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PatDeburgh Gänsefüßchen
Alter: 57 Beiträge: 36 Wohnort: Lindern
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03.05.2023 15:54 Wie realistisch sollte eine Szene beschrieben werden? von PatDeburgh
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Auf FB bin ich rein zufällig auf eine Kommentar von einem Autor gestoßen, der sich darüber aufgeregt hat, dass viele Autoren gerade bei einem Roman aus anderen Zeitepochen die unangenehmen Seiten jener Tage ausblenden wie Gewalt, Missbrauch oder das, was wir als mangelhafte Tischmanieren bezeichnen würden.
Ich bin sehr für eine möglichst realistische Darstellung, allerdings habe ich als Autor auch das Recht, das Leben so zu zeigen, wie es mir gefällt. Und jeder Autor hat seinen eigenen Fokus auf die Geschichte, die er darstellen will. Ich persönlich habe einen Liebesroman geschrieben, wobei jede Liebesszene genau vor der Schlafzimmertür endet, da er in den 50er Jahren spielt. Das ist eine Zeit, in der ein Kuss in der Öffentlichkeit allenfalls am Bahnhof erlaubt war. Manchmal tut es einer Szene gut, wenn auch körperliche Gewalt dargestellt wird. Aber ich habe die Buchreihe von George Martin nach dem dritten oder vierten Buch beiseite gepackt, weil es mir beim Lesen zu unappetitlich wurde.
Wie seht ihr das oder wie handhabt ihr das in euren Büchern?
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Levo Klammeraffe
L
Beiträge: 825
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L 03.05.2023 16:17
von Levo
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Ein vollständiges Abbild der Realität will ich persönlich weder lesen noch schreiben. Als Autor fiktionaler Geschichten picke ich mir heraus, was ich erzählen möchte, und wie ich es erzähle, ist letztlich auch meine Entscheidung. Von daher könnte ich nur erwidern, wem Gewalt oder mangelnde Tischmanieren in meinem fiktionalen Text fehlen, der kann seinen eigenen Text gern mit Hämatomen und gastrointestinalen Störgeräuschen vollpacken. Meinetwegen auch in seinem Liebesroman.
Wenn ich aber über die Tischsitten des 14. Jahrhunderts schreibe, dann sollte ich zumindest recherchieren und meine Figuren nicht mit Messer und Gabel zum nächsten McDo schicken.
Ich lese hin und wieder auch, dass sich Leser über vermeintlich zu moderne Ausdrucksweisen in historischen oder pseudohistorischen Romanen aufregen. Das wiederum wäre mir (fast) völlig schnuppe, der Text stammt schließlich nicht aus alten Zeiten und spiegelt ja wahrscheinlich auch ein modernes Sujet im historischen Kontext. Aber da sind Geschmäcker verschieden, und meinetwegen können andere Autoren ein Mittelaltersprech für ihre Figuren entwickeln, das sie angemessen für ihren Text halten. Doof nur, wenn Leser das dann irgendwann von allen Texten erwarten.
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Nicki Bücherwurm
Alter: 68 Beiträge: 3613 Wohnort: Mönchengladbach
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03.05.2023 16:38
von Nicki
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Zitat: | Ich persönlich habe einen Liebesroman geschrieben, wobei jede Liebesszene genau vor der Schlafzimmertür endet, da er in den 50er Jahren spielt. Das ist eine Zeit, in der ein Kuss in der Öffentlichkeit allenfalls am Bahnhof erlaubt war | .
Ich würde die Szene genauso beschreiben wie eine Szene aus der Gegenwart. Du bist ja nicht die Autorin in den 50ern, wo man sich darüber vielleicht noch echauffiert hätte. Aber Sex gabs schon immer, ob nun heimlich unter der Bettdecke oder etwas freizügiger.
Kennst du Willi Heinrich? Der hatte auch in den 50ern schon kein Blatt vor den Mund genommen. (Beispiel: In dem Roman Gottes zweite Garnitur, der kurz nach dem zweiten Weltkrieg spielt, gibt es eine erotische Szene in freier Natur. Das war eben so und warum sollte man die weglassen?
Anders sähe es aus, wenn die Liebesszene für die Geschichte keine Rolle spielt, dann wäre sie sowieso überflüssig und kann weg.
_________________ MfG
Nicki
"Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist." Henry Ford
"Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt." A.Einstein
*Sommerblues* September 2017 Eisermann Verlag
*Trommelfeuer* November 2017 Eisermann Verlag
*Silvesterliebe* 30. November 2018 Eisermann Verlag
*Gestohlene Jahre* Work in Progress |
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Maunzilla Exposéadler
Beiträge: 2765
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03.05.2023 18:09
von Maunzilla
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Ich frage mich, wie viel diese Person über die tatsächlichen Verhältnisse jener Zeit weiß. Denn im gemeinen Volk herrscht ein äußerst verzerrtes Bild der Geschichte vor, was nicht zuletzt auf schlechten Romanen und vor allem Filmen basiert. So dumm, primitiv, schmutzig und gewaltätig waren die Menschen früher nämlich nicht, wie sie oft dargestellt werden.
Auf der anderen Seite muß man natürlich bedenken, daß wenn heute alte weiße Männer alle Rassisten sind, sie im Mittelalter mindestens pädophile Nazi-Taliban gewesen sein müssen.
_________________ "Im Internet weiß keiner, daß du eine Katze bist." =^.^= |
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Pickman Plottdrossel
Beiträge: 2261 Wohnort: Zwischen Prodesse und Delectare
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03.05.2023 18:16
von Pickman
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Ich habe den Anspruch, den Kern einer Szene herauszuarbeiten. Alles, was zu viel ist, würde zu sehr an der Geduld des Lesers, den Papiervorräten des Verlags und meiner Zeit nagen.
_________________ Tempus fugit. |
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MacWrite Eselsohr
Beiträge: 434 Wohnort: Taunus
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04.05.2023 09:57
von MacWrite
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Was immer und wie immer du schreibst, wenn es deine Handlung vorantreibt und/oder zum Verständnis des Geschehens wichtig ist, dann schreib' es! Ansonsten weg damit
LG aus dem Taunus
Roland aka MacWrite
_________________ Man brauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge.
Schopenhauer, "Über Schriftstellerei und Stil" |
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Günter Wendt Exposéadler
Beiträge: 2829
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04.05.2023 15:55 Re: Wie realistisch sollte eine Szene beschrieben werden? von Günter Wendt
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PatDeburgh hat Folgendes geschrieben: | Auf FB bin ich rein zufällig auf eine Kommentar von einem Autor gestoßen, der sich darüber aufgeregt hat, dass viele Autoren gerade bei einem Roman aus anderen Zeitepochen die unangenehmen Seiten jener Tage ausblenden wie Gewalt, Missbrauch oder das, was wir als mangelhafte Tischmanieren bezeichnen würden.
Ich bin sehr für eine möglichst realistische Darstellung, allerdings habe ich als Autor auch das Recht, das Leben so zu zeigen, wie es mir gefällt. Und jeder Autor hat seinen eigenen Fokus auf die Geschichte, die er darstellen will. Ich persönlich habe einen Liebesroman geschrieben, wobei jede Liebesszene genau vor der Schlafzimmertür endet, da er in den 50er Jahren spielt. Das ist eine Zeit, in der ein Kuss in der Öffentlichkeit allenfalls am Bahnhof erlaubt war. Manchmal tut es einer Szene gut, wenn auch körperliche Gewalt dargestellt wird. Aber ich habe die Buchreihe von George Martin nach dem dritten oder vierten Buch beiseite gepackt, weil es mir beim Lesen zu unappetitlich wurde.
Wie seht ihr das oder wie handhabt ihr das in euren Büchern? |
Wer die Realität beschrieben will, sollte Reiseführer schreiben.
Noch besser: Fotograf werden.
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Taranisa Bücherwurm
Alter: 54 Beiträge: 3168 Wohnort: Frankenberg/Eder
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04.05.2023 16:35
von Taranisa
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Bei meinen Histos achte ich auf die Sprache und eine möglichst geschichtsnahe Darstellung. Natürlich erwähne ich nicht jede Kleinigkeit, aber die Leserschaft soll sich gut in die Epoche einfinden und auch gut unterhalten fühlen. Ich nutze die Gelegenheit, auch mit beliebten Irrtümern aufzuräumen. Alte Begriffe (Frouwe, Bruche, Cotta ...) fließen mit ein, die sich im Kontext selbst erklären, und ich meide dieses künstliche "Marktsprech" wie die Pest.
_________________ Henkersweib, Burgenwelt Verlag, ET 12/18
Die Ehre des Henkersweibs, Burgenwelt Verlag, ET 12/20
Spielweib, Burgenwelt Verlag, ET 12/21
Das Gegengift des Henkersweibs, Burgenwelt Verlag, ET 11/22 |
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Canyamel Eselsohr
Beiträge: 348 Wohnort: Saargemünd
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04.05.2023 16:58
von Canyamel
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Mir ist es schon wichtig, dass ein Roman, der sich an der existierenden Realität orientiert, diese Realität auch möglichst realistisch wiedergibt.
Wenn ich z.B. einen Historienroman lesen würde, in dem römische Galeerensklaven vorkommen oder Kaiser Nero entzückt auf dem Palastbalkon seine Laute spielt, während vor seinen Augen Rom in Flammen versinkt, würde ich das Buch in die Ecke feuern. Weil es beides so nicht gegeben hat und es einfach unglaublicher Quatsch ist.
Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Als Leser spüre ich an Details, wenn der Autor weiß, wovon er schreibt.
Bei der Verdichtung und Dramatisierung der Handlung nehme ich mir auch gewisse Freiheiten. Aber Glaubwürdigkeit halte ich für ziemlich wichtig.
_________________ Jede Art zu schreiben ist erlaubt, nur die langweilige nicht. (Voltaire) |
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Levo Klammeraffe
L
Beiträge: 825
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L 04.05.2023 17:20
von Levo
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Zitat: | Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Als Leser spüre ich an Details, wenn der Autor weiß, wovon er schreibt. |
Dem stimm ich sofort zu.
Realistisch muss ein Text gar nicht sein, "nur" glaubwürdig. Sonst könnte man jeden historischen und jeden SciFi-Roman in die Ecke pfeffern.
Mir ist ein signifikantes Detail wichtiger als ein komplettes Sittengemälde/Technobabbel, um ein Szenario glaubwürdig zu finden.
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Günter Wendt Exposéadler
Beiträge: 2829
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04.05.2023 17:23
von Günter Wendt
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Canyamel hat Folgendes geschrieben: | Mir ist es schon wichtig, dass ein Roman, der sich an der existierenden Realität orientiert, diese Realität auch möglichst realistisch wiedergibt.
Wenn ich z.B. einen Historienroman lesen würde, in dem römische Galeerensklaven vorkommen oder Kaiser Nero entzückt auf dem Palastbalkon seine Laute spielt, während vor seinen Augen Rom in Flammen versinkt, würde ich das Buch in die Ecke feuern. Weil es beides so nicht gegeben hat und es einfach unglaublicher Quatsch ist.
Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Als Leser spüre ich an Details, wenn der Autor weiß, wovon er schreibt.
Bei der Verdichtung und Dramatisierung der Handlung nehme ich mir auch gewisse Freiheiten. Aber Glaubwürdigkeit halte ich für ziemlich wichtig. |
Interessanter Gedanke. Römische Soldaten im Jahre 2023.
Zack. Mindestens drei Ideen. Sci-Fi mit Zeitreisen. Krimi auf einer Parallel-Erde, auf der das römische Imperium weiter existiert.
Grund: Ein Zeitreisender hat Jesus gerettet und das Christentum hat sich nie weiter entwickelt als bis zu einer Nischen-Sekte.
Eine neue Zeitlinie ist entstanden. Danke, Canyamel!
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Willebroer Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5385 Wohnort: OWL
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04.05.2023 18:18
von Willebroer
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Gibt's doch alles schon.
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Günter Wendt Exposéadler
Beiträge: 2829
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04.05.2023 18:33
von Günter Wendt
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Willebroer hat Folgendes geschrieben: | Gibt's doch alles schon. |
Ach. Ja denn… lass ich das Schreiben ganz sein. Gab es ja alles schon.
Danke. Du hast mich gerettet.
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Willebroer Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5385 Wohnort: OWL
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04.05.2023 19:26
von Willebroer
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Wichtig sind ja auch die Leser, die es noch nicht wissen, was alles gibt.
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Nina C Klammeraffe
Alter: 36 Beiträge: 983 Wohnort: Op dr\' Jück
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07.05.2023 23:40
von Nina C
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Ich schreibe so realistisch und detailverliebt wie möglich, sofern es nötig ist und mag das auch an anderen Autoren. Ergo, andeuten, ok, weichspülen nicht. Es muss nicht jede Sex- oder Gewaltszene ausgewalzt werden, da reichen mir oft Andeutungen, um zu wissen, was geschieht, dafür gibt’s Fantasie. Wenn hingegen so getan würde, als gäbe es bestimmte Aspekte gar nicht oder sie detailliert aber verzerrt dargestellt werden, bin ich schnell genervt von einem Buch. Ist aber auch wirklich wieder Geschmackssache und ich könnte mir gut vorstellen, dass es auch umgekehrt gewollt ist.
Liebe Grüße
Nina
_________________ Wenn ihr nicht die gequälten Sklaven der Zeit sein wollt, macht euch trunken, ohn’ Unterlass! Mit Wein, mit Poesie mit Tugend, wie es euch gefällt. (Charles Baudelaire) |
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Lornaria Gänsefüßchen
Alter: 30 Beiträge: 16 Wohnort: NRW
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09.05.2023 21:09
von Lornaria
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Ich denke, das kommt ganz darauf an, wie der jeweilige Autor es handhaben möchte bzw. die jeweiligen Vorlieben. Man kann es vielleicht ähnlich sehen wie mit den Erzählperspektiven. Ich kann z.B. keine Bücher lesen, die in der Ich-Perspektive geschrieben sind. Anderen geht es vielleicht so in der Erzählerperspektive.
Ich bin ein großer Fan von George R. R. Martin und seiner „drastischen“ Erzählweise. Ich gucke auch Splatter Filme oder Serien mit viel Blut, 18+ Elementen oder Gewalt. Entsprechend dieser Vorlieben schreibe ich auch brutalere oder 18+ Szenen in meinen Storys ebenfalls ausführlich.
Schwierig wird es vielleicht eher, wenn Leser im Vorfeld nicht wissen, was sie erwartet. Wobei ein Thriller wohl auch eher gewalttätige Darstellungen hat, als ein Liebesroman.
Meiner Meinung nach gibt es da kein Richtig oder Falsch, im Grunde gibt es für jedes Genre und jede Erzählweise Vorlieben und Abneigungen. Wäre ja auch langweilig, wenn jeder das Gleiche gut findet.
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Nina C Klammeraffe
Alter: 36 Beiträge: 983 Wohnort: Op dr\' Jück
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09.05.2023 21:30
von Nina C
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Im falschen Fenster gepostet, entschuldige. -.-
LG
Nina
_________________ Wenn ihr nicht die gequälten Sklaven der Zeit sein wollt, macht euch trunken, ohn’ Unterlass! Mit Wein, mit Poesie mit Tugend, wie es euch gefällt. (Charles Baudelaire) |
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Willebroer Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5385 Wohnort: OWL
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09.05.2023 21:40
von Willebroer
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Man kann alles übertreiben. Die Steigerung des Realismus war der Naturalismus (auch wenn der Name so harmlos klingt). Es gibt also immer noch Luft nach oben.
Manchmal habe ich allerdings das Gefühl, als würde Realismus mit Sadismus verwechselt. Oder mit Manierismus. Oder als würde man eine Szenerie so fleißig mit den häßlichen Seiten des Lebens aufpumpen, bis der Realismus aus allen Nähten platzt.
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