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Deutschland, im Krach


 
 
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elif
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 27
Wohnort: Nordwestmecklenburg


Beitrag14.07.2018 14:02
Deutschland, im Krach
von elif
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Der Kapuzenpullover reizte an meiner Haut: Ich hatte zu wenig Schlaf. Ich schlug meinen Rucksack auf, klaubte einen Hefter und den Stift raus. Geschichte fand in diesem Semester ohne Buch statt. Stattdessen war es der Lehrer, der ausführte – und wir, wir schrieben immer nur mit in der elften Klasse, wir schrieben, und wir hörten. Manchmal kam auch das Sehen hinzu in Form von Filmen, heute nicht. Es reichte aus, was gesagt wurde. Lehrer Weber sprach von um sechs Millionen. Menschen! Im Holocaust. Die ihm zum Opfer fielen. Nicht irgendwo. Auf dem Boden, auf dem wir atmeten, aßen, uns liebten – und feierten. Und irgendwo wäre auch nicht besser gewesen.

Ich ging. Der Flur wurde mir eine Zuflucht. Ich weinte. Elias wurde mir eine Zuflucht. Er kam nach. Schaute mich an. Schaute nach mir. Wir gingen wortlos wieder in die Stunde. Der Pullover kratzte immer noch.

Wenn Elias mir nicht nachgegangen wäre, hätte er später gemerkt, wie eigentlich bin ich. So sah der neue Schüler es gleich. Was folgte, waren eine Brosche mit Imitat-Smaragd – zum Geburtstag – ein Strauß Kräuter auf der Schulbank – aus dem eigenen Garten, ganz einfach so – und eine Liebeserklärung zu Weihnachten.

Und jetzt war Weihnachten schön.

In der 10-minütigen Pause zu Bio zeichnete ich ein Daumenkino. Ich band es nicht mit einer Schleife. Ich malte es nicht wie sonst in ein ausgeliehenes Buch. Diesmal nur nahm ich den Hefter und zeichnete Schuhe herein. Erst einen, dann zwei. Dann immer mehr – und am Ende des Nacheinanders prangte eine Unmasse … an Schuhen.

Und die Traurigkeit wich nicht Bio. Ich war die ganze Stunde in Gedanken. Die Bakteriophage übte anscheinend auch auf Elias keinen großen Einfluss aus: Er sah auf seinen zugeklappten Hefter.

Nach der letzten Stunde gingen wir ein Stück gemeinsam. In Berlin war gerade Kirschblüte. Von der S-Bahn-Station Wollankstraße aus erblühten sie heftig. Wir gingen hindurch, Elias nahm sich eine Blüte, die geradewegs auf meinen Pullover fiel, und steckte sie hinters Ohr. Schien selbst zu erblühen. Das Handy zückte ich nicht. Ich wollte die 3 Sekunden, nicht die 3 MB.

Berlin ist so offen! Berlin war so offen. Immer! Immer und immer schon. Wie da nur konnten die Nazis die Macht erringen? Fragte Elias. Ich fragte das auch. Nicht ihn, mich! Ich wollte auf den Grund dessen. Ein Plan kristallisierte sich aus einem Vakuum der Ohnmacht. Er würde sich bald manifestieren und mehr und immer mehr. Berlin war rot damals. Wie nur, wie, Elias schüttelte den Kopf und es schüttelte mich. Es rüttelte mich. Und rüttete schon jetzt an mir. Unser Berlin, das ging ungefähr von den roten Nelken hinterm eigenen Jugendstilhaus bis hin zur Szene-Bar Klunkerkranich in Neukölln, mit der Tram einmal durch die ganze Hauptstadt. Es würde für mich bald die Topografie des Terrors in Kreuzberg, das Holocaust-Denkmal in Mitte und das jüdische Waisenhaus in Pankow werden. Ich war auf einem Weg. Wohin würde er führen. Sie ja WAREN alle schon tot. KONNTE der Weg noch irgendwohin führen. Ich fragte mich das.

Wir gingen ins Mirabelle, einen Tee. Ich trank den grünen, ich trinke den ganzen Tag grünen, meist meinen milden, am Nachmittag zuhause, da trinke ich mehrere Kannen, es ist auch unbedenklich. Elias nahm den Iced Berries und so saßen wir da, saßen – und sinnierten. Wer war Mitläufer und wer schwieg. Das fragten wir auch. Uns und den Erdball, die Frage auch betraf – uns und den ganzen großen Erdball. Und was war schlimmer? Der Mitläufer? Der unaufhörlich Schweigende? Für nichts als Tote – sorgten beide. In welchem Umfang ein Widerstand und wie konnte er ausgesehen haben.

Der Tee schmeckte nach Blei. Daran war nicht das Mirabelle Schuld. Vielmehr zog es mich wie Blei herunter und ich, ich kam nicht wieder hoch. Es schmeckte gar der Tee so!

Nazis sind Arschlöcher, sagte Elias. Nazis sind Arschlöcher, sagte auch ich. Lapidar war gut. Gut war oft lapidar. Später, zuhause in der Winterstraße, wieder Tee, die Hausaufgaben, eine Geige und die Mutter. Das Dritte Reich, wir nahmen es erst in der Elften durch: Ausfall, viel davon, als Grund.

Emaryll, willst du mit ins EKZ. Heute nicht, so ich, heute für mich bitte kein KZ (auch wenn die Mama doch nur ins Alexa wollte). Es kam mir etwas in den Sinn. „Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um euer Herz gelegt“: Das kam mir in den Sinn. Aus dem fünften Flugblatt der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ stammte es – und aber stimmte es? GING es hier um eine Gleichgültigkeit? Oder war es eher, dass etwas auf Arten gebilligt wurde, hingenommen, aber sicher doch auch nicht gleichgültig, noch nicht mal für die Schweigenden, da für den Mensch doch zu shocking. Dass sie es wussten, stand für mich außer Frage. Mit der Asche der Leute wurden die umliegenden Äcker gedüngt. So Lehrer Weber …

Nein, und aber um Tops, Jeanshosen und Taschen sollte es an diesem Nachmittag nicht für mich gehen, dafür stand ich zu neben mir, ich hätte das an diesem Tag nicht gewollt. Obwohl ich Mode mochte. Es, für mich, war sogar feministisch, da Ausdruck von Kreativität und Lust. Zudem, ich mochte es visuell, liebte auch Gemälde, Fotografien und Designer-Möbel, nur heute war an mich einfach dieser ganz schöne Koloss an Stein gebunden.

Ich machte mir noch einen grünen und legte mich auf mein Jugendbett. Das Bettzeug war im Kasten, darunter, ich nahm mir ein Plaid und legte mich auf den Rücken. Kann nicht sein, dachte ich wieder und wieder. Kann einfach nicht angehen. Ich war erschüttert, das auch zutiefst.

Esther rief noch an, kommst du rüber, Emaryll – es war nichts weiter, miteinander rumhängen eben, und ohne es weiter zu bedenken, fuhr ich direkt los.

Am Wochenende stand der Geburtstag meiner Tante Beata an. Beata, Schwester meiner Mutter, wohnte in Charlottenburg. Sie lud zum Kaffeetrinken. Es könnte sein, es war auch so, ich hatte gar keine Lust auf Kaffeetrinken. Zu viel noch spukte mir von der Geschichtsstunde im Kopf herum. Ich fuhr dann aber mit, aß die Torte, aß auch den Kuchen, gegen frühen Abend hin nahm ich mir eines der Fotoalben, die ich dort noch nie gesehen hatte, die nun aber lagen. Mir stockte ziemlich bald der Atem und stockte er lange. Da es dicke – und viele – Alben waren. Und da darin – die Urgroßeltern waren, auch beim Kaffee, auch beim Kuchen, und ganz manchmal sah man im Hintergrund Leute mit Hakenkreuzen an den Oberarmen ...

Wie waren sie. Wie waren die Urgroßeltern, lebend in einer solchen Zeit, wie konnten sie sein und wie waren sie schlussendlich?!

Ich fragte in die Runde, absolute Stille. Ich dachte hä; aber es war nur weiter und weiter still und immer stiller ...

Das waren liebe Leute, sagte meine Oma. Es wäre ja eine schwere Zeit gewesen. Wie wir gelitten haben! Mehr kam nicht wirklich, so dass ich wieder fragte, ich fragte mehrmals, wie es meine Art war. Aber das Schweigen griff über.

Nach dem Abendbrot zog Cousine Larissa mich zur Seite. Sie waren Nazis, Emaryll. Sie ging weg, kam wieder mit noch einem Album. In diesem hat auch der Urgroßvater eine Hakenkreuzbinde um. Wir hatten einen behinderten Menschen in der Familie. Den Bruder deines Urgroßvaters. Im Euthanasieprogramm wurde er getötet. Es gab Absprachen mit der Familie. Ich lief in den Raum, in dem die anderen bei Portwein saßen, nahm ein Glas, ließ es kerzengerade nach unten schellen. Es gab einen Karl Wiedekind, sagte ich, aber statt das erst einmal wirken zu lassen, RECHTFERTIGTEN sich auf einmal alle. Es war ekelerregend. Meine Mutter wollte auch sofort losfahren. Ich LIESS sie gewähren. Warum bekomme ich nichts aus euch raus, fragte ich auf der Autofahrt. Auch da kam nichts als nichts. Meine Familie war nicht sehr geistreich, noch nie. Hier aber hätte es nur Menschlichkeit bedurft! Ich verstand nicht.

Traf mich von da an viele Male mit Larissa. Ich wollte nicht nur die Infos. Es tat auch gut, mit ihr zu sitzen. Selbst deine von dir in der Kindheit so geliebte Spreewaldpuppe hat eine zappendustere Vergangenheit, sagte Larissa. An ihre Schöpferin, Pauline Krautz, erinnert heute ein Stolperstein in der Sandower Straße in Cottbus.

Bald folgten Gespräche, in denen auch Elias war. Es folgten so viele ihrer. Und ich, ich kam und kam nicht klar. Spürte einen große geistige Distanz zur Familie und ließ auch eine reale folgen. Sie sagten dazu: Die Emaryll! Die wird sich schon wieder fangen, die haut mal wieder durch, aber wahrscheinlich wussten sie es da schon besser. Wie sie von Allem immer gewusst haben.

Zusammen mit Elias und Larissa verfolgte ich alles weiter, Berlin wurde uns zum großen weiten Spielplatz des Nationalsozialismus'. Verstehen wollten wir, was zu verstehen war. Ich weiß, das klingt furchtbar. Aber verstehen wollten wir, was zu verstehen war.

Ich war im Jüdischen Museum: Eine Umfrage wurde abgespielt. Befragt wurden alte Menschen, die nahe eines ehemaligen KZs lebten. Niemand gab an, etwas gewusst zu haben. Wir haben nichts gesehen, wurde da gesagt. Wir haben von nichts gewusst, auch. Ein Ehepaar jagte die Interviewenden vom Hof. Es war nicht mehr angesagt, Nazi zu sein.

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Charlie Rose Kane
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 47
Beiträge: 197
Wohnort: Leipzig


Beitrag14.07.2018 15:41

von Charlie Rose Kane
Antworten mit Zitat

das hat - für mich - sehr, sehr viel charme. also ich meine den unperfekten sprachstil. das muss bitte unbedingt so bleiben, auch wenn dir hier vielleicht der eine oder andere etwas gegenteiliges mitteilen mag.

das passt zur multi-kulti-jugend deutschlands.

und das thema ist natürlich immer wieder höchst aktuell und gerade in der heutigen zeit so, soooo wichtig.

du bist nicht dt. muttersprachlerin? egal ...

der text ist sehr gut.


_________________
~c.r.k. ~
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elif
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 27
Wohnort: Nordwestmecklenburg


Beitrag15.07.2018 09:09

von elif
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ist genau der Sprachstil, den ich will. Er wurde teils bewusst herbeigeführt über zwei Jahre des literarischen Schreibens, vorher Journalismus, teils hat er sich auch mehr herauskristallisiert so nach und nach. Ich bin deutsche Muttersprachlerin und schreibe, rechne ich den Journalismus mit ein, schon viele Jahre. Soll so ... Danke für die Kritik.
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Dinshi
Geschlecht:weiblichWortedrechsler


Beiträge: 51
Wohnort: Limes


Beitrag06.08.2018 14:26

von Dinshi
Antworten mit Zitat

Hallo Dana,
Dein Text hat mich sehr berührt!
Dein "unperfekter" Sprachtil passt sehr gut, lässt mich am Innenleben der Protagonistin teilhaben. Am besten gefiel mir der Satz:
Zitat:
Ich wollte die 3 Sekunden, nicht die 3 MB.

Nur an dem Satz kam ich gar nicht vorbei:
Zitat:
Wenn Elias mir nicht nachgegangen wäre, hätte er später gemerkt, wie eigentlich bin ich.

Müsste es nicht heißen: ...wie ich eigentlich bin.
Oder wenn Du daran festhalten willst: ...wie eigentlich bin ich?
Dein Thema finde ich richtig, wichtig und auch mutig! Ich hatte nur Schwierigkeiten der Protagonistin abzunehmen, dass ihr die NS-Vergangenheit Deutschlands erst in der 11. Klasse so richtig aufgeht. Wenn ich daran denke, wie ich während meiner gesamten Schulzeit mit dem Thema bombardiert wurde, ist das für mich etwas unglaubwürdig. Aber sonst funktioniert Dein Text nicht, wenn Du daran etwas änderst. Das ist auch nicht ausschlaggebend. Text und Stil sind trotzdem sehr gut.
Wenn Du den Text als eigenständigen Text ohne Fortsetzung so stehen lassen willst, würde ich den letzten Absatz streichen. Dann hätte er eine Art Ende.
Alles Gute weiterhin! Bin gespannt auf Weiteres von Dir.
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reißwolf
Leseratte


Beiträge: 138



Beitrag16.10.2018 16:43

von reißwolf
Antworten mit Zitat

Uralter Thread zwar, aber etwas muss ich doch loswerden:
Lustig, dass hier - wenn auch lobend - von einem "unperfekten" Sprachstil gesprochen wurde. Ich empfinde die Sprache im Gegenteil als hochgradig ausgereift. Dass der Ton tastend und suchend wirkt, ist in Wirklichkeit das Resultat einer Textarbeit, die nichts dem Zufall überlässt. Nein, die Autorin ist nicht mit der tastenden Protagonistin identisch, im Gegensatz zu der weiß sie nämlich genau, was sie tut.
Die Sprache lotet die Grenzen der Grammatik aus - für mich eine Analogie zur Suche der Protagonistin.
Der Tonfall ist dem Thema angemessen. Wenn man es mit Unfassbarem zu tun hat, muss das Ungereimte überwiegen, das Krumme, das, was klemmt. Man sollte das Fragezeichen hören, und das tut man. Alles andere wäre unfreiwillig verharmlosend.
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elif
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 27
Wohnort: Nordwestmecklenburg


Beitrag21.10.2018 01:54

von elif
pdf-Datei Antworten mit Zitat

@reißwolf

Ist sogar alles Sprache für mich.

Danke.
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holg
Geschlecht:männlichExposéadler

Moderator

Beiträge: 2396
Wohnort: knapp rechts von links
Bronzenes Licht Der bronzene Roboter


Beitrag12.11.2018 17:20

von holg
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Hallo Dana.

Wie schön, dass der Text nochmal hochgespült wurde. Er wäre mir sonst glatt durchgegangen.

Du weißt selbst, dass er ziemlich grandios ist, also will ich nicht lange lobhudeln.

Was ich gerne tun würde, ist sagen, dass selbst solche kleinen Redundanzen wie
 
Zitat:
Geburtstag meiner Tante Beata an. Beata, Schwester meiner Mutter,

(es ist mir völlig wurst, ob Beata Tante mütter- oder väterlicherseits ist) gar nicht stören. Im Gegenteil. Sie passen zu Stil und literarischem Ich.

Noch viel lieber würde ich gerne von dir was dazu lesen, wie solch ein Text bei dir entsteht. Magst du darüber ein paar Worte sagen?
Wie du von der Idee zum fertigen Produkt kommst, wieviel Intuition ist, wieviel Planung und bewusstes Setzen?
Da könnten wir alle hier einiges von lernen.
Andererseits verraten Magier ihre Tricks nicht.

LG


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Why so testerical?
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elif
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 27
Wohnort: Nordwestmecklenburg


Beitrag13.11.2018 20:51

von elif
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Guten Abend holg!

Du bekommst ein dickes "Danke" - und ich gehe gleich kurz zur Beata-Redundanz, wo das "Beata" bei "Beata, Schwester ..." eine Betonung ist, die zu Langeweile führen soll und damit einer Einheit von Inhalt und Form. Es ist Einleitung für Fakten wie "Schwester meiner Mutter", "Charlottenburg" und "Kaffeetrinken", die ja auch eher langweilig sind und die ich deshalb auch gern so klingen lasse. "Es könnte sein, es war auch so, ich hatte gar keine Lust auf Kaffeetrinken." ist dann wieder sperriger: Und da auch steht 'n relevanter Fakt. Das ist dann wieder mehr Dana Dolata.

Zudem, der Klang wäre ganz anders, hätte dort gestanden: "Am Wochenende stand der Geburtstag meiner Tante Beata an. Beata wohnte in Charlottenburg. Sie lud zum Kaffeetrinken. Es könnte sein, es war auch so, ich hatte gar keine Lust auf Kaffeetrinken." Satz normalsten Rhythmus', dann kurz, nochmal kurz, dann frickelig ... das WIRKT halt völlig anders und nicht so schön, wie ich find'.

Ich denke darüber auch nach. Der Text hat aber schon einen Klang, wenn ich ihn das erste Mal aufschreibe. Diesen Klang versuche ich im folgenden mehrmaligen Drübergehen an möglicherweise noch schwammigen Stellen zu unterstreichen, indem ich dort sprachlich sperriger werde. Das soll den Fluss aber nicht unbedingt verändern, ihn nur noch detaillierter und aussagekräftiger machen.

So einen Text schreibe ich an zwei Tagen. Am zweiten derer lese ich aber nur noch mal das Fertige: Da dann gibt es nur noch wenige Änderungen und die auch nur vielleicht. Drucke gerne aus am ersten Tag und korrigiere auf dem Blatt, während ich entspannt lese, dann wieder Computer, gefolgt von einem nochmaligen Ausdruck usw. usw. - so mache ich das ganz gerne.

Der Inhalt ist beinahe immer ganze und ausschließliche Intuition. Wie es sich auch mit dem Aufbau verhält. Kommt ja trotzdem was zustande, denke ich, und ich liebe es so. Soll ja nicht nur der Leser Freude beim Lesen haben: Auch ich will FREUDE - beim Schreiben! Ich kann mir auch vorstellen, dass alles so am ehesten zustande kommt; viel eher, als durch zermürbende Planung.

Gerade dieser Text ist nun mein bisher einziger, zu dem ich vorher recherchierte, zum Beispiel, wo in Berlin Kirschblüten auftreten!

Selbst das Thema ist bei mir meist Intuition. Ich setze mich hin und schreibe los. Habe die wohl (noch?) in mir, die Themen. Müssen dann nur noch raus.

Meistens meint, dass es auch Ausnahmen gibt und damit verschiedene Herangehensweisen, ja bei mir ist es sogar eine Vielzahl, aber meist: ist es auffallend ähnlich halt.

Ich habe eine Zeit versucht, wenig bis eigentlich nichts zu lesen, da ich meine eigene Form finden wollte. Hatte ja schon viel gelesen im Leben und daraus speisen sich auch in auffallendem Maße meine Texte; Lesen ist es. Doch dann - fing ich einfach wieder an, den oder die andere zu lesen - und entwickelte mich dennoch in eine seltsam eigene Richtung; ging!

Lieben Gruß!
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elif
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 27
Wohnort: Nordwestmecklenburg


Beitrag13.11.2018 22:08

von elif
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Hm, desto mehr ich darüber nachdenke, desto weniger meine ich, dass es eine Einheit von Inhalt und Form darstellen SOLLTE. Manchmal mache ich das! Aber nicht immer. Wie war es hier. An und für sich ist es viel eher Klang bei mir. Es wechseln sich Sachen ab, was sie auf mannigfaltigste Weisen tun, und erzeugen: 'nen Klang halt. Auf den ich ziemlich stehe! Wink Wenn es gut kommt. Wink

Also es IST jetzt 'ne gute Einheit Inhalt/ Form. Nur: War's auch so angedacht?! Es ist, ich weeiß es gar nicht!

Aber ich klinge, fiel mir mal auf, wie Dana Dolata in Klein! Wie ich als Kind. Nur mit mehr Fremdwörtern ...

Natürlich gibt es auch eine Entwicklung. Doch ich denke, die zeichnet "einfach" nur noch nach ...

So Sperrigkeiten, die gab es früher schon, die machen mir Spaß. Rest ist sehr sehr einfach vielleicht sogar!
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holg
Geschlecht:männlichExposéadler

Moderator

Beiträge: 2396
Wohnort: knapp rechts von links
Bronzenes Licht Der bronzene Roboter


Beitrag19.11.2018 10:24

von holg
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Hey Dana,
Danke, dass du so offen über deinen Text reden kannst. Ist für mich gerade sehr interessant, wie so etwas entsteht (und auf eine Weise bestätigt es mich, weil es bei mir ähnlich funktioniert und ich oft das Gefühl habe, dass ich mit Texte kaputtkonstruiere, bei längeren Dingern, die man nicht mal eben an einem Tag zumindest grob in den Computer hacken kann, aber nicht darum herum komme, zu planen und deshalb da nix hinbekomme)

Jedenfalls, ich finde bei dir funktioniert das gut und ich freu mich immer, was von dir zu lesen.

Holg


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