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Der plötzliche Raskolnikow


 
 
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Herr N.
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 293
Wohnort: Augsburg


Beitrag22.07.2018 01:08
Der plötzliche Raskolnikow
von Herr N.
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

---

Der plötzliche Raskolnikow


Wenn man sich am Abend endgültig in Tristesse der engen
Räumlichkeiten zergeht, schon bereit scheint eine weitere Nacht
hier oben in der winzigen Kammer auszuharren und doch nichts
mehr unternehmen möchte, wenn man sich schon ins Bett gelegt
hat und dann nochmals aufsteht, im Kreis herumläuft und an die
eigenen Unzulänglichkeiten denkt, aber draußen der Atem und
Wust des Sennaja das Zuhausebleiben selbstverständlich machen,
wenn jetzt, durch die eigene Gedankenmacherei schon ganz
träge geworden, ein Losgehen bei sich selbst Erstaunen hervorrufen
würde, wenn nun auch die Madame, bei der man außerdem in
Rückstand ist, die Tür auf dem Gang schon geöffnet hat, ein
unbemerktes Vorbeigehen also unmöglich wäre, und wenn man
nun trotz allen Zweifels in die Lumpen steigt, den deutschen Hut
aufsetzt, die Treppe hinabstolpert, kurz innehält und es je
nach Günstigkeit und Glück sogar schafft im Zimmer des Hausknechts
unbemerkt das Beil unter der Bank hervorzustehlen, es in der
Innenseite des Mantels in die Schlaufe einhängt und sich kurz
darauf doch in den mehlschweligen Gassen Sankt Piters
wiederfindet, mit Beinen, die einem diese unmittelbare Freiheit
mit unerwarteter Zielstrebigkeit und Energie beantworten, wenn
man diese günstige Gelegenheit nicht verstreichen lässt und
alle noch verbleibende Entschlussfähigkeit in Kopf und Gliedern
so plötzlich gebündelt merkt, man ja mehr Kraft als Bedürfnis
hat, und wenn man so den glühenden Kanal hinabläuft, - dann ist man
für diesen Abend komplett aus der Starre der Gewöhnlichkeit
herausgetreten, die als Hülle im Sarg unter dem Dach der
Kammer zurückgeblieben ist, während man selbst, für den
aufregenden Moment ganz gefesselt an das was man tun
wird, den Gang beschleunigt und sich zur vollen Gestalt erhebt,
die sonst nur den großartigen Menschen zugedacht ist.
Verstärkt wird alles noch, wenn man unentdeckt bleibt, sobald man
an die Tür der Pfandleiherin klopft, um nachzusehen, wie es ihr geht.



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Stimmgabel
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Beitrag22.07.2018 11:13

von Stimmgabel
Antworten mit Zitat

-

Hallo Herr N.,

ein sehr gelungener ein-Satz Text  Daumen hoch  [ würde ich trotzdem zwei, drei Punkte setzen, gäbe mMn den entsprechenden drumrum_Inhalten einerseits mehr sinnige Gedankenpause, die mMn sowieso im Text sind - wie auch sinnige Betonung, ohne den Gedankenfluss dieses langlaufs_Sujets zu unterbrechen, mMn ].

Und Hach, hast du hier die Folie des Raskolnikow [ oder Schuld und Sühne oder welche synonymen andere Titel für Dostojewskis Werk gelten ] untergelegt … hi hi, mit einem teuflisch finen Ende eben : hier dem abendlichen Axtgänger zur Pfandleiherin die Absicht [ vielleicht nur vortäuschend, wer weiß es schon aus diesem Text ] zu unterlegen, wolle 'er' nur nach ihrem Wohl schauen,

hier so würzig, weiß man vom Folien-Original, dass dieser Raskolnikow die Pfandleiherin und ihre dazu gekommene Schwester axtig erschlägt ... aus paradigmisch selbstverstärkender Habgier, begründet in R;

diesen Fakt der Text hier 'genial' umgeht ... echt toll gelungen.
Text hat Folgendes geschrieben:

, sobald man an die Tür der Pfandleiherin klopft, um nachzusehen, wie es ihr geht.
.

Herr N., erst mal diesen kurzen Besuch in deine Raskolnikow-Melange mit dem Klasse Titel :  Der plötzliche Raskolnikow ,

umso finer dieser Titel, lässt er die innere Intention auf das Prot-Geschehen ebenso gänzlich offen ... und doch, wäre da auch eine wegweisende Spur versteckt, letztlich ohne Inhalt bleibend, hi hi.

Herr N., gerne hier reinbesucht ...  hach, wieder mal [ für mich ] ein literarischer Lesegenuss in Sprache und verführender Wortage   Smile


ein fröh_Tschüss,  Frank ... bis dann, kommt noch was ...

-


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Klemens_Fitte
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Beitrag22.07.2018 11:26

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

Um die Diskussionsgrundlage für alle, die sich noch zu diesem Text äußern möchten, zu erweitern, insbesondere hinsichtlich der sprachlichen Gestaltung:

https://www.textlog.de/3881.html

Franz Kafka hat Folgendes geschrieben:
Der plötzliche Spaziergang

Wenn man sich am Abend endgültig entschlossen zu haben scheint, zu Hause zu bleiben, den Hausrock angezogen hat, nach dem Nachtmahl beim beleuchteten Tische sitzt und jene Arbeit oder jenes Spiel vorgenommen hat, nach dessen Beendigung man gewohnheitsgemäß schlafen geht, wenn draußen ein unfreundliches Wetter ist, welches das Zuhausebleiben selbstverständlich macht, wenn man jetzt auch schon so lange bei Tisch stillgehalten hat, daß das Weggehen allgemeines Erstaunen hervorrufen müßte, wenn nun auch schon das Treppenhaus dunkel und das Haustor gesperrt ist, und wenn man nun trotz alledem in einem plötzlichen Unbehagen aufsteht, den Rock wechselt, sofort straßenmäßig angezogen erscheint, weggehen zu müssen erklärt, es nach kurzem Abschied auch tut, je nach der Schnelligkeit, mit der man die Wohnungstür zuschlägt, mehr oder weniger Ärger zu hinterlassen glaubt, wenn man sich auf der Gasse wiederfindet, mit Gliedern, die diese schon unerwartete Freiheit, die man ihnen verschafft hat, mit besonderer Beweglichkeit beantworten, wenn man durch diesen einen Entschluß alle Entschlußfähigkeit in sich gesammelt fühlt, wenn man mit größerer als der gewöhnlichen Bedeutung erkennt, daß man ja mehr Kraft als Bedürfnis hat, die schnellste Veränderung leicht zu bewirken und zu ertragen, und wenn man so die langen Gassen hinläuft, — dann ist man für diesen Abend gänzlich aus seiner Familie ausgetreten, die ins Wesenlose abschwenkt, während man selbst, ganz fest, schwarz vor Umrissenheit, hinten die Schenkel schlagend, sich zu seiner wahren Gestalt erhebt. Verstärkt wird alles noch, wenn man zu dieser späten Abendzeit einen Freund aufsucht, um nachzusehen, wie es ihm geht.


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Stimmgabel
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Beitrag22.07.2018 12:02

von Stimmgabel
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-

Hach Klemens_Fitte, ich danke dir, dass du diesen Text kanntest, kennst und ihn hier dazu gestellt hast  [ ich kannte ihn nicht, jetzt wunderbar auch ] … Hach Herr N, hast du ja sogar zwei tückische Folien deinem Text unterlegt, echt affengeil  Smile

zudem eine sehr gelungene Sprachadaption von Kafkas Text hinüber in deinen eigenen Inhalt, ganz anderer Couleur,

     Tschüss  Frank …

-


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Pickman
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Beitrag22.07.2018 12:19

von Pickman
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Erst: Wow!

Dann ich so: hin-und-her-gerissen-sein.

Jetzt: auf die Idee muss man erstmal kommen. Und sind wir nicht alle Zwerge, die auf die Schultern von Riesen klettern?

Edit: Wieso eigentlich "Erotik"?


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Rübenach
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Beiträge: 2836



R
Beitrag22.07.2018 12:39

von Rübenach
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Pickman hat Folgendes geschrieben:

Edit: Wieso eigentlich "Erotik"?


Clickbaiting?


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Herr N.
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Beitrag22.07.2018 12:46

von Herr N.
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Rübenach hat Folgendes geschrieben:


Clickbaiting?


hi hi rübenach - oder um es mal schüttelnd auszudrücken (weils ja zurzeit polarisiert): fick-hating? smile


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Herr N.
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Beitrag22.07.2018 12:53

von Herr N.
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Stimmgabel hat Folgendes geschrieben:
-

Hach Herr N, hast du ja sogar zwei tückische Folien deinem Text unterlegt, echt affengeil  Smile

-


oder erotisierend ineinandergedrückt? Razz


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Herr N.
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Beitrag22.07.2018 13:26

von Herr N.
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Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
Um die Diskussionsgrundlage für alle, die sich noch zu diesem Text äußern möchten, zu erweitern, insbesondere hinsichtlich der sprachlichen Gestaltung:

https://www.textlog.de/3881.html



mensch klemens, -  nimmst mir hier komplett den spaß an der diebischen freude Very Happy
trotzdem, dann doch dankesehr, für den input und den hinweis auf die zweite schablone des textes. eh dümmlich von mir, zu glauben, die grundlagen würden hier länger als minuten unerkannt bleiben. Wink
lg
n.


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Pickman
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Beitrag22.07.2018 14:54

von Pickman
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Herr N. hat Folgendes geschrieben:
Rübenach hat Folgendes geschrieben:


Clickbaiting?


hi hi rübenach - oder um es mal schüttelnd auszudrücken (weils ja zurzeit polarisiert): fick-hating? smile


Na, Ihr kennt ja schlimme Wörter.


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Stimmgabel
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Beitrag22.07.2018 15:50

von Stimmgabel
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-

Herr N. hat Folgendes geschrieben:


oder erotisierend ineinandergedrückt? Razz

 - oder um es mal schüttelnd auszudrücken: fick-hating?

.


nun ja, und wie sieht der Schüttelreim aus`... eben :  hit - faking


 … ist's doch das erotische Surreal hinter dem Text  / rutscht dem armen (Spitzweg) Poeten die kommode Schublade heraus - die Marmelade hilft dabei - fällt ihm während ein paniertes Blatt Kotelett heraus, mitt auf das Knie,

jener kreative Moment, der ihn endlich aus seinem Bett herauszieht. Giggt's so stark, die Kraft der Axt. Kleidet sich an und geht zur St. Petersburger U-Bahn, die Sennaja [ zuviele Menschen dort ] entschließt sich spontan jemanden zu besuchen; hat drei Möglichkeiten,

zur Pfandleiherin, Madame Mimsko

oder zum Freund Bülle
oder in der Rue Berthe 73, natürlich dann zu Berthe.


-


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Catalina
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Beitrag22.07.2018 15:56

von Catalina
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Herr N. hat Folgendes geschrieben:
Rübenach hat Folgendes geschrieben:


Clickbaiting?


hi hi rübenach - oder um es mal schüttelnd auszudrücken (weils ja zurzeit polarisiert): fick-hating? smile


chic-faking!!!

 Very Happy
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Herr N.
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Beitrag22.07.2018 19:02

von Herr N.
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insgesamt freut es mich ja, dass hier nun eine lustige runde draus geworden ist - an der stelle nur kurz in eigener sache, dass der text keinesfalls als spaßiger dsfo-klamauk gedacht ist, sondern natürlich in erster linie auch an seriösen meinungen und sogar(!) kreativer auseinandersetzung (mit ihm) interessiert ist.
falls also jemand - wie von stimmgabel bereits initial einigermaßen begonnen - noch etwas konstruktives zur sache zu sagen hat, würde mich das freuen.
viel spaß noch
n.


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Stimmgabel
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Beitrag22.07.2018 20:54

von Stimmgabel
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Herr N. hat Folgendes geschrieben:

… wie von stimmgabel bereits initial einigermaßen begonnen …
.


Teufel nochmal Herr N.,

 "einigermaßen" hört sich echt geilho , so in etwa wie: Hey Bogi, zwar schon recht nett deine beiden textnahen Kommentare, zudem ad 3 ein ernster surrealer Komm [ oder hast du den Textzusammenhang nicht verstanden? ],

aber dennoch, ein bißchen mehr Substanz hätte es schon sein können, wenn schon sonst niemand mitmacht.

Daraufhin deine mindestens philosophische Antwort an mich: oder erotisierend ineinandergedrückt? Razz


Röduljö  Sig … seh grad, meine Zimmergirlande schunkelt brennend vor sich hin, ob das was Kafka'eskes zu bedeuten hat? [ schrieb Kafka an? hab ich vergessen:  ist für mich Dostojewski wie eine Blutsverwandtschaft, auch wenn ich ihn nie direkt kennenlernen konnte … haben D's Romane 'Der Jüngling' und 'Schuld und Sühne' stark meinen 'Prozess' und 'Der plötzliche Spaziergang' inspiriert ].

Wow, ich spür's, wachsen schon krabbel_Beine an mir raus, muss schnell mal zur Pfandleiherin.

aber Hallo, dafür aber ein potz_Grüßle … und schnell weg


-


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Patrick Schuler
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Alter: 29
Beiträge: 1121



Beitrag22.07.2018 21:37

von Patrick Schuler
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Großer Napoleon, die Hülle der furchtbar gewöhnlichen abgestriffen, in Ekstatischen Ecce Homo Schauern und dem Beil (ja, geil, warum eigentlich sowas unhandliches?) unter dem Mantel, ringt er sich in seiner unantastbarkeit ein Hallöle ab. Irgendwie lustig, fasst das doch einen der Hauptstränge ausm Buch zusammen. Da fabelt einer von Größe und merkt nicht das er fabelt. Ich glaub der andere Strang wäre die Erlösung von  der Schuld durch die Liebe. Na ja ist schon gut getroffen, bei dir verbleibt das Große im Kopf, damit stellst du recht deutlich dar, dass es da auch hingehört und nicht darüber hinausgeht. Glaub ich zumindest, ich bin mir nämlich nicht so ganz sicher ob ich das Stück wirklich verstanden habe.

L.G
Patrick
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Herr N.
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 293
Wohnort: Augsburg


Beitrag23.07.2018 01:22

von Herr N.
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hi frank
Stimmgabel hat Folgendes geschrieben:
Teufel nochmal Herr N.,

"einigermaßen" hört sich echt geilho , so in etwa wie: Hey Bogi, zwar schon recht nett deine beiden textnahen Kommentare, zudem ad 3 ein ernster surrealer Komm [ oder hast du den Textzusammenhang nicht verstanden? ],

aber dennoch, ein bißchen mehr Substanz hätte es schon sein können, wenn schon sonst niemand mitmacht.

Daraufhin deine mindestens philosophische Antwort an mich: oder erotisierend ineinandergedrückt? Razz


hier liegt natürlich ein irrtum vor. denn diesen - deinen satz:
Zitat:
ein fröh_Tschüss,  Frank ... bis dann, kommt noch was ...


hab ich tatsächlich mit deinen folgenden kommentaren nicht mehr in verbindung gebracht (hab die eher mit der restentwicklung richtung kokolores verknüpft). das is klar mein fehler und ich hoffe, ne friedenspfeife kann gemütserscheinungen beruhigen -

nun zum eigentlichen, nämlich deinen gedanken zum textgestrick:  

Zitat:
ein sehr gelungener ein-Satz Text  Daumen hoch  [ würde ich trotzdem zwei, drei Punkte setzen, gäbe mMn den entsprechenden drumrum_Inhalten einerseits mehr sinnige Gedankenpause, die mMn sowieso im Text sind - wie auch sinnige Betonung, ohne den Gedankenfluss dieses langlaufs_Sujets zu unterbrechen, mMn ].


da sich der text (des fadens) eng an sprachkomposition von kafkas spaziergang orientiert, war hinsichtlich interpunktion und konditional-bombardement irgendwie nicht so toller spielraum. klar, logo papogogdidogo habe ich mir auch überlegt, ob es sinn macht, einzelne phasen durch neu eingesetzte brüche dem ursprungsmaterial etwas zu entfernen - da mir aber gerade in hinblick auf den irrealis, und eben dessen starke sogwirkung auf den leser in kafkas spaziergang, eine umtexturierung schwachsinnig erschien, hab ichs kruzerhand eng bei der vorlage gehalten.

Zitat:

Und Hach, hast du hier die Folie des Raskolnikow [ oder Schuld und Sühne oder welche synonymen andere Titel für Dostojewskis Werk gelten ] untergelegt … hi hi, mit einem teuflisch finen Ende eben : hier dem abendlichen Axtgänger zur Pfandleiherin die Absicht [ vielleicht nur vortäuschend, wer weiß es schon aus diesem Text ] zu unterlegen, wolle 'er' nur nach ihrem Wohl schauen,


fasziniert hat mich deine lesart dahingehend, dass sie zum einen aus dem kennen des einen werks (dostojewski) und der unkenntnis des anderen (kafka) besteht.
vor allem dein hinweis auf die heimtücke im letzten satz, die raskolnikow, unschuldig mit axt vor der tür stehend der nichts ahnenden iwanowna entgegentransportiert, ist mir selbst so nicht klar gewesen - vor allem, da ich mit diesem letzten satz initial erstmal rein inhaltlich nur eine schlaufe vom mordgeschehen in raskolnikows geschichte zu kafkas ende binden wollte (und aus diesem grund auch nicht vollends begeistert vom ende bin). umso geiler, wenn ich mir jetzt diese zusätzliche gedankentür von dir anschaue, weils ja im grunde faustig aufs charakter-auge raskolnikows passt.


übrigens:

Zitat:

… ist's doch das erotische Surreal hinter dem Text / rutscht dem armen (Spitzweg) Poeten die kommode Schublade heraus - die Marmelade hilft dabei - fällt ihm während ein paniertes Blatt Kotelett heraus, mitt auf das Knie,

jener kreative Moment, der ihn endlich aus seinem Bett herauszieht. Giggt's so stark, die Kraft der Axt. Kleidet sich an und geht zur St. Petersburger U-Bahn, die Sennaja [ zuviele Menschen dort ] entschließt sich spontan jemanden zu besuchen; hat drei Möglichkeiten,

zur Pfandleiherin, Madame Mimsko

oder zum Freund Bülle
oder in der Rue Berthe 73, natürlich dann zu Berthe.


schöne umschreibung der vorgänge, wo steckst du, frank? genau so hat es sich nämlich zugertragen - aber du hast schon recht: oft ists ja eben doch der zufall und dann brauchts nur noch das aktive nacherleben.
sex mit hingeworfenen zufälligkeiten, aus denen dann sowas entsteht - wer sagt da noch niet? ich nicht.
(danke für ad 3 - surrealis Daumen hoch)


Zitat:
Herr N., gerne hier reinbesucht ...  hach, wieder mal [ für mich ] ein literarischer Lesegenuss in Sprache und verführender Wortage   Smile


danke smile (geb ich dann an franz weiter )


Zitat:
Hach Herr N, hast du ja sogar zwei tückische Folien deinem Text unterlegt, echt affengeil  Smile


du meinst: erotisierend ineinandergedrückt?
was übrigens nichtmal scherzhaft gemeint ist. glaubte ich nämlich, dostojewskis armer protagonist, durchsetzt von hochmütigem elend und selbstmitleid, dazu natürlich was besseres als die 'niederen' menschen und an den legitimen mord glaubend, passe toll auf die skizze eines selbstfindenden zusammen, der sich durch eine kurzzeitige lossagung vom familienalltag in form eines spontanen frischluft-ganges, inklusive des anschließenden besuchs beim freund, ein stückchen freiheit zurückarbeitet. so gesehen also eine verschmelzung - obs ein dumpfes stück frankenstein geworden ist, oder zarte erotik, dürfen andere für sich entscheiden.

Zitat:

zudem eine sehr gelungene Sprachadaption von Kafkas Text hinüber in deinen eigenen Inhalt, ganz anderer Couleur,


vielen dank smile

und:
 
Zitat:
Röduljö  Sig … seh grad, meine Zimmergirlande schunkelt brennend vor sich hin, ob das was Kafka'eskes zu bedeuten hat? [ schrieb Kafka an? hab ich vergessen:  ist für mich Dostojewski wie eine Blutsverwandtschaft, auch wenn ich ihn nie direkt kennenlernen konnte … haben D's Romane 'Der Jüngling' und 'Schuld und Sühne' stark meinen 'Prozess' und 'Der plötzliche Spaziergang' inspiriert ].



... das wusste ich nicht. - ist das so? wenn das so ist, dann ists ja ein grandioser zufall, dass jetzt, jahrhunderte (übertreibung) später, beide in einem - und dann auch noch digital, von einem nichtstypen namens herr n. malträtiert werden

danke wieder, frank smile


Zitat:
nun ja, und wie sieht der Schüttelreim aus`... eben : hit - faking


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Stimmgabel
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Beitrag23.07.2018 04:17

von Stimmgabel
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-


Hallo Herr N.,

mir gefällt dein Text immer besser Smile , umso mehr mit dem nun bewussten Wissen über beide ineinander gewobenen Folien  / nach dem ersten Lesen dachte ich, irgendwie kennst du diesen Plot, dann Klemens_Fittes Hinweis in Richtung Kafka's Spaziergang und dann kamen mir wieder einige Erinnerungen deutlicher - und ja die Korrespondenz zu ??? von Kafka über Dostojewski stimmt;

war es ja quasi eine von Kafke selbst-empfundene Platonie, die er zu D's Werken, aber auch zur Person Dostojewskis verspürte [ lebten ja beide real zu verschiedenen Zeiten ], war es umso mehr der immer wieder auftauchende Typus in D's Werken, der Kafka faszinierte. Jener verarmte, dahin-ärmelnde junge Mann mit Geist, der sich dieses Paradigma gab [ seiner irr-legalisierten Einbildung folgend ] sich gegen das gesellschaftliche System um ihn herum (axtig) zu wehren;

ebenso ein Abbild D's Leben tatsächlich. wurde er ja ebenso (zunächst) zum Tode wegen a-systemischen Wirkens und Agierens verurteilt, war er dbzgl paar Jahre im Arbeitslager.

In seiner idee'enden Schreiberei konnte D. natürlich locker jemanden zum zunächst Mörder werden lassen, ist ja quasi diese geldgierige Pfandleiherin letztlich der Repräsentant des gesellschaftlichen Oberschicht-Tentakels, das in Protas Augen bekämpft werden muss [ dieses fresssüchtige Ding, ökonomisch locker abgesichert entgegen des dahin-ärmelnden Protagonisten in G's Werken ]. Wird nun dieser innere Aufbruch im Protagonisten zum literarischen Thema, einerseits sein Axt-Vorhaben umzusetzen, gleichwohl der danach einsetzende Läuterungsprozess im nun defakto Mörder, sich seiner Tat letztlich zu stellen.

Und hier wird nun dein Text wie auch die Kafka -und Dosto-Folie zum figurierten Abbild dieses inneren Aufbruchs … in Kafkas und deinem Text dann der außen-vor gelassene, tatsächliche Mord; dann einzig von Wichtigkeit dieses wieder Leben spüren in Prota und hieraus Agieren. Umso wirkungsvoller der letztlich nur lapidare Akt, sich aus dem Bett aufzuraffen und auf die Straße wieder zu gehen [ wäre es ein nur auf die Straße hinaus gehen ]. Das surreale Bild der Axt in deinem Text ist mMn aprior ein intertextuelles Erinnerungsmerkmal an die Folie, zugleich damit würzig spielend,

braucht der Text nun keinen umgesetzten Mord. Ist es dann der (nur) Besuch hin zu … sehr gelungen  Smile , mMn.

Könnte ich surreal das Axt-Bild in deinem Text als quasi selbstbestärkendes Merkmal und Selbstinfussion von LI verstehen, sich damit seines wieder_Agierens Mut zuzusprechen.

Und die Sache mit der Erotik, nun ernst gemeint Wink , kann ich dieses Aufbruchinitial von LI und das mehr und mehr Spüren einer neuen LI-Bewegung schon als figurativen, erotischen Moment in LI und nah um LI sehen.

In der Gesamtkomposition sehe ich hier ebenso ein faustisches Element angetippt … dieses sich Loslösen von alten Verkrustungen  / hier ein Prozess in LI selbst ablaufend, ohne einen äußeren Mephistopheles; reicht hier nun der eigene,
 
so auch mein surrealer Schlenker hin zum 'armen Poeten' Spitzwegs [ und meinem Gedicht: die pneume Lyrik  Wink ]


und _____________________________________________ :

Herr N. hat Folgendes geschrieben:

du meinst: erotisierend ineinandergedrückt?
was übrigens nichtmal scherzhaft gemeint ist. glaubte ich nämlich, dostojewskis armer protagonist, durchsetzt von hochmütigem elend und selbstmitleid, dazu natürlich was besseres als die 'niederen' menschen und an den legitimen mord glaubend, passe toll auf die skizze eines selbstfindenden zusammen, der sich durch eine kurzzeitige lossagung vom familienalltag in form eines spontanen frischluft-ganges, inklusive des anschließenden besuchs beim freund, ein stückchen freiheit zurückarbeitet. so gesehen also eine verschmelzung - obs ein dumpfes stück frankenstein geworden ist, oder zarte erotik, dürfen andere für sich entscheiden.
.



Herr N., wieder ein Tschüss,  Frank … es war mir ein fines hier Hindurchgehen  Smile

-


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Beitrag23.07.2018 11:32

von Herr N.
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Patrick Schuler hat Folgendes geschrieben:
Großer Napoleon, die Hülle der furchtbar gewöhnlichen abgestriffen, in Ekstatischen Ecce Homo Schauern und dem Beil (ja, geil, warum eigentlich sowas unhandliches?) unter dem Mantel, ringt er sich in seiner unantastbarkeit ein Hallöle ab. Irgendwie lustig, fasst das doch einen der Hauptstränge ausm Buch zusammen. Da fabelt einer von Größe und merkt nicht das er fabelt. Ich glaub der andere Strang wäre die Erlösung von  der Schuld durch die Liebe. Na ja ist schon gut getroffen, bei dir verbleibt das Große im Kopf, damit stellst du recht deutlich dar, dass es da auch hingehört und nicht darüber hinausgeht. Glaub ich zumindest, ich bin mir nämlich nicht so ganz sicher ob ich das Stück wirklich verstanden habe.

L.G
Patrick


hi patrick,

vielen dank, für dein vorbeischauen hier. ob raskolnikow sich das 'hallöle' nun abringt, oder es vielmehr eben, wie in obiger diskussion überlegt, den haken wirft, von geplanter heimtücke einerseits und hin zum technischen rahmen der anderen folie andererseits und dabei durch aussparung des eigentlichen geschehens (der tats. mord) das wissen des lesers zur vorlage quasi voraussetzt und halt erst dadurch die funktion erhält? - dahingestellt. klar kann man den text auch lesen-deuten, wenn beide vorlagen unbekannt.
würde mich eh echt interessieren - wie er dann/ob er überhaupt funktioniert.
ich sehe im werk dostojewskis aber auch zwei große probleme. im von dir angesprochenen zweiten strang (klar, in meiner geschichte im hintergrund ablaufend) - nämlich die lösung von der schuld. hier ist mir dosts weg über eigensalbung hin zur religiösität zu plausibel, als dass ich dem charakter diese form des entschlüpfens zugestehen mag. andererseits auch das liebes-glück ist dann halt ziemlich konstruiert fürs final. wer weiß, wer weiß - ob da doch ein wenig der eigene anspruch entrutscht ist.
frage: stück eventuell nicht verstanden - bezieht sich auf welchen text nun konkret? smile

danke dir, patrick, fürs reinlesen
lg
n.


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Beitrag23.07.2018 12:07

von Herr N.
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Pickman hat Folgendes geschrieben:
Erst: Wow!

Dann ich so: hin-und-her-gerissen-sein.

Jetzt: auf die Idee muss man erstmal kommen. Und sind wir nicht alle Zwerge, die auf die Schultern von Riesen klettern?



hi pickman,

eine interessante darstellung der kaskade deiner empfindungen. meinst du, du kannst mir noch ein paar hilfreiche hinweise geben, inwieweit ich die einzelnen etappen (textal) zuordnen kann? vor allem natürlich bezüglich des 'hin-und-her-gerissen-sein' - zeigt das ja einiges an bewegung, die da in dir stattgefunden zu haben scheint. smile
lg
n.


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Beitrag23.07.2018 18:29

von Herr N.
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hi frank,

Stimmgabel hat Folgendes geschrieben:
-
[...]
war es ja quasi eine von Kafke selbst-empfundene Platonie, die er zu D's Werken, aber auch zur Person Dostojewskis verspürte [ lebten ja beide real zu verschiedenen Zeiten ], war es umso mehr der immer wieder auftauchende Typus in D's Werken, der Kafka faszinierte. Jener verarmte, dahin-ärmelnde junge Mann mit Geist, der sich dieses Paradigma gab [ seiner irr-legalisierten Einbildung folgend ] sich gegen das gesellschaftliche System um ihn herum (axtig) zu wehren;

[...]

In seiner idee'enden Schreiberei konnte D. natürlich locker jemanden zum zunächst Mörder werden lassen, ist ja quasi diese geldgierige Pfandleiherin letztlich der Repräsentant des gesellschaftlichen Oberschicht-Tentakels, das in Protas Augen bekämpft werden muss [ dieses fresssüchtige Ding, ökonomisch locker abgesichert entgegen des dahin-ärmelnden Protagonisten in G's Werken ]. Wird nun dieser innere Aufbruch im Protagonisten zum literarischen Thema, einerseits sein Axt-Vorhaben umzusetzen, gleichwohl der danach einsetzende Läuterungsprozess im nun defakto Mörder, sich seiner Tat letztlich zu stellen.


vielen dank für diesen kurz-exkursigen hinweis auf kafkas/dostojewskis beziehung - weiß man dies nun, liegen einige parallelen förmlich auf der hand. sind ja auch bei kafka meist jüngere (männliche) protas, denen das leid physisch/psychisch mitspielt und sie zu diesen brüchigen gestalten macht und liegt irgendwie auch grundsätzlich über kafkas werk dieser dünstig-ölige nebel des 'unten'. mehr als der des oben allemal, ganz klar.
und coolst dann auch der hinweis auf den allegorischen zusammenhang der pfandleiherin und der von dostojewski befeindeten oberschicht-instanz - kann man ja unendlich weiterspannen. neben deiner idee, die axt auch als selbstantriebliches symbol raskolnikows für das 'vorwärts' zur tat zu  betrachten, könnte man die axt, so an sich als mordinstrument, in ihrer vernichtenden grobheit, die eben die kraft und simplizität (keinesfalls negativ) der arbeitenden klasse vertritt, eben auch direkt als auflehnung dieser klasse gegen das (zugegebenermaßen zur zeit des romans gerade im umbruch befindlichen) systems auffassen.
 - natürlich gehts dann jetzt aber schon zu ins textliche vom ursprungstext, der ja in dieser skizze hier doch stark aufs 1-szenische reduziert ist. interessant allemal.

Zitat:

Und hier wird nun dein Text wie auch die Kafka -und Dosto-Folie zum figurierten Abbild dieses inneren Aufbruchs … in Kafkas und deinem Text dann der außen-vor gelassene, tatsächliche Mord; dann einzig von Wichtigkeit dieses wieder Leben spüren in Prota und hieraus Agieren. Umso wirkungsvoller der letztlich nur lapidare Akt, sich aus dem Bett aufzuraffen und auf die Straße wieder zu gehen [ wäre es ein nur auf die Straße hinaus gehen ]. Das surreale Bild der Axt in deinem Text ist mMn aprior ein intertextuelles Erinnerungsmerkmal an die Folie, zugleich damit würzig spielend,


klar, im grunde sind die axt und die benennung der pfandleiherin die stärksten bezugspunkt, die ein leser hat, um die verknüpfung zum original herzustellen. eventuell noch die erklärung, dass die sache in st.petersburg spielt und der herr protagonist sich in lumpen befindet und einen 'deutschen hut' trägt (der zur damaligen zeit schon massiv out war Twisted Evil )
surreal wäre in dem sinne die axt für mich dann aber auch nur, wenn sie dann in der von dir oben angesprochenen symbolik gelesen würde, also im zusammenhang nicht davon auszugehen ist, dass sie letztlich überhaupt zum einsatz kommt, da sie ein traumgebilde und für etwas anderes stehend ist. natürlich: ein leser, der raskolnikows geschichte nicht kennt mag den grund der axt anders deuten.


Zitat:
Könnte ich surreal das Axt-Bild in deinem Text als quasi selbstbestärkendes Merkmal und Selbstinfussion von LI verstehen, sich damit seines wieder_Agierens Mut zuzusprechen.

 
siehe oben - geh ich voll mit und super, dieser 'einwand' Daumen hoch

Zitat:
Und die Sache mit der Erotik, nun ernst gemeint Wink , kann ich dieses Aufbruchinitial von LI und das mehr und mehr Spüren einer neuen LI-Bewegung schon als figurativen, erotischen Moment in LI und nah um LI sehen.


sehe ich ähnlich: der aufbruch als neues körperliches erleben. zeigt sich ja deutlich in der neuen beweglichkeit des protas, als dieser sich dann doch zum glühenden kanal begibt und der erkenntnis, das es da geistig (die kraft überwiegt das bedürfnis) gar kein großes zutun bedarf - man also einen reiz in sich spürt, der zumindest das träge dahinvegitieren für jetzt mal ablöst. trotz allem steht auch hier natürlich wieder die inhaltliche ebene der schablone dazwischen, denn dann liegt es natürlich vordergründig vor allem an der adrenalinigen spannung vor der tat, die den prota so erhitzen lässt ...

Zitat:
In der Gesamtkomposition sehe ich hier ebenso ein faustisches Element angetippt … dieses sich Loslösen von alten Verkrustungen  / hier ein Prozess in LI selbst ablaufend, ohne einen äußeren Mephistopheles; reicht hier nun der eigene,


auch hier: ja, kann ich mitgehen. klar, wieder gehts um das suchen, irgendwie die frage nach dem sinn - zumindest aber mal um einen ausbruch aus dem selbstmitleidig empfunden morast des 'ich'. da brauchts vielleicht nicht den pakt mit dem teufel direkt, oder dem zweifel am absoluten glück und dem kompromisslos erfüllten leben (und mal ganz klar nicht jemanden, der einem das mal so eben vor die füße setzt!) - ganz sicher aber die parallele eindeutig und wenn roskolnikow statt des beils einen pudel unter der bank fände ... who knows? Laughing
 

frank, danke nochmal, fürs gewohnt diepe rumwurschteln -
lg
n.


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Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag23.07.2018 20:47

von Jenni
Antworten mit Zitat

Danke Herr N. und Klemens, für diese beiden Texte, die nebeneinander zu betrachten ich sehr interessant finde.
Den Kafka-Text kannte auch ich nicht, und ich finde ihn grandios gut. Du hast ihn verwoben mit Schuld und Sühne, das ich vor längerem gelesen habe, mir aber punktuell noch sehr eindrücklich in Erinnerung ist. Ich denke aber, deshalb danke an Klemens, dass man sich deinem Text über den Kafka-Text nähern sollte.
Stilistisch ist dir die Umsetzung deines Vorhabens, dessen Intention mir noch nicht ganz klar ist, sehr gut gelungen, wie ich finde, einerseits die Struktur und den Spannungsaufbau, selbst die Pointe in gewisser Weise (aber*), beizubehalten, andererseits deine eigene Stimme zu finden, die dem Text dennoch gerecht wird. Würde man das als eine Schreibübung betrachten, dann muss ich sagen: bravourös gelöst.
Jedoch das aber und zugleich meine Überlegungen zu deiner Motivation für dieses Mashup, sprich der künstlerischen Weiterentwicklung der Originaltexte um ihnen eine eigene Aussage hinzuzufügen - denn das sollte doch das Ziel sein, wenn es sich um kein bloßes Fingerspiel handelt. Ich habe das Gefühl, indem du deinen Spaziergänger zu seinem Mordopfer führst, so unschuldig er auch an sein Verbrechen herangehen mag, brachialisiert du in gewisser Weise einen Aspekt, den der Kafka-Text bereits enthält, nur eben jener in sehr subtiler Dosis. Ich denke, in Kafkas Text geht es ebenfalls um Schuld und um deren Rechtfertigung. Nicht um Mord, aber doch um eine Art der Gewissenlosigkeit, die vor sich selbst verleugnet wird. Der Spaziergänger lässt die Familie beim Abendessen zurück, vorgeblich aufgrund eines spontanen Impulses, doch der eigentliche Grund ist Überdrüssigkeit und die Freiheitssehnsucht, lieber mit dem Freund einen draufzumachen. Und diese Schuld, die dem Erzähler auf einer Ebene bewusst zu sein scheint, wird so heiter-ironisch wegdiskutiert, dass einem der Erzähler in seinem egozentrischen Vorhaben doch sehr sympatisch ist. Und dieses Motiv kehrst du nun heraus und überspitzt es auf die drastisch möglichste Weise, indem du den Spaziergänger zu Raskolnikow machst. Vielleicht ist das sehr schlau und kann als Interpretation des Originaltextes gelten. Vielleicht ist es aber auch eben dem Ursprungsmotiv einen Holzhammer aufsetzen. Da bin ich echt nicht sicher. Irgendwie ist sie schon großartig vollkommen, die Parallelität, die du hergestellt hast, nur wie gesagt: was ist deine Aussage außer der Erkenntnis dessen.

Mich würde sehr interessieren, was deine Intention tatsächlich war. Vielleicht fällt ja der Groschen noch.

Gerne gelesen jedenfalls und ich bin gespannt auf etwaige weitere Gedanken und Kommentare zum Text / den Texten.
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Herr N.
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 293
Wohnort: Augsburg


Beitrag24.07.2018 10:25

von Herr N.
pdf-Datei Antworten mit Zitat

hi jenni,

Jenni hat Folgendes geschrieben:
Jedoch das aber und zugleich meine Überlegungen zu deiner Motivation für dieses Mashup, sprich der künstlerischen Weiterentwicklung der Originaltexte um ihnen eine eigene Aussage hinzuzufügen - denn das sollte doch das Ziel sein, wenn es sich um kein bloßes Fingerspiel handelt. Ich habe das Gefühl, indem du deinen Spaziergänger zu seinem Mordopfer führst, so unschuldig er auch an sein Verbrechen herangehen mag, brachialisiert du in gewisser Weise einen Aspekt, den der Kafka-Text bereits enthält, nur eben jener in sehr subtiler Dosis. Ich denke, in Kafkas Text geht es ebenfalls um Schuld und um deren Rechtfertigung. Nicht um Mord, aber doch um eine Art der Gewissenlosigkeit, die vor sich selbst verleugnet wird. Der Spaziergänger lässt die Familie beim Abendessen zurück, vorgeblich aufgrund eines spontanen Impulses, doch der eigentliche Grund ist Überdrüssigkeit und die Freiheitssehnsucht, lieber mit dem Freund einen draufzumachen. Und diese Schuld, die dem Erzähler auf einer Ebene bewusst zu sein scheint, wird so heiter-ironisch wegdiskutiert, dass einem der Erzähler in seinem egozentrischen Vorhaben doch sehr sympatisch ist. Und dieses Motiv kehrst du nun heraus und überspitzt es auf die drastisch möglichste Weise, indem du den Spaziergänger zu Raskolnikow machst. Vielleicht ist das sehr schlau und kann als Interpretation des Originaltextes gelten. Vielleicht ist es aber auch eben dem Ursprungsmotiv einen Holzhammer aufsetzen.



aus deinem sehr ausführlichen und wertigen kommentar (nee echt cool, hab dich - glaub ich - noch nie in nem faden von mir gehabt und insgeheim immer drauf gehofft Daumen hoch² Twisted Evil) lese ich eine starke orientierung am kafka-text heraus. dieser dient dir, scheinbar (also wirkt so auf mich) als basis für sämtliche deiner folgenden überlegungen. auch schlägst du ja aus diesem grund, klar, logisch, wieso nicht, eingangs deutlich vor, dass es am besten sei, man 'nähere' sich dem text bestenfalls über kafkas-spaziergang. hier wink ich dir vom anderen ufer entgegen, denn ich würde da keinen der beiden texte, im sinne eines deutungszuwachses, dem anderen voranstellen. aus diesem grund kommst du auch zur - und das ist meine meinung - fehlannahme, der text (des fadens) setze die figur des raskolnikow in die rahmenhandlung des spaziergangs und brachialisiere dadurch die subtile handlungsstruktur, rund um die motive 'schuld' 'gewissenlosigkeit' und eben 'freiheitsbestreben'. absurderweise ist das genaue gegenteil der fall: der text ist klar in der skizzierten st.petersburger welt dostojewskis verortet und eben nicht in der abendlichen, doch eher leer anmutenden kleinstädtischen spaziergangsatmosphäre in kafkas stück. kafkas spaziergang ist der technische rahmen, in dem raskolnikow seinen motiviert/unmotiviert selbstsucherischen mordplan in die tat umsetzt. Hier wird also nicht eine rabiate figur (wenn sies überhaupt ist) wie raskolnikow einfach in einen ‚subtil‘ schönen abendspaziergang verpflanzt, um dort mit der axt sämtlichen stilmitteln der textstruktur den holzhammer aufzusetzen, sondern eine der essentiellen szenen in schuld und sühne (oder andere betitelung) in den rahmen der 'technischen' umsetzung des 'plötzlichen spaziergangs' gelegt. gründe dafür sind zum einen die parallelität und aber eben auch die gleichzeitige große differenz beider handelnden figuren. auf der einen seite ein eher nachvollziehbares, und wahrscheinlich sogar vom leser oftmals nacherlebtes, gefühl der flucht aus einengenden familiären zwängen - hin zu guten freunden. und auf der anderen seite eben ebenfalls dieser fluchttrieb, allerdings eher doch weg von der eigenen jetzt-existenz und hin zu einem ideologischen modell der überhöhung, inklusive mord, mit dessen konstellation sich eine leserin womöglich schwerer identifizieren wird. dies also wohl auch ein spiel mit- und provokation von gefühlen (egal welcher richtung!) in den lesern.
auch sehe ich es anders, bzw. nicht wie du. denn in kafkas spaziergang geht es meiner meinung nach keineswegs um irgendwelche schuldgefühle, oder gar versteckte gewissenlosigkeiten, die prota vor sich selbst verleugnet. ebenfalls kann ich für mich den heiter-ironischen ton nicht erkennen, ganz anders: in meinen augen ist kafkas skizze sehr tiefgründig und ernsthaft. die figur des spaziergängers strahlt für mich deshalb auch keine egozentrik aus, sondern vielmehr eine suchend-melancholische zurückhaltung, die szenisch einmalig ins gegenteil explodiert: dem ausbruch. ich sehe hier tatsächlich stark den fokus auf dem, was im letzten satz geschieht: der besuch beim freund. und dieser kommt meines erachtens ebenfalls nicht geplant, sondern resultiert erst aus der eingangs-entfernung vom familientreff, das ich übrigens gar nicht so absolut wahrnehme. den besuch beim freund denke ich mir wie eine plötzlich schöne möglichkeit, eine nebenher entstandene idee, die dem fliehenden prota an der frischen luft kommt und trotz allem als das pointierte ende funktioniert, da es in aussage so etwas wie rückbesinnung auf alte zeiten bedeutet - und dann auch auf so was wie 'männerfreundschaft'.
ich kann deine aussage, der text würde einem ursprungsmotiv den 'holzhammer' aufsetzen, also insofern nicht unterschreiben, als dass sie von einer lesrichtung mit dann doch starkem fokus auf den erzählinhalt des kafka-textes fußt, den wir zusätzlich scheinbar komplett verschieden deuten und vorliegenden text eben dahingehend verstehend erklärt, dass raskolnikow sich in der welt des plötzlichen spaziergangs befindet und dort, quasi rabaukig-axtschwingend, den subtilen duktus in kafkas erzählung überspitzt. gut: dies ist eben dein persönlicher leseindruck als rezipientin und natürlich muss ich, als autor, mir den schuh auch dann anziehen, wenn meine gewollte linienführung nicht so eindeutig zum vorschein gekommen ist.  soviel nur kurz dazu.

nun zur intention/motivation/zielsetzung:
Zitat:
Jedoch das aber und zugleich meine Überlegungen zu deiner Motivation für dieses Mashup, sprich der künstlerischen Weiterentwicklung der Originaltexte um ihnen eine eigene Aussage hinzuzufügen - denn das sollte doch das Ziel sein, wenn es sich um kein bloßes Fingerspiel handelt.


kurz: klar ist das hier in erster linie auch eine fingerübung. ein versuch, zwei texte - zudem verschiedener gattung - thematisch, strukturell übereinanderzulegen und dadurch etwas neues zu basteln hat in sich schon automatisch was mit konstruieren und technischem kalkül zu tun. fingerübung - können wir gerne so nennen (und selbst, wenn du das eher negativ konnotiert hast, heb ich freundlich die hand und rufe: yep, fingerübung! Wink ).
dies bringt mich dann zur motivation. tatsächlich stand hier zuallererst mal die idee - aufgrund oben angesprochener und auch von mir empfundener parallelität beider ausgangsvorlagen zueinander - beide werke ineinanderzuweben. ganz klar war es mir in diesem fall eben nicht wichtig, dem text eine eigene aussage hinzuzufügen, sondern vielmehr zu untersuchen, ob eine neue aussage allein aufgrund des zusammenfügens entstehen kann. wie nun in weiter oben stehenden diskussionen zu sehen, scheint das nicht ganz ungelungen (es sei denn, man steckt das herumphilosophieren von stimmgabel und mir in die schublade ulkiges gefasel Wink)
auch finde ich es faszinierend, dass unter meinen kolleg*innen scheinbar immernoch die ansicht vorzuherrschen scheint, man müsse aller kunst initial und vor der umsetzung einen eigenen sinn anheften, damit sie ihre daseinsberechtigung als vollwertiges produkt erlangt. ich denk da gerade an ein zitat von joan miró zu seiner 'frau und vogel' - mir ist es entfallen Twisted Evil

liebe jenni, vielen dank für die kritische betrachtungen und deinen besuch hier, ist mir eine freude smile
lg
n.


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