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Eine alte Geschichte


 
 
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Ginkgo
Schneckenpost
G


Beiträge: 6



G
Beitrag21.12.2017 19:21
Eine alte Geschichte
von Ginkgo
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich würde Euch gerne eine Geschichte vorstellen, die ich vor sieben Jahren anlässlich einer Weihnachtsfeier in unserer Kita geschrieben habe. Die Zielgruppe waren natürlich die Kinder (im Alter zwischen fünf und sechs Jahren) aber ich habe auch versucht, ein paar "Bonmots" an die Eltern einzubauen um sie beim Zuhören etwas bei der Stange zu halten. Ich würde gerne wissen, was Ihr darüber denkt.


Rudolph, das Rentier mit der roten Nase

Rudolph steckte seine Nase tief in den Schnee. Er saß hinter einem Schneehügel, verdeckt von verschneiten Ästen großer Bäume und beobachtete, wie die Kobolde den Schlitten von St. Nikolaus mit den Geschenken beluden. Jedes Jahr mussten diese pünktlich an die Kinder ausgeteilt werden und wie immer war die Zeit knapp. Die Elfen kamen mit dem Zaubern der Geschenke kaum nach und die Kobolde drängten sie so zur Eile, dass manche Elfen schon an Streik dachten.
"So kann man nicht zaubern!", schimpfte Artista, die aufmüpfige Elfe. Sie sah sich als Künstlerin und brauchte Ruhe um gut zaubern zu können. An Ruhe war jedoch nicht zu denken und so konnte es schon einmal passieren, dass sie eine Puppe mit Teddybärarmen oder ein Auto mit viereckigen Rädern zauberte. Wütend schaute sie auf ihre neueste Kreation, was ein Computer werden sollte, sah aus wie ein alter Schwarzweißfernseher.

Mit einem Fingerschnippen ließ sie ihn verschwinden, drehte sich um und lief aus dem Atelier, das eigentlich eher eine Werkshalle war, doch das würde Artista niemals zugeben. Sie brauchte jetzt erst einmal eine Pause. Sie stapfte auf den Schneehügel zu und setzte sich mit einem Seufzer direkt auf Rudolph, der tief im Schnee vergraben war.
"Autsch!" rief Rudolph und Artista entfuhr ein erschrecktes Quieken.
 "Was machst du denn hier!", fragte sie als sie wieder Luft holen konnte.
"Ich will zusehen, wie Nikolaus mit den Rentieren wegfährt" nuschelte Rudolph. "Aha! Klar, wenn man etwas sehen will, steckt man die Schnauze in den Schnee und erschreckt überarbeitete Elfen" giftete sie zurück! Ihre Laune war wirklich nicht die beste im Moment.
"Mein Papa will nicht, dass ich ihn bei der Arbeit störe und außerdem...na du weißt doch!" Rudolph musste blinzeln, nicht weil ihm der Schnee in die Augen fiel, sondern weil seine Augen nass wurden.
"Ach, stimmt ja! Entschuldige, ich bin etwas außer mir - der ganze Weihnachtsstress, du weißt schon! Aber du musst nicht weinen!"
Sie strich ihm über den Kopf und schon wurde ihm etwas leichter ums Herz. Die Berührung einer Elfe hat eben eine zauberhafte Wirkung.
"Alle lachen mich aus und mein Papa schämt sich für mich! Alles nur wegen dieser blöden Nase! Wenn nur meine Nase nicht so rot wäre und und so leuchten würde!"
Rudolph hob den Kopf und schon erleuchtete seine Nase die gesamte Gegend. Die Kobolde schauten erstaunt auf und entdeckten Rudolph, der sofort diese verwünschte Nase wieder in den Schnee steckte.
"Na Rudolph, willst uns wohl ein wenig leuchten mit deinem eingebauten Scheinwerfer, was?" rief Jokie, der Kobold der sich immer für besonders witzig hielt. Ein paar Kobolde kicherten mit ihm, von seinem Vorarbeiter Discipliner bekam er einen strafenden Blick, woraufhin Jokie sich wieder an die Arbeit machte.
"Da siehst du´s!" jammerte Rudolph. Es war immer das Gleiche. Die Hänseleien wegen seiner Nase wollten nicht aufhören. Seit er sich erinnern konnte wurde er verlacht aber das war noch nicht das Schlimmste. Das Schlimmste nämlich war, dass Donner, sein Vater, eines der Rentiere, die den Schlitten von St. Nikolaus ziehen durften, nichts von ihm wissen wollte und sich für ihn schämte. Was hatte er nicht alles versucht: Er hatte seine Nase mit Farbe bestrichen, dann leuchtete sie entweder trotz der Farbe oder wenn das nicht der Fall war und die Farbe das Leuchten abdeckte, dann bröselte die Schicht nach kurzer Zeit ab.
Auch kein Elfenzauber zeigte Wirkung und so musste er sich Tag für Tag auslachen lassen. Er wünschte sich so sehr, dass sein Vater stolz auf ihn sein könnte und sein allergrößter Wunsch war, zusammen mit seinem Vater den Schlitten von St. Nikolaus ziehen zu können.
Doch das war leider unvorstellbar. Nur die schönsten, stolzesten und besten Rentiere hatten dieses Privileg. Er war weder das eine noch das andere und überhaupt war er nichts. Gerade wollte Rudolph vor Kummer laut aufschluchzen, als er ein leises Bimmeln hörte.
"Sie kommen!" flüsterte Artista ehrfürchtig.
Das Klingeln kam von den vielen Glöckchen, mit denen die Rentiere geschmückt waren. Es wurde lauter, man hörte ein vielstimmiges Schnauben und da kamen sie schon. Acht herrliche Rentiere, geführt von einem Kobold, traten aus dem Dickicht der verschneiten Bäume. Für einen Moment unterbrachen die Kobolde ihr hektisches Treiben und sahen zu, wie die Tiere vor dem Schlitten Halt machten und angespannt wurden. Erst als Severus, der strenge Schichtführer, in die Hände klatschte, nahmen sie ihre Arbeit wieder auf.
"Ho-ho meine Lieben!" hörte man die gutmütige Stimme von St. Nikolaus. Er kam in Begleitung einer Elfe, die sich lautstark über die unelfischen Arbeitsbedingungen zur Weihnachtszeit beklagte, aus der Halle.
"Ist doch alles nicht so schlimm!" beruhigte er sie. "Gleich ist alles vorbei und wir fahren los! Nicht wahr, meine Schönen?" Er streichelte seine geliebten Rentiere, deren aristokratische Zurückhaltung es verbot, ihre Ungeduld zu zeigen.
Nikolaus flüsterte jedem von ihnen etwas ins Ohr, was mit einem kurzen Nicken beantwortet wurde. Dann tätschelte er noch jedes Hinterteil, was nur er durfte, denn das Hinterteil eines dieser besonderen Rentiere zu tätscheln sprach gegen jegliche Etikette.
Nikolaus rieb sich die Hände. Darauf freute er sich das ganze Jahr: Den Kindern Geschenke zu bringen und ihre leuchtenden Augen zu sehen war für ihn der Höhepunkt des Jahres.
"Na, wie sieht es aus? Wann können wir starten?" fragte er und schaute erstaunt auf, als er eine aufgeregte Stimme hörte.
"St. Nikolaus, oh weh, St. Nikolaus!" hetzte der gutaussehende Wetterkobold Jörgöl Cachelsön aus dem Büro der Wetterstation, die in einem niedrigen Anbau des Werksgebäudes untergebracht war. "Schlimme Nachrichten, schlimme Nachrichten!" stieß er atemlos hervor, schoss auf Nikolaus zu und blieb erstarrt stehen, als er die Elfe Alice erblickte. "Na was ist denn!" fragte Nikolaus und jetzt erinnerte sich Jörgöl an seine eigentliche Aufgabe, wenn auch nicht in verständlicher Form. Nikolaus hörte etwas von Hydrometeoren, Kondensationskernen und Transmissionsmeter, verstand natürlich rein gar nichts und schielte auf die Elfe, von deren Anblick sich Jörgöl gar nicht losreißen konnte und der er im Moment natürlich imponieren wollte.
"Wie bitte?" fragte Nikolaus.
Jörgöl Cachelsön fiel aus seiner Erstarrung und sagte nur:"Nebel, ganz schlimmer Nebel! Da sieh nur!" Er deutete vage in eine Richtung hinter Nikolaus, mit ihm drehten sich alle um und da sahen sie es. Wie schwere Dampfwolken waberten dicke Nebelschwaden durch und über die Bäume auf sie zu und umhüllten sie in Nullkommanichts mit undurchdringlicher Dichte.
"Ja was ist denn das!" hörte man St. Nikolaus. Sehen konnte man ihn schon nicht mehr.
"Verehrter St. Nikolaus, wenn es mir erlaubt ist, zu bemerken: An eine Abfahrt ist im Moment nicht zu denken!" Die Stimme gehörte zu dem Kobold Engenierius, der für die allgemeine Logistik des Weihnachtsunternehmens zuständig war.
"Aber das geht doch nicht!" rief Nikolaus "wir können doch die Kinder nicht auf die Geschenke warten lassen! Das kommt nicht in Frage!" Nikolaus klang etwas beunruhigt, was man bisher noch nie an ihm erlebt hatte.
Während unten eine hitzige Debatte über Möglichkeiten und Unmöglichkeiten entbrannt war, saßen Rudolph und Artista vor Schreck erstarrt und umnebelt von Dunstschwaden hinter dem Hügel.
"Ich glaube, das ist deine Chance Rudolph" ließ Artista vernehmen.
"Was soll meine Chance sein?"
"Na überleg doch! Deine Nase leuchtet so hell wie ein Scheinwerfer, hat Jokie doch vorher gewitzelt und das wäre doch eine Möglichkeit für dich, dem Nikolaus zu helfen! Oder glaubst du etwa nicht?"
"Meeiinnst du? Wirklich?" Rudolphs Herz begann zu klopfen und er wagte sich gar nicht vorzustellen, was wäre wenn..wenn..oh..wenn er sich nur trauen würde....
"Jetzt komm schon!" drängte Artista und gab Rudolph einen energischen Stoß. "Na!" empörte er sich, hob den Kopf und die gesamte Szenerie erschien vor ihren Augen, hell und klar. St. Nikolaus und die Kobolde schauten erstaunt zum Hügel. Dort stand Rudolph und seine Nase leuchtete so hell wie nie. Wohl weil er so aufgeregt war.
"Ja wenn das nicht unser Rudolph ist!" rief Nikolaus. "Komm mal her Kleiner, du bist unsere Rettung! Na komm schon, nicht so schüchtern!"
St. Nikolaus winkte ihm freundlich zu und mit zitternden Knien stieg Rudolph den Hügel herab.
Er konnte es gar nicht fassen, dass St. Nikolaus ihn zu überreden versuchte, mit ihm auf die Reise zu gehen. Natürlich, wie konnte dieser auch wissen, dass damit sein größter Wunsch in Erfüllung gehen würde. Er schaute fragend zu Donner, seinem Vater und als dieser mit vornehmen Senken des  Kopfes seine Zustimmung gab, sagte er: "Selbstverständlich will ich dir helfen Nikolaus! Es ist mir eine große Ehre!" fügte er noch verschämt hinzu.
"Na dann, feinfein! Los geht´s Leute, wir haben keine Zeit mehr!" Kurzzeitig brach noch einmal Hektik aus, ein zusätzliches Geschirr musste besorgt werden und und und...dann war es soweit.
St. Nikolaus saß auf dem Kutschbock und rief sein alljährliches Ritual, den Namen jedes seiner Rentiere auf: " Dasher - Dancer - Prancer - Comet - Cupid - Vixen - Donner - Blitzen und unser heutiger Führer Rudolph - es geht los!"
Unter lautem Beifall aller Anwesenden erhob sich der Schlitten in die Lüfte, zog noch einmal einen großen Kreis um die Halle und entschwand.
Für Rudolph war dies der glücklichste Tag seines Lebens, sein Herz wäre ihm sicher zersprungen wenn er sich nicht voller Konzentration seiner Aufgabe als Führer gewidmet hätte.
Fortan hänselte ihn niemand mehr und er wurde ein fester Bestandteil des Rentierteams unter der Leitung von St. Nikolaus.

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purpur
Klammeraffe


Beiträge: 964



Beitrag21.12.2017 23:21

von purpur
Antworten mit Zitat

Hallo Ginko,

Herzlich willkommen!

Welch feiner Einstand, Deine "Eine alte Geschichte", so
rechtzeit zum Weihnachtsfest!
Die werde ich meinen Nichten und Neffen unterm Weihnachtsbaum
vorlesen ! Natürlich nur, wenn ich darf !  Hoffentlich ?
 
Mit vorweihnachtlichhzPpGrüßen
Pia
Vielleicht kann ich sie alle dazu bewegen, es nachzuspielen.


_________________
.fallen,aufstehen.
TagfürTag
FarbTöneWort
sammeln
nolimetangere
© auf alle Werke
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Ginkgo
Schneckenpost
G


Beiträge: 6



G
Beitrag22.12.2017 09:47
Danke schön!
von Ginkgo
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Hallo purpur,
Du hast mir eine große Freude gemacht. Die Geschichte Kindern vorzulesen, wäre auch mein Vorschlag gewesen - wenn ich mich getraut hätte. Sie kam damals bei Eltern und Kindern gut an - zumindest hörten alle zu, was bei solch aufregenden Festivitäten nicht immer der Fall ist.
Ich hoffe, sie gefällt Deinen Kindern und Ihr habt Spaß miteinander! Ich wünsche Dir/Euch ein schönes Fest!
Liebe Grüße, Ginkgo
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