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Günter Leitenbauer Wortedrechsler
G Alter: 58 Beiträge: 99 Wohnort: Gunskirchen
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G 21.04.2018 12:06 Elternfreuden von Günter Leitenbauer
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Elternfreuden
Ach wie waren sie süß, als sie zweieinhalb waren! Nun gut, sie haben an guten Tagen fünfmal superfluid in die Windeln gepfeffert, aber das verklärt die Muse der Erinnerung zu einem geradezu lieblichen Duft, wenn – ja, wenn sie mal sechzehn sind und entdeckt haben, dass man den Eltern ganz anders ins Konzept scheißen kann!
„Papa, wir werden am Samstagabend ausgehen!“
Wie bitte? Was? Ja, dürfen’s denn das? Haben wir sie nicht noch vor kurzem zur Erstkommunion begleitet?
„Hä? Ihr seid vierzehn!“
„Papa, wir waren vor einem halben Jahr sechzehn. Wo lebst du?“
„In meinem Haus. Und ihr auch! Und solange ihr da lebt, bestimme ich, wie alt ihr seid!“
„Also beim Spülerausräumen letztens sagtest du, dass wir das ruhig auch mal machen können, mit fast siebzehn könne man schon mal im Haushalt mithelfen …“
Ich muss mal mit dem Deutschlehrer reden. Seit sie das Freifach KDD (Kommunikation, Diskussion und Debatte) belegt haben, werden mir die Rotzer schön langsam definitiv zu beschlagen.
„Das ist etwas ganz an…“
„Also entweder sind wir fast siebzehn oder vierzehn. Da gibt es keine Grauzone, Papa!“
Grauzone. Dieses Wort ist auch neu. Ich muss DRINGEND mit dem Typen reden!
Ich will gerade ein weiteres, nicht zu widerlegendes Argument in die Diskussion einbringen – warum eigentlich diskutiere ich mit ihnen? Ich kann ANORDNEN! – sehe aber, dass sie schon in ihre Zimmer geflüchtet sind. Das haben sie nicht von mir, unliebsame Diskussionen einfach dadurch abzuwürgen, dass man das Gegenüber dumm im Regen – oder wie in diesem Fall beim Geschirrspüler – stehen lässt, bis die erste Aufregung vorüber ist. Meine Exfrau hasste das bei mir. Also, das haben die nicht von mir. Ich habe es nämlich noch.
Ich könnte die Diskussion zwei bis dreizehn zu diesem Thema, verteilt von Dienstag bis Freitag, natürlich hier en Detail wiedergeben, beschränke mich aber darauf, nur das Ergebnis des einberufenen Familienrates mitzuteilen. Seit ich mit den Jungs alleine lebe, ist der Familienrat gewichtungsmäßig deutlich zu Gunsten meiner Person mutiert. Wir haben da nämlich ein einfaches System: Pro Lebensjahr eine Stimme. Ich habe daher mit 52 zu 32 immer die absolute Mehrheit. Das war anders, als sie früher je nach Thema mal mit mir, mal mit ihrer Mutter Koalitionen gebildet haben. Was dazu führte, dass das Urlaubsziel stets die beiden bestimmt hatten. Außer wir Erwachsenen waren uns einig. Also … muss ich jetzt nicht weiter erläutern, oder?
Das Fazit der Diskussionen:
Sie dürfen am Samstag im Rahmen des Jugendschutzgesetzes ausgehen. Sprich: Um zwölf zuhause! Und sie müssen mir jeden Lokalwechsel per whatsapp mitteilen. Und sie dürfen nicht mit anderen mitfahren, weder im Auto noch auf Mopeds, etc. Viel zu gefährlich! Und keinen Alkohol! Wehe!
„Und wenn das nicht klappt, hole ich euch ab, Freunde. Ich verspreche euch, das wollt ihr nicht sehen!“
*
Samstagnacht, 0:20 Uhr. Keine Sau zuhause. Außer mir, und ich bin einigermaßen reinlich. Mein whatsapp ist natürlich leer wie mein Sparbuch seit der Scheidung, aber ich habe eine Vermutung, wo sie sind. Im „Sprit“, das ist ein Welser Jugendlokal im dortigen Bermudadreieck. Na wartet! Ihr wolltet es nicht anders!
Ich werfe mich in die Kinder-wollen-abgeholt-werden-Spezialkleidung. Kariertes Holzfällerhemd, das mit den Schnupftabakflecken, braune Dreiviertel-Cordhose (fragt mich nicht, wo ich die her habe! Das war gar nicht so einfach), weiße Tennissocken, Sandalen, Steirerhut mit Gamsbart. Wenn ich sie geholt habe, werden sie aus Scham lange nicht mehr auf Achse sein wollen. Jedenfalls nicht in Wels!
Zwanzig Minuten später betrete ich das Sprit und ziehe sofort alle Blicke auf mich. Hmm, ich sollte diese Kluft mal für meine nächste Aufrisstour in Erwägung ziehen. So viel Aufmerksamkeit errege ich sonst nie. Ich sehe die Jungs mit zwei Mädels an der Bar stehen. Was haben die da für ein Getränk? Sieh aus wie Orangensaft. Gut!
„Noch einen Screwdriver, die Herren?“, fragt sie der Barkeeper, als ich gerade hinter ihnen stehe. Sie haben mich als einzige im Lokal noch nicht bemerkt. Wie auch, ihre Augen stecken in den Dekolletees der zugegebenermaßen recht hübschen Mädels. Screwdriver? Cappyvodka sagten wir damals dazu. Na wartet. Eigentlich wollte ich euch nur ein wenig blamieren, aber …
„Hallo Kinderleins!“
Ich brülle die laute Musik problemlos nieder. Praktisch jeder Kopf im Lokal dreht sich ruckartig in meine Richtung. Ich ziehe das Bündel aus meiner Hosentasche. Dann wedle ich für alle gut sichtbar damit herum.
Ihre Blicke werde ich nie vergessen, als ich weiterrufe:
„Ihr Vergissmeinnichte habt die Kondome vergessen. Habe ich euch nachgebracht. Nicht, dass ihr euch wieder einen Tripper holt, wie ich damals. Ihr wisst ja, da hing ich ewig dran! Hübsche Hasen habt ihr euch da aufgezwickt. Von denen könnt ihr sicher was lernen. Ihr seid ja noch Jungfrauen, gell?“
Wir waren zehn Sekunden später draußen. Es wurde eine sehr schweigsame Heimfahrt.
*
Nun, das sollte so wie beschrieben laufen. Es lief in Wahrheit etwas anders, und ich bin ein schlechter Lügner. Sie waren nicht im Lokal und riefen mich nächsten Tag um neun an, ich sollte sie von den Mädels abholen, wo sie übernachtet hatten.
„Weißt du Papa, du sagtest, das Jugendschutzgesetz sei einzuhalten. Nun, wir waren daher nach zwölf zuhause. Halt nicht bei dir zuhause, aber das hast du ja auch nicht verlangt.“
Ich muss DRINGENDST mit diesem Deutschlehrer reden!
Weitere Werke von Günter Leitenbauer:
_________________ Liebe Grüße
Günter
leitenbauer.net
"Ich bin Schriftsteller!" - "Und? Schon was verkauft?" - "Ja, mein Haus und mein Auto." |
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Jacaranda Eselsohr
Alter: 42 Beiträge: 245 Wohnort: Kölner Dunstkreis
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21.04.2018 13:14
von Jacaranda
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Mir taugt's. Der Stil zieht sich schön durch, liest sich für mich gut. Die Idee dahinter habe ich zwar schonmal ähnlich gesehen, aber trotzdem gelacht weil gut gemacht. Gefällt, vor allem die Cordhose - Erziehungsversuche mit Schockeffekt
_________________ Theobrominstatus auf kritisches Niveau gefallen. Dringend Schokolade einfüllen! |
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Günter Leitenbauer Wortedrechsler
G Alter: 58 Beiträge: 99 Wohnort: Gunskirchen
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gold Papiertiger
Beiträge: 4936 Wohnort: unter Wasser
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21.04.2018 15:46
von gold
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Hallo,
gefällt mir. Musste schmunzeln.
LG gold
Edit: Was ich besonders gut finde, ist, dass der Prota sich diese drastische Erziehungsmethode nur vorgestellt und nicht ausgeführt hat.
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Günter Leitenbauer Wortedrechsler
G Alter: 58 Beiträge: 99 Wohnort: Gunskirchen
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