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und schatten leuchten blau


 
 
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niko
Geschlecht:männlichEselsohr

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Beiträge: 233
Wohnort: Göttingen


Beitrag21.01.2018 19:53
und schatten leuchten blau
von niko
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat



und schatten leuchten blau


drei schritte bis zum regen 
du lachst mit verspätung
wir haben uns eingeholt 
verschlucken vorsätze

von osten her weht ein seufzer
im kern blüht eine aussicht
und du hälst dich fest
an den rissen in der tapete
und an zu viel wolkenbildung

ich versuche zu  überbrücken 
eine halbe brűcke steht in avignon 
sie ist eine prachtvolle schwester
wir sind endlos 
es wird hell
Ich habe die fackeln vergessen

.



_________________
Ein Gedicht auf dem Hintergrund der Biographie des Autors zu interpretieren ist so, als würde man einem schwimmenden Schiff das Wasser nehmen. (NJK)
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anuphti
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Beitrag23.01.2018 21:52
Re: und schatten leuchten blau
von anuphti
Antworten mit Zitat

niko hat Folgendes geschrieben:


und schatten leuchten blau


drei schritte bis zum regen 
du lachst mit verspätung
wir haben uns eingeholt 
verschlucken vorsätze

von osten her weht ein seufzer
im kern blüht eine aussicht
und du hältst dich fest
an den rissen in der tapete
und an zu viel wolkenbildung

ich versuche zu  überbrücken 
eine halbe brűcke steht in avignon 
sie ist eine prachtvolle schwester
wir sind endlos 
es wird hell
Ich habe die fackeln vergessen

.



Hallo niko,

ich mag Brücken. Blau. Schatten und Avignon.
Damit hat Dein Gedicht bei mir schon gewonnen

Ich bin mir nicht ganz sicher, wie lange Du dieses Gedicht überarbeitet hast, aber ich finde geniale Zeilen (drei schritte bis zum regen) neben eher zusammenhanglosen (sie ist eine prachtvolle schwester?) und frage mich, was das Ganze mit Fackeln zu tun hat.

Der Titel suggeriert bei mir das Gemälde eines Impressionisten, ich sehe ein Pärchen im Regen und in einer abgewrackten Wohnung.
Was soll überbrückt werden?

Sprachlich vielversprechend, aber irgendwie nicht durchgehend.

Kannst Du damit etwas anfangen?

Liebe Grüße
Nuff


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Pronomen: sie/ihr

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Aranka
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Beiträge: 3106
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A
Beitrag27.01.2018 08:05

von Aranka
Antworten mit Zitat

Hallo niko,

Zitat:
und schatten leuchten blau


Welch geheimnisvoller und poetischer Titel. Und ebenso der erste Vers:

Zitat:
drei schritte bis zum Regen


Da assoziiert sicher jeder Leser seine Regenerfahrung. Er kann sanft und wohltuend sein am Ende eines heißen Sommertages aber auch ebenso trüb und grau und den, der hineingerät ganz schon ins Frieren bringen. Ein offener Vers und nun horche ich in den Text, um dort die Richtung des Weiteren zu finden.

Zitat:
du lachst mit verspätung
wir haben uns eingeholt
verschlucken vorsätze


Was ich lese: Hier versuchen zwei Menschen aufeinander zuzugehen, aber schon hier spüre ich leichte Schatten unter den Zeilen. "sich einholen" kann ich nicht positiv lesen.

Zitat:
von osten her weht ein seufzer
im kern blüht eine aussicht
und du hälst dich fest
an den rissen in der tapete
und an zu viel wolkenbildung


In dieser Strophe wird es deutlicher: es naht Unheil und das LD sieht eher die Risse und Wolkenbildungen und kann sich nicht davon lösen, statt die Aussichten im Kern. Ich sehe hier einen Menschen, der eher "schwarz" sieht. Aber vielleicht lese ich auch falsch.

Zitat:
ich versuche zu  überbrücken
eine halbe brűcke steht in avignon
sie ist eine prachtvolle schwester
wir sind endlos
es wird hell
Ich habe die fackeln vergessen  


Das LI gibt nicht auf, ist ein Mensch, der das halb volle Glas sieht, statt das halb leere. Es will Brücken bauen. Die halbe Brücke in Avignon deute ich mal als eine Urlaubsreise oder gar das Kennenlernen. Aber da beginnt dann auch die Spekulation. Die letzte Zeile ist recht kryptisch und ich kann sie nicht einbinden.

Formal ist mir aufgefallen, dass in der ersten und letzten Strophe jede Zeile eine abgeschlossene Aussage ist. Dadurch entsteht der starke Eindruck einer unverbundenen Reihung, einer reinen Aufzählung. Die mittlere Strophe gefällt mir da formal besser.

Ich finde hier ganz schöne Zeilen, aber sie erscheinen mir noch wie eine Sammlung von Bildern, die du zu deiner Textidee notiert hast.

Liebe Grüße. Aranka[/quote]


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"Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)

„Erst als ihm die Welt geheimnisvoll wurde, öffnete sie sich und konnte zurückerobert werden.“ (Peter Handke)
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niko
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 66
Beiträge: 233
Wohnort: Göttingen


Beitrag28.01.2018 13:41

von niko
pdf-Datei Antworten mit Zitat

hallo anuphti, hallo aranka!
schön, euch zu lesen. und ich freue mich sehr, dass euch mein gedicht dazu veranlasst hat, euch damit auseinander zu setzen und mir eure gedanken dazu zu schreiben
ich finde eure interpretationen großartig, da sie dem sehr nahe kommen, was mich zum schreiben dieses textes veranlasste.

@anuphti

"Der Titel suggeriert bei mir das Gemälde eines Impressionisten, ich sehe ein Pärchen im Regen und in einer abgewrackten Wohnung.
Was soll überbrückt werden? "

naja....es geht wohl weniger um überbrücken, sondern um "brücken schlagen" überbrücken ist letztlich auch nur etwas provisorisches. Aber ein impressionistisches gemälde,,,,,,,,das gefällt mir!

"Sprachlich vielversprechend, aber irgendwie nicht durchgehend."

das vielversprechend gefällt mir natürlich. und das es "irgendwie nicht durchgehend" ist....ja. das leuchtet mir ein. es war auch ein versuch. ich wollte bilder schaffen. ich bin ein typ, der nicht, wie von dir vermutet, einen text langfristig entstehen lässt. mein schreiben funktioniert anders. es muss aus einem guss sein.

"Kannst Du damit etwas anfangen?"
ja........unbedingt! und du? kannst du was mit meinem krams hier anfangen? Wink

@aranka


"Zitat:
und schatten leuchten blau


Welch geheimnisvoller und poetischer Titel. Und ebenso der erste Vers:

Zitat:
drei schritte bis zum Regen


Da assoziiert sicher jeder Leser seine Regenerfahrung. Er kann sanft und wohltuend sein am Ende eines heißen Sommertages aber auch ebenso trüb und grau und den, der hineingerät ganz schon ins Frieren bringen. Ein offener Vers und nun horche ich in den Text, um dort die Richtung des Weiteren zu finden. "

danke aranka! für mich ist es besonders, so mit dir meinen text mitzulesen. mit deiner sicht, deinem verstehen. das finde ich cool.

Zitat:
du lachst mit verspätung
wir haben uns eingeholt
verschlucken vorsätze


Was ich lese: Hier versuchen zwei Menschen aufeinander zuzugehen, aber schon hier spüre ich leichte Schatten unter den Zeilen. "sich einholen" kann ich nicht positiv lesen.

ja....das einholen....einholen hat ja eine negative schwingung. kann es haben. schön, dass du es bemerkst!

"Zitat:
von osten her weht ein seufzer
im kern blüht eine aussicht
und du hälst dich fest
an den rissen in der tapete
und an zu viel wolkenbildung


In dieser Strophe wird es deutlicher: es naht Unheil und das LD sieht eher die Risse und Wolkenbildungen und kann sich nicht davon lösen, statt die Aussichten im Kern. Ich sehe hier einen Menschen, der eher "schwarz" sieht. Aber vielleicht lese ich auch falsch. "

das lyrich spricht ja quasi über das lyrdu. und sich festhalten an rissen in der tapete und an wolkenbildung sollten metaphern sein, die eine mischung aus "darüber hinweg gehen" und "ausweichen" und "ablenken auf nebenschauplätze" beinhalten soll / kann.

"Zitat:
ich versuche zu überbrücken
eine halbe brűcke steht in avignon
sie ist eine prachtvolle schwester
wir sind endlos
es wird hell
Ich habe die fackeln vergessen


Das LI gibt nicht auf, ist ein Mensch, der das halb volle Glas sieht, statt das halb leere. Es will Brücken bauen. Die halbe Brücke in Avignon deute ich mal als eine Urlaubsreise oder gar das Kennenlernen. Aber da beginnt dann auch die Spekulation. Die letzte Zeile ist recht kryptisch und ich kann sie nicht einbinden."
Die Brücke von Avignon, ist schon sehr alt, man sieht sie schon auf den bildern von (ich glaube...)van Goghs. sie ist nicht zuende gestellt, ragt halb und unvollständig ins wasser und endet dort. ohne vollendung, ohne verbindung, letztlich ohne sinn und ziel. und die letzte zeile.......ja sie ist kryptisch und ich habe überlegt, die beiden schlusszeilen zu streichen. weil die aussage nicht genügend greift. (auch für mich nicht!)

"Formal ist mir aufgefallen, dass in der ersten und letzten Strophe jede Zeile eine abgeschlossene Aussage ist. Dadurch entsteht der starke Eindruck einer unverbundenen Reihung, einer reinen Aufzählung. Die mittlere Strophe gefällt mir da formal besser. "

so habe ich das noch nicht gesehen und empfunden. ich lasse das mal dankend sacken und versuche etwas daraus zu gewinnen. wertvoller hinweis für mich. danke!

"Ich finde hier ganz schöne Zeilen, aber sie erscheinen mir noch wie eine Sammlung von Bildern, die du zu deiner Textidee notiert hast."

danke, aranka! aber ich glaube auch, dass ich eine schwierige art zu schreiben habe. es gibt viele autoren, die einen text entwickeln, sie sammeln wörter, gedanken, setzen irgendwann zusammen, verwerfen wieder einiges, nach einigen tagen nochmal drüber, verschiedenes verändern, einen neuen gedanken dazu nehmen.....so in der art.
ich bin so nicht gestrickt. in mir ist etwas, das sagt: so...jetzt los. schreibe!!! ich weiß nicht einmal, was gerade das thema ist, manchmal. und was ich schreibe, fließt in einem durch und raus aufs papier, oder ins word doc. und wenn ich es aufgeschrieben habe, ist es eigentlich fertig. klar kann es zu veränderungen kommen.
naja........(ich krieg immer gesagt, dass ich das besser nicht kundtue. schadet es mir, wenn ich sage, wie ich schreibe? und ist ein spontanschreiber schlechter als der akribische perfektionist? wovon lebt ein gedicht?)

herzliche grüße euch beiden - niko


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anuphti
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Beitrag28.01.2018 18:23

von anuphti
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Hallo niko,

ich denke der Unterschied im Schreiben ist der Gleiche, wie beim Malen/Zeichnen, um mal bei meinem Vergleich mit einem Gemälde zu bleiben.

Deine Art zu schreiben ist wie eine Skizze, da kann auch schon mal ein falscher Strich drin sein, oder eine schräge Perspektive, aber schon das Wort "Skizze" beinhaltet für mich entweder "Übungsskizze" oder "Vorbereitungsskizze" (für ein späteres/größeres/mehr ausgearbeitetes Werk).

Also entweder, wieder übertragen auf die Lyrik, zum Beispiel ein Übungsstück, wo ich mich ausprobiere und mit Worten, Sätzen und Satzzeichen spiele.

Das wäre für mich aber eigentlich nichts, was ich "alleine" stehen lassen würde, außer vielleicht in einer Reihe von Gedichten (vom ersten bis zur letzten Version), um den Schaffensprozess zu dokumentieren.

Oder (Stichwort Vorbereitung) zum Beispiel eine Sammlung von Gedankenfetzen zu einem bestimmten Thema.

Letztendlich glaube ich, dass fast jedes Gedicht durch Überarbeiten schöner wird, oftmals klarer im Ausdruck, einzigartiger in der Wortwahl.

Das soll Dir die Lust am "Skizzieren" aber um Himmels willen nicht nehmen!

Frohes Schaffen und liebe Grüße
Nuff


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Aranka
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A
Beitrag29.01.2018 09:24

von Aranka
Antworten mit Zitat

Hallo Niko,

das ist ja eine Menge Holz, das du da aufschichtest. Du schreibst:

Zitat:
danke, aranka! aber ich glaube auch, (1) dass ich eine schwierige art zu schreiben habe . es gibt viele autoren, die einen text entwickeln, sie sammeln wörter, gedanken, setzen irgendwann zusammen, verwerfen wieder einiges, nach einigen tagen nochmal drüber, verschiedenes verändern, einen neuen gedanken dazu nehmen.....so in der art.
ich bin so nicht gestrickt. (2) in mir ist etwas, das sagt: so...jetzt los. schreibe!!! ich weiß nicht einmal, was gerade das thema ist, manchmal. und was ich schreibe, fließt in einem durch und raus aufs papier, oder ins word doc. und wenn ich es aufgeschrieben habe, ist es eigentlich fertig. klar kann es zu veränderungen kommen.
naja........(ich krieg immer gesagt, dass ich das besser nicht kundtue. (3) schadet es mir, wenn ich sage, wie ich schreibe? und ist ein (4) spontanschreiber schlechter als der akribische perfektionist?  (5) wovon lebt ein gedicht?)


 Niko, da werde ich mal versuchen,  die Brocken Stück für Stück zu sortieren.

(1) Ich glaube nicht, dass deine Schreibe eine schwierige ist, wenn ich lese, wie du vorgehst. Sie ist eine recht auf dich bezogene und der Maßstab, ob ein Text fertig ist, hat (wenn ich das richtig verstehe) nur ein Kriterium, dass der Text auf dem Papier steht, dass er dir gefällt, dass du abgearbeitet hast, was da aus dir heraus wollte. Für dich selbst kann das ja durchaus genügen. Für einen fremden Leser auch???
(2) In der Literatur (Lyrik wie Prosa) kennt man den Begriff „stream of consciousness“, in der spricht das Bewusstsein der Figur direkt, ohne ordnende Eingriffe eines Erzählers. Aber damit haben deine Texte nichts gemeinsam. Du sagst zwar, es fließt aus mir heraus, aber in deinen Texten fließen die Zeilen nicht wirklich, sie erscheinen eher herausgebrochen, konstruiert und einzeln gesetzt. Zusätzlich wirkt der Metapherngebrauch einer spontanen Schreibweise entgegen.
(3) Warum sollte es dir schaden, wenn du laut über dein Schreiben nachdenkst und es vielleicht auch einmal mit anderen Schreibern reflektierst und hinterfragst. Schließlich stellst du deine Texte in einen öffentlichen Leseraum und machst sie fremden Lesern zugänglich. Da bekommst du Rückmeldung, die dir die Möglichkeit gibt, etwas über die Wirkung deiner Texte zu erfahren. Und vielleicht k0mmt da ja auch eine Verantwortung dem Text gegenüber ins Spiel. Der Autor verantwortet jedes Wort, Form und Inhalt. Und ich als Leser möchte dem Autor vertrauen können: dass er sein Bestes gibt, dass er weiß was er tut, dass er sein Handwerk beherrscht. Dass er reich ist an Gedanken und seinem Text einen Mehrwert hinter die Zeilen legt. Und irgendwie erwarte ich schon, dass ein Autor noch mal einen kritischen Blick auf seinen Text wirft, bevor er ihn postet. Dein Schreiben (wie du es benennst) hat etwas mit dem Schreiben ganz persönlicher Gedanken und Notizen zu tun, die dann ja durchaus auch unbearbeitet bleiben können.
(4) Ist ein spontanschreiber schlechter als der akribische perfektionist? Es geht nicht um schlechter oder besser und diese beiden „Schreibtypen“, wenn es sie denn überhaupt in dieser Reinform gibt, stehen wohl nicht zur Debatte. Das Schreiben ist ein Prozess, der immer aus beidem besteht, spontanen Phasen und gesteuerten. Manchmal ist ein spontaner Impuls, eine erste Zeile der Auslöser, der erst nach und nach zur Thematik führt. Ein anderes Mal ist da eine Thematik, die im Autor arbeitet und ihn sammeln und ihn gezielt beginnen lässt, bis auch dann die Sprache das Regiment übernimmt und die Feder führt. Sei mir nicht böse, aber deine Gedanken erscheinen mir ein wenig an der Oberfläche zu bleiben.
(5) wovon lebt ein gedicht? Das ist eine gewaltige Frage und mit jedem Gedicht kommt man der Antwort vielleicht ein Stückchen näher – vorausgesetzt man ist bereit sich auseinander zu setzen.

Niko, vielleicht solltest du noch mal über dein Schreiben nachdenken. Du braucht ja nicht von der "spontanen" Art des Beginnens abzuweichen, aber vielleicht solltest du deinem Werk dennoch einen kritischen Abschlussblick schenken.

Liebe Grüße Aranka


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wortklang
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Beitrag10.02.2018 00:33
Re: und schatten leuchten blau
von wortklang
Antworten mit Zitat

niko hat Folgendes geschrieben:


und schatten leuchten blau


drei schritte bis zum regen 
du lachst mit verspätung
wir haben uns eingeholt 
verschlucken vorsätze

von osten her weht ein seufzer
im kern blüht eine aussicht
und du hälst dich fest
an den rissen in der tapete
und an zu viel wolkenbildung

ich versuche zu  überbrücken 
eine halbe brűcke steht in avignon 
sie ist eine prachtvolle schwester
wir sind endlos 
es wird hell
Ich habe die fackeln vergessen

.


Lieber Niko,

Dein Gedicht ist für mich ein gewagter Versuch, Widersprüche in verschiedenen Bereichen des Innen- und Beziehungslebens gelten zu lassen und auszudrücken.

In der 1. Strophe geht es um sich übereinander schiebende Zeitebenen: "verspätung" (Vergangenheit) neben "drei schritte bis zum regen" und "vorsätze" (Zukunft), "eingeholt" (Gleichzeitigkeit). Da geschieht viel, was nur schwerlich zusammenkommen kann. Trotz der Gleichzeitigkeit in den beiden letzten Zeilen dominiert das Ungleiche ("verschlucken vorsätze" ist auch sehr ambivalent).

In der 2. Strophe bleibt der Widerspruch zwischen "aussicht" und Illusion ("zu viel Wolkenbildung") ungelöst (wie "risse") und eher verunsichernd.

Der Versuch in der 3. Strophe, das Ungelöste und Widersprüchliche  "zu überbrücken", beschränkt sich auf die "halbe brücke", mit der sich das LyrI geistes- oder seelenverwandt fühlt ("prachtvolle schwester").
"wir sind endlos" hat wieder eine ungeheure Ambivalenz von 'grenzenlos' / 'ewig' - also Freiheit - und 'das immer Gleiche' / 'Ungelöste' - also Zwanghaftes -.

Dazu passen die letzten beiden Zeilen: Entweder Ausdruck der Sinnlosigkeit, gerade im Hellen an die vergessenen Fackeln zu denken. Oder als Erkenntnis, dass nach der Helligkeit das Dunkel wieder kommt.

Die vielfältigen Unvereinbarkeiten und Widersprüchlichkeiten erscheinen im inneren Erleben als eine Einheit: Das Helle und das Dunkle, das Vergangene und Zukünftige, das Unlösbare und die Zuversicht sind immer zugleich präsent.

Gedanklich kann ich mit den Bildern viel anfangen. Klanglich und auch sprachlich könnte man sicherlich noch feilen. Gerade auch um die Bilder noch durchgehender mit dieser Gleichzeitigkeit von Widersprüchen auszustatten.

Ich habe es gerne gelesen.

LG wortklang
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niko
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Beitrag04.03.2018 17:21

von niko
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hallo wortklang....

deinen kommentar habe ich nicht beantwortet.
ich finde es sehr interessant, was du schreibst.


"Dein Gedicht ist für mich ein gewagter Versuch, Widersprüche in verschiedenen Bereichen des Innen- und Beziehungslebens gelten zu lassen und auszudrücken."

das stimmt schon, allerdings mache ich das gerne in den gedichten, dass ich mit gegensätzen arbeite.

"Gedanklich kann ich mit den Bildern viel anfangen. Klanglich und auch sprachlich könnte man sicherlich noch feilen. Gerade auch um die Bilder noch durchgehender mit dieser Gleichzeitigkeit von Widersprüchen auszustatten."

das würde mich tatsächlich sehr!!!!! interessieren! kannst du mal beispiele benennen?wie könnte ich feilen? was wäre zu feilen? und was meinst du mit durchgängiger ausstatten?

ich danke dir ganz herzlich! - niko


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niko
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Beitrag04.03.2018 17:57

von niko
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hallo aranka

 Niko, da werde ich mal versuchen,  die Brocken Stück für Stück zu sortieren.

(1) Ich glaube nicht, dass deine Schreibe eine schwierige ist, wenn ich lese, wie du vorgehst. Sie ist eine recht auf dich bezogene und der Maßstab, ob ein Text fertig ist, hat (wenn ich das richtig verstehe) nur ein Kriterium, dass der Text auf dem Papier steht, dass er dir gefällt, dass du abgearbeitet hast, was da aus dir heraus wollte. Für dich selbst kann das ja durchaus genügen. Für einen fremden Leser auch???

das sehe ich grundsätzlich anders. alles, was ich schreibe, hat mit mir zu tun. und ich glaube, das ist bei jedem autor so. mal 2o% von mir, mal 100% von mir. für mich wäre es unmöglich über etwas zu schreiben, was in meinem empfinden nicht vorkommt. lyrik ist letztendlich nichts als empfinden. finde ich...




(2) In der Literatur (Lyrik wie Prosa) kennt man den Begriff „stream of consciousness“, in der spricht das Bewusstsein der Figur direkt, ohne ordnende Eingriffe eines Erzählers. Aber damit haben deine Texte nichts gemeinsam. Du sagst zwar, es fließt aus mir heraus, aber in deinen Texten fließen die Zeilen nicht wirklich, sie erscheinen eher herausgebrochen, konstruiert und einzeln gesetzt. Zusätzlich wirkt der Metapherngebrauch einer spontanen Schreibweise entgegen.

warum widerspricht der metapherngebrauch einer spontanen schreibweise? das verstehe ich nicht. die metaphern kommen und erzeugen ein bild, sind da in ihrem vollen umfang (für mich) und ich schreibe sie auf. ich konstruiere keine metaphern! ich bin erzähler und das lyrich. oft. nicht immer. aber auch wenn es nicht so ist, dann siehe unter punkt eins: ein teil des autors ist immer in dem was er schreibt.

(3) Warum sollte es dir schaden, wenn du laut über dein Schreiben nachdenkst und es vielleicht auch einmal mit anderen Schreibern reflektierst und hinterfragst. Schließlich stellst du deine Texte in einen öffentlichen Leseraum und machst sie fremden Lesern zugänglich. Da bekommst du Rückmeldung, die dir die Möglichkeit gibt, etwas über die Wirkung deiner Texte zu erfahren. Und vielleicht k0mmt da ja auch eine Verantwortung dem Text gegenüber ins Spiel. Der Autor verantwortet jedes Wort, Form und Inhalt. Und ich als Leser möchte dem Autor vertrauen können: dass er sein Bestes gibt, dass er weiß was er tut, dass er sein Handwerk beherrscht. Dass er reich ist an Gedanken und seinem Text einen Mehrwert hinter die Zeilen legt. Und irgendwie erwarte ich schon, dass ein Autor noch mal einen kritischen Blick auf seinen Text wirft, bevor er ihn postet. Dein Schreiben (wie du es benennst) hat etwas mit dem Schreiben ganz persönlicher Gedanken und Notizen zu tun, die dann ja durchaus auch unbearbeitet bleiben können.

hm....wenn sie dem anspruch (in welcher form auch immer) eines gedichtes nicht genügen, dann ist das dann so.  dass ich aber einen kritischen blick darauf werfe nach dem verfassen....damit hast du recht. aber korrekturen haben ihre grenzen für mich. bei kleinigkeiten tue ich das durchaus, bei größeren eingriffen macht es fast mehr sinn, den text in die tonne zu klopfen uns sich zwei drei gute textstellen aufzubewahren. ein  umfassendes verändern des textes geht nach meinem dafürhalten nicht, weil es die stimmung und schwingung eines textes völlig zerstört. und das ist schlimmer für mich, als das verändern von passagen durch andere worte. das umfasst auch das kapitel "meine verantwortung dem text gegenüber".




(4) Ist ein spontanschreiber schlechter als der akribische perfektionist? Es geht nicht um schlechter oder besser und diese beiden „Schreibtypen“, wenn es sie denn überhaupt in dieser Reinform gibt, stehen wohl nicht zur Debatte. Das Schreiben ist ein Prozess, der immer aus beidem besteht, spontanen Phasen und gesteuerten. Manchmal ist ein spontaner Impuls, eine erste Zeile der Auslöser, der erst nach und nach zur Thematik führt. Ein anderes Mal ist da eine Thematik, die im Autor arbeitet und ihn sammeln und ihn gezielt beginnen lässt, bis auch dann die Sprache das Regiment übernimmt und die Feder führt. Sei mir nicht böse, aber deine Gedanken erscheinen mir ein wenig an der Oberfläche zu bleiben.
(5) wovon lebt ein gedicht? Das ist eine gewaltige Frage und mit jedem Gedicht kommt man der Antwort vielleicht ein Stückchen näher – vorausgesetzt man ist bereit sich auseinander zu setzen.

ich arbeite genau, wie du schreibst. aber ich mache mir keine notitzen und sammle wörter. ich schreibe das gedicht. und damit ist das grobe fertig. und vielleicht kommen noch änderungen dazu. im kleineren umfang. hier im forum kann und soll kritik kommen. denn schreiben ist immer ein prozess. wer auf der stelle tritt, der geht rückwärts.

Niko, vielleicht solltest du noch mal über dein Schreiben nachdenken. Du braucht ja nicht von der "spontanen" Art des Beginnens abzuweichen, aber vielleicht solltest du deinem Werk dennoch einen kritischen Abschlussblick schenken.

ich KANN nicht abweichen von der spontanen art zu schreiben, Aranka. es ist einfach in mir so verwurzelt. dass ich dann darüber nochmal nachdenke, veränderungen vornehme, auch nach besprechungen hier im forum......das kann gut sein. darum bin ich hier!

ich danke dir für deine worte und hoffe, dass du mir verzeihst, dass ich so spät erst reagierte.

herzlichst - niko


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Beitrag04.03.2018 18:04

von niko
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hallo anuphti!

du schreibst:
"Deine Art zu schreiben ist wie eine Skizze, da kann auch schon mal ein falscher Strich drin sein, oder eine schräge Perspektive, aber schon das Wort "Skizze" beinhaltet für mich entweder "Übungsskizze" oder "Vorbereitungsskizze" (für ein späteres/größeres/mehr ausgearbeitetes Werk).

Also entweder, wieder übertragen auf die Lyrik, zum Beispiel ein Übungsstück, wo ich mich ausprobiere und mit Worten, Sätzen und Satzzeichen spiele."

also würdest du sagen, es ist ein halbgares gedicht?

"Das wäre für mich aber eigentlich nichts, was ich "alleine" stehen lassen würde, außer vielleicht in einer Reihe von Gedichten (vom ersten bis zur letzten Version), um den Schaffensprozess zu dokumentieren.

Oder (Stichwort Vorbereitung) zum Beispiel eine Sammlung von Gedankenfetzen zu einem bestimmten Thema.

Letztendlich glaube ich, dass fast jedes Gedicht durch Überarbeiten schöner wird, oftmals klarer im Ausdruck, einzigartiger in der Wortwahl."

ich glaube, dass das ausarbeiten auch zum sogenannten "verschlimmbessern" führen kann. das werk wird optimiert, verliert aber dennoch oder gerade deswegen an qualität. wichtig sind nicht die worte allein, sondern die schwingung, die ein text vermittelt. und da kann man herzlich wenig optimieren, finde ich.


"Das soll Dir die Lust am "Skizzieren" aber um Himmels willen nicht nehmen!"

die lust kann mir niemand nehmen, außer ich selbst. Smile

ich danke dir für deinen kommentar! und beitte verzeih, dass ich erst jetzt antworte!

herzlichst - niko


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wortklang
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Beitrag24.04.2018 01:19

von wortklang
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Lieber Niko,

nachdem ich lange nicht hier war, habe ich jetzt Deine Zeilen gelesen und versuche eine kleine Antwort.

niko hat Folgendes geschrieben:

"Gedanklich kann ich mit den Bildern viel anfangen. Klanglich und auch sprachlich könnte man sicherlich noch feilen. Gerade auch um die Bilder noch durchgehender mit dieser Gleichzeitigkeit von Widersprüchen auszustatten."

das würde mich tatsächlich sehr!!!!! interessieren! kannst du mal beispiele benennen?wie könnte ich feilen? was wäre zu feilen? und was meinst du mit durchgängiger ausstatten?


Durchgängiger könntest Du das Bildmaterial gestalten. Da schaffst Du reiche Bild-Zusammenhänge, die aber inhaltlich unklar bleiben:

"von osten her" steht für mich zusammenhanglos da. - Wo ist ein klärender Bezug zu einer anderen Himmelsrichtung oder einer anderen Ortsangabe? Bezieht sich diese Stelle auf "avignon"? Und wie?

Die Bilder von "regen", "wolkenbildung" und evt. "es wird hell", in denen Licht- und Wetterstimmungen angesprochen werden, haben auch keinen inhaltlich klaren Bezug zueinander.


Vielleicht kannst Du mit diesen Anregungen etwas anfangen.

Herzlichen Gruß,
wortklang
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