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[Miniatur] Risikobereitschaft eines Nihilisten


 
 
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Herr N.
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 293
Wohnort: Augsburg


Beitrag29.08.2017 22:32
[Miniatur] Risikobereitschaft eines Nihilisten
von Herr N.
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

.

Risikobereitschaft eines Nihilisten

Wer mich hier abstellte ist nicht mehr feststellbar, denn die Türen sind bereits geschlossen und das Kleid in weiß und blau, duftend nach der Lilie, die man mir mutwillig, meine ich zu behaupten, vor meiner Ankunft – ich muss mich noch im Schlaf befunden haben – mit Schläuchen draufgespritzt hat, duftet in allen Nasen, außer meiner. Nach Lilie. In meiner stinkts mir nach Fleisch und Eiern. Dort, Magenkrampf, würgereizige Schwüle, in der Hitze der anderen stöhnend-pulsierenden Bauchbeinewesen, stehe ich abgepflanzt wie ein Idiot.
Dann krachend, fusselig, durch die Lautsprecher: Das ist unsere Sache, nicht meine allein, das ist nichts, was man einfach hineinpumpt in den Unterleib und dann lachend zu den Jungs rennt, Krug in einer Hand, Lust fein gezwirbelt, gedrückt, geknetet, zwischen den zwei übriggebliebenen Fingern, und dann aber Liebe in den Hosentaschen vergraben. Sind ihre Worte. So sagt sie's. Und jetzt? Schrumpfen, Kniefall – Seppuku.
Schon kommt man auf mich zu, klatschend und mit den blutigen Augen, die mir das, was mir zu gehören scheint, entreißen möchten. Nein danke, ich behalt's noch ein bisschen, schmeiß beim plötzlichen Fluchtgedanken ein paar Vasen um, wird mir keiner nachsagen ich hätte mich dem Übel nicht fuchtelnden Armes erwehrt; aber nicht haben soll ich mich derart, lieber einmal ruhig bleiben, Kaffee trinken, Tee vielleicht, Kamille, und einmal überlegen, ob ich denn wirklich etwas Besseres sei als die anderen in den brav gebetteten Mulden. Ja, nein, ich habe mir selbst diese Bürde ja nicht auferlegt, sondern bin aufgerüttelt worden, vor knapp einer Minute, ohne Wissensstand bezogen auf meine Lage, noch ganz im Wirren darüber, ob alles vielleicht nur geträumt ist und nichts mit echter Absicht geschieht. Hätte man mir Zeit gelassen wär's vielleicht ganz anders gewesen. Aber so?
Mein Kopf platzt und ich würde am liebsten kotzen, weil alles nach Regel stinkt.
Ich zersäge die erste Tür mit meiner Handfläche und stehe im Flur.
Als weiße Stöcke, irgendwie auf Rollen, fahren sie heran und grinsen, zwischen Stethoskopen, als ich die Lücke ausmache und in ihr für den Moment verschwinde, Tür nach Tür aufstoße, zwischen Ampullen, Gefäßen, Nadeln, die Zerrpupillen der Lichter vor mir herjage und den hektischen Rufen ausweiche, während mein ungetümer Pansen am Ende anschwillt, mir das Innerste nach außen dreht und ich mich, nur im Stolpergang, die letzten Meter, den Ausgang im Blick, vorwärts werfe. Liegen lass ich's. Ich lass es liegen.
Eine Sicht ins hintere Treiben, weil's mir zu schön stampft und seltsame Faszination mein Beuteltier ist, nehme ich trotzdem. Lecke meine Lippen, weil der Griff der Freiheit ja schon in meiner Hand liegt und danach nichts mehr zwischen dem Ganzen hier und dem schönen Garnichts ist. Ach, seht, still stehen sie im Licht der Wand und glotzen nur, wahrscheinlich Furcht, dass ein Schritt zu mir hin mich die Tür aufdrücken ließe und sie mich für dann verloren geben müssten. Heben's echt auf. Hey, is meins- ich muss lachen, spucke aber. Welch ein Puppenkabinett. Macht es gut ihr unsauberen Trottel! Das ist mein toller Abschiedsruf.
Dann der Schritt und durch die Tür.
Freier Fall.



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Das Herrliche:
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Herr N.
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 293
Wohnort: Augsburg


Beitrag30.08.2017 20:27

von Herr N.
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Heidi
Geschlecht:weiblichReißwolf


Beiträge: 1425
Wohnort: Hamburg
Der goldene Durchblick


Beitrag02.01.2018 22:01
Re: [Miniatur] Risikobereitschaft eines Nihilisten
von Heidi
Antworten mit Zitat

Lieber N.

ehrlich gesagt, schreibe ich hierzu nur was, weil ich unbedingt mal unter applaudierenden Menschen stehen wollte. Ich hoffe, du siehst es mir nach.
Möglicherweise erreichen dich diese Worte niemals, wer weiß. Aber nein, irgendein Vöglein wirds dir schon zwitschern.

Aber zum Text:
Diese Krankenhausatmosphäre macht mich ein wenig krank. Ich kann all die Gerüche, die dem Ich-Erzähler ungefiltert entgegenspringen, ebenfalls riechen - das ist nicht gerade angenehm und ich denke genau das will der Text auch in mir auslösen. Insgesamt ist er für meinen Geschmack etwas zu adjektivlastig, gerade in den ersten beiden Absätzen ist die Tendenz hervorstechend.

Und richtig in Fahrt kommt das Ganze erst ab hier:

Herr N. hat Folgendes geschrieben:
Schon kommt man auf mich zu, klatschend und mit den blutigen Augen, die mir das, was mir zu gehören scheint, entreißen möchten. Nein danke, ich behalt's noch ein bisschen, schmeiß beim plötzlichen Fluchtgedanken ein paar Vasen um, wird mir keiner nachsagen ich hätte mich dem Übel nicht fuchtelnden Armes erwehrt; aber nicht haben soll ich mich derart, lieber einmal ruhig bleiben, Kaffee trinken, Tee vielleicht, Kamille, und einmal überlegen, ob ich denn wirklich etwas Besseres sei als die anderen in den brav gebetteten Mulden. Ja, nein, ich habe mir selbst diese Bürde ja nicht auferlegt, sondern bin aufgerüttelt worden, vor knapp einer Minute, ohne Wissensstand bezogen auf meine Lage, noch ganz im Wirren darüber, ob alles vielleicht nur geträumt ist und nichts mit echter Absicht geschieht. Hätte man mir Zeit gelassen wär's vielleicht ganz anders gewesen. Aber so?


Es entsteht Dynamik, die im ersten Teil noch etwas krampfig wirkt, vielleicht wegen der vielen Adjektive, wegen dem Rausch an Gerüchen, Gegenständen usw.
Ist schwer zu sagen, ob zartere Töne am Anfang das Gesamtprodukt verbessern oder zerstören würden. Ich teile dir nur mit, was mir so durch den Kopf geht.

Herr N. hat Folgendes geschrieben:
Mein Kopf platzt und ich würde am liebsten kotzen, weil alles nach Regel stinkt.


Dieser Satz ist grandios und ich habe ihn all die Wochen, seit du den Text hier reingestellt hast, nicht vergessen. Das ist ein Satz, der universell einsetzbar ist. Ich liebe das literarisch umgesetzte Kotzen, weshalb solche Sätze bei mir einen Sonderstatus bekommen und dann auch noch die stinkende Regel. Also, für so einen Satz kann ich dir nur gratulieren (die lieben Menschen dort oben applaudieren nicht umsonst).

Das Drama zum Schluss, weiß nicht, ob das nicht noch dramatischer ginge, wenns offener wäre.

Herr N. hat Folgendes geschrieben:
Eine Sicht ins hintere Treiben, weil's mir zu schön stampft und seltsame Faszination mein Beuteltier ist, nehme ich trotzdem. Lecke meine Lippen, weil der Griff der Freiheit ja schon in meiner Hand liegt und danach nichts mehr zwischen dem Ganzen hier und dem schönen Garnichts ist. Ach, seht, still stehen sie im Licht der Wand und glotzen nur, wahrscheinlich Furcht, dass ein Schritt zu mir hin mich die Tür aufdrücken ließe und sie mich für dann verloren geben müssten. Heben's echt auf. Hey, is meins- ich muss lachen, spucke aber. Welch ein Puppenkabinett. Macht es gut ihr unsauberen Trottel! Das ist mein toller Abschiedsruf.
Dann der Schritt und durch die Tür.
Freier Fall.


Ich finde, das Ende endet zu spät.
Das Markierte kann weg. Vielleicht sogar noch der Satz davor. Ja, besser auch noch der davor.
Die unsauberen Trottel gefallen mir sehr; überhaupt sind viele Bilder im Text, mit denen ich jede Menge anfangen kann. Es werden Assoziationen ausgelöst, auf die ich nicht im Detail eingehen werde. Das wäre dann möglicherweise doch etwas zu viel. Wenn du möchtest, mach ich das aber gerne.
Letztendlich geht es aber um das Grundgefühl. Das, was in mir nach dem Lesen bleibt. Betroffenheit. Der Text macht nicht glücklich. Deshalb bleibt er im Hirn drin. Auch für längere Zeit.

Heidi
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Günter Leitenbauer
Geschlecht:männlichWortedrechsler
G

Alter: 58
Beiträge: 99
Wohnort: Gunskirchen


G
Beitrag04.01.2018 11:02

von Günter Leitenbauer
Antworten mit Zitat

Mir erschließt sich die Menge der Applaudierenden nicht ganz, zum Hochpushen des Beitrags hätte es ja auch einer getan.

Aber der Beitrag selbst gefällt mir gut. Hat was, finde ich!
Ich würde lediglich noch etwas mehr Augenmerk auf Satzzeichen und Großschreibung legen. Ja, das ist ein nihilistisches Stück, trotzdem!

LG Günter


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Liebe Grüße
Günter
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