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AchWiesoNicht Gänsefüßchen
Alter: 25 Beiträge: 15 Wohnort: Leipzig
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Verfasst am: 06.05.2018 19:00 Titel: Pestdoktor
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Mulmiges Ruckeln der Ferne
kieselndes Brechen der Wellen
rollendes Malmen der Räder
er kommt
Bellendes Ave der Hunde
trocknendes Meersalz die Wunde
gepökeltes Fleisch und ich schmecke
er kommt
Papier ist mir partout zu weiß
für das, was er tut -
Klopfen. Die Tür schon lange ein Spiegel
ich ächze, sie tut es mir gleich
Ich diktiere
das Testament er schreibt in geschwungen schwarzen Schwüngen kratzend
Schwingen für sie meine Schwester ich bitte
dass er auch mich das Fliegen lehren möge er wendet sich ab
Wir hieven sie hoch
ein Blatt auf dem Wasser im Herbst sein Wagen ein Schiff
gekräuselt Gerippe, die Waage geeicht
ein paar Pfund Tod ich rufe ihm nach
Bis Morgen vielleicht
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Literättin
Exposéadler
 Alter: 55 Beiträge: 2084 Wohnort: im Diesseits
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Verfasst am: 14.05.2018 10:03 Titel:
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Zentrale Rolle des Themas Un-Gewissheit - Kann ich nicht erkennen. Zentrale Rolle spielt doch hier eindeutig der Tod, der kommt, die Schwester zu holen und morgen vielleicht LI - aber das ist bestenfalls möglich, oder nicht. Da gibt es doch klare Chancen oder auch nicht. Und Un-Gewissheit - das setzt sich nach meinem Empfinden in der Tiefe aus mehr Gegensatz zusammen. Hier ist aber die Bühne eindeutig vom Tod, dem Grauen der Pest, den ausgelieferten Geschwistern bevölkert. Da finde ich keine Un-gewissheit. Leider.
Nein, reingelegt, es müsste ja der titelnde Pestdoktor sein. Oder der Totengräber. Oder einer, der auch das Testament aufnimmt? Hm, am Ende weiß ich es nicht mehr.
Einarbeitung des Zitats - Muss ich glatt noch einmal nachschauen (...) . Ja, das Papier ist hier zu weiß (haben sich die Wagenräder, das Rollen der Meereswogen und das Bellen der Hunde versehentlich aus der Prosa-Aufgabe hier reingeschlichen?).
Ich bin ein wenig durcheinander geraten, zwischen den Zeilen, merke ich. Jedenfalls ist das Zitat vorhanden. Das Testament, das wohl darauf geschrieben werden soll, das wiederum kriege ich nicht überein mit dem Doktor-Totengräber-Tod.
Lyrischer Gesamteindruck - Eine atmosphärisch üppig-düstere Szenerie über das Sterben während der Pest. Sehr wortreich gezeichnet und mir ein wenig zu üppig-wortreich. Ein wenig zu viel wird mir auch mit Wortklang und Alliteration gespielt. Manche schöne Stelle ist aber auch zu entdecken. Das hier: Zitat: | ein Blatt auf dem Wasser im Herbst sein Wagen ein Schiff | hat zum Beispiel einen schönen Rhythmus, obwohl ich mich beim fürs Zitat rauskopieren schon wieder frage, weshalb hier, wie auch im übrigen Gedicht, keine Satzzeichen verwendet werden.
Mit manchem Bildern wiederum werde ich nicht warm. Ein "gekräuselt Gerippe" zum Beispiel, will mir als Bild nicht in den Kopf, da sträubt sich etwas.
_________________ when I cannot sing my heart
I can only speak my mind
- John Lennon -
Christ wird nicht derjenige, der meint, dass "es Gott gibt", sondern derjenige, der begonnen hat zu glauben, dass Gott die Liebe ist.
- Tomás Halík -
Im günstigsten Fall führt literarisches Schreiben und lesen zu Erkenntnis.
- Marlene Streeruwitz - (Danke Rübenach für diesen Tipp.) |
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firstoffertio
Show-don't-Tellefant

Beiträge: 6147 Wohnort: Irland
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Verfasst am: 14.05.2018 22:24 Titel:
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Hmm, ich bin mir sehr unsicher darüber, was mir dies erzählt.
Denke an Madagaskar, auch an das Lied. Ein Arzt, eine Kranke, Sterbende. Gestorbene.
Manches ist mir sprachlich zu aufdringlich:
das Testament er schreibt in geschwungen schwarzen Schwüngen kratzend
gekräuselt Gerippe
Das wiederum finde ich gut:
ein Blatt auf dem Wasser
und dann überlege ich, ob es doch nur um den Herbst geht.
Auch hier finde ich Ungewissheit eher bei mir beim Lesen, als im Text.
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Constantine
Bücherwurm

Beiträge: 3012
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Verfasst am: 15.05.2018 11:15 Titel:
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just points
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lebefroh
Eselsohr
Alter: 40 Beiträge: 381 Wohnort: Berlin
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Verfasst am: 15.05.2018 15:35 Titel:
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Eigentlich einer meiner Favoriten, gefällt mir sprachlich wirklich sehr gut. Aber der Titel, der Titel nimmt so viel vorweg und bringt mich völlig raus - da hätte ich mir irgendwie etwas Subtileres gewünscht.
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hobbes
Tretbootliteratin
 Moderatorin
Beiträge: 3876
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Verfasst am: 17.05.2018 20:48 Titel:
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Punkte*-Vergeb-Kommentar.
* zwei
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Heidi
Reißwolf
 Alter: 40 Beiträge: 1306 Wohnort: Hamburg
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Verfasst am: 17.05.2018 21:14 Titel: Re: Pestdoktor
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Der Tod ist uns gewiss. Thema erfüllt. Sprachlich nicht so mein Ding. Mulmiges Ruckeln oder Bellendes Ave oder kieselndes Brechen. Sehr detaillierte Bilder, die kaum klar sprechen und ich bin eher ein Fan von reinen Farben.
Ich frage mich, wem das LI das Testament diktiert. Vielleicht dem Sensenmann? Fände ich lustig irgendwie. Er klopft an die Tür, LI weiß vorweg davon, riecht schon den Tod, die Hunde bellen ja auch ein Ave für die Schwester und Sensi darf sie gar nicht sofort abholen, muss erst noch das verdammte Testament schreiben, das LI ihm vorspricht. Kann er das überhaupt? Hat er eine physische Hand? Interessant. Und lustig. Und das LI hat wohl auch Lust auf ein wenig Tod. Weshalb sonst der letzte Satz?
Die Idee finde ich nicht schlecht. Ein sehr gewisser Text über Un-Gewisses. Die Sache mit der Sprache allerdings ... vielleicht bleiben noch Trostpunkte für die Idee.
Edit: Haha, ich hatte den Titel völlig übersehen. Ist gar nicht Sensenmann. Schade. Das macht den Text weniger interessant.
Leider ist noch nicht mal ein Trostpunkt übrig geblieben.
_________________ Scheiße darf keine Flügel haben
der Phallus braucht Flügel |
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d.frank
Reißwolf
Alter: 41 Beiträge: 1061 Wohnort: berlin
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Verfasst am: 17.05.2018 23:08 Titel:
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Ich mag die Atmosphäre. Der, keine Ahnung, Stil? passt zur abgebildeten Epoche. Es ist relativ stimmig, wenn auch nicht herausragend.
Honorieren muss man wahrscheinlich, dass der Autor sich hier komplett den Vorgaben verschrieben hat, also denen aus beiden Wettbewerben
Sich derartig einschränken lassen, da würde ich wahrscheinlich nur einen Bretterverschlag zusammengebaut bekommen.
_________________ Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer |
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V.K.B.
[Error C7: not in list]
 Alter: 48 Beiträge: 3431 Wohnort: Nullraum
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Verfasst am: 20.05.2018 22:21 Titel:
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Vorweg: Ich bin kein Lyrik-Experte und fühle mich nicht wirklich qualifiziert, Lyrik zu bewerten. Daher muss ich mich auf mein Bauchgefühl beschränken und mehr danach gehen, was mir von Gedanken, Sprache und Inhalt gefällt, statt wirklich nach lyrischem Können zu beurteilen. Das „un“ in un-Gewissheit interpretiere ich wie cummings die Vorsilbe verwendet hat.
Hallo Inko,
das erste, was mir auffällt: der eingebaute Vers will da überhaupt nicht reinpassen, finde ich. Er sticht hervor wie ein Fremdkörper. Oder ist das die Pestbeule? Thema Un-Gewissheit ist da.
Irgendwie ist mir das Ganze aber zu künstlich bemüht, zu gruftig (sorry, bin keine 14 mehr, aber damals habe ich sowas geliebt) und zu aufgesetzt, besonders durch die vielen Genitiv-Konstruktionen, die im ersten Teil dominieren. Aber ein gewisses Können deinerseits kann und will ich nicht absprechen. Könnte also durchaus doch noch für Punkte reichen, auch wenn es an meinem Geschmack vorbeigeht.
_________________ Warning: Cthulhu may occasionally jumpscare people … |
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d.frank
Reißwolf
Alter: 41 Beiträge: 1061 Wohnort: berlin
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Verfasst am: 21.05.2018 18:25 Titel:
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Den letzten Punkt für Dich
_________________ Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer |
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Zinna
schweißt zusammen, was

Beiträge: 1711 Wohnort: zwischen Hügeln und Aue...
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Verfasst am: 21.05.2018 19:44 Titel:
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Hallo Inko,
bei diesem Wettbewerb werde ich meinen Kommentar nach einem Schema erarbeiten.
Titel
Stark, macht neugierig.
Thema
Ungewissheit finde ich nicht.
Zitat
Fügt sich in meinen Augen nicht schlüssig ein/an.
Weiteres
Die beiden ersten Strophen gefallen mir, transportieren Stimmung, wecken Erwartungen, wie sie in das „er kommt“ münden.
Die anderen sind unausgegoren.
Überzeugt mich leider nicht. Hatte anfangs das Potential dazu.
LG
Zinna
_________________ Wenn alle Stricke reißen, bleibt der Galgen eben leer...
(c) Zinna |
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menetekel
Exposéadler
 Alter: 101 Beiträge: 2180 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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Verfasst am: 22.05.2018 07:54 Titel:
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Hallo Anonymus,
das "bellende Ave" der Hunde gefällt mir ausgezeichnet.
Ansonsten kommen die ersten beiden Versgruppen überfrachtet bei mir an. -
Alle Adjektive sind in sich sehr schön ("das kieselnde Brechen der Wellen"), aber treten jene derart massiv auf, ist es mir persönlich zu viel.
Vermutlich steckt von deiner Seite her Absicht dahinter, weil du im Weiteren mit schmückendem Beiwerk sparsamer umgehst; indes bleibe ich noch vom ersten Teil erschlagen zurück.
m.
_________________ Alles Amok! (Anita Augustin) |
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poetnick
Klammeraffe
 Alter: 59 Beiträge: 737 Wohnort: Europa
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Verfasst am: 23.05.2018 11:27 Titel:
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Hallo Unbekannt,
Zitat: | Mulmiges Ruckeln der Ferne
kieselndes Brechen der Wellen
rollendes Malmen der Räder
er kommt
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Das sitzt. Ein Text der bei jeder Lesung noch etwas dazugibt.
Irgendwie düster, sarkastisch und doch nie grob. Gerne gelesen, gehört wohl zu meinen Favoriten.
Liebe Grüße - Poetnick
_________________ Wortlos ging er hinein,
schweigend lauschte er der Stille
und kam sprachlos heraus |
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Rübenach
Exposéadler
Beiträge: 2656
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Verfasst am: 25.05.2018 05:25 Titel:
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Vorab: Das Problem bei den Wettbewerben im dsfo ist, dass es nur sehr eingeschränkt möglich ist, einen Text einige wochen liegen zu lassen, um ihn dann mit etwas Abstand neu zu betrachten und gegebenenfalls nochmal zu verändern. Andererseits ist eine Woche eine Menge Zeit, da können die Bewertungsmaßstäbe schon etwas strenger sein als beim fff.
Der neunte Text, die siebte Abänderung des Zitats. Bin ich zu kritisch? Wäre copy-and-paste eine Lösung für die Autoren gewesen?
Zum Text:
Erster Eindruck: Da ist jemand mutig. Sehr mutig. Massive Anklänge an Celans Todesfuge. So etwas muss verdammt gut gemacht sein, um überzeugen zu können.
Mulmiges Ruckeln der Ferne versus Schwarze Milch der Frühe
er schreibt in geschwungen schwarzen Schwüngen versus der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland
und vieles andere mehr. Die Schwester, der Tod ...
Oder liege ich falsch und hier liegt keine Variation zu Celan vor, sondern der Autor hatte einfach nur die (Gedicht)melodie im Kopf?
Schwierig.
Lebt doch dieses Gedicht von seiner Rhythmik, von diesem Celan ähnlichen Sound. und dieser Sound ist gut. (Was man nicht von vielen Gedichten im Wettbewerb sagen kann).
Am Ende werden es sieben Punkte
_________________ "Nothing bad can happen to a writer. Everything is material." (Philip Roth) |
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Lorraine
Klammeraffe

Beiträge: 720 Wohnort: France
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Verfasst am: 25.05.2018 11:43 Titel:
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Ganz schwer (für mich), diesem Text einen Kommentar zu schreiben, ich kann aber sagen, dass mir einiges daran langsam, aber sicher näher gekommen ist. Die Stelle, an der das Zitat eingepasst wurde, klingt wie ein Misstönen, widersetzt sich, was auch am Trennungs- oder Bindestrich liegt, für mich gehört das Klopfen ausschließlich dorthin, wo es auch steht.
»Ich diktiere« – ein seltsamer Einschnitt, überhaupt ist das Gedicht unterteilt. In Abschnitte, die ganz unterschiedliche Rhythmen spüren lassen, hier beim Diktat werden die schwungvollen Bewegungen des als Rabe maskierten Pestdoktors sehr deutlich, wobei man nicht allzu genau hinsehen darf … geschwungene Schwünge?
Gut finde ich, weil hier passend:
Zitat: | ich bitte
dass er auch mich das Fliegen lehren möge er wendet sich ab |
wie jemand nicht zurückbleiben, in den Tod folgen möchte, es jedoch noch nicht darf – wobei »ich bitte, er möge auch mich ...« dieses sperrige »dass« überflüssig gemacht hätte; es sind (auch) solche Kleinigkeiten, die diesem Text etwas nehmen, ihn noch unfertig erscheinen lassen. Der Eindruck entsteht schon am Beginn, wenn sich dem angepeilten Versmaß/Rhythmus unterworfen wird, und eine Ellipse wie hier (drin)
Zitat: | Mulmiges Ruckeln der Ferne |
ein wenig wie ein Notlösung erscheint.
Allerdings gewagt und ziemlich beeindruckend: das Ende. Auch hier kommst du ohne Wie-Vergleiche aus und dennoch kann jeder Vergleich nachvollzogen werden, Bilder verschwimmen ineinander und bleiben doch sichtbar; es gibt dieses eine Reimpaar – da möchte ich nicht reinreden, wiewohl man sich streiten könnte, Argumente gäbe es sowohl für ihn als auch dagegen?
Wenn mir der Text antworten könnte, würde ich fragen, wie bewusst er sich seinen Widersprüchen ist, wie zum Beispiel, wenn (der Schwester) Schwingen »verschrieben« werden, ihr Körper trotz der Leichtigkeit gehievt werden muss – alles Widersprüche, die ich erklärbar finde – ich kann nur dem Text nicht wirklich ansehen, was er weiß und was Zufall ist. Das muss man nun nicht verstehen und ach ja, ich wollte noch sagen, dass ich lange Zeit das Gefühl hatte, hier wäre eine Variante eines Textes geschrieben worden, der zuerst als Prosa geplant war? Gar nicht schlimm, das Gedicht kann sich durchaus sehen lassen.
Grüße,
Lorraine
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AchWiesoNicht Gänsefüßchen
Alter: 25 Beiträge: 15 Wohnort: Leipzig
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Verfasst am: 26.05.2018 12:38 Titel:
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Vielen lieben Dank an alle, die sich die Zeit genommen und einen Kommentar dagelassen haben! Ich hoffe, mir wird nachgesehen, dass ich nicht jedem einzeln antworte Aber ich schätze die Rückmeldung sehr, vor allem, da ich normalerweise überhaupt nicht im Bereich der Lyrik unterwegs bin. Eure Kritik hilft als Maßstab daher extrem, also nochmal ein fettes Dankeschön an euch
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