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Die Stadtwohnung


 
 
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Justadreamer
Geschlecht:männlichLeseratte
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Alter: 26
Beiträge: 196
Wohnort: Bayern


J
Beitrag11.03.2018 23:39
Die Stadtwohnung
von Justadreamer
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Hallo zusammen,

anbei wird das erste Kapitel einer Geschichte kommen, von der ich nicht weiß, ob ich sie fortführen soll. Ich werde kurz skizzieren, wie es weitergeht und freue mich auf Kritik!

1:

Und in China fiel ein Sack Reis zu Boden. „Eine Aussage, die so vieles bedeuten kann“, dachte er sich. „Das, was du erzählst, interessiert mich nicht“, schien wohl das offensichtlichste zu sein. Und gleichzeitig heißt es „Ich halte von Chinesen nicht viel, weil die nur Reis essen“. Außerdem die direkte Bedeutung des Satzes, „Hey du, hast du schon gehört? In China ist ein Sack Reis umgefallen!“.   Am besten war jedoch die Bedeutung mit dem Reissa… beziehungsweise Schmetterlingseffekt: „In China fiel ein Sack Reis zu Boden, deshalb hast du dir gerade eine Kerze in die Nase gerammt“.

Zusammengekrümmt lag Dennis auf dem Boden und hielt sich seinen Rüssel, dessen linkes Loch nun doppelt so groß war wie das rechte. Er hatte gekocht. Als er in Ermangelung einer Salatschleuder die Fliesen befeuchtete, besaß er noch nicht den richtigen Riecher für die Gefahr – eine Sache, die sich nun wohl geändert hatte. Vor seinen tränenverschwommenen Augen entstand nach und nach das Bild einer langen Kerze, die direkt vor seinem Gesicht auf dem Fußboden lag. Am oberen Ende schimmerte sie feucht. Er war sich nicht sicher, was er fühlen sollte: Womöglich war er der erste Mensch, der so genau auf einer Kerze landete, dass sie ihm ins Nasenloch drang. Während der Zinken langsam immer schwächer pochte, kroch die Kälte der Fliesen an Dennis hinauf, deshalb rappelte er sich langsam auf die Knie. Wie ein Metzger, der ein Lamm zur Schlachtbank trägt, hob Dennis die Kerze auf und steckte sie wieder in den halb mit Wachs gefüllten Joghurtbecher, der auf seinem kleinen Esstisch stand. Wohlige Wärme breitete sich wieder in seinem Körper aus, als er daran dachte, wie die Nasenschinderin vor seinen Augen einen qualvollen Tod sterben würde. Ohnehin war es verwunderlich, dass sie nicht zerbrochen war. Aber absurder konnte die Situation ohnehin nicht werden.

 Viele Male hatte er sich schon vorgenommen, endlich eine Salatschleuder zu kaufen, da er so gut wie jeden Tag eine Schüssel voll Salat aß. „Wer nicht hören will, muss riechen“, dachte sich Dennis und verzog die Mundwinkel, da er seine Nase aus Sicherheitsgründen nicht rümpfen wollte. Er stand in der Küche und wusste kurz nicht mehr weiter. „Hätte ich Freunde zum Essen eingeladen, wäre das wohl das lustigste Dinner aller Zeiten geworden. Andererseits würde es dann keine waschechte Kerzen- Hexenverbrennung geben.“

Schulterzuckend wandte er sich wieder seiner Kochplatte zu, auf der zwei Töpfe vor sich hinbrüteten. Den Dunstabzug hatte Dennis auf der höchsten Stufe laufen. Nicht etwa, weil es nötig gewesen wäre, sondern, weil ohne das laute Brummen die Musik der Disko, die sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand, nicht mehr zu hören war.  Gekonnt öffnete er den Deckel des größeren Topfes und rührte die Nudeln um. Zu allem Überdruss musste er feststellen, dass diese mittlerweile eher ein Nudelbrei als Spaghetti waren. Er goss sie schleunigst in ein Sieb und ließ anschließend kaltes Wasser auf die Pampe plätschern, in der Hoffnung, die Nudeln würden wieder etwas an Härte dazugewinnen. „Ich muss über fünf Minuten auf dem kalten Fußboden gelegen sein“, sinnierte er. Es war lange her, als er das letzte Mal seine Spaghetti verkochen ließ.
 Nachdem er seine selbstgemachte Tomatensoße, die Nudeln und den schon fertigen Salat zu seinem romantischen Rendezvous auf den Tisch gestellt hatte, platzierte er behutsam eine Packung Streichhölzer an den Rand der Tischplatte und löschte das Licht. Er saß mit dem Gesicht zum Fenster, durch das, wie von einem übergroßen Subwoofer, die schnellen Bassschläge der Disko zu ihm hindurchdrangen.

Dennis holte tief Luft, schloss die Augen und versuchte, sich zu beruhigen. Er hatte Probleme damit, selbstsicher aufzutreten, obwohl er groß gewachsen war, und so führte er diese Prozedur zur Beruhigung vor jedem Abendessen aus. Fünfzehn Mal tief ein- und ausatmen, die Ohrläppchen mit Daumen und Zeigefinger massieren, kurz durch die Haare fahren und dann die Augen wieder öffnen. Als er beim dritten Atemzug angekommen war, begann sein aufgeschürftes Naseninnere zu pochen und er wechselte auf die Atmung mit dem Mund. „So schnell wandeln sich die festgefahrenen Bahnen des Lebens in luftleere Schorflandschaften.“
 Vier.
 Fünf.
Jetzt meldete sich – zur Abwechslung – das rechte Nasenloch mit einer besorgten Rotzglocke, die im Mission-Impossible-Style seinen Nachbarn ausspähte.
Sieben.
Acht.
Durch das Fenster war zu hören, dass sich der Höhepunkt der Musik anbahnte. Dennis tanzten torkelnde Gestalten vor den Augen.
Neun.
Zehn.
„Ich kann mich nie wieder vor die Haustür wagen… nicht mit dieser Koksnase.“
Elf.
Zwölf.
Die Musik war überall. Sie kroch in seine Ohren, fraß sich durch das Trommelfell in sein Gehirn. Sie zerhackte den letzten Rest seiner Synapsen und bohrte sich durch seine Schädeldecke, nur um sich durch das pochende Nasenloch wie Sandpapier wieder in seinen Kopf zu schmirgeln.
Dreizehn.

Sein Atem zitterte. Die Hand zuckte. In China fiel ein Sack Reis zu Boden.

Vierzehn.

Dennis stand auf – der Stuhl krachte zu Boden. Wildgeworden packte der nun keuchende Berserker den Topf mit den Nudeln und schleuderte den Inhalt Richtung Spülbecken. Die Pampe bedeckte die gesamte Küchenzeile. Während einzelne Spaghetti-Schleimklumpen an der Milchglasscheibe eines Vorratsschrankes hinunterglitten, dachte Dennis gar nicht mehr daran, seinen fünfzehnten Atemzug zu beenden und sich die Ohrläppchen zu kraulen. Er stampfte zur Küchenzeile, in Richtung des Schlachtfeldes. Anstatt ein Tuch in die Hand zu nehmen, klatschte er mit der flachen Hand mit voller Wucht gegen einen besonders dicken Spaghettibrocken. Der Schleim spritzte von seiner Hand, als er die andere streckte, um eine Flasche Vodka vom Schrank zu holen. Mit einem Knall rammte er die Flasche auf den Tisch, daneben ein Schnapsglas. Er riss den Schraubverschluss förmlich vom Flaschenhals und schenkte ein. Und trank. Und schenkte ein. Und trank. Er schüttelte sich. Seine Augen fixierten die Kerze. „Du kleines Pissstück!“ Drei Schlucke direkt aus der Flasche folgten, wohl, um der Kerze Angst zu machen. Dennis packte sie am Hals und drückte zu. Wenn er es nicht bis fünfzehn schaffte, würde es diese wächserne Witzfigur auch nicht. Er steckte sich das Objekt seines Leidens in die Hosentasche seiner Jeans und walzte durch die Küche, aus der Tür und die Treppe seiner Wohnung hinunter, bis man die Haustür zuschlagen hörte.

In der Küche brannte noch das Licht. Schlieren von Schleim schillerten auf der Scheibe des Schrankes. Misshandelt und verlassen wartete die Wohnung auf ihren Besitzer, der erst in geraumer Zeit wiederkehren würde.


Kurzer Überblick über den Gesamtverlauf: Dennis schreibt an seiner Chemie-Masterarbeit in einer neuen Stadt, hat wenig Freunde, ist intelligent, aber zurückhaltend. Er lernt an diesem Abend in der Disko ein Mädchen kennen, dass etwas "abgestürzt" ist.  Es folgen gemeinsame Aktionen. Der zweite Handlungsstrang neben der Geschichte mit dem Mädchen ist folgender: Aufgrund verschiedener Umstände ist es Dennis zugeflogen, dass er kleine Philosophie-Vorlesungen unter falschem Namen hält - Seine Freundin wird diese Vorlesungen besuchen.
nach vielen skurrilen Momenten wird er seine Stelle als Professor verlieren, seine Bekanntschaft ihren Freund und es mündet in einem Candlelight-Dinner, das an das erste und zweite kapitel anknüpft.

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PhilipS
Geschlecht:männlichLeseratte


Beiträge: 109



Beitrag12.03.2018 13:56

von PhilipS
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Hallo justadreamer,

ich finde den Text sehr gelungen. Mir gefällt der Humor und das Spiel mit Sprichwörtern und Redewendungen. Auch wie sich Dennis' Zorn an einem Alltagsgegenstand fixiert und schließlich entlädt, ist gut beschrieben. Der alltägliche Abend des alleine wohnenden Studenten (oder zumindest bei abwesendem Mitbewohner) ist überzeugend beschrieben. Das gilt auch für die Disko nebenan (oder gegenüber). Bei mir im Haus ist ebenfalls ein Club, ich weiß, wie das ist. Der Versuch, ruhig zu bleiben, dann die Explosion und das Verlassen der Wohnung, Cliffhanger und Ende. Wirklich gut.

Rechtschreib-, Zeichensetzungs- oder Grammatikfehler sind mir nicht aufgefallen. Es folgen einige stilistische und inhaltliche Anmerkungen.

Zitat:
und hielt sich seinen Rüssel
Du willst einen saloppen Stil pflegen, das ist in Ordnung. Trotzdem bin ich an dieser Stelle gestolpert, weil besagter Stil hier noch nicht eingeführt ist. "Rüssel" wirkt hier wie ein Fremdkörper, finde ich.

Zitat:
Als er in Ermangelung einer Salatschleuder die Fliesen
befeuchtete,


Weil er den Salat mit einem Tuch geschleudert hat, er beim Transport getropft hat oder dergleichen? Es ist schon irgendwie klar, was passiert ist, aber ein Zwischenglied in der Kausalkette würde m. E. zum besseren Verständnis beitragen.

Zitat:
kroch die Kälte der Fliesen an Dennis hinauf,

Hinauf? Aber er liegt doch horizontal auf dem Boden. Vielleicht besser: "kroch hinein"?

Zitat:
auf der zwei Töpfe vor sich hinbrüteten.
Hm... Kann man machen. Quasi eine Anthropomorphisierung der Töpfe. Einerseits finde ich die Metapher schief - es kommt ja nichts Lebendiges heraus. Andererseits passt es irgendwie. Die Töpfe brüten das Essen aus, wie eine Henne das Küken oder ein Mensch einen Gedanken. Ich weiß wirklich nicht, was ich von der Stelle halten soll.

Zitat:
Schulterzuckend wandte er sich

Warum zuckt er die Schultern? Tut er den Unfall ab oder den Umstand, dass er keine Gäste hat, oder dass die Kerze mit Gästen nicht verbrannt würde? Kann m. E. auch weg.

Zitat:
ohne das laute Brummen die Musik der Disko, die sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand, nicht
mehr zu hören war

Müsste es nicht "wegen des lauten Brummens" sein? Oder "ohne es wäre die Disko zu hören gewesen"?

Zitat:
wie von einem übergroßen Subwoofer

Warum "wie"? Ist dies nicht genau das, was passiert?

Zitat:
Er hatte Probleme damit, selbstsicher aufzutreten, obwohl er groß gewachsen war, und so führte er diese Prozedur zur Beruhigung vor jedem Abendessen aus.

Zwei Sachen: Du willst sagen, dass er objektiv wenig Anlass zu mangelnder Selbstsicherheit hat. Als jemand, der selber nicht klein ist, und Schwierigkeiten mit Selbstsicherheit hat, lass Dir gesagt sein, dass es mit einem hohen Wuchs nicht getan ist. Für mich klingt es wie eine deutlich mildere Form der Unart, zu Depressiven zu sagen, sie müssten doch nicht depressiv sein, es gebe doch so viel in ihrem Leben, an dem sie sich erfreuen könnten. Ist aber sehr subjektiv und mag alle anderen nicht berühren.
Außerdem: Er hat Schwierigkeiten, selbstsicher (vor anderen) aufzutreten. Es mag sein, dass ein Beruhigungsritual ihm in Gesellschaft hilft, wenn er sich überfordert oder unsicher fühlt. Aber abends allein zuhause?

Zur Handlungsskizze: das klingt nach einer unterhaltsamen Hochstapler- und Verkrachte-Existenz-Geschichte, die zu lesen ich mir gut vorstellen kann. Eine Frage aber: Dennis schreibt seine Masterarbeit. Mit G8-Abi und Bachelor/Master-System könnte er durchaus erst 22 sein. (Abi mit 17, direkt an die Uni, beide Studiengänge in Regelstudienzeit absolviert.) Professor wird man für gewöhnlich mit Ende dreißig bis Mitte vierzig. Da solltest Du Dir einen plausiblen Grund überlegen, warum Dennis für einen Professor gehalten wird. Alternativvorschlag: er könnte für einen Doktoranden gehalten werden und die Vorlesung vertretungsweise halten. Dann bekommst Du nicht das Problem mit dem Alter. Natürlich könnte es auch sein Zweitstudium sein, sodass er schon älter ist - aber irgendwie wirkt er nicht so - oder er hat länger studiert und ist entsprechend älter.

Viel Erfolg beim Schreiben!


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Justadreamer
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Alter: 26
Beiträge: 196
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J
Beitrag12.03.2018 15:11

von Justadreamer
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Hallo Philip,

du trifft passenderweise mit deinen Anmerkungen genau in ein paar offene Wunden, die mir dieser Text beschert hat Laughing

Die Figur des Dennis ist wahrscheinlich das allerwichtigste und gleichzeitig etwas, wo ich nichts klares im Kopf habe. Ich werde versuchen, ihn unabhängig von der Geschichte zu charakterisieren  - vielleicht bekommt er dann etwas Farbe.

Das Problem mit dem Alter werde ich wahrscheinlich aus dem Weg räumen, indem ich ihm einen späten Schulabschluss und ein langgezogenes Studium aufbrumme - vielleicht noch ein Jahr, das er nach dem Abitur mit Arbeit verbrachte. Ich hätte ihn gerne um die 27 Jahre alt werden lassen - denn es stimmt, wenn er erst 22 ist, wäre die Verwechslung noch unrealistischer als es ohnehin ist - ganz abgesehen davon, dass dann das Bild mit der "Verkrachten Existenz" nicht so ganz passt.

Für die kleinen Ungereimtheiten im Text selbst, die aufgedeckt werden, bin ich immer sehr dankbar. Manchmal will man die selbst einfach nicht sehen, auch wenn es schon Wochen her ist, dass man den Text geschrieben hat Laughing


Zur genauen Umsetzung mit der Verwechslung:

Er könnte als jahrelange Hilfskraft eines älteren Professors (Philosophie) dessen Mail-Verkehr regeln, sodass er Einblick in das System hat. Für seine Master-Arbeit muss er einen Uni-Wechsel machen. Zur gleichen Zeit wird Professor Fröhlich eine Stelle als Gastdozent angeboten, da die andere Universität über das Internet auf seine VL aufmerksam wurde. Dennis lässt sich im E-mail-verkehr treiben, bis es ernst wird.
Der "echte" Professor geht in Rente, Dennis regelt das Anlaufen der VL an der anderen Universität und schafft sich so eine aufregende Welt.

Dass jeder Professor bei dieser Ausführung nur den Kopf schütteln würde, könnte ich mir leider gut vorstellen Laughing

Vielleicht wird es authentischer, wenn Dennis sich selbst als Doktoranden,  wie du sagst, anstatt des Professors an die andere Uni begibt?

Vielen Dank nochmals für die Anregungen !
Tobid
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PhilipS
Geschlecht:männlichLeseratte


Beiträge: 109



Beitrag12.03.2018 15:47

von PhilipS
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Zitat:
Das Problem mit dem Alter werde ich wahrscheinlich aus dem Weg räumen, indem ich ihm einen späten Schulabschluss und ein langgezogenes Studium aufbrumme - vielleicht noch ein Jahr, das er nach dem Abitur mit Arbeit verbrachte. Ich hätte ihn gerne um die 27 Jahre alt werden lassen.
Das sollte gehen. Ich selber werde in drei Wochen 27 und schreibe im Sommersemester meine Philosophie-Masterarbeit. Ein paar Verzögerungen im Lebenslauf sind schnell eingebaut, ich wollte nur darauf hingewiesen haben.

An Deiner Stelle würde ich ein wenig über die Bedingungen recherchieren, unter denen Lehraufträge an Unis vergeben werden. Grundsätzlich bietet eine verworrene Verwaltungsstruktur und schlampige Arbeit die Möglichkeit für solche Verwechslungen. An meiner eigenen Uni wurde vor einer Weile am Fachbereich PoWi ein Hochstapler enttarnt, der nicht einmal einen gültigen Magister-Abschluss hatte und dennoch vertretungsweise die Einführungsvorlesung übernommen hatte.
Hier zwei Links, vielleicht kommst Du da auf Ideen: Göttinger Tageblatt und ZEIT Campus


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Selanna
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Wohnort: Süddeutschland


Beitrag12.03.2018 18:30

von Selanna
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Hallo Justadreamer,

das fiel mir zu Deiner Geschichte ein:

Zitat:
1:

Und in China fiel ein Sack Reis zu Boden. „Eine Aussage, die so vieles bedeuten kann“, dachte er sich. „Das, was du erzählst, interessiert mich nicht“, schien wohl das offensichtlichste zu sein. Und gleichzeitig heißt es „Ich halte von Chinesen nicht viel, weil die nur Reis essen“. Außerdem die direkte Bedeutung des Satzes, „Hey du, hast du schon gehört? In China ist ein Sack Reis umgefallen!“.   Am besten war jedoch die Bedeutung mit dem Reissa… beziehungsweise Schmetterlingseffekt: „In China fiel ein Sack Reis zu Boden, deshalb hast du dir gerade eine Kerze in die Nase gerammt“.

Zuerst zum Lesekomfort: Es wäre besser, wenn Du die Gedanken entweder nur kursiv oder nur in Anführungszeichen setzt. Wenn Du beides anwendest, frage ich mich als Leser, was das für einen tieferen Sinn hat.
Dann zum Sprichwort: Ich kenne es als: Das ist so interessant, als wenn ein Sack Reis/ein Fahrrad in China umfällt. Das hat ganz klar nur eine Bedeutung, nämlich: Was Du mir erzählst, ist uninteressant. Nämlich so uninteressant wie etwas ganz Alltägliches (in der Annahme es gäbe viele Reissäcke/Fahrräder in China) weit entfernt passiert. Dass es Chinesen gegenüber herabwürdigend ist, glaube ich nicht, schon gar nicht in dem Sinne, dass man sie angreift, weil sie viel Reis essen. Aber das ist meine Auffassung.
Insgesamt habe ich mich gefragt, warum jemand, der mit einer Kerze im Nasenloch auf dem Boden liegt, an diesen Satz denkt. Glaubt er wirklich, dass ihm das passiert ist, weil in China ein Sack Reis umfällt? Du baust den Satz ja auch weiter unten in den Text ein, als eine Art kleiner roter Faden, aber inwiefern der Text wirklich durch den Satz an Sinn gewinnt, erschließt sich mir nicht ganz. Kürze den ersten Absatz einmal weg und schau Dir Deinen Text genau an. Hat er dadurch an Bedeutung verloren?
Natürlich ist hier viel Geschmackssache, und ich urteile subjektiv, das muss ich Dir ja nicht sagen Wink

Zitat:
Zusammengekrümmt lag Dennis auf dem Boden und hielt sich seinen RüsselRüssel ist ja eine Art Nase, eine eher lange, deutlich ausgeprägte, kein Stubsnäschen. Weiter unten schilderst Du ihn als nicht unattraktiv – passt das zueinander? Und: Rüssel ist auch kein schmeichelnder Begriff, kein ernstzunehmender Begriff, ist das Absicht?, dessen linkes Loch nun doppelt so groß war wie das rechte. Da der Text davor inhaltlich sogar nicht an den danach anknüpft, muss hier entweder eine Überleitung her oder ein Absatz, sonst ergibt diese Stelle keinen Sinn, da fehlt die Konsistenz Wink Er hatte gekocht. Als er in Ermangelung einer Salatschleuder die Fliesen befeuchtete, was genau macht er bitte? Wedelt er mit Salatblättern in der Küche herum? Wischt er die Blätter an den Fliesen trocken? Laughing Nein, so war das nicht gemeint, denke ich. Aber ich weiß auch nicht, wie es gemeint ist Embarassed besaß er noch nicht den richtigen Riecher für die Gefahr das ist Dir gelungen – eine Sache, die sich nun wohl das klingt kürzer eleganter Wink geändert hatte. Vor seinen tränenverschwommenen Augen entstand nach und nach das Bild einer langen Kerze, die direkt vor seinem Gesicht auf dem Fußboden lag. Am oberen Ende schimmerte sie feucht. Er war sich nicht sicher, was er fühlen sollte: Womöglich war er der erste Mensch, der so genau auf einer Kerze landete, dass sie ihm ins Nasenloch drang. Während der Zinken langsam immer schwächer pochte, kroch die Kälte der Fliesen an Dennis hinauf wenn er liegt, kann sie nicht weit hochkriechen. Das ist trotzdem okay, das so zu schreiben, aber es wäre auch gut, „übergehen“/“übertragen“ oder ähnlich zu formulieren, deshalb rappelte er sich langsam auf die Knie ich kenne aufrappeln und hochrappeln, nur rappeln kenne ich nicht. Magst Du am Satzende noch ein auf oder hoch einfügen?. Wie ein Metzger, der ein Lamm zur Schlachtbank trägt Das Lamm wird – der Redewendung nach – zur Schlachtbank geführt und die Aussage ist, dass sich das Lamm in sein Schicksal ergibt und nicht dagegen protestiert. Meinst Du wirklich, das trifft auf die Kerze zu?, hob Dennis die Kerze auf und steckte sie wieder in den halb mit Wachs gefüllten Joghurtbecher, der auf seinem kleinen Esstisch stand. Wohlige Wärme breitete sich wieder in seinem Körper aus, als er daran dachte, wie die Nasenschinderin vor seinen Augen einen qualvollen Tod sterben würde Das Gefühl von wohliger Wärme beim Anblick qualvollen Tods (auf wenns nur eine Kerze ist), bring ich nicht zusammen, sorry. Wohlige Wärme sind Dinge, die ich mit Kachelöfen, Häusern im Winter oder meinetwegen einer Erotikszene verbinde, aber nicht mit Tod. Ohnehin war es verwunderlich, dass sie nicht zerbrochen war. Aber absurder konnte die Situation ohnehin nicht werden. Hast Du Dir mal überlegt, ihn quasi rückblickend die Situation als absurd werten zu lassen, anstatt wie hier eher auf die Zukunft zu blicken?

 Viele Male hatte er sich schon vorgenommen, endlich eine Salatschleuder zu kaufen, da er so gut wie jeden Tag eine Schüssel voll Salat aß. Er hat mit dem Salat also irgendwie den Boden nass gemacht, ist ausgerutscht und mit der Nase auf die Kerze gefallen? Stimmt das? Du streust die Indizien aber sehr sparsam Laughing „Wer nicht hören will, muss riechen“, dachte sich Dennis und verzog die Mundwinkel, da er seine Nase aus Sicherheitsgründen aus Gründen der Sicherheit oder des Schmerzes? nicht rümpfen wollte. Er stand in der Küche und wusste kurz nicht mehr weiter. den Satz kannst Du theoretisch auch streichen, er hat keine Aussage „Hätte ich Freunde zum Essen eingeladen, wäre das wohl das lustigste Dinner aller Zeiten geworden. Andererseits würde es dann keine waschechte Kerzen- Hexenverbrennung Naja, also von Waschen zu Verbrennung und von Kerze zu Hexe, das ist ein bisschen weit hergeholt, oder? geben.“

Schulterzuckend wandte er sich wieder seiner Kochplatte zu, auf der zwei Töpfe vor sich hinbrüteten. Den Dunstabzug hatte Dennis auf der höchsten Stufe laufen. Nicht etwa, weil es nötig gewesen wäre, sondern, weil ohne mit, oder? Mit dem Brummen übertönte er die Musik das laute Brummen die Musik der Disko, die sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand, nicht mehr zu hören war.  Gekonnt Eher routiniert. Weil Deckelöffnen ja nicht viel Können braucht Laughing öffnete er den Deckel des größeren Topfes und rührte die Nudeln um. Zu allem Überdruss musste er feststellen, dass diese mittlerweile eher ein Nudelbrei als Spaghetti waren überleg Dir doch eine Alternative zu „waren“. Er goss sie schleunigst in ein Sieb und ließ anschließend kaltes Wasser auf die Pampe plätschern, in der Hoffnung, die Nudeln würden wieder etwas an Härte dazugewinnen. „Ich muss über fünf Minuten auf dem kalten Fußboden gelegen sein“, sinnierte er. Es war lange her, als er das letzte Mal seine Spaghetti verkochen ließ.
 Nachdem er seine selbstgemachte Tomatensoße, die Nudeln und den schon fertigen Salat zu seinem romantischen Rendezvous auf den Tisch gestellt hatte, platzierte er behutsam eine Packung Streichhölzer an den Rand der Tischplatte und löschte das Licht. Er saß mit dem Gesicht zum Fenster, durch das, wie von einem übergroßen Subwoofer, die schnellen Bassschläge der Disko zu ihm hindurchdrangen.

Dennis holte tief Luft, schloss die Augen und versuchte, sich zu beruhigen. Er hatte Probleme damit, selbstsicher aufzutreten, obwohl er groß gewachsen war, und so führte er diese Prozedur zur Beruhigung vor jedem Abendessen aus aber er muss doch nicht sicher auftreten, vor wem denn? Er ist doch allein . Fünfzehn Mal tief ein- und ausatmen, die Ohrläppchen mit Daumen und Zeigefinger massieren, kurz durch die Haare fahren und dann die Augen wieder öffnen. Als er beim dritten Atemzug angekommen war, begann sein aufgeschürftes Naseninnere -inneres zu pochen und er wechselte auf Mundatmung – ist kürzer und knackiger Laughing die Atmung mit dem Mund. „So schnell wandeln sich die festgefahrenen Bahnen des Lebens in luftleere Schorflandschaften.“ sagt Dennis das? Oder was ist das
 Vier.
 Fünf.
Jetzt meldete sich – zur Abwechslung – das rechte Nasenloch mit einer besorgten Rotzglocke, die im Mission-Impossible-Style seinen Nachbarn ausspähte. Laughing Laughing Laughing eklige Körperflüssigkeiten im Gesicht haben im dsfo zurzeit ja Hochkonjunktur Rolling Eyes
Sieben.
Acht.
Durch das Fenster war Ich hab’s nicht jedes Mal angemerkt, aber Du formulierst oft mit „war/en“. Einfach wäre hier zB durch das Fenster hörte er, dass... – ganz ohne „war“ zu hören, dass sich der Höhepunkt der Musik anbahnte. Dennis tanzten torkelnde Gestalten vor den Augen. Weil er vom Fenster aus besoffene Diskogänger sieht? Ich verstehe nicht ganz. Oder wird ihm schummrig?
Neun.
Zehn.
„Ich kann mich nie wieder vor die Haustür wagen… nicht mit dieser Koksnase.“ glaubt er echt, die bleibt ihm?
Elf.
Zwölf.
Die Musik war überall. Sie kroch in seine Ohren, fraß sich durch das Trommelfell in sein Gehirn. Sie zerhackte den letzten Rest seiner Synapsen und bohrte sich durch seine Schädeldecke, nur um sich durch das pochende Nasenloch wie Sandpapier wieder in seinen Kopf zu schmirgeln.
Dreizehn.

Sein Atem zitterte. Die Hand zuckte. In China fiel ein Sack Reis zu Boden. also interessiert es ihn nicht? – Wie gesagt, warum Du gerade diese Redewendung hier einbaust, ist mir vom Sinn her nicht ganz klar... Embarassed

Vierzehn.

Dennis stand auf – der Stuhl krachte zu Boden. Wildgeworden packte der nun keuchende Berserker das ist nicht gut. Warum „nun keuchend“? Für das „nun“ bräuchtest Du davor ein anderes Atemgeräusch, damit Du betonst, dass es „nun“ anders ist. Und gleich von Null auf 180, gleich zum Berserker? Hm. Flott Wink den Topf mit den Nudeln und schleuderte den Inhalt Richtung Spülbecken. Die Pampe bedeckte die gesamte Küchenzeile. Während einzelne Spaghetti-Schleimklumpen an der Milchglasscheibe eines Vorratsschrankes hinunterglitten, dachte Dennis gar nicht mehr daran, seinen fünfzehnten Atemzug zu beenden und sich die Ohrläppchen zu kraulen. Er stampfte zur Küchenzeile, in Richtung des Schlachtfeldes. Anstatt ein Tuch in die Hand zu nehmen, klatschte er mit der flachen Hand mit voller Wucht gegen einen besonders dicken Spaghettibrocken. Der Schleim spritzte von seiner Hand, als er die andere streckte, um eine Flasche Vodka vom Schrank zu holen. Mit einem Knall rammte er die Flasche auf den Tisch, daneben ein Schnapsglas. Er riss den Schraubverschluss förmlich vom Flaschenhals und schenkte ein. Und trank. Und schenkte ein. Und trank. Er schüttelte sich. Seine Augen fixierten die Kerze. „Du kleines Pissstück!“ Drei Schlucke direkt aus der Flasche folgten, wohl, um der Kerze Angst zu machen. Dennis packte sie am Hals und drückte zu. Wenn er es nicht bis fünfzehn schaffte, würde es diese wächserne Witzfigur auch nicht. Er steckte sich das Objekt seines Leidens das klingt komisch. Das Objekt des Leidens, ist es ein Objekt, das selbst leidet, das für Leid steht? Ist ungelenk, schau mal, ob Dir vllt was anderes einfällt in die Hosentasche seiner Jeans und walzte durch die Küche, aus der Tür und die Treppe seiner Wohnung hinunter, bis man wer ist „man“? Bisher war Dennis völlig allein, also wer hörte das? Lass die Haustür einfach laut zuschlagen Wink die Haustür zuschlagen hörte.

In der Küche brannte noch das Licht. Schlieren von Schleim schillerten auf der Scheibe des Schrankes. Misshandelt und verlassen wartete die Wohnung auf ihren Besitzer, der erst in geraumer Zeit wiederkehren würde. Das Nachsatz erklärt zu viel, ohne dass es was zu erklären gäbe. Ist momentan doch uninteressant, er hat die Küche wie Sau zurückgelassen. Punkt Laughing


Vom Inhalt her weiß ich noch nicht so recht, worauf Du hinauswillst. Ist es Slapstick (Kerzenfall)? Oder ein Nerd (einsamer, schüchterner Neurotiker)? Ein liebesbedürftiger Einsiedler (romantisches Essen allein)? Warum der Sack Reis?
Anders formuliert erzählst Du von einem Mann, der Spaghetti kocht und beim Salattrocknen mit der Nase auf eine Kerze fällt, dann an einen Sack Reis in China denkt, ein romantisches Essen serviert, bemerkt, dass seine Spaghetti das Gegenteil von al dente sind, dass ihn die Diskomusik nervt und sich immer weiter hineinsteigert, bis er die Küche verwüstet und geht.
Ich komme zu dem Schluss, dass es um Frustration geht. Dennis wollte sich ein schönes Essen machen, dann kam die Kerze, die zerkochten Nudeln, die Musik, ist das die Aussage? Er rastet aus.
Dass er die Kerze gar so sehr hasst, das nehme ich mal als überspitzt.

Insgesamt bist Du in der Wortwahl zwar recht vielfältig (kaum Wortwiederholungen bis auf „war“, das Du häufig nutzt), aber Du triffst nicht immer den Nagel auf den Kopf, an manchen Stellen könntest du noch nachfeilen. Außerdem könntest Du die Geschichte stringenter erzählen, mehr linear auf die Aussage zuspitzen, verstehst Du?
Alles nur meine Meinung, es steht Dir frei zu übernehmen, was Dir gefällt, und zu ignorieren, was Dir misfällt Wink

Trotzdem, kein schlechter Einstandstext!
Liebe Grüße
Selanna

P.S.: Die Inhaltsangabe des weiteren Verlaufs ist mir zu wirr, ich versteh mal wieder nur ansatzweise Laughing


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Justadreamer
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J
Beitrag13.03.2018 13:08

von Justadreamer
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Hallo Selanna,

vielen Dank für dein Feedback! Leider bekomme ich selbst auch immer mehr das Gefühl, dass diese Geschichte recht brüchig zusammengestückelt ist.

Ich habe mir deine Anmerkungen genau durchgelesen und werde versuchen, das Ganze auf den Text zu übertragen.
Falls danach das Gefühl bestehen bleibt, dass etwas nicht so ganz stimmt, werde ich mich nach einem anderen Thema umsehen - die erste Geschichte, die in Richtung Buch geht, will ich unbedingt fertigstellen können und brauche vielleicht mehrere Anläufe. Rolling Eyes

Die ganze Geschichte mit dem Salat, dem Fall und dass er deswegen langsam, aber sicher ausrastet, hast du richtig interpretiert - Ob es den Sack Reis gebraucht hätte, ist fraglich Laughing


Ich werde jedenfalls etwas an der Geschichte feilen und dann berichten, ob es weitergehen wird!

Dankend
Tobi
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Selanna
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Beitrag14.03.2018 00:47

von Selanna
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Hallo Tobi,

dann wünsche ich Dir viel Erfolg!

Liebe Grüße
Selanna


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Justadreamer
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Beitrag23.03.2018 20:18
Die Stadtwohnung
von Justadreamer
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So, ich habe mal versucht, alles einzuarbeiten. Das Ersetzen des Reissacks mit dem Schmetterling trifft vielleicht den Schmetterlings-Effekt ein bisschen besser, ob es allerdings besser ankommt weiß ich auch nicht Laughing
Die Formulierung "wie ein Subwoofer" ist auf das Fenster bezogen, deswegen habe ich sie so gelassen. Der "nun zum keuchenden Choleriker Mutierte" ist mMn nun etwas knalliger formuliert - ich weiß, dass eigentlich eine stärkere Entschärfung gefordeert war, habe es aber so belassen, weil ich zwei Sätze später aufgreife, dass er nicht mehr daran denke, ruhig zu atmen - dieser Bezug hat mir pers. hier gereicht. Am Schluss habe ich das "Objekt seines Leidens" zu "Speer des Schicksals" geändert, um mit einem spielerischen Jesus- Bezug abzuschließen. Falls sich noch etwas daraus entwickelt, werde ich sicher nochmal deswegen hier vorbeischauen smile





Die Standtwohnung


Wild flatternd versuchte sich der königsblaue Schmetterling aus den Fängen des Fuchses zu befreien. Dieser wiederum verfehlte ob des geglückten Fangs den Hasen, den er ohne die Ablenkung bald darauf gewittert hätte. Dass eben dieser Hase eine halbe Stunde später von einem weiß lackierten Lieferwagen überfahren werden sollte, konnte jedoch keiner erahnen. Wie es der Zufall wollte, so würden sich die Folgen des Fangs bis in die naheliegende Stadt auswirken. Genauer gesagt: Bis zu einer kleinen Wohnung im zweiten Stock eines Mietshauses.

Zusammengekrümmt lag Dennis auf dem Boden und hielt sich seine Nase, deren linkes Loch nun doppelt so groß war wie das rechte. Er hatte gekocht. Als er in Ermangelung einer Salatschleuder die Fliesen befeuchtete, besaß er noch nicht den richtigen Riecher für die Gefahr – eine Sache, die sich wohl geändert hatte. Nachdem er die nassen Blätter – wie immer – achtlos über dem Boden ausgeschüttelt hatte, war die Nässe der Grund dafür gewesen, mit seinen Hausschuhen unwahrscheinlich ungünstig zu landen. Vor seinen tränenverschwommenen Augen entstand nach und nach das Bild einer langen Kerze, die direkt vor seinem Gesicht auf dem Fußboden lag. Am oberen Ende schimmerte sie feucht. Er war sich nicht sicher, was er fühlen sollte: Womöglich war er der erste Mensch, der so genau auf einer Kerze landete, dass sie ihm ins Nasenloch drang. Während der Zinken langsam immer schwächer pochte, kroch die Kälte der Fliesen an Dennis hinauf, deshalb rappelte er sich langsam auf die Knie. Wie ein Kind, das mit einer Gabel Brokkoli führte, hob Dennis die Kerze auf und steckte sie wieder in den halb mit Wachs gefüllten Joghurtbecher, der auf seinem kleinen Esstisch stand. Genugtuung breitete sich wieder in seinem Körper aus, als er daran dachte, wie die Nasenschinderin vor seinen Augen einen qualvollen Tod sterben würde. Ohnehin war es verwunderlich, dass sie nicht zerbrochen war. Aber absurder hätte die Situation ohnehin nicht sein können.

Viele Male hatte er sich schon vorgenommen, endlich eine Salatschleuder zu kaufen, da er so gut wie jeden Tag eine Schüssel voll Salat aß. Wer nicht hören will, muss riechen, dachte sich Dennis und verzog die Mundwinkel, da er seine Nase aus Sicherheitsgründen nicht rümpfen wollte. Er stand in der Küche und wusste kurz nicht mehr weiter. Hätte ich Freunde zum Essen eingeladen, wäre das wohl das lustigste Dinner aller Zeiten geworden. Resigniert wandte er sich wieder seiner Kochplatte zu, auf der zwei Töpfe vor sich hinbrüteten. Den Dunstabzug hatte Dennis auf der höchsten Stufe laufen. Nicht etwa, weil es nötig gewesen wäre, sondern, weil mit dem lauten Brummen die Musik der Disko, die sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand, nicht mehr zu hören war.  Routiniert öffnete er den Deckel des größeren Topfes und rührte die Nudeln um. Zu allem Überdruss musste er feststellen, dass sich diese mittlerweile eher zu einem Nudelbrei als Spaghetti gebildet hatten. Er goss sie schleunigst in ein Sieb und ließ anschließend kaltes Wasser auf die Pampe plätschern, in der Hoffnung, die Nudeln würden wieder etwas an Härte dazugewinnen. Ich muss über fünf Minuten auf dem kalten Fußboden gelegen sein, sinnierte er. Es war lange her, als er das letzte Mal seine Spaghetti verkochen ließ.

Nachdem er seine selbstgemachte Tomatensoße, die Nudeln und den schon fertigen Salat zu seinem romantischen Rendezvous auf den Tisch gestellt hatte, platzierte er behutsam eine Packung Streichhölzer an den Rand der Tischplatte und löschte das Licht. Er saß mit dem Gesicht zum Fenster, durch das, wie von einem übergroßen Subwoofer, die schnellen Bassschläge der Disko zu ihm hindurchdrangen. Dennis holte tief Luft, schloss die Augen und versuchte, sich zu beruhigen. Er hatte sich, um dem täglichen Trubel zu entkommen, diese Prozedur angewöhnt. Fünfzehn Mal tief ein- und ausatmen, die Ohrläppchen mit Daumen und Zeigefinger massieren, kurz durch die Haare fahren und dann die Augen wieder öffnen. Als er beim dritten Atemzug angekommen war, begann sein aufgeschürftes Naseninnere zu pochen und er wechselte auf Mundatmung. „So schnell wandeln sich die festgefahrenen Bahnen des Lebens in luftleere Schorflandschaften.“
 Vier.
 Fünf.
Jetzt meldete sich – zur Abwechslung – das rechte Nasenloch mit einer besorgten Rotzglocke, die im Mission-Impossible-Style seinen Nachbarn ausspähte.
Sieben.
Acht.
Durch das Fenster hörte er, dass sich der Höhepunkt der Musik anbahnte. Dennis tanzten torkelnde Gestalten vor den Augen, die seine Konzentration völlig durcheinanderbrachten.
Neun.
Zehn.
„Ich kann mich nie wieder vor die Haustür wagen… nicht mit dieser Koksnase.“
Elf.
Zwölf.
Die Musik war überall. Sie kroch in seine Ohren, fraß sich durch das Trommelfell in sein Gehirn. Sie zerhackte den letzten Rest seiner Synapsen und bohrte sich durch seine Schädeldecke, nur um sich durch das pochende Nasenloch wie Sandpapier wieder in seinen Kopf zu schmirgeln.
Dreizehn.
Sein Atem zitterte. Die Hand zuckte. Irgendwo im Wald jagte ein Fuchs einen Nachtfalter.
Vierzehn.
Dennis stand auf – der Stuhl krachte zu Boden. Wildgeworden packte der nun zum keuchenden Choleriker Mutierte den Topf mit den Nudeln und schleuderte den Inhalt Richtung Spülbecken. Die Pampe bedeckte die gesamte Küchenzeile. Während einzelne Spaghetti-Schleimklumpen an der Milchglasscheibe eines Vorratsschrankes hinunterglitten, dachte Dennis gar nicht mehr daran, seinen fünfzehnten Atemzug zu beenden und sich die Ohrläppchen zu kraulen. Er stampfte zur Küchenzeile, in Richtung des Schlachtfeldes. Anstatt ein Tuch in die Hand zu nehmen, klatschte er mit der flachen Hand mit voller Wucht gegen einen besonders dicken Spaghettibrocken. Der Schleim spritzte von seiner Hand, als er die andere streckte, um eine Flasche Vodka vom Schrank zu holen. Mit einem Knall rammte er die Flasche auf den Tisch, daneben ein Schnapsglas. Er riss den Schraubverschluss förmlich vom Flaschenhals und schenkte ein. Und trank. Und schenkte ein. Und trank. Er schüttelte sich. Seine Augen fixierten die Kerze. „Du kleines Pissstück!“ Drei Schlucke direkt aus der Flasche folgten, wohl, um der Kerze Angst zu machen. Dennis packte sie am Hals und drückte zu. Wenn er es nicht bis fünfzehn schaffte, würde es diese wächserne Witzfigur auch nicht. Er steckte sich den Speer des Schicksals in die Hosentasche seiner Jeans und walzte durch die Küche, aus der Tür und die Treppe seiner Wohnung hinunter, bis die Haustür zuschlug.
In der Küche brannte noch das Licht. Schlieren von Schleim schillerten auf der Scheibe des Schrankes. Misshandelt und verlassen wartete die Wohnung auf ihren Besitzer, der hoffentlich mit Reue zurückkehren würde.
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