[KUG] Der Schnee Engel oder Rosalie

[princess of night]

Als man sie fand, lag sie im Schnee.

Ihre Lippen waren blau und ihre Haut so weiß wie die jungen Schneeflocken, die sie bedeckten.

Alle standen um Rosalie herum, bildeten einen Kreis. Machten betroffene Gesichter. Flüsterten sich Vermutungen zu und waren trotz alledem irgendwie hilflos.

Sie für ihren Teil aber war erlöst. Sie fror nun nicht mehr und als ihre Seele über ihren Köpfen schwebte, konnte sie sogar lächeln.



Das hatte sie lange nicht getan. Es gab keinen Grund.

Sie war alleine , und es stand wieder Weihnachten und Neujahr vor der Türe.

Diese Feste, an denen man enger zusammenrückte. Die mochte sie nicht.

Ihren letzten Tag, ihre letzten Stunden plante sie penibel.

Sie schrieb kurze Zeilen an ihren Bruder, der weit weg in Südafrika lebte

und sie ging in die Apotheke um ihren letzten Cocktail zu holen.

Die kleine Wohnung räumte sie auf, schmiss alle Lebensmittel weg und suchte sich ihre beste Kleidung heraus.

Draußen fiel der erste Schnee. Sie zitterte, ließ sich aber nicht davon abbringen weiter in den Wald hinein zu gehen. An ihrer Lieblings Stelle setzte sie sich auf einen umgefallenen alten Baum und atmete tief die frische, kalte Luft ein.

Früher als sie noch Kinder waren, sie und ihr Bruder, warfen sie sich immer rücklings in den Neuschnee und ruderten mit den Händen.

"Engel machen" nannten sie das. Denn wenn man dann aufstand sah es aus als würden Engelsfiguren im Schnee liegen.

Sie freute sich, bald auch ein richtiger Engel zu sein. Das war besser als die Einsamkeit hier unten.

Mit wenigen Schlucken war es geschehen. Rosalie sank in sich zusammen, spürte keine Angst, keine Panik, nur Entspannung und Freude. Dann stand ihr Herz still.



In der hinteren Reihe der Menschenansammlung stand ein junger Mann. Blass, dünn und irgendwie unscheinbar. Er hatte traurige Augen und eine gebeugte Statur. "Sie hat uns verlassen. Warum denn nur? Ich hätte sie so gerne glücklich gemacht. Hätte ich mich nur mal getraut sie anzusprechen.." dachte er.

Ganz vorn stand eine alte Frau. Immer wieder schüttelte sie den Kopf. „Wer kauft mir nun meine Lebensmittel ein? Wie konnte sie das machen und mich im Stich lassen? "

Daneben weinte eine jüngere Frau. "Ich wollte sie immer fragen, ob sie mal auf meine Kleine aufpassen mag. Nun ja dann muss ich mich nach einem anderen Babysitter umsehen."



Melissa war nun fast im Himmel angekommen. Sie sah schon den leuchtenden, hellen Eingang. Das goldene Tor. Ja, da wollte sie hin. Sie griff zum Knauf....





"MAMAAA, PAPA SUCHT DICH, ER WILL MIT DIR NUN DEN TANNEN BAUM KAUFEN GEHEN, KOMMST DU NUN? "

"Ja Schatz ich komm' jetzt.." sagte Melissa. Sie war mit ihrem Manuskript heute ein gutes Stück weiter gekommen, wie sie fand. Ihre Verlegerin würde sehr zufrieden sein. Anfang des Jahres kam ihr neuestes Buch dann heraus. Hoffentlich kam es genauso gut an wie ihr Erstlingswerk.

Lächelnd griff sie ihren Mantel und ging die Treppe hinunter....