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Filmrezension: „Zwiegespalten“


 
 
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jon
Geschlecht:weiblichEselsohr
J

Alter: 57
Beiträge: 270
Wohnort: Leipzig


J
Beitrag20.11.2017 18:41
Filmrezension: „Zwiegespalten“
von jon
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Meine Fragen zu dieser Rezi: Ist es zu locker? Fehlen Infos, so dass das Verstehen erschwert wird? Wird klar, woher das am Anfang erwähnte Unbehagen rührt, und ist das überhaupt von Belang?


Zwiegespalten mit der Tendenz zum „Och nö!“


Es passiert mir gelegentlich, dass ich mich bei einer Rezension winde, weil ich etwas einfach nicht als schlecht outen will, es als gut zu deklarieren aber eine glatte Lüge wäre. Der Film „Hans Kloss – Spion zwischen den Fronten“ ist so ein Fall und tut richtig weh.

Hans Kloss, Hans Kloss … muss man den kennen? Nicht, wenn man zwar in der DDR aber erst in den 1980ern oder später geboren wurde, in Westdeutschland aufwuchs oder kein Pole ist. Ansonsten stehen die Chancen gut, dass man zumindest schon mal von Janek-23 gehört hat, denn er war die zentrale Figur in der TV-Serie, die in der DDR – seit 1969 wohl so drei-, viermal – als „Sekunden entscheiden“ über die Mattscheiben flimmerte und in Polen gewissermaßen Kulturgut ist. So wie James Bond im Westen, nur eben in Rot. Kurz gesagt ging es um einen Polen, der 1941 vom russischen Geheimdienst gegen den – von eben jenem festgesetzten – echten Hans Kloss ausgetauscht und zum Spionieren in die Reihen der deutschen Abwehr geschickt wurde. Gespielt wurde J-23 von Stanislaw Mikulski und das wiederum hatte ganz sicher seinen Anteil am Erfolg der Serie, denn gut aussehende, charmante und trotzdem schlagkräftige Männer kommen immer gut an.

Die Sache hatte nur einen Fehler: Es gab – anders als bei James Bond – keine Fortsetzungen. Mikulski war, wegen dieser Rolle vor allem, zwar ein Star und war nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Film zu sehen, aber irgendwie war das doch nicht das gleiche. Deshalb startete man nach der Wende verschiedene Anläufe, einen Kinofilm zur Serie zu drehen, Mikulski und Emil Karewicz, der Darsteller des als Janeks Super-Gegner wahrgenommen Gestapo-Offiziers Hermann Brunner, hatten sogar schon Verträge unterschrieben. Nur ein passendes Drehbuch fehlte noch. Wladyslaw Pasikowski lieferte dann doch eins, so dass 2011 endlich der Film gedreht werden konnte. Auf den letzten Drücker gewissermaßen, denn immerhin waren Mikulski und Karewicz mit 82 beziehungsweise 88(!) Jahren nun wirklich nicht mehr die Jüngsten.

So weit, so gut. Oder eben auch nicht. Dass man von den alten Herren keine Glanzleistung in Sachen Frische und Elan erwarten konnte, war klar. Sie haben ihre Sache – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – dennoch hervorragend gemacht, die Charaktere waren noch immer erkennbar, sogar Janeks Charme schimmerte immer wieder durch. Und auch das Drehbuch hatte so seine Potentiale, wenn man mal Verbiegungen der Historie, effekthaschende Unglaubwürdigkeiten und unangenehme, dem Zeitgeist der 2000er entspringende Klischees außen vor lässt. Aber der Rest …

Der Film wird in zwei Zeitebenen erzählt. Da ist zum einen der Handlungsstrang im März 1945, in dem Kloss und Brunner in die Story mit dem Bernsteinzimmer verwickelt werden. Janek, der ein offenbar nicht mehr ganz so rosiges Verhältnis zu seinen russischen Auftraggebern hat und auch sonst serienuntypisch allein dasteht, versucht, die Verschleppung des Schatzes zu verhindern, Brunner versucht, ihn für sich einzuheimsen, und mindestens zwei weitere Parteien haben ganz ähnliche mehr oder weniger monetäre Ziele. Der „Gegenwartsteil“ spielt 1975 und erzählt, wie die alten Nazis das Bernsteinzimmer finden wollen – „offiziell“, um damit das Vierte Reich zu finanzieren, persönlich aber doch wiedermal aus eher privat-finanziellen Gründen. Dieser Teil wird von Mikulski und Karewicz bestritten, in den „Vergangenheitspassagen“ übernahmen Tomasz Kot (J-23) und Piotr Adamczyk die Rollen.

Nun muss man sicher zugute halten, dass dem Team um Regisseur Patryk Vega nur eingeschränkte finanzielle und personelle Mittel zur Verfügung gestanden haben, und die Wahrscheinlichkeit, unter Polens Schauspielern zwei zu finden, die den „Originalen“ auch nur annähernd ähneln, dürfte tatsächlich gering gewesen sein, aber so ein Missgriff in Sachen Kloss ist schon erstaunlich. Wobei es weniger um die Optik geht, als vielmehr um die Ausstrahlung. Adamczyks Brunner-Version hat immerhin noch erkennbare Parallelen zum Serien-Schurken, auch wenn er mitunter ein wenig rumpelstilzchenhaft rüberkommt. Kloss – der in der deutschen Synchronfassung auch noch eine bullig-tiefe Stimme verpasst bekam – ist hingegen beinahe das Gegenteil des geschmeidigen Serien-Janek: Einerseits blitzt ihm der Anspruch, markiger Actionheld zu sein, aus allen Poren, zum anderen benutzt der Film die eher unaufgeregte Erzählweise der Serie, was dazu führt, dass Kot immer ein wenig wirkt wie Bulldogge auf Schlaftablette. Auch darüber hinaus tue ich mich echt schwer, ihm nennenswerte schauspielerische Fähigkeiten zu bescheinigen – affektiertes Kopfwiegen wie bei russischen Babuschkas und stures Entschlossenheitsblicken reichen einfach nicht.

Richtig übel ist aber die unvermeidliche Lovestory: Die beiden Frauen, die dafür herhalten müssen, werden wie Pin-up-Girl-Schwestern dargestellt – der wesentlichste Unterschied sind Haarfarbe und Brille – und sind auch sonst reinste Klischees. Elsa, die „wahre Liebe“, soll zudem eine 17-jährige junge Frau sein, was optisch schon schwer vermittelbar ist, vor allem aber durch das Gebahren, das eher an eine 14-Jährige mit heutigem Verhaltensmuster erinnert, ad absurdum geführt wird. Auch Kloss’ Umgang mit ihr erinnert stark an die unbeholfene Grantigkeit eines Teenagers, der sich oder anderen nicht eingestehen will, bis über beide Ohren verliebt zu sein.

Und dann die weiteren Klischee-Figuren in beiden Zeitebenen, vor allem überzogen hässliche oder schmierige Gestalten auf der Seite der Bösen, bis hin zur Piraten-Augenklappe beim DDR-Stasi-Typen, der bei den 45er Ereignissen als Nazi-Offizier schon zu Gange war. Es wäre zum Schreien komisch, wenn es einem nicht als ernst verkauft werden würde. Von den filmtechnischen Anachronismen – bei den Tricks blitzte zum Teil noch der „Charme“ von frühen Computer-Effekten und 70er-Jahre-Kulissen durch – und inhaltlichen „Freiheiten“ mal ganz abgesehen …

Das Bernsteinzimmer wird im Film übrigens gefunden – irgendwo bei Rostock – und natürlich auch wieder verloren, Janek bekommt am Ende seine – wenn auch ebenfalls stark gealterte – Elsa und Brunner sitzt in der letzten Szene Zigarre-rauchend und Cognac-saufend in einem staubigen Sessel und schießt auf Kloss’ Abbild. Na wenigstens die Dramaturgie funktioniert ganz gut.


Filmografisches:  
Originaltitel: Hans Kloss. Stawka wieksza niz smierc
Land / Jahr: Polen / 2012
Genre: Kriegsfilm/ Agententhriller / Action
Darsteller: Stanislaw Mikulski, Emil Karewicz, Tomasz Kot, Piotr Adamczyk, Daniel Olbrychski, Marta Zmuda Trzebiatowska, Anna Szarek u.a.
Regie: Patryk Vega
Drehbuch: Wladyslaw Pasikowski, Przemyslaw Wos
Produktion: Przemyslaw Wos
Kamera: Miroslaw Brozek
Schnitt: Tomasz Ostrowski
Musik: Lukasz Targosz



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Es ist nicht wichtig, was man mitbringt, sondern was man dalässt. (Klaus Klages)
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