ausflüge

[Silvian]

die letzten gartenvögel
sind davongeflogen
sie wollten dir wohl folgen
bis hinunter in den süden

verflogen auch
die süßen kinderküsse
übermütig hingeschmatzt
zu zaunkönigklängen

kirchenglocken
kicken mich
metallisch wach
stattdessen

der erste neue sonntag also
dumpf eingeläutet statt geflötet
ich hebe nicht einmal den blick
in richtung seines morgengrauens

vergrabe lieber mein gesicht
im alten rabe socke kissen
der mich verlacht statt anzulachen
wie dein elsternherz es tat

du bist jetzt flügge frei
so stolz und erhaben
ich bin nun vogelfrei
dem schicksal ergeben

zieht's dich mal zurück nach norden
spreiz im frühling deine flügel
folge kranichformationen
lande sanft in warmen armen

[Tr1ckSh0t]

[Heidi]

Lieber Silvian,

dieser Text transportiert Wärme, also greifbare (angenehm kühle) Wärme, keine brennende. Es ist mir, als könnte ich sie anfassen. Ich könnte die Bilder auseinanderfriemeln, all das, was durch sie in mir an Gedanken entsteht noch detailliert in eigenen Worten formulieren - denn es entstehen unglaublich viele - aber irgendwie wäre das in diesem Fall schade.

Im Gesamten erlebe ich ein Loslassen, ein Abschiednehmen. Das lyrische Ich sieht das lyrische Du woandershin ziehen, empfindet dadurch Welten-Kälte, die einen Traumzustand in einen Wachzustand verwandelt. Rückzug ins Kissen und die Empfindung des Verlachtseins von innen heraus (Rabe Socke) ebenso wie von außen durch das lyrische Du - obwohl das, streng genommen, auch als von innen heraus anzusehen ist, weil es ja das lyrische Ich ist, das seine Empfindungen "erzählt" .