen im Gewand märchenbekannter Sprache daherkommt, allerdings mit neuzeitlichen App-likationen angereichert und das in Sprachstil und Inhalt deutlich tailliert scheint…
Es tauchen auf: Whats-App-Messenger, Gefrierfächer, Nylons, Steuerformulare und schliesslich die Möglichkeit einer künstlichen Befruchtung durch die Halsschlagader.

Das sind mal ein paar Hausnummern die das König/Zofe/ Spinnrad – Ambiente weit hinter sich gelassen haben.

Das Unglück der Felicitas, sich an den königlichen Hof zu sehnen und dem seltsamen Verhältnis zum König eine handfestere Gegenseitigkeit abzuringen, dieses Sehnen bleibt Fiktion ihrer Synapsen, die schließlich ein Feuerwerk von Knallkörpern überbordender Fantasien aus Entsagung zünden.
Ein unerlöstes Rapunzel, dessen Haarpracht nicht zur Strickleiter wird, sondern gebraucht - um die Straße zu kehren – wohl vom König persönlich.
Der Frosch im Zimmerbrunnen war schon zuvor durch seinen gewaltsamen Tod jedes prinzenbringenden Eingreifens beraubt. Oder geschah dieser Tod genau in märchenbekannter Weise, hier durch die Hand Felicitas‘?
Eine herrliche Lektüre, musste dreimal durch um jahrhundertealte Schichten abzutragen und das neue Gewand mit seinem ‚Da-drunter‘ genauer betrachten zu können.

In launiger Ironie verfasst, entgegen der Schwere historischer Ballaststoffe.
Habe ein paar Anmerkungen zum Lesefluss an folgenden Stellen:

Zitat:
hatte endgültig den WhatsApp-Kontakt abgebrochen, genervt von Felicitas' unzähligen Verführungsversuchen, heimlich am Arbeitsplatz herum zu fotografieren.


Hier musste ich 'nachforschen' wer wen nervt und verführen will.

Zitat:
Und ablehnen konnte sie doch immer noch.

Den Satz würde ich weglassen, wirkt auf mich irgendwie drangehängt.

Zitat:
Ungebetene (vielleicht Unerbetene?) Schlüpfrigkeiten knabbern nun an den Synapsen im Kopf der armen Felicitas, Ansichten von in der Sonne des beharrlichen Straßenfegetrainings gebräunten und fein ausmuskulierten maskulinen Knetefingern - greifbares Einvernehmen über Forschungsreisen in bisher höchst verheimlichte Gegenden


Der Satz, so wie er steht, sperrt sich etwas für (m)eine flüssige Lesart. Kann auch knapp daneben liegen, mit der eigenen Optik.


Zitat:
bebeispielt ein halbes Dutzend lächelnder Königinnen mit Sprechblasen am Mund die völlige Risikolosigkeit des Eingriffs. Zur Überprüfung wird das Pflanzen eines Blaubeerbaums im Garten empfohlen, der bei Anschlagen der Therapie monatlich erblühen sollte.
... Mr. Green Die künstliche Befruchtung als Therapie angepriesen.

Schräge Geschichte mit mehreren (schiefen) Ebenen und vielen Facetten. Vorsicht ist jedenfalls geboten, wenn man das Bett von der Wand rückt.

LG - Poetnick


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schweigend lauschte er der Stille
und kam sprachlos heraus
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Dinshi
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Beitrag06.08.2018 14:41

von Dinshi
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Wow! Ich fand es großartig. Schrullig und äußerst amüsant.
Ich habe keine weiteren Anmerkungen, meine Vorredner haben alles schon gesagt. Wink
Ich würde gerne mehr von Felicitas lesen!
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nebenfluss
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Beitrag06.08.2018 16:02

von nebenfluss
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Danke schon mal euch dreien.
Einzelne Rückmeldungen folgen.


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firstoffertio
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Beitrag09.08.2018 00:16

von firstoffertio
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Lustig finde ich, dass mit Rapunzels Haaren ein König die Straße kehrt. Überraschend die Tür hinterm Kopfende des Bettes, und auch den Blaubeerbaum, den es ja nicht gibt.  

Etwas Ernstes sehe ich nicht in dieser Parodie. Klamauk halt. Und du hast den Text ja auch im Trash eingestellt.
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nebenfluss
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Beitrag13.08.2018 23:00

von nebenfluss
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Hallo Kaja_Fantasy,
die Autorin mit der Baumgeschichte ... das war so das, was ich spontan dachte, als dein Name hier auftauchte. Eine Überraschung, und schön, dass du dran bleibst am Schreiben. Ich hoffe, ich finde noch die Zeit, mir die "47 Minuten" anzuschauen. Doch zunächst zu deinem Kommentar:

Kaja_Fantasy hat Folgendes geschrieben:
Extrem cool.
Bei dieser Stelle mit der feministischen Zeitschrift musste ich echt lachen und die mit der Halsschlagader ist auch genial.
Insgesamt gute Message, interessanter und trotzdem flüssiger Schreibstil (die Mischung aus Modernität und Altertümlichkeit gefällt mir sehr gut) -und mir ist doch glatt meine Abneigung gegenüber (modernen) Märchen verloren gegangen.
Hut ab!

Das viele Lob freut mich natürlich sehr. Nur wüsste ich gerne, was etwa die Stelle mit der feministischen Zeitschrift so genial macht und was denn die gute Message ist, die du herausgelesen hast. Vielleicht sind wir uns darüber einig, aber auch das wäre schön zu lesen.
Zitat:
Nur eine Stelle habe ich nicht ganz verstanden: Warum soll hinter der Tür nicht nur ein anderer Ort, sondern auch eine andere Zeit sein?

Willst du die Schriftsteller-Antwort oder die ehrliche ... egal, hier sind beide:
Schriftsteller-Antwort: In dem Moment, als Felicitas in das Schlafgemach des Königs blickt, wird sie Opfer ihres eigenen konspirativen Denkens. Wenige, letztlich unspektakuläre und beliebig interpretierbare Beobachtungen verführen sie zu der Bestätigung ihrer eigenen Spekulationen und werden dadurch (in ihrem Kopf) real, also gegenwärtig, also Gegenwart (wobei ich mich gerade frage, ob dafür nicht eine andere Perspektive, Ich oder POV nötig wäre ...).
Ehrliche Antwort: Ich habe den zweiten Teil des Märchens zuerst geschrieben und tat dies instinktiv (wie meist) im Präsens. Als ich später den ersten Teil schrieb, zwang mich die Einstiegsformel "Es war einmal" ins Imperfekt. Dann kam ich an die Schnittstelle und dachte: Öhm.
Versuche, das Tempus des zweiten Teils anzupassen, scheiterten vor allem an der Szene, wo es um das hektische Verstecken des Schlüssels ging - in der Vergangenheit verlor die jede Unmittelbarkeit. Also suchte ich nach einer Möglichkeit den Zeitenwechsel drinnen zu lassen (->Schriftsteller-Antwort)

Zitat:
Und hier bin ich an einer Formulierung hängen geblieben:
Zitat:
und damit es sich nicht in ihren Mund verirrte, wenn Felicitas von Rabengrund an ihrem koffeinfreien Morgenkaffee nippte, hängte sie die Matte von etlichen Metern Länge stets zum Fenster hinaus - und noch aus einem zweiten Grund, oder besser gesagt: einer Hoffnung.

Da musste ich kurz überlegen und wurde etwas rausgerissen, hätte ich von daher in zwei Sätze aufgeteilt: ...stets zum Fenster hinaus. Es gab jedoch noch einen weiteren Grund, aus dem sie dies tat, oder besser gesagt: eine Hoffnung.

Wenn du nur daran hängengeblieben bist Wink
Ich denke, es gibt mehrere Stellen, an denen man solche Aufteilungen überlegen könnte, um den Lesefluss zu verbessern. Wie man an deinem Beispiel sieht, kommt man dann schnell in die Verlegenheit, den Bezug der Sätze untereinander verdeutlichen zu wollen - "Grund, aus dem sie dies tat" würde in einem Märchen sicherlich nicht negativ auffallen, auch wenn ich solche, hm, 'Workarounds' eigentlich zu vermeiden versuche. Ist auf jeden Fall eine Überlegung wert, diese Stelle zu entknoten.

Vielen Dank fürs Lesen und die Rückmeldung!


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nebenfluss
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Beitrag13.08.2018 23:35

von nebenfluss
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Hallo poetnick,

Zitat:
[quote="poetnick"]Hallo nebenfluss,

ein Märchen das im Grossen und Ganzen im Gewand märchenbekannter Sprache daherkommt, allerdings mit neuzeitlichen App-likationen angereichert und das in Sprachstil und Inhalt deutlich tailliert scheint…
Es tauchen auf: Whats-App-Messenger, Gefrierfächer, Nylons, Steuerformulare und schliesslich die Möglichkeit einer künstlichen Befruchtung durch die Halsschlagader.

Dreadlocks dürften den Gebrüdern Grimm auch nicht bekannt gewesen sein ... nur der Vollständigkeit halber Laughing

Zitat:
Das Unglück der Felicitas, sich an den königlichen Hof zu sehnen und dem seltsamen Verhältnis zum König eine handfestere Gegenseitigkeit abzuringen, dieses Sehnen bleibt Fiktion ihrer Synapsen, die schließlich ein Feuerwerk von Knallkörpern überbordender Fantasien aus Entsagung zünden.

Allein für diese herrlich formulierte Inhaltsangabe hast du deinen nickname mehr als verdient. Wenn ich da an die üblichen Klappentexte denke ...
Zum Weiteren fasse ich mich kurz: Das ist so angekommen, wie es meiner Intention entsprach. Ob nun Quakie für das Pieseln in den Zimmerbrunnen die Todesstrafe erfuhr oder für seine unangemessene Übergriffigkeit, geknutscht werden zu wollen, das kann gerne der Fantasie des Lesers überlassen bleiben.

Zu den konkreten Lesefluss-Hemmern:
Zitat:
Zitat:
hatte endgültig den WhatsApp-Kontakt abgebrochen, genervt von Felicitas' unzähligen Verführungsversuchen, heimlich am Arbeitsplatz herum zu fotografieren.


Hier musste ich 'nachforschen' wer wen nervt und verführen will.

An der Stelle hat meine Frau genau das auch angemerkt. Schlechte Leser-Führung, denke ich. Falls es eine neue Version gibt, werde ich das überarbeiten, danke.

Zitat:
Zitat:
Und ablehnen konnte sie doch immer noch.

Den Satz würde ich weglassen, wirkt auf mich irgendwie drangehängt.

Endlich mal ein kurzer Satz, oder? Naja, mit dem "Und" am Anfang natürlich wirklich ziemlich drangehängt. Eigentlich sollte hier die Ich-Bezogenheit Felicitas' deutlich werden. Ich war allerdings beim Schreiben auch nicht ganz glücklich damit. Muss ich vielleicht anders lösen.
Zitat:
Zitat:
Ungebetene (vielleicht Unerbetene?) Schlüpfrigkeiten knabbern nun an den Synapsen im Kopf der armen Felicitas, Ansichten von in der Sonne des beharrlichen Straßenfegetrainings gebräunten und fein ausmuskulierten maskulinen Knetefingern - greifbares Einvernehmen über Forschungsreisen in bisher höchst verheimlichte Gegenden


Der Satz, so wie er steht, sperrt sich etwas für (m)eine flüssige Lesart. Kann auch knapp daneben liegen, mit der eigenen Optik.

Ungebeten vs. unerbeten ... puh! Darüber müsste ich jetzt meditieren.
Ansonsten bin ich Interpunktionsfetischist und mute meinen Lesern wahrscheinlich zu viele Semikola und Gedankenstriche zu. Bzw. sind das vielleicht auch schein-elegante Ausweichhandlungen, um Sätze nicht besser strukturieren zu müssen (?) Keine Ahnung, ob das eine Antwort ist, ich schau mir die Stelle im Falle einer Überarbeitung nochmals an.

Zitat:
Zitat:
bebeispielt ein halbes Dutzend lächelnder Königinnen mit Sprechblasen am Mund die völlige Risikolosigkeit des Eingriffs. Zur Überprüfung wird das Pflanzen eines Blaubeerbaums im Garten empfohlen, der bei Anschlagen der Therapie monatlich erblühen sollte.
... Mr. Green Die künstliche Befruchtung als Therapie angepriesen.

Why not Laughing  Heißen doch heute alle medizinischen Eingriffe oder auch eher esoterische Behandlungsformen irgendwie -therapie: Physiotherapie, Stammzelltherapie, Aromatherapie ...
Vielen Dank fürs Lesen und die Anmerkungen! Hat Spaß gemacht und motiviert, sich hier nochmals dran zu begeben.


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Beitrag13.08.2018 23:46

von nebenfluss
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Hallo Dinshi,

danke für das Lob!

Dinshi hat Folgendes geschrieben:

Ich würde gerne mehr von Felicitas lesen!


Mir scheint, diese rhetorische Märchen-Klammer, der auch ich nicht entkomme - "Es war einmal [] noch heute" - lässt wenig Spielraum für eine Fortsetzung - es sei denn, ich würde den Tempus-Wechsel noch ins Futur ausweiten, und das wird literarisches Harakiri. Innerhalb der Klammer ließe sich ohne Weiteres mehr über Felicitas erzählen, aber dann gerate ich vermutlich in das Dilemma, ob ich sie selbst noch mag. Die Gute ist ja nicht gerade sehr konsequent. Es könnte zynisch werden - das soll es nicht.

Vielen Dank fürs Lesen!


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nebenfluss
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Beitrag14.08.2018 00:08

von nebenfluss
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Liebe firstoffertio,

firstoffertio hat Folgendes geschrieben:
Lustig finde ich, dass mit Rapunzels Haaren ein König die Straße kehrt. Überraschend die Tür hinterm Kopfende des Bettes, und auch den Blaubeerbaum, den es ja nicht gibt.  

Das war meine Initialzündung, diese Geschichte überhaupt zu schreiben, diese - im wahrsten Sinne des Wortes, wenn man so will - Ver-kehr-ung des Rapunzelmärchens. Was ist das nur für ein seltsames Königreich, in dem der König nicht nur persönlich die Straße fegt, sondern nicht mal einen Besen dabei hat? Vage inspiriert (vermute ich) von Walter Moers. Im "Fönig" wird ein Krieg gegen Frankreich verloren, weil der König seine Tage am liebsten auf dem Flohmarkt verbringt.
EDIT zum Blaubeerbaum: Da bin ich ganz unbotanisch der wortinternen Alliteration erlegen (Bbb) - ob man das so nennt Wink Aber ja, das ist vielleicht eine Stelle, wo es dann doch zu irreal wird. Auf der Suche nach einer Lösung stieß ich doch tatsächlich - was es nicht alles gibt! - auf die Seite blaubeere.net
blaubeere.net hat Folgendes geschrieben:
Einige Gattungen wachsen kriechend auf dem Boden oder kletternd an einem Baum.

Da sollte sich doch mit wenig Aufwand eine Lösung für den Text finden.

firstoffertio hat Folgendes geschrieben:
Etwas Ernstes sehe ich nicht in dieser Parodie. Klamauk halt. Und du hast den Text ja auch im Trash eingestellt.

Klar, ein klassischer Märchen-Ernst im Sinne einer Moral ist hier wohl eher nicht zu finden. Allerdings hat Kaja_Fantasy dem Text eine "insgesamt gute Message" bescheinigt, und auch ich denke, dass die absurde Situation, diese faktisch doch schon recht intime Nähe zum König, die aber trotzdem einem riskanten Eingriff zuliebe ungenutzt bleibt (sowie einiges andere) Analogien zum Zeitgeist forcieren könnte. Muss aber nicht, Klamauk ist letztlich auch kein Schimpfwort für dieses Trash-Märchen (eben). Und die Einordung hängt auch immer von den begrifflichen Schwellen des Lesers ab.
Vielen Dank für dein Reinschauen und den Kommentar!


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Sissi Fuß
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Beitrag14.08.2018 10:07

von Sissi Fuß
Antworten mit Zitat

Interessant, was dabei herauskommen kann, wenn man dem literarischen Gaul die Sporen gibt und dann die Zügel schießen lässt. Allein der Titel ist schon eine Spur genial. Mir gefällt deine dreadlockige Variante eines angestaubten Märchenstoffs. Sie erinnert mich an die Versuche mehrerer psychologisch angehauchter Autoren, die versteckte Erotik in Grimms Märchen zu entschlüsseln. Diese Herrschaften hätten mit deiner Version auch einiges zu tun. Ich weiß nicht, wie ernst es dir mit dieser Geschichte ist, aber sie hat Potential und ich habe sie mit Vergnügen gelesen.

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Beitrag14.08.2018 13:05

von nebenfluss
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Hallo Sissi,

lieber nicht. Die notorischen Schweinskram-Sucher kämen noch auf so abwegige Ideen wie: Die Restfeuchte der Pfirsichkerne im Schlafzimmer sei als Folge des königlichen Haareziehens zu verstehen.
Aber wiederum interessant, was man bei der Recherche dazu findet:
https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article13823696/Erstausgabe-von-Rapunzel-war-so-gar-nicht-jugendfrei.html
Da könnte man glatt auf die Idee kommen, Felicitas würde durch die Geheimtür einen Blick auf den Ursprung ihrer historischen Vorlage werfen.

Ich denke, die Erotik ins (moderne) Märchen zurückzuholen, hat genau deshalb einen besonderen Reiz - um der aus heutigen Sicht bigotten Vorstellung von sittlicher Erzählung in der bekannten Variante (kein Sex jenseits des keuschen Kusses, dafür unglaubliche Brutalität im Umgang mit dem 'Bösen') eine aufgeklärtere, wahrhaftigere Fassung entgegenzustellen.

Danke für das Lob des Titels - ich mag ihn auch sehr.


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