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lebefroh Eselsohr
L Alter: 43 Beiträge: 364 Wohnort: Berlin
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L 06.05.2018 19:00 Das Un-Gewissen von lebefroh
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Das Un-Gewissen
Wir wissen es nicht.
Spät in der Nacht sind die Fenster dunkel. Hier und da brennt noch ein Licht, aber das Städtchen schläft, es atmet ja kaum. Der Wind weht vom Meer und verschluckt Motorengeräusche. Wenn der Wagen die Hauptstraße hinunterfährt, ganz langsam, hört das niemand, nur ein paar Hunde, die bellen. Und wenn er zurückkommt, der Wagen, sieht das niemand, selbst die Hunde, die schlafen.
Was wissen wir, warum die Hunde bellen? – Vielleicht schleicht ein Fuchs herum und vielleicht ist diese Nacht gar kein Lastwagen gefahren, das wissen wir nicht, denn wir schlafen. Nur wenn manchmal einer aufsteht und zum Wasserhahn läuft über die kalten Fliesen, dann könnte er sehen, wie die Scheinwerfer über den Asphalt streichen und wie der Wagen langsamer wird, weil der Fahrer Rücksicht nimmt auf die Bewohner der schlafenden Stadt. Der Motor heult nicht auf, deswegen wissen wir nicht, dass er da ist, und wir hören auch nicht das Schaben und Kratzen und das Blöken und Jammern als wären da Tiere. Nur wenn ein Spalt geöffnet ist zwischen den Gardinen erhascht jemand einen Blick auf den Lastwagen – der jetzt fast jede Nacht – auf der Straße durch die Stadt und bis hinaus in den Steinbruch am Meer. Und auf die Ladefläche, wenn vielleicht einmal eine Windböe die Plane packt und darunter die Leiber zum Vorscheinen kommen. Wie sie stehen und scharren und stellt euch vor – es spränge einmal einer herunter. Doch wir schlafen und selbst die Hunde bellen nicht mehr.
Und niemand kann wissen, ob der Wagen zurückkommt von der Straße, die im Steinbruch endet. Denn wir wissen ja gar nicht, dass er dort gefahren ist, langsam im Dunkeln, denn wir alle schliefen, bis auf den ein oder anderen, den der Mondschein weckte, heute und an den anderen Tagen. Vielleicht sind es Minuten oder eine Ewigkeit bis er wiederkommt, denn wir hören ihn nicht, und wir hören auch keinen Lärm von weit her, weil das Meer doch rauscht und der Wind pfeift. Wenn die Gardinen geöffnet wären, könnten wir vielleicht sehen, wie er fährt, vom Steinbruch her, und wie die Plane flattert und darunter die leeren Planken.
Aber die Gardine ist zu. Komm, schlaf ein.
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Eliane Klammeraffe
Beiträge: 824
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13.05.2018 21:35
von Eliane
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Ich mag diesen Text. Er klingt irgendwie ganz tief in mir drinnen unterschwellig gruselig nach. Schön.
Einhaltung der Vorgaben:
Szene: ich weiß nicht recht. Eigentlich ja, aber die Szene macht den kompletten Text aus. Das war glaube ich nicht im Sinne der Vorgabe.
Thema: ja
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Michel Bücherwurm
Alter: 52 Beiträge: 3376 Wohnort: bei Freiburg
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14.05.2018 13:55
von Michel
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Langweilige Überschrift, auf den ersten Blick jedenfalls, das Gewisse, hier zum Gewissen umgedeutet, spielt mit dem Wegsehen. Der Text fängt mich ein, ein „Was wäre“-Spiel mit einem Laster, der wohl Tiere zum schlachten in den alten Steinbruch bringt, aber es sieht ja keiner. Läuft glatt, liest sich gut - nicht im Sinne von "einfach", sondern von "In seiner Komplexität trotzdem lesbar", was nicht jeder Text im Wettbewerb schafft. Gefällt mir.
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hobbes Tretbootliteratin & Verkaufsgenie
Moderatorin
Beiträge: 4292
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14.05.2018 14:04
von hobbes
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Oh, das mag ich. Völlig überraschend, denn gestern hat mich das Wir ein wenig genervt, heute sieht das schon anders aus. Es passt natürlich prima zum Text.
Doch, das mag ich. Ich mag, wie es gemacht ist, dieses Behaupten von nicht-wissen, wo doch gleichzeitig völlig klar ist, dass wir wissen.
Text, ich komme wieder.
edit: Der Titel! Den wollte ich auch noch mal erwähnen. Vielleicht erfreue ich mich so an ihm, weil ich in die Richtung gar nicht gedacht habe. Vielleicht passt er aber auch einfach so gut. Und das, wo er doch "nur" das Thema aufgreift. Sachen gibt's.
edit: Hallo Favoritentext
Du hast unter anderem auch deshalb gewonnen, weil ich dich beim xten Lesen immer noch mochte. Vielleicht auch: noch mehr mochte.
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Amarenakirsche Eselsohr
Alter: 30 Beiträge: 394 Wohnort: tief im Westen
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14.05.2018 14:59
von Amarenakirsche
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Der Text hat mir sehr gut gefallen.
Er ist eindringlich geschrieben. Du hast die Atmosphäre genau getroffen und das Thema 'Ungewissheit' auf eine andere Weise interpretiert, als die meisten (meine Meinung).
Ich mag die Betonung des Verbes "wissen" bzw. nicht-wissen an jedem Absatzanfang. Das bildet einen roten Faden, der durch die Geschichte lenkt.
Niemand will etwas gewusst oder bemerkt haben. Aber da ändert nicht, dass es passiert ist.
8 Federn
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Constantine Bücherwurm
Beiträge: 3311
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15.05.2018 15:40
von Constantine
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Da ich leider nur 10 Beiträge bepunkten kann, war die Auswahl schwierig.
Dein Beitrag erhält von mir leider 0 Punkte.
Sorry.
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Heidi Reißwolf
Beiträge: 1425 Wohnort: Hamburg
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15.05.2018 22:33 Re: Das Un-Gewissen von Heidi
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Interessant wie du um die Un-Gewissheit herumschleichst. Auch der letzte Satz, der gewiss ist, macht das alles Un-Gewiss.
Das ist ein sehr denkerischer Text und die habens bei mir weniger leicht. Trotzdem, mir gefällt er soweit. Text stellt Fragen für mich. Klar, besser wäre es, wenn ich mir die Fragen selbst stellen dürfte, weil Text sie aufwirfst, aber der Text ist halt so wie er ist.
Warum der Titel? Den Zusammenhang zum Text begreife ich noch nicht.
Du warst irgendwie weit oben in meiner Punkte-Liste und dann bist du immer weiter runter gerutscht und nun ... ist keiner mehr übrig.
Tut mir leid.
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d.frank Reißwolf
D Alter: 44 Beiträge: 1123 Wohnort: berlin
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Aneurysm Eselsohr
Beiträge: 462
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16.05.2018 18:00
von Aneurysm
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Dieser Text erfüllt die Vorgaben sehr direkt, indem er die Ungewissheit darüber, ob die vorgegebene Szene tatsächlich so passiert ist, zum Thema macht. Er erzählt keine Geschichte auf konventionelle Art, sondern er schildert die Gedanken eines unbekannten Ichs zu der Szene. Liegt da jemand nachts in seinem Bett und fragt sich, was draußen passiert? Wir wissen es nicht, würde das Ich wohl antworten.
Mir sind die Gedanken über die Ungewissheit zu allgemein und zu flach. Was dort steht, denke ich mir, könnte sich jeder ausdenken, der über Ungewissheit im Zusammenhang mit der vorgegebenen Szene nachdenkt. Und weil mich der Text auch nicht anderweitig anspricht, indem er zum Beispiel Protagonisten schafft, mit denen ich mitfühle, hat es nicht für die Punkte gereicht.
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Jenni Bücherwurm
Beiträge: 3310
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16.05.2018 23:15
von Jenni
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Niemand beobachtet die belanglose Szene mit dem vorbeifahrenden Auto, denn alle schlafen, und auch wenn es eine Geschichte dahinter gäbe (was im Steinbruch geschehen sein könnte), wir würden sie nicht kennen. Das ist eine schöne leise Idee, rund erzählt. Und so leise sie daherkommt, so lässt sie sich doch auf ein generelles Wegschauen übertragen und auf ein Desinteresse für Hintergründe, ohne dass es wirklich konkrete Andeutungen in diese Richtung gäbe, der Titel vielleicht, eine Andeutung, denn wer nichts sieht, lädt auch keine Schuld auf sich, belastet sein Gewissen nicht.
Steht auf meiner Liste, der mit den Punkten am Ende.
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V.K.B. [Error C7: not in list]
Alter: 51 Beiträge: 6153 Wohnort: Nullraum
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17.05.2018 22:14
von V.K.B.
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Vorweg: Ich interpretiere Un-Gewissheit als zweideutig, einmal eine Ungewissheit (nicht wissen, was kommt oder los ist) und eine Un-Gewissheit wie Un-Ding (oder wie cummings das "un" in seinen Gedichten benutzt hat), also eine schlimme Gewissheit.
Hallo Inko,
wow, ein wirklich finsteres Szenario, muss ich schon sagen. Gut rübergebracht und gefällt mir. Der eigentlich nur aus Negationen bestehende Schreibstil ist zuerst etwas gewöhnungsbedürftig, aber hat irgendwie auch was. Einziger Wermutstropfen: Ab und an wiederholst du dich etwas zu oft.
Das Thema Un-Gewissheit ist brillant eingefangen. Niemand weiß was los ist, weil es niemand wissen will, und doch weiß es eigentlich jeder. Nur verschließt die Augen. Wir haben doch von nichts gewusst, werden sie später sagen.
Mir gefällt, was du mit der vorgegebenen Szene machst, das ist mutig. Schließlich lässt du sie ja eigentlich gar nicht stattfinden, oder außerhalb der Wahrnehmung. Streng genommen geht das gegen die Vorgaben. Aber ich sehe hier kein "Thema verfehlt", denn dir gelingt es trotzdem, die Stimmung der Originalszene einzufangen und als düsteres Un-Geschehen über der ganzer Geschichte schweben zu lassen. Gefällt mir richtig gut!
Ich habe bis jetzt noch nicht alles gelesen und verteile Punkte erst am Ende, aber bis jetzt bist du ziemlich weit oben in meiner Liste.
Gerne gelesen,
Veith
_________________ Hang the cosmic muse!
Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills … |
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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18.05.2018 00:20
von firstoffertio
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Die Perspektive hier interessant. Der Widerspruch von wissen und nicht wissen wollen. Eine Parabe, nicht?
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VwieMargarita Wortedrechsler
V Alter: 40 Beiträge: 56 Wohnort: Remarque-Stadt
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V 18.05.2018 20:35
von VwieMargarita
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Wir wissen nicht, weil wir schlaffen, aber wir vermuten.
_________________ "Sobald du dir vertraust, sobald weißt du zu leben".
J.W.v.G |
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Malaga Klammeraffe
Beiträge: 826
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19.05.2018 14:40
von Malaga
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Mit jedem Lesen gefällt es mir besser.
Toll, das Wortspiel hin von der Un-Gewissheit zum Un-Gewissen. Klasse!
Die Assoziation "Nationalsozialismus" - keiner will es mitgekriegt haben, gewusst haben, jeder hat lieber die Gardinen zugezogen.
Dass es um Menschentransporte geht, ist klar. Aber jede Nacht? Ist nicht ganz realistisch, oder? Gelegentliche Transporte würden es glaubwürdiger machen.
Auf jeden Fall ist die Geschichte einer meiner Favoriten!
Noch: Der Vorzug des Textes ist sein einziges Manko: Sein Moralismus. Keine Geschichte, eher ein -- Essay? Weiß nicht. Trotzdem: 12 Punkte.
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Tjana Reißwolf
Alter: 63 Beiträge: 1786 Wohnort: Inne Peerle
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20.05.2018 01:19
von Tjana
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Geheimnisvoller Lastwagen.
Entsorgt er tatsächlich lebende Tiere im Steinbruch? Gruselig, dennoch schwer glaubhaft.
Mal sehen, ob im Vergleich mit den anderen Texten noch Punkte übrig bleiben ...
_________________ Wir sehnen uns nicht nach bestimmten Plätzen zurück, sondern nach Gefühlen, die sie ins uns auslösen
In der Mitte von Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten (Albert Einstein) |
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traumLos Eselsohr
Beiträge: 380
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20.05.2018 04:30
von traumLos
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Hallo, ich weiß nicht wer.
Ja, die Vorgabe sehr weit durch den Text gezogen. Möglicherweise ein Text der Gefahr lief, disqualifiziert zu werden. Allerdings hat dieser Text in besonderem Maße das Thema Un-Gewiss verarbeitet. Mit ganz wenigen Wörtern, vielleicht sogar der kürzeste Text, das was Un-Gewiss den Bewohnern des Ortes sein will, als Gewissheit entlarvt. Hat mir sehr gut gefallen.
Aber da ist ja die Szene. Hm.
Beide Augen zugedrückt. 1 Punkt
_________________ Meine Beiträge geben nur meine Meinung wieder. Jede Einbeziehung realer oder fiktiver Personen wäre nur ein Angebot. Zwinkersmiley |
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rieka Sucher und Seiteneinsteiger
Beiträge: 816
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20.05.2018 13:50
von rieka
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Hallo, unbekannter Autor.
Heißes Thema, dein Thema. Ein (Un)Gewissen, das im Un-Gewissen bleiben möchte.
Man schaut besser nicht hin, wenn Dinge geschehen, gegen die man aufstehen sollte.
Geschrieben hast du den Text mit einfachen, ruhigen, klaren Sätzen ohne Geschnörkel. Daher empfand ich ihn, sobald mir das Licht über ihn aufging, umso eindrucksvoller. Dabei ist es gar nicht wichtig, eindeutig zu wissen, um welche Lebewesen es sich auf dem Lastwagen handelt. Die Fantasie kann wandern, es gibt einige Szenarien, die sich mir auftun, alle unangenehm bis schrecklich. Damit ist nicht nur in der Geschichte das „Ungewisse“ vorhanden, auch ich bin im Ungewissen.
Alle Bedingungen sind erfüllt. Nicht nur die ungewissen Protagonisten in der Geschichte stecken nun im Ungewissen, bis zu einem gewissen Grad auch ich, die ich um die Leiber, das Blöken, Schaben und Kratzen herumfantasiere.
Doch, hier geht es nicht nur um das Un-Gewisse, sondern auch um das Un-Gewissen.
Ich finde hier stimmen Inhalt, Vorgaben und Schreibstil.
10 Punkte
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Literättin Reißwolf
Alter: 58 Beiträge: 1836 Wohnort: im Diesseits
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21.05.2018 10:32
von Literättin
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Spielt das Thema Un-Gewissheit die zentrale Rolle? Es wurde hier kurzerhand umgebaut in eine Geschichte über das wegschauen, über das im Schlaf betäubte gewissen.
Eröffnet oder schließt die vorgegebene Szene den Text und bleibt ihr Charakter erhalten? Die Szene zieht sich durch die gesamte Geschichte: hier ist es ein Lastwagen, der seine Fracht im Steinbruch ablädt und danach zurückkehrt, so entspricht sie nicht ganz den Vorgaben.
Gesamteindruck - Es ist eine sehr bedrückende, nachdenklich stimmende Geschichte, die in Erinnerung bleibt und die so doch nicht ganz funktioniert. Sprachlich solide verfasst und sparsam erzählt gefällt mir die Unaufgeregtheit der Erzählung, doch sie betont mir eine Spur zu vordergründig, dass "wir (ruhig weiter) schlafen (sollen)". Offenbar werden Menschen in den Steinbruch gekarrt, Menschen, die scheinbar blöken und scharren wie Tiere. Es ist ein unmenschlicher Transport und es wird angedeutet, dass den am Ende auch keiner überlebt. Und da bewegt sich der Text auf einem schmalen Grat, denn einerseits scheint er sich historischer Bilder zu bedienen (das Bild vom Steinbruch als klassisches Bild vom Straflager), was den Text auf eine bestimmte Bedeutung reduziert und andererseits kommt er ohne historischen Bezug daher und die Mahnung scheint sich aktuell auf heute zu beziehen. Und hier strauchle ich als Leser etwas und weiß in diesem Widerspruch von konkret und vage mich nicht wirklich zurecht zu finden. Und genau an diesem Punkt fühle ich mich dann ein Stück zu viel ironisch ermahnt, im wir doch bitte weiter zu schlafen. Dabei ist die Idee im Kern nicht verkehrt, sie verliert aber in der Umsetzung an Tragfähigkeit. Dennoch: gern gelesen. Und gern damit beschäftigt.
_________________ when I cannot sing my heart
I can only speak my mind
- John Lennon -
Christ wird nicht derjenige, der meint, dass "es Gott gibt", sondern derjenige, der begonnen hat zu glauben, dass Gott die Liebe ist.
- Tomás Halík -
Im günstigsten Fall führt literarisches Schreiben und lesen zu Erkenntnis.
- Marlene Streeruwitz - (Danke Rübenach für diesen Tipp.) |
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Akiragirl Dünnhäuterin
Alter: 33 Beiträge: 3632 Wohnort: Leipzig
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21.05.2018 18:49
von Akiragirl
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Dieser Text ist für mich Platz 2 im diesjährigen PoKaPro und bekommt somit 10 Punkte.
Warum?
Sprachlich ist er nicht besonders, aber doch sicher und routiniert auserzählt, mit Ausnahme dieses Satzes: Zitat: | Nur wenn ein Spalt geöffnet ist zwischen den Gardinen erhascht jemand einen Blick auf den Lastwagen – der jetzt fast jede Nacht – auf der Straße durch die Stadt und bis hinaus in den Steinbruch am Meer. |
Die Wiederholungen fügen sich gut in die Melodie des Textes ein und verstärken dieses Gefühl, dass es so viele Chancen gegeben hätte, hinzuschauen, aber niemand sie ergriffen hat.
Den Lastwagen kann man sicher sehr verschieden interpretieren, ich würde mich da gar nicht festlegen wollen. Er kann für alles Unrecht stehen, das an Menschen und Tieren schon begangen wurde. Massentiertransporte, Sklaverei, Holocaust, waren Assoziationen, die mir in den Sinn kamen. Aber man will es nicht sehen, nicht hören, man will es im Grunde nicht wissen. Etwas, das auch heute leider wieder an der Tagesordnung ist.
Einer der wenigen aus meiner Interpretation politischen Texte des Wettbewerbs, der das Thema aus meiner Sicht sehr gut verarbeitet, besonders das Spiel mit der Ungewissheit und dem Un-Gewissen.
Bin gespannt, wer hier der Autor war
LG
Anne
_________________ "Man bereut nicht, was man getan hat, sondern das, was man nicht getan hat." (Mark Aurel) |
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Terhoven Eselsohr
Beiträge: 401
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24.05.2018 20:21
von Terhoven
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Hallo Inko. Ich kann nicht ohne Stichpunktzettel
Gesamteindruck: Uh, starker Tobak.
Umsetzung der Regeln:
Thema Un-Gewissheit -- Ja, hier sehr schön mit dem Gewissen gekoppelt, das bietet sogar einen Mehrwert.
Autoszene -- sehr gut umgesetzt, erst einmal und dann immer wieder, sehr schön
Bester Satz: Mir gefällt, wie jemand zum Wasserhahn läuft über die kalten Fliesen. Das spricht mich total an, erst der Durst und dann die kalten Fliesen, da müsste die Person ja auch bald aufs Klo und hat praktisch zwei Chancen, das draußen Geschehende wahrzunehmen.
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lebefroh Eselsohr
L Alter: 43 Beiträge: 364 Wohnort: Berlin
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L 26.05.2018 11:53
von lebefroh
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Vielen Dank für die vielen Kommentare! Es freut mich, dass Einige meiner Geschichte so viel abgewinnen konnten.
Insbesondere freue ich mich, dass meine eigenen Favoriten auch bei mir viel finden konnten.
Und vielen Dank natürlich für die Punkte von allen, die mir welche gegeben haben!
Eliane hat Folgendes geschrieben: |
Einhaltung der Vorgaben:
Szene: ich weiß nicht recht. Eigentlich ja, aber die Szene macht den kompletten Text aus. Das war glaube ich nicht im Sinne der Vorgabe.
Thema: ja |
Ich habe mich gefragt, ob mir das angekreidet wird. Aber in den Vorgaben stand doch nur, dass die Szene am Anfang oder am Ende stehen soll. Es stand nicht dort, dass die Szene sich nicht im weiteren Verlauf wiederholen darf. So jedenfalls meine Interpretation...
Michel hat Folgendes geschrieben: | Der Text fängt mich ein, ein „Was wäre“-Spiel mit einem Laster, der wohl Tiere zum schlachten in den alten Steinbruch bringt, aber es sieht ja keiner. |
Nein, Tiere sind es eigentlich nicht. Es ging mir darum, dass es zu einer Enthumanisierung kommt, um das Wegschauen zu ermöglichen. Und gleichzeitig lassen die Menschen in dem Dorf sich selbst eben im Ungewissen... vielleicht sind es ja doch Tiere.
hobbes hat Folgendes geschrieben: |
edit: Der Titel! Den wollte ich auch noch mal erwähnen. Vielleicht erfreue ich mich so an ihm, weil ich in die Richtung gar nicht gedacht habe. Vielleicht passt er aber auch einfach so gut. Und das, wo er doch "nur" das Thema aufgreift. Sachen gibt's.
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Wow, damit habe ich ja gar nicht gerechnet. Ich habe mich im Nachhinein so über den Titel geärgert. Fand in fürchterlich platt. Aber schön, dass er für dich passte - und überhaupt vielen Dank für so viel Lob!
Heidi hat Folgendes geschrieben: |
Warum der Titel? Den Zusammenhang zum Text begreife ich noch nicht.
Du warst irgendwie weit oben in meiner Punkte-Liste und dann bist du immer weiter runter gerutscht und nun ... ist keiner mehr übrig.
Tut mir leid. |
Der Titel - na, weil die Ungewissheit ermöglicht, dass das Gewissen nicht schmerzt. Ich finde es im Nachhinein selbst blöd...
Übrigens erkenne ich ein Muster: Im letzten Wettbewerb bin bei Dir auch von oben nach unten gerutscht bis nix mehr übrig war...
d.frank hat Folgendes geschrieben: | Irgendwie fühle ich mich bei diesem Wettbewerb langsam so ein bisschen wie beim Memoryspielen
Es gibt immer wieder so Geschichtenpaare und ich muss mir daraus den Trumpf raussuchen.
Der Gegenpart hierzu hat mir besser gefallen.
Hier bleibt mir das zu vage.
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Oh, jetzt bin ich aber neugierig, welche Geschichte dieser Gegenpart war!
firstoffertio hat Folgendes geschrieben: | Die Perspektive hier interessant. Der Widerspruch von wissen und nicht wissen wollen. Eine Parabe, nicht? |
Parabel? Irgendwie schon, aber nicht so richtig. Weil ja leider ganz ähnliche Dinge in der Menschheitsgeschichte schon zu genüge passiert sind.
Malaga hat Folgendes geschrieben: |
Dass es um Menschentransporte geht, ist klar. Aber jede Nacht? Ist nicht ganz realistisch, oder? Gelegentliche Transporte würden es glaubwürdiger machen.
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Leider habe ich genug beklemmende Texte gelesen, die mich davon überzeugen, dass schreckliche Dinge auch verdrängt werden können, wenn sie jeden Tag passieren. Außerdem habe ich ja "fast jede Nacht" geschrieben.
Malaga hat Folgendes geschrieben: |
Noch: Der Vorzug des Textes ist sein einziges Manko: Sein Moralismus. Keine Geschichte, eher ein -- Essay? Weiß nicht. Trotzdem: 12 Punkte. |
Ja, ich habe auch überlegt, ob das zu moralistisch ist. Freut mich, dass es Dir trotzdem gefallen hat.
traumLos hat Folgendes geschrieben: |
Beide Augen zugedrückt. 1 Punkt |
Weil sich die Szene wiederholte?
Akiragirl hat Folgendes geschrieben: |
Sprachlich ist er nicht besonders, aber doch sicher und routiniert auserzählt, mit Ausnahme dieses Satzes: Zitat: | Nur wenn ein Spalt geöffnet ist zwischen den Gardinen erhascht jemand einen Blick auf den Lastwagen – der jetzt fast jede Nacht – auf der Straße durch die Stadt und bis hinaus in den Steinbruch am Meer. |
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Oje, das war eigentlich Absicht. Weil - der Gedanke, von dem, was da passiert, ist so ungeheurlich, dass der Satz nicht mal richtig zu Ende geführt wird.
Danke noch mal an alle, hat mir wirklich Spaß gemacht, Eure Kommentare zu lesen und viel gegeben!
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holg Exposéadler
Moderator
Beiträge: 2395 Wohnort: knapp rechts von links
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30.05.2018 16:32
von holg
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Den hab ich jetzt zweimal gelesen und fand ihn beim zweiten Mal noch besser als beim ersten.
So bildhaft-mystisch du diese Ungewissheit über den nächtlichen Transporter, der Wesen (als wären da Tiere) zum Steinbruch am Meer fährt, oder auch nicht, muss da unter dem Nicht-Geschilderten ein tieferer Horror lauern.
Klasse gemacht.
_________________ Why so testerical? |
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