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BaronHarkonnen
Geschlecht:männlichLeseratte


Beiträge: 123
Wohnort: Berlin


Beitrag18.05.2018 09:26

von BaronHarkonnen
Antworten mit Zitat

Hallo liebe Leute,

nach Eurem konstruktiven Feedback möchte ich erstmal nur noch mit einem weiteren Kapitel meines Romans behelligen Wink
Mich würde interessieren, ob die Weiterentwicklung des Protas 'Denise' glaubwürdig ist, und ob der Dialog mit ihrem Gegenüber stimmig und glaubwürdig ist. An dam habe ich ziemlich lange gefeilt, und bin auch noch nicht 100% glücklich.

Vielen Dank!

Kapitel 3
Denise  


Der Tag in der Redaktion zog sich in die Länge, und das war auch kein Wunder.
Gestern war die Deadline für ihren Piercing-Artikel gewesen, und Denise hatte bis spätabends bei BerlinNow gesessen und dem Text den letzten Feinschliff verpasst. Nach der anfänglichen Unlust hatte sie sich ein wenig motiviert, und zwischenzeitlich hatte es sogar Spaß gemacht. Mittwoch hatte sie den Tag mit dem Fotografen in der Stadt verbracht, Interviews geführt und und Mosaiksteine für ihren Artikel eingesammelt. Dabei waren einige Überstunden angefallen, die sie heute abzubummeln gedachte.
Jetzt war ihr Text beim Lektorat und die Bilder beim Layout, und damit war Denise offiziell raus. Die Kernzeit ging freitags bis 14:00, und bis dahin hieß es noch in der Redaktion auszuharren. Eigentlich waren Freitage immer eine gute Gelegenheit, um Themen zu entwickeln und den Grundstein für neue Storys zu legen – auch die Idee zur Recherche im Berliner Bau-Sumpf war an einem solchen Freitag entstanden.
Heute war daran nicht zu denken, und das lag natürlich an dem bevorstehenden Abend.
Natürlich? Sie musste grinsen, als sie bemerkte, wie aufgekratzt sie war. Du hattest schon mehrere dates, Nisy. Auch mit Typen aus der Szene. Und jetzt stellst Du Dich so an?
Aber es half nichts. Sie war zappelig wie ein Teenager vor dem Abschlussball.
Sie surfte planlos im Netz herum, bastelte an einer Mindmap für und schnorrte in ihrer Verzweiflung schließlich eine Zigarette von Lizzie.
Dann war es endlich so weit. Denise fuhr den Rechner herunter, warf sich die Jacke über und lief leichten Fußes die Treppen hinunter.
Das Wetter war auf ihrer Seite. Warmer Sonnenschein erwartete sie, als sie blinzelnd ins Freie trat. Sie erlebte einen perfekten Moment: alles war im Gleichgewicht und das Leben nur ein Spiel.
Dann hieß es sich ranzuhalten: zur Galerie Lafayette, um sich eine neue Bluse zu besorgen, zum Friseur, dann nach Hause, um sich fertig zu machen. Inga war das Wochenende bei ihrer Schwester, sodass keine Ablenkungen zu befürchten waren. Der eine Teil von ihr, der coolere, schmunzelte über den anderen, während sie sich beschwingt auf den Weg machte, um sich auf ihr Date vorzubereiten.

Am vereinbarten Treffpunkt erschien sie fast 15 min zu früh.
Da ihr klar war, was für einen Eindruck das machte, drehte sie noch eine Runde um den Block und musterte dann Restaurant und Gäste aus sicherer Entfernung.
Sie hatte das Mayfeld&Gummer mit seiner Speisekarte schon vorher im Netz nachgeschlagen und sich die Bewertungen angesehen. Danach war die Entscheidung für die neue Bluse gefallen, und das stellte sich als die richtige Wahl heraus.
Ihre bisherigen Dates hatten in Bars stattgefunden, einmal auch bei einem Italiener. Mayfeld&Gummer spielte eindeutig in einer anderen Liga, es hatte als eines von wenigen Berliner Restaurants zwei Michelin-Sterne. Damit lag es auch jenseits von Allem, in dem Denise sonst verkehrte, oder in dem sie sich üblicherweise wohlfühlte. Die Gäste, die sie durch die große Glasfront sehen konnte, bestätigten diesen Eindruck.
Als genug Zeit verstrichen war, richtete sie ihre Haare – bei ihrer Kurzhaarfrisur ein sinnloses Unterfangen – und ging quer über die Straße zum Eingang.
Innen war der Eindruck noch imposanter als auf den Bildern. Eleganz und Geld. Kerzenschein, gedämpftes Licht, ein Klavierspieler am Ende des großen Raumes, geschmackvolles Interieur und blütenweiße Servietten. Ein Kellner eilte ihr entgegen, kaum dass sie durch die Tür gekommen war. Offenbar setzte man sich hier nicht einfach an irgendeinen Tisch.
„Guten Abend. Bitte schön.“
„Guten Abend. Ich – ähm – ich bin mit Herrn Pelettier verabredet.“ Diesen Namen hatte er ihr genannt; seinen Vornamen kannte sie nicht. Denise bezweifelte, dass sie das beim Kellner weiterbringen würde und hätte sich lieber selbst umgeschaut. Aber scheinbar reichte es aus.
„Natürlich. Bitte folgen Sie mir.“
Man kennt ihn hier also mit Namen. Wird ja immer besser. Das verstärkte das unwirkliche Gefühl, sich in einem Film zu befinden; vielleicht in Der Pate. Und, fügte ihre innere Journalistin hinzu, es ist scheinbar nicht nur ein Fantasiename. Denise grinste in sich hinein, während sie dem Kellner tiefer in den Raum folgte.
Sie entdeckte ihn an einem Tisch ganz hinten, der durch eine halbhohe Trennwand vom Rest des Lokals abgeschirmt war. Er blickte auf und klappte den kleinen Laptop zu, der vor ihm auf dem Tisch stand.
„Denise“
„Herr Pelettier.“
Auch das war eigentlich filmreif. Ein Date, das über eine BDSM-Seite zustande gekommen war, und hier stand sie und redete ihn mit ‚Herr Pelettier‘ an. Es gelang ihr nicht, das Grinsen ganz aus ihrem Gesicht zu verbannen, und er zog ironisch die Augenbrauen hoch.
„Wie ich sehe, gefällt es Ihnen hier. Setzen Sie sich.“
Kein Händeschütteln, kein bitte. Er wies nur leicht lächelnd auf den zweiten Stuhl, während der Kellner ihr die Jacke abnahm.
Beim Hinsetzen nahm Denise ihn etwas genauer in Augenschein. Es gab immer wieder Männer, bei denen die Wirklichkeit nicht mit ihren Profilbildern mithalten konnte. Das war bei ihm nicht der Fall.
Er trug einen schwarzen Anzug mit violettem Hemd – Aubergine, fuhr ihr durch den Kopf, der Farbton nennt sich ‚Aubergine‘ – und wirkte makellos gepflegt. In den dunklen Augen konnte man sich verlieren und um die Lippen spielte ein ironischer Ton. Ganz offenbar kontrollierte und genoss er die Situation.
Sie schauten sich ein paar Sekunden lang in die Augen. Denise, deren übliche Schlagfertigkeit sich eine Auszeit genommen hatte, suchte nervös nach einem Gesprächseinstieg. Er ließ sie zappeln und machte keine Anstalten, das Gespräch zu eröffnen. Nach einigen Atemzügen kapitulierte sie und räusperte sich.
„Wirklich schön, Herr Pelettier. Ihr Stammlokal?“
Ohne sie aus den Augen zu lassen, hob er hob leicht die Hand.
„Bitte. Jetzt, wo wir uns hier gegenüber sitzen, können wir es ja etwas persönlicher angehen lassen. Ich heiße Hadrian.“
„Ich ... Denise. Aber das wissen Sie ja.“ Sie kicherte und verdrehte gleichzeitig innerlich die Augen. Beeindruckend, Nisy. Wirklich. Unter seinem undeutbaren Blick fiel es schwer, sich nicht wie ein Teenager aufzuführen. Sein nächster Satz brachte sie dann vollends aus dem Konzept.
„Und - wie läuft es in der Redaktion? Macht die Arbeit Spaß?“
Sie starrte ihn baff an.
„Wie ... woher wissen Sie, wo ich arbeite?“
In den paar kurzen Nachrichten, die sie seit dem ersten Kontakt ausgetauscht hatten, war keine Rede von ihrer Arbeit gewesen. Und ihren Nachnamen hatte sie auch nicht genannt. Hatte er sie ausgespäht? Aber wie?
Das angedeutete ironische Lächeln wurde breiter, und seine Augen funkelten.
„Ich interessiere mich für die Leute, mit denen ich es zu tun habe. Das ist alles. Und Sie finde ich interessant.
Sie sind hier die Journalistin, Denise. Sie müssten doch wissen, wie man Dinge herausbekommt. Bestimmt haben Sie auch über mich recherchiert, stimmt’s?“
Denise spürte, wie sich ihre Verwirrung mit Wut durchmischte.
„Also – eigentlich nicht, nein.“, sagte sie scharf.
„Ich unterscheide da schon zwischen Beruf und Privatem. Und im Privatleben möchte ich keinem hinterher schnüffeln.“
Hadrian hob beschwichtigend die Hand.
„Ich habe Sie wütend gemacht. Das wollte ich nicht.“ Er wirkte nicht besonders reumütig.
„Ganz ehrlich: ja. Sie spähen mich hier aus, und sagen mir das auch noch ins Gesicht?“, erwiderte Denise, wütend über seine offensichtliche Belustigung.
„Sind Sie denn gar nicht neugierig?“, fragte er.
Unwillig runzelte sie die Brauen.
„Und selbst wenn. Gewisse Dinge gehören sich einfach nicht!“ Sie machte Anstalten aufzustehen.
„Vielleicht sollten wir es dabei belassen, und ich sollte einfach gehen.“
Hadrian blickte sie ungerührt an.
„Sollten Sie vielleicht. Müssten Sie wahrscheinlich sogar, wenn Sie Ihrem üblichen Selbstverständnis folgen. Dem inneren Kompass, der Ihnen sagt, was sich gehört und was nicht.“
„Ich weiß nicht, was Sie damit meinen.“
„Nein? Ich weiß noch nicht viel über Sie, Denise. So viel ließ sich auch nicht herausbekommen. Aber das, was ich erfahren habe und das, was ich vor mir sehe, sagt genug.“
Sie merkte, dass sie ihm widerwillig zuhörte, obwohl sie eigentlich längst hätte aufstehen und gehen sollen.
Er lehnte sich zurück und schien das Spiel zu genießen.
„Sie sind ein Produkt der heutigen Umstände, Denise, und das fast schon als Klischee. Urban, emanzipiert, unabhängig. Der schwäbischen Provinz entflohen. Trennen Ihren Müll. Ernähren sich wahrscheinlich vegetarisch oder  vegan. Ein moralisch unantastbares Kind unserer Zeit.“
„Das muss ich mir nicht weiter anhören“, sagte sie erbost. „Ich werde ...“
Er fiel ihr ins Wort.
„Ich will Sie nicht provozieren. Ist nur eine Bestandsaufnahme. Habe ich nicht Recht? Warum fühlen Sie sich beleidigt?“
Sie zögerte.
„Ich ... okay. Bei ein paar Punkten haben Sie vielleicht Recht. Na gut – bei den meisten. Trotzdem kommt das bei Ihnen so abwertend rüber.“
„Das interpretieren Sie hinein. Sie sollten sich fragen, warum Sie eine Aufzählung des Status Quo als Provokation empfinden.“
Denise dachte ein paar Sekunden nach, bevor sie antwortete. Geh nach Hause und lass den Macho-Arsch hier sitzen! rief ihre innere Stimme, aber dann hätte sie ihm das letzte Wort überlassen, und irgendwie wollte sie ihm das nicht gönnen.
„Weil Sie damit wichtige Errungenschaften der letzten Jahrzehnte als Modeerscheinung abtun“, antwortete sie schließlich. „Wir reden hier aber nicht von Mode, dahinter steckt mehr: Gerechtigkeit. Und, auch wenn es pathetisch klingt, das Bestreben nach einer besseren Welt. Ich bin da bestimmt nicht perfekt, nicht mal ansatzweise, aber ich versuch’s wenigstens im Kleinen. Ist immer noch besser als Ihr Zynismus. Finden Sie Massentierhaltung toll? Oder Müllberge? Möchten Sie mich zurück am Herd haben? Wie sieht   denn Ihr moralischer Kompass aus, wenn Sie sich über meinen so lustig machen?“
Er hatte zwar gelächelt, ihr aber ansonsten aufmerksam zugehört.
„Ich gebe keine Bewertung ab. Sie sind noch jung und idealistisch. Das ist super, machen Sie weiter so! Ich wollte nur auf eines hinaus: Alles wonach Sie streben und was Sie als moralisch verbindlich betrachten, ist Zeitgeist. Nur eine Momentaufnahme. Absolut unbedeutend, im universellen Rahmen betrachtet.“
Als er weiterredete, hatte sich sein Blick irgendwie intensiviert; in seinen Augen glomm ein dunkles Leuchten. “Das gilt sowohl für das Wesen der Welt, als auch für unsere Gesellschaft und deren Normen.“
Er beugte sich vor.
„Was, wenn der Welt ganz andere Mechanismen zugrunde liegen würden als die, die wir kennen? Ältere, dunklere?  
Wäre unser moralischer Kompass dann nicht hoffnungslos überholt? Müsste man die Frage, was sich gehört, nicht komplett neu bewerten?“
Denise wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Ihr Zorn war der Verwirrung gewichen. Was zum Teufel meinte er damit? Hatte er vielleicht nicht alle Tassen im Schrank? Und wie sollte sie jetzt damit umgehen?
Die Ankunft des Kellners enthob sie einer Antwort. Hadrian wandte endlich den Blick von ihr ab.
„Na endlich! Ich dachte schon, wir müssten verhungern.“
Dann ging sein Blick wieder zu ihr, und er lächelte plötzlich verbindlich.
„Ein Aperitif wäre jetzt genau das richtige. Finden Sie nicht?“

In der folgenden Stunde war er wie ausgewechselt. Denise beschloss, doch noch zu bleiben und sich die Sache anzugucken; gehen konnte sie immer noch.
Sie versuchte noch einmal herauszubekommen, wie er so viel über sie in Erfahrung bringen konnte, aber er bog das Gespräch elegant in eine andere Richtung. Immerhin rückte er damit heraus, was er beruflich machte.
Hadrian Pelettier war Kunsthändler, und wenn man seinen Worten Glauben schenken konnte, kein ganz kleiner. Er handelte viel mit zeitgenössischen Skulpturen, teilweise auch mit Malerei, die er hauptsächlich in Asien kaufte und auf dem deutschen Kunstmarkt zu Geld machte. Dadurch war er viel auf Reisen, hauptsächlich in China und Südkorea.
Er erzählte das mit einer Beiläufigkeit, die fast schon an Verächtlichkeit grenzte – das personifizierte Understatement.
Ansonsten spielte er den perfekten Gastgeber, war charmant und auf eine trockene Weise witzig. Sie plauderten eine Zeitlang über Kunst, dann über den Berliner Kunstbetrieb, in dem er einige wichtige Spieler kannte. Dabei ließ er einige Anekdoten vom Stapel, bei denen Denise sich vor Lachen fast verschluckte.
Auf den Aperitif folgten 2 Gläser Wein, und das Essen war sagenhaft. Sie fühlte sich zunehmend eingelullt, und auch wenn ihre Gefühle nach wie vor ambivalent waren, konnte sie Hadrians Charisma wenig entgegen setzen. Er war ein Macho, sicher, vielleicht sogar ein Arsch, aber dabei auch unbestreitbar faszinierend.
Nach dem Hauptgang und der Nachspeise nötigte Hadrian sie noch zu einem Absinth, und als sie schließlich aufstand, war ihr schwindelig. Auf der Toilette ließ sich sie Zeit, um einen klareren Kopf wiederzuerlangen, wusch sich das Gesicht und zog den Lippenstift nach.    
Als sie zurückkam, verfolgen sie seine dunklen Augen. Er saß aufrecht, die Hände gefaltet; scheinbar hatte er sich kein Stückchen bewegt.
„Und – wie sieht’s aus? Hast Du Dich entschieden?“
Der Wechsel zum Du kam unerwartet, so dass sie erst dachte, sie hätte sich verhört.
„Wie bitte?“
„Naja - wenn wir ficken wollen, können wir uns auch duzen. Und ich will Dich ficken.“ Er lächelte düster. „Oder bist Du deswegen nicht hier?“
Zum zweiten Mal an diesem Abend blieb ihr die Spucke weg. Der erneute Richtungswechsel seiner Tonart und der Kontrast zum kultivierten Tischgespräch der vergangenen Stunde hätte größer nicht sein können. Denise musste erneut feststellen, dass sie nichts zu sagen wusste.
Sein Blick war eindeutig amüsiert, mit einem Hauch Verachtung.
„Unentschlossen?“, fragte er lauernd. „Es hat doch bisher Spaß gemacht. Gepflegte Konversation, gutes Essen, guter Wein. Aber das kann ich mit jedem haben. Hatte ich schon tausendmal in meinem Leben, mit Männern und Frauen, Geschäftspartnern, Langweilern. Wir dagegen können auf eine ganz andere Ebene vorstoßen. Ich kann Dich in Bereiche führen, in denen Du noch nie gewesen bist. Wenn Du Dich traust.“
Eine volle Minute verging, in der er sich nicht rührte und sie mit dem Chaos in ihrem Kopf kämpfte.
Dann traute sie sich endlich hochzublicken.
„Ich weiß noch nicht. Vielleicht.“
Mehr brachte sie gerade nicht heraus, und auch das nur mit leiser Stimme.
Ein paar Sekunden vergingen. Nach seinen dauernden Stimmungswechseln wäre sie nicht überrascht gewesen, ihn ungeduldig oder herrisch zu sehen. Aber er lehnte sich nur zurück und griff in seine Brusttasche.
„Natürlich. Lass Dir Zeit. Wenn Du Dich entschieden hast, ruf diese Nummer an. Mein Chauffeur wird Dich abholen.“
Er brachte ein kleines Kärtchen zum Vorschein, das sie einsteckte, ohne einen Blick darauf geworfen zu haben. Sie war so durcheinander, als sie schließlich aufstand, dass sie nicht nach der Rechnung fragte. Offenbar hatte er auch nichts anderes erwartet.
Während der herbeigeeilte Kellner ihr in die Jacke half, fing sie Hadrians Blick nochmal auf. Er nickte ihr zu, strahlte jetzt aber eine gewisse Distanziertheit aus, wie ein Therapeut, der in Gedanken schon beim nächsten Klienten ist.
Als sie sich an der Tür noch einmal umdrehte, blickte er ihr nicht nach, sondern klappte gerade seinen Laptop auf.    
Wie betäubt fuhr sie nach Hause und ging direkt ins Bett. Dort brach sich die erotische Spannung Bahn. Sie zog den Slip beiseite und berührte sich zwischen den Beinen. Schon nach ein paar Handgriffen, weniger als sonst, wurde sie von einem unerwartet machtvollen Orgasmus überrollt.
Danach wollte sie eigentlich noch Ihn und über seine Worte nachdenken, glitt aber schnell in einen tiefen Schlaf hinüber.


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Phenolphthalein
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Beitrag20.05.2018 11:59

von Phenolphthalein
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Hallo BaronHarkonnen,

meinen Kommentar wirst du hinterher als recht unnütz empfinden, denke ich (zumal ich auch zu den Verfechtern des Handwerks gehöre).
Eine Detailkritik in diese Richtung werde ich nicht verfassen, denn im Verlauf dieses Fadens ist (für mich) klar geworden, dass du die nicht wünscht.
Dein Geschick im Umgang mit Worten ist vorhanden, wenngleich nicht professionell (bezogen auf handwerkliche Regeln).
Es gibt jedoch die, denen es gefällt. Alles gut.

Klar, muss nicht jede Regel beherzigt werden, und ich denke (nein, ich weiß) auch, dass es diejenigen gibt, die dir davon abraten werden.
Das ist in Ordnung, denn du darfst und musst entscheiden, welchen Weg du verfolgen willst. Vorteilhafter halte ich es aber trotzdem, die Regeln zu kennen (um sie auch bewusst missachten zu können, wenn man das möchte, ansonsten kann es auch passieren, dass der Wunsch der Vater des Gedanken bleibt).
Um genauer zu beurteilen, ob deine Schreibweise reicht, frage ich daher: Was ist dein Ziel für diesen Text?
Diese Frage möchte ich auch nicht beantwortet haben, die ist an dich und für dich gestellt.
Jedenfalls erreicht mich der Text nicht, aber das muss er auch nicht.
Ich gehöre nicht zum Publikum.

Ob Mainstream oder nicht, ob E oder U (neuerdings auch gerne T), ganz egal, solange du (eben) die Frage für dich beantworten kannst.

Und so bleibt mein Kommentar nur das, was er ist, ohne Anspruch auf Gefallen oder Richtigkeit.

Viele Grüße

Phenolphthalein


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Nichts ist leichter, als so zu schreiben, dass kein Mensch es versteht; wie hingegen nichts schwerer, als bedeutende Gedanken so auszudrücken, dass jeder sie verstehen muss.

-Arthur Schopenhauer
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BaronHarkonnen
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Beitrag20.05.2018 17:52

von BaronHarkonnen
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Hallo Phenolphthalein,

vielen Dank für Dein Feedback, das mich allerdings ein wenig verwirrt zurücklässt. Dass Dich mein Text nicht erreicht, ist natürlich schade, aber ich bin ja schon ein großer Junge Wink

Aber wie kommt Du darauf, dass ich Detailkritik nicht wünsche? Eigentlich ist das Gegenteil der Fall, und ich habe mich über den bisherigen Diskurs gefreut. Aus den Hinweisen, die ich hier im Thread und per PN bekommen habe, werde ich möglichst viel berücksichtigen und versuchen, daraus zu lernen.

Und habe ich gefragt, ob mein Text 'reicht'? Also, ich stelle mir selbst diese Frage schon, aber für Euch wäre das schwer zu beantworten. Ich hatte deshalb eher konkrete Fragen gestellt, wie die, ob die Weiterentwicklung eines Protagonisten glaubwürdig erzählt ist. Das ist eine Frage, die man beantworten könne, ohne zu wissen, was das Ziel dieses Textes ist.

Du möchtest die Frage nicht beantwortet haben, aber ich kann mir die Antwort trotzem nicht verkneifen Wink ; sie ist auch ganz einfach: ich möchte eine möglichst gute Geschichte erzählen.   

Viele Grüße & schöne Rest-Pfingsten!


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Steff92
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Beitrag24.05.2018 19:22

von Steff92
Antworten mit Zitat

Zitat:
Mittwoch hatte sie den Tag mit dem Fotografen in der Stadt verbracht, Interviews geführt und und Mosaiksteine für ihren Artikel eingesammelt.
Am vereinbarten Treffpunkt erschien sie fast 15 min zu früh.
Da ihr klar war, was für einen Eindruck das machte, drehte sie noch eine Runde um den Block und musterte dann Restaurant und Gäste aus sicherer Entfernung.
Sie hatte das Mayfeld&Gummer mit seiner Speisekarte schon vorher im Netz nachgeschlagen und sich die Bewertungen angesehen. Danach war die Entscheidung für die neue Bluse gefallen, und das stellte sich als die richtige Wahl heraus.
Ihre bisherigen Dates hatten in Bars stattgefunden, einmal auch bei einem Italiener. Mayfeld&Gummer spielte eindeutig in einer anderen Liga, es hatte als eines von wenigen Berliner Restaurants zwei Michelin-Sterne. Damit lag es auch jenseits von Allem, in dem Denise sonst verkehrte, oder in dem sie sich üblicherweise wohlfühlte. Die Gäste, die sie durch die große Glasfront sehen konnte, bestätigten diesen Eindruck.
Als genug Zeit verstrichen war, richtete sie ihre Haare – bei ihrer Kurzhaarfrisur ein sinnloses Unterfangen – und ging quer über die Straße zum Eingang.
Innen war der Eindruck noch imposanter als auf den Bildern. Eleganz und Geld. Kerzenschein, gedämpftes Licht, ein Klavierspieler am Ende des großen Raumes, geschmackvolles Interieur und blütenweiße Servietten. Ein Kellner eilte ihr entgegen, kaum dass sie durch die Tür gekommen war. Offenbar setzte man sich hier nicht einfach an irgendeinen Tisch.
„Guten Abend. Bitte schön.“
„Guten Abend. Ich – ähm – ich bin mit Herrn Pelettier verabredet.“ Diesen Namen hatte er ihr genannt; seinen Vornamen kannte sie nicht. Denise bezweifelte, dass sie das beim Kellner weiterbringen würde und hätte sich lieber selbst umgeschaut. Aber scheinbar reichte es aus.
„Natürlich. Bitte folgen Sie mir.“
Man kennt ihn hier also mit Namen. Wird ja immer besser. Das verstärkte das unwirkliche Gefühl, sich in einem Film zu befinden; vielleicht in Der Pate. Und, fügte ihre innere Journalistin hinzu, es ist scheinbar nicht nur ein Fantasiename. Denise grinste in sich hinein, während sie dem Kellner tiefer in den Raum folgte.
Sie entdeckte ihn an einem Tisch ganz hinten, der durch eine halbhohe Trennwand vom Rest des Lokals abgeschirmt war. Er blickte auf und klappte den kleinen Laptop zu, der vor ihm auf dem Tisch stand.
„Denise“
„Herr Pelettier.“
Auch das war eigentlich filmreif. Ein Date, das über eine BDSM-Seite zustande gekommen war, und hier stand sie und redete ihn mit ‚Herr Pelettier‘ an. Es gelang ihr nicht, das Grinsen ganz aus ihrem Gesicht zu verbannen, und er zog ironisch die Augenbrauen hoch.
„Wie ich sehe, gefällt es Ihnen hier. Setzen Sie sich.“
Kein Händeschütteln, kein bitte. Er wies nur leicht lächelnd auf den zweiten Stuhl, während der Kellner ihr die Jacke abnahm.
Beim Hinsetzen nahm Denise ihn etwas genauer in Augenschein. Es gab immer wieder Männer, bei denen die Wirklichkeit nicht mit ihren Profilbildern mithalten konnte. Das war bei ihm nicht der Fall.
Er trug einen schwarzen Anzug mit violettem Hemd – Aubergine, fuhr ihr durch den Kopf, der Farbton nennt sich ‚Aubergine‘ – und wirkte makellos gepflegt. In den dunklen Augen konnte man sich verlieren und um die Lippen spielte ein ironischer Ton. Ganz offenbar kontrollierte und genoss er die Situation.
Sie schauten sich ein paar Sekunden lang in die Augen. Denise, deren übliche Schlagfertigkeit sich eine Auszeit genommen hatte, suchte nervös nach einem Gesprächseinstieg. Er ließ sie zappeln und machte keine Anstalten, das Gespräch zu eröffnen. Nach einigen Atemzügen kapitulierte sie und räusperte sich.
„Wirklich schön, Herr Pelettier. Ihr Stammlokal?“
Ohne sie aus den Augen zu lassen, hob er hob leicht die Hand.
„Bitte. Jetzt, wo wir uns hier gegenüber sitzen, können wir es ja etwas persönlicher angehen lassen. Ich heiße Hadrian.“
„Ich ... Denise. Aber das wissen Sie ja.“ Sie kicherte und verdrehte gleichzeitig innerlich die Augen. Beeindruckend, Nisy. Wirklich. Unter seinem undeutbaren Blick fiel es schwer, sich nicht wie ein Teenager aufzuführen. Sein nächster Satz brachte sie dann vollends aus dem Konzept.
„Und - wie läuft es in der Redaktion? Macht die Arbeit Spaß?“
Sie starrte ihn baff an.
„Wie ... woher wissen Sie, wo ich arbeite?“
In den paar kurzen Nachrichten, die sie seit dem ersten Kontakt ausgetauscht hatten, war keine Rede von ihrer Arbeit gewesen. Und ihren Nachnamen hatte sie auch nicht genannt. Hatte er sie ausgespäht? Aber wie?
Das angedeutete ironische Lächeln wurde breiter, und seine Augen funkelten.
„Ich interessiere mich für die Leute, mit denen ich es zu tun habe. Das ist alles. Und Sie finde ich interessant.
Sie sind hier die Journalistin, Denise. Sie müssten doch wissen, wie man Dinge herausbekommt. Bestimmt haben Sie auch über mich recherchiert, stimmt’s?“
Denise spürte, wie sich ihre Verwirrung mit Wut durchmischte.
„Also – eigentlich nicht, nein.“, sagte sie scharf.
„Ich unterscheide da schon zwischen Beruf und Privatem. Und im Privatleben möchte ich keinem hinterher schnüffeln.“
Hadrian hob beschwichtigend die Hand.
„Ich habe Sie wütend gemacht. Das wollte ich nicht.“ Er wirkte nicht besonders reumütig.
„Ganz ehrlich: ja. Sie spähen mich hier aus, und sagen mir das auch noch ins Gesicht?“, erwiderte Denise, wütend über seine offensichtliche Belustigung.
„Sind Sie denn gar nicht neugierig?“, fragte er.
Unwillig runzelte sie die Brauen.
„Und selbst wenn. Gewisse Dinge gehören sich einfach nicht!“ Sie machte Anstalten aufzustehen.
„Vielleicht sollten wir es dabei belassen, und ich sollte einfach gehen.“
Hadrian blickte sie ungerührt an.
„Sollten Sie vielleicht. Müssten Sie wahrscheinlich sogar, wenn Sie Ihrem üblichen Selbstverständnis folgen. Dem inneren Kompass, der Ihnen sagt, was sich gehört und was nicht.“
„Ich weiß nicht, was Sie damit meinen.“
„Nein? Ich weiß noch nicht viel über Sie, Denise. So viel ließ sich auch nicht herausbekommen. Aber das, was ich erfahren habe und das, was ich vor mir sehe, sagt genug.“
Sie merkte, dass sie ihm widerwillig zuhörte, obwohl sie eigentlich längst hätte aufstehen und gehen sollen.
Er lehnte sich zurück und schien das Spiel zu genießen.
„Sie sind ein Produkt der heutigen Umstände, Denise, und das fast schon als Klischee. Urban, emanzipiert, unabhängig. Der schwäbischen Provinz entflohen. Trennen Ihren Müll. Ernähren sich wahrscheinlich vegetarisch oder  vegan. Ein moralisch unantastbares Kind unserer Zeit.“
„Das muss ich mir nicht weiter anhören“, sagte sie erbost. „Ich werde ...“
Er fiel ihr ins Wort.
„Ich will Sie nicht provozieren. Ist nur eine Bestandsaufnahme. Habe ich nicht Recht? Warum fühlen Sie sich beleidigt?“
Sie zögerte.
„Ich ... okay. Bei ein paar Punkten haben Sie vielleicht Recht. Na gut – bei den meisten. Trotzdem kommt das bei Ihnen so abwertend rüber.“
„Das interpretieren Sie hinein. Sie sollten sich fragen, warum Sie eine Aufzählung des Status Quo als Provokation empfinden.“
Denise dachte ein paar Sekunden nach, bevor sie antwortete. Geh nach Hause und lass den Macho-Arsch hier sitzen! rief ihre innere Stimme, aber dann hätte sie ihm das letzte Wort überlassen, und irgendwie wollte sie ihm das nicht gönnen.
„Weil Sie damit wichtige Errungenschaften der letzten Jahrzehnte als Modeerscheinung abtun“, antwortete sie schließlich. „Wir reden hier aber nicht von Mode, dahinter steckt mehr: Gerechtigkeit. Und, auch wenn es pathetisch klingt, das Bestreben nach einer besseren Welt. Ich bin da bestimmt nicht perfekt, nicht mal ansatzweise, aber ich versuch’s wenigstens im Kleinen. Ist immer noch besser als Ihr Zynismus. Finden Sie Massentierhaltung toll? Oder Müllberge? Möchten Sie mich zurück am Herd haben? Wie sieht   denn Ihr moralischer Kompass aus, wenn Sie sich über meinen so lustig machen?“
Er hatte zwar gelächelt, ihr aber ansonsten aufmerksam zugehört.
„Ich gebe keine Bewertung ab. Sie sind noch jung und idealistisch. Das ist super, machen Sie weiter so! Ich wollte nur auf eines hinaus: Alles wonach Sie streben und was Sie als moralisch verbindlich betrachten, ist Zeitgeist. Nur eine Momentaufnahme. Absolut unbedeutend, im universellen Rahmen betrachtet.“
Als er weiterredete, hatte sich sein Blick irgendwie intensiviert; in seinen Augen glomm ein dunkles Leuchten. “Das gilt sowohl für das Wesen der Welt, als auch für unsere Gesellschaft und deren Normen.“
Er beugte sich vor.
„Was, wenn der Welt ganz andere Mechanismen zugrunde liegen würden als die, die wir kennen? Ältere, dunklere?  
Wäre unser moralischer Kompass dann nicht hoffnungslos überholt? Müsste man die Frage, was sich gehört, nicht komplett neu bewerten?“
Denise wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Ihr Zorn war der Verwirrung gewichen. Was zum Teufel meinte er damit? Hatte er vielleicht nicht alle Tassen im Schrank? Und wie sollte sie jetzt damit umgehen?
Die Ankunft des Kellners enthob sie einer Antwort. Hadrian wandte endlich den Blick von ihr ab.
„Na endlich! Ich dachte schon, wir müssten verhungern.“
Dann ging sein Blick wieder zu ihr, und er lächelte plötzlich verbindlich.
„Ein Aperitif wäre jetzt genau das richtige. Finden Sie nicht?“

In der folgenden Stunde war er wie ausgewechselt. Denise beschloss, doch noch zu bleiben und sich die Sache anzugucken; gehen konnte sie immer noch.
Sie versuchte noch einmal herauszubekommen, wie er so viel über sie in Erfahrung bringen konnte, aber er bog das Gespräch elegant in eine andere Richtung. Immerhin rückte er damit heraus, was er beruflich machte.
Hadrian Pelettier war Kunsthändler, und wenn man seinen Worten Glauben schenken konnte, kein ganz kleiner. Er handelte viel mit zeitgenössischen Skulpturen, teilweise auch mit Malerei, die er hauptsächlich in Asien kaufte und auf dem deutschen Kunstmarkt zu Geld machte. Dadurch war er viel auf Reisen, hauptsächlich in China und Südkorea.
Er erzählte das mit einer Beiläufigkeit, die fast schon an Verächtlichkeit grenzte – das personifizierte Understatement.
Ansonsten spielte er den perfekten Gastgeber, war charmant und auf eine trockene Weise witzig. Sie plauderten eine Zeitlang über Kunst, dann über den Berliner Kunstbetrieb, in dem er einige wichtige Spieler kannte. Dabei ließ er einige Anekdoten vom Stapel, bei denen Denise sich vor Lachen fast verschluckte.
Auf den Aperitif folgten 2 Gläser Wein, und das Essen war sagenhaft. Sie fühlte sich zunehmend eingelullt, und auch wenn ihre Gefühle nach wie vor ambivalent waren, konnte sie Hadrians Charisma wenig entgegen setzen. Er war ein Macho, sicher, vielleicht sogar ein Arsch, aber dabei auch unbestreitbar faszinierend.
Nach dem Hauptgang und der Nachspeise nötigte Hadrian sie noch zu einem Absinth, und als sie schließlich aufstand, war ihr schwindelig. Auf der Toilette ließ sich sie Zeit, um einen klareren Kopf wiederzuerlangen, wusch sich das Gesicht und zog den Lippenstift nach.    
Als sie zurückkam, verfolgen sie seine dunklen Augen. Er saß aufrecht, die Hände gefaltet; scheinbar hatte er sich kein Stückchen bewegt.
„Und – wie sieht’s aus? Hast Du Dich entschieden?“
Der Wechsel zum Du kam unerwartet, so dass sie erst dachte, sie hätte sich verhört.
„Wie bitte?“
„Naja - wenn wir ficken wollen, können wir uns auch duzen. Und ich will Dich ficken.“ Er lächelte düster. „Oder bist Du deswegen nicht hier?“
Zum zweiten Mal an diesem Abend blieb ihr die Spucke weg. Der erneute Richtungswechsel seiner Tonart und der Kontrast zum kultivierten Tischgespräch der vergangenen Stunde hätte größer nicht sein können. Denise musste erneut feststellen, dass sie nichts zu sagen wusste.
Sein Blick war eindeutig amüsiert, mit einem Hauch Verachtung.
„Unentschlossen?“, fragte er lauernd. „Es hat doch bisher Spaß gemacht. Gepflegte Konversation, gutes Essen, guter Wein. Aber das kann ich mit jedem haben. Hatte ich schon tausendmal in meinem Leben, mit Männern und Frauen, Geschäftspartnern, Langweilern. Wir dagegen können auf eine ganz andere Ebene vorstoßen. Ich kann Dich in Bereiche führen, in denen Du noch nie gewesen bist. Wenn Du Dich traust.“
Eine volle Minute verging, in der er sich nicht rührte und sie mit dem Chaos in ihrem Kopf kämpfte. Hier finde ich eine Minute fast schon etwas viel
Dann traute sie sich endlich hochzublicken.
„Ich weiß noch nicht. Vielleicht.“
Mehr brachte sie gerade nicht heraus, und auch das nur mit leiser Stimme.
Ein paar Sekunden vergingen. Nach seinen dauernden Stimmungswechseln wäre sie nicht überrascht gewesen, ihn ungeduldig oder herrisch zu sehen. Aber er lehnte sich nur zurück und griff in seine Brusttasche.
„Natürlich. Lass Dir Zeit. Wenn Du Dich entschieden hast, ruf diese Nummer an. Mein Chauffeur wird Dich abholen.“
Er brachte ein kleines Kärtchen zum Vorschein, das sie einsteckte, ohne einen Blick darauf geworfen zu haben. Sie war so durcheinander, als sie schließlich aufstand, dass sie nicht nach der Rechnung fragte. Offenbar hatte er auch nichts anderes erwartet.
Während der herbeigeeilte Kellner ihr in die Jacke half, fing sie Hadrians Blick nochmal auf. Er nickte ihr zu, strahlte jetzt aber eine gewisse Distanziertheit aus, wie ein Therapeut, der in Gedanken schon beim nächsten Klienten ist.
Als sie sich an der Tür noch einmal umdrehte, blickte er ihr nicht nach, sondern klappte gerade seinen Laptop auf.    
Wie betäubt fuhr sie nach Hause und ging direkt ins Bett. Dort brach sich die erotische Spannung Bahn.

Finde ich etwas ungeschickt formuliert: Musste zweimal lesen, bis ich es verstanden habe. Das Gespräch vorher fand ich sehr gut, konnte es mir gut bildlich denken, was das für ein Kerl ist. Kann mir aber jetzt an dieser Stelle nicht so recht vorstellen, dass sich durch ihn so eine enorme erotische Spannung aufgebaut hat, dass sie nach wenigen Handgriffen einen Orgasmus hat. Vielleich etwas Beihilfe schaffen und es so irgendwie schreiben:


Wie betäubt fuhr sie nach Hause und ging direkt ins Bett. Sie schaltete den Fernseher ein, zappte durch die Programme und stieß auf einen Erotikfilm. Kurz überlegte sie wegzuschalten, ließ sich aber darauf ein.


Sie zog den Slip beiseite und berührte sich zwischen den Beinen. Schon nach ein paar Handgriffen, weniger als sonst, wurde sie von einem unerwartet machtvollen Orgasmus überrollt.
Danach wollte sie eigentlich noch Ihn und über seine Worte nachdenken, glitt aber schnell in einen tiefen Schlaf hinüber.




Ansonsten finde ich, kannst du sehr gut schreiben. Deine Texte lesen sich flüssig, beschreibst nicht zu viel, nicht zu wenig und bildhaft.



Das wäre noch von deinem Kapitel 2, was mir beim Durchlesen aufgefallen ist:


Zitat:
Vielleicht war das alles nur ein monströser Scherz? Irgendeine Show im Privatfernsehen, oder ein bizarres Studenten-Ritual?
Ihre Angst bekam unerwartet eine Beimischung von Wut. Man hatte sie entführt, ihr das Schlüsselbein gebrochen und sie halbnackt zur Schau gestellt – für einen Scherz?
Die Wut schwoll an, verdrängte kurzzeitig sogar die Angst, und sie ignorierte den Schmerz in ihrer Brust. Eigentlich hatte sie vor, laut und vernehmlich zu protestieren und das sofortige Ende dieser Groteske zu fordern. Heraus kam dann aber ein durchdringender Schrei, ein wütendes, sich steigerndes Kreischen.


Zu oft das Wörtchen "Wut" in den paar Zeilen. Da kannst dir sicher noch was anderes Einfallen lassen Smile
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BaronHarkonnen
Geschlecht:männlichLeseratte


Beiträge: 123
Wohnort: Berlin


Beitrag25.05.2018 11:17

von BaronHarkonnen
Antworten mit Zitat

Hi Steff92,

vielen Dank für Dein Feedback und Deine freundlichen Worte! Smile

Tatsächlich hatte ich schon mit dem Gedanken gespielt, diese Stelle mit der Masturbation ganz rauszuschmeißen. Klingt mir irgendwie zu sehr nach Männerphantasie Wink
Deine Kritik verstärkt mich noch in der Überzeugung.
Ich hab mir einen Vermerk in meiner ToDo-Liste gemacht, und wenn mal die große Überarbeitungsrunde kommt, ist diese Passage fällig.

Viele Grüße!


_________________
Alles was wir sehen oder scheinen,
ist nichts als ein Traum in einem Traum.
Poe
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