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Zu wenig Salz

 
 
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jaeani
Geschlecht:weiblichLeseratte


Beiträge: 138

Der bronzene Durchblick


Beitrag01.10.2017 19:00
Zu wenig Salz
von jaeani
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

So schlimm sieht er gar nicht aus, der Sturm. Die Wolkenmassen sind noch ein gutes Stück weg. Ziemlich dunkel, fast schwarz. Aber nicht so bedrohlich, wie sie sagen. Er hätte es sich schlimmer vorgestellt.
Ratsch, ratsch, fährt das Messer durch die vielen Schichten der Zwiebel. Eine Sache, die seine Frau ihm überlässt. Er hat nichts dagegen. Er schneidet gerne Zwiebeln.
»Ich sehe danach aus wie ein Waschbär«, hat sie mal gesagt und gelacht, dass ihr der Rotwein fast aus der Nase lief. Als ob das jetzt noch eine Rolle spielen würde.
Sie sitzt im Wohnzimmer auf dem Sofa, das dicke Märchenbuch auf dem Schoß, links und rechts die zwei Mädels. Ihre Stimme klingt ein wenig dünner als sonst.
»Was ist Mami?«
»Nichts, Liebes, nichts. Ich mag die Geschichte. Sie rührt mich.«
»Was heißt das, Mami?«
Er dreht den Kopf und starrt aus dem Fenster vor seiner Nase. Die Stiele des Schnittlauchs bewegen sich leicht auf der Fensterbank. Ansonsten ist alles ruhig. Noch. Gegenüber der Terrasse starrt ihn das offene, schwarze Tor der Scheune entgegen. Ein stummer Schrei.
»Warum lassen wir Charlie frei, Papi?«
Weil er so vielleicht eine Chance hat. »Weil Pferde Auslauf brauchen, Schatz. Viel Auslauf.«
»Wird er Futter finden? Was, wenn er sich nachts fürchtet?«
»Wird er nicht. Und hinten am Fluss wird er genug Gras finden.«
Aber das blöde Vieh wollte einfach nicht verschwinden. Erst ein geworfener Stein, hat das Pferd vertrieben.
»Nein, Papi. Du tust ihm weh!«
Er wollte am liebsten mit seiner Tochter weinen und schreien und um sich hauen.
»Bewahren Sie Ruhe! Bleiben Sie zu Hause! Wenn ihr Haus unterkellert ist, suchen sie dort Schutz!«, dröhnte es aus den Lautsprecherdurchsagen wenige Stunden später.
Scheiß auf Schutz, scheiß auf Keller, scheiß auf Ruhe. Er greift nach seinem Glas Wein und lehrt es in einem Zug. Und wo zum Kuckuck haben die überhaupt ein fahrbares Auto her?
Nebenan bürstet seine Frau den beiden Mädels die Haare. »Damit sie morgen wie Seide glänzen« Scheiß auf Glänzen, scheiß auf Seide. Seine Frau weint leise vor sich hin.
Als Nächstes ist der Knoblauch dran. Schneiden, nicht pressen. Danach hält er sich Daumen und Zeigefinger an die Nase. Er mag den Geruch von Knoblauch. Mit geschlossenen Augen saugt er den Duft von seinen Fingern. Ein letztes Mal.
»Nudeln oder Reiß?«, ruft er über die Schulter.
»Nudeln« schreien die Kinder synchron.
»Und als Nachspeise?«
»Eis«
Seine Frau bleibt stumm. Kein »Ach, Peter. Nicht so viel Zucker am Abend.« Heute Abend ist es egal.
Er würde jetzt gerne das Radio anschalten. Er kocht gerne, mit Musik, einem Glas Wein und seinen fliegenden Gedanken. Aber das Radio bleibt heute stumm, genauso wie der Fernseher und das Telefon. Die Handys funktionieren sowieso nicht mehr. Schon seit Tagen nicht, als der Sturm über die Küste landeinwärts fegte und alles mit sich riss. Sendemasten, Generatoren, Menschen und was weiß er denn, was ein Handy noch alles braucht, um zu funktionieren. Er hat keine Ahnung. Er ist Krankengymnast. Was wissen Krankengymnasten schon über Handys.
Heute Abend würde sie kein Piepen, Flimmern und Knistern beim Abendessen stören. Sie würden gut essen, trinken, die Kinder ins Bett bringen, danach noch einmal Sex haben, und dann warten. Auf den Sturm. Auf das Ende.
»Bewahren Sie Ruhe! Unsere Experten untersuchen das Phänomen.« Er lacht bitter auf. Das Phänomen. Experten. Für alles gibt es Experten. Für Terrorismus, für Hautkrankheiten, für das Stimmen von Orgelpfeifen, für Impfstoffe. Irgendein Auto-Experte könnte ihm wahrscheinlich sagen, warum seine Karre nicht mehr funktionierte. Er wüsste, warum er, genau wie alle anderen, hier festsaßen und nicht wegkamen. Ein Experte könnte ihm erklären, was es mit diesen Elektromagnetenscheiß auf sich hatte. Er selbst weiß nicht einmal, wie man es buchstabierte.
»Mami, können wir morgen ins Schwimmbad gehen?«
»Ja, Liebes. Morgen....«
Ob die in Ixstadt auch die Ruhe bewahrt haben und ihren Kindern ein Morgen versprachen? Ob die sich auch auf die Experten verließen? Und was hat es ihnen genützt? Die mit Keller starrten am nächsten Morgen genauso mit offenen Augen und kalter Haut in die wackelnden Kameras der Übertragungswagen wie die ohne. Scheiß auf Keller. Scheiß auf morgen.
Die Steaks zischen in der Pfanne. Hoffentlich reicht das Gas des Campingkochers.
Was das Pferd wohl macht? Der Hund von Karl C. zwei Häuser weiter verschwand vor drei Tagen. Danach der von den Schröders schräg gegenüber. Tiere haben für so etwas ein Gespür, würde irgendein Tierexperte wahrscheinlich bedeutungsvoll den Finger heben.
Und wir? Wir bauen Raketen, die uns bis zum Mond befördern, erfinden Tabletten, die uns Erektionen bescheren, von denen sogar Sechzehnjährige träumen und drücken täglich den Daumen-nach-oben-Knopf auf irgendeiner blöden Internetseite, die unsere Freunde für uns zählt, weil wir schon längst den Überblick verloren haben.
»Schoko- oder Erdbeereis?« Ach was soll's. Scheiß auf Kalorienzählen. Scheiß auf Zahnarztrechnungen. »Oder beides?«
»Beides«, kommen die begeisterten Rufe von nebenan.
Die Teller klappern, das Besteck glänzt im Schein des Kerzenlichtes. Leider nur Papierservietten. Aber egal. Der gedeckte Tisch sieht gut aus im warmen, flackernden Lich der Kerzen. Das hätten wir schon viel früher mal machen sollen. Besser als mit den richtigen Lampen, die die kleinen Rädchen im Zählerkasten neben der Eingangstür unermüdlich am Drehen hielten.
Die Steaks sind fertig, sein Kochwein alle. Mit dem letzten Schluck ertränkt er den Schrei in seinem Kopf.
»Das Essen ist fertig«, sagt er zum letzten Mal.
Ob die in Ixstadt auch wussten, dass es vorbei sein würde? Das der Sturm, das Phänomen, das Miststück, alles beenden würde?
»Warum Miststück?«, würde seine Frau entrüstet den Kopf schütteln. »Warum nicht der Hurensohn?« Seine Frau, die Emanze, die ihm das Kochen überließ, die Reifen von ihrem Subaru selbst wechselte und sich nachts trotzdem gerne den Arsch versohlen ließ.
Die Stühle scharren ein letztes Mal über den Boden. Die Servietten liegen ein letztes Mal ausgebreitet im Schoß. Ein Blick in die geröteten Augen seiner Frau. Die Kinder, die ihre Teller ein letztes Mal zu der Schüssel mit den Nudeln hinstrecken. Ein letztes Mal Guten Appetit. Ein letzter erster Bissen.
Ein letztes Mal nachsalzen.

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V.K.B.
Geschlecht:männlich[Error C7: not in list]

Alter: 51
Beiträge: 6155
Wohnort: Nullraum
Das goldene Rampenlicht Das silberne Boot
Goldenes Licht Weltrettung in Silber


Beitrag01.10.2017 23:04

von V.K.B.
Antworten mit Zitat

Hey, wow!
Die erste Geschichte, die ich lese, und für mich jetzt schon die beste des Wettbewerbs (voraussichtlich). Ob das so bleiben wird? Mal sehen, aber ich glaube kaum, dass die anderen noch viel besser werden.

Die Stimmung ist richtig gut eingefangen. Den sicheren Tod vor Augen, und der Versuch, die Kinder so ruhig wie möglich zu halten, auch wenn man sie anlügen musst und das kaum schafft. Dieser Schmerz wird beim Lesen richtig deutlich. Sehr stark geschrieben.

Punkte verteile ich aber erst, wenn ich alles gelesen haben.

Und es bleibt dabei, mein Favorit. 12 Punkte


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Hang the cosmic muse!

Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills …
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Herr N.
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 293
Wohnort: Augsburg


Beitrag02.10.2017 10:59

von Herr N.
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posting für wertung

_________________
Das Herrliche:
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MoL
Geschlecht:weiblichQuelle


Beiträge: 1838
Wohnort: NRW
Das bronzene Stundenglas


Beitrag02.10.2017 12:06

von MoL
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Perfekt. Genial!
Ich las diesen Beitrag als Erstes und dachte gleich nach den ersten Sätzen: "Mann, da setzt aber einer die Messlatte verdammt hoch!"
Ich hatte Recht.
Diese Geschichte setzt die Vorgaben genau um, ist spannend, überraschend und erzeugt eine beklemmende Stimmung, die mich gruseln lässt.
Mein absoluter Favorit, da sitzt jeder Satz, und das trotz der Länge und in der vorgegebenen Zeit!
Ganz klasse gemacht, von mir gibt es ein dickes Chapeau und wohlverdiente 12 Punkte!


_________________
NEU - NEU - NEU
gemeinsam mit Leveret Pale:
"Menschen und andere seltsame Wesen"
----------------------------------
Hexenherz-Trilogie: "Eisiger Zorn", "Glühender Hass" & "Goldener Tod", Acabus Verlag 2017, 2019, 2020.
"Die Tote in der Tränenburg", Alea Libris 2019.
"Der Zorn des Schattenkönigs", Legionarion Verlag 2021.
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Uwe Helmut Grave
Geschlecht:männlichOpa Schlumpf

Alter: 69
Beiträge: 1016
Wohnort: Wolfenbüttel


Beitrag02.10.2017 12:16

von Uwe Helmut Grave
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Das Thema wurde 1 zu 1 umgesetzt: Ein letztes Essen im Angesicht des Sturms. Familiengeplänkel, anschaulich geschildert, das war's aber auch schon, irgendwas fehlt mir.

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U.H.G. - Freude am Lesen
"Wie sind des Kaisers neue Kleider unvergleichlich!" - "Aber er hat ja gar nichts an!" (Hans Christian Andersen) - Die Welt ist anders(en) als sie es dir erzählen.
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Eliane
Geschlecht:weiblichKlammeraffe


Beiträge: 823



Beitrag02.10.2017 18:12

von Eliane
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Auch wenn ich nicht weiß, wie das Eis mehrere Tage lang ohne Strom gefroren geblieben ist wink - ein toller Text. Die Stimmung packt mich sofort.
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traumLos
Eselsohr


Beiträge: 380

Pokapro 2017


Beitrag02.10.2017 21:58

von traumLos
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Die Henkersmahlzeit.
Die Tiere sind weg, wohin auch immer. Der Srurm wird kommen, wird vernichten. Auswege gibt es nicht. Hach, und die vielen kleinen Details.

Wie der Sturm die 8 auch dreht, sie bleibt.


_________________
Meine Beiträge geben nur meine Meinung wieder. Jede Einbeziehung realer oder fiktiver Personen wäre nur ein Angebot. Zwinkersmiley
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Schlomo
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 67
Beiträge: 215
Wohnort: Waldperlach


Beitrag03.10.2017 00:22

von Schlomo
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Klingt eher nach einer Apokalypse als nach einem Sturm.

_________________
#no13
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Lapidar
Geschlecht:weiblichExposéadler

Alter: 61
Beiträge: 2699
Wohnort: in der Diaspora


Beitrag03.10.2017 10:01

von Lapidar
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Deine Geschichte finde ich extrem gut und spannend geschrieben. Du bringst hier ein sehr verdichtetes Szenario und diese Weltuntergangsstimmung finde ich auch toll.
Trotzdem: Persönlich halte ich Punkt 1 nur bedingt umgesetzt: Denn das ist kein rein meteorologisches Phänomen. Eher so wie bei "On the Beach": Man weiß, es kommt eine unausweichliche Bedrohung und man schickt sich in sein Schicksal.
Ein weiter Meckerer ist das es ein paar logische Schluckäufe gibt. Einerseits: kein Strom mehr und auch kein Telefon. Aber andererseits immer noch Eiscreme und immer noch Radio. (Wobei die Radioansagen auch als "Erinnerung" durchgehen könnten)
Aber das ist wohl auch der kurzen Zeit geschuldet.
Deshalb: gut gefallen hat mir dein Text auf alle Fälle.


_________________
"Dem Bruder des Schwagers seine Schwester und von der der Onkel dessen Nichte Bogenschützin Lapidar" Kiara
If you can't say something nice... don't say anything at all. Anonym.
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femme-fatale233
Geschlecht:weiblichFüßchen

Alter: 31
Beiträge: 1913
Wohnort: München
Das Bronzene Pfand


Beitrag03.10.2017 10:29

von femme-fatale233
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Ich habe den Text beim ersten Lesen irgendwie nicht so wahrgenommen, jetzt nach dem zweiten Lesen muss ich allerdings sagen, dass ich ihn irgendwie sehr mag. Er ist nicht mein absoluter Favorit, aber er hat viele gute Beobachtungen, das gefällt mir.
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hobbes
Geschlecht:weiblichTretbootliteratin & Verkaufsgenie

Moderatorin

Beiträge: 4298

Das goldene Aufbruchstück Das goldene Gleis
Der silberne Scheinwerfer Ei 4
Podcast-Sonderpreis


Beitrag03.10.2017 12:10

von hobbes
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Tja, nun, ich mag die Geschichte nicht. Lese sie (abermals) und suche fortwährend nach Gründen, warum das so ist. Was mich wohl am meisten nervt, sind ihre mir unsympathischen Figuren. Ergeben sich in ihr Schicksal. Mir ist noch nicht so ganz klar, warum das unbedingt so sein muss. Dann noch ihr bzw. hauptsächlich sein Gejammere darüber, dass es so sein muss. Muss es das? Ich weiß nicht. Einfach so tun, als wäre alles wie immer? Funkioniert ja auch nicht. Aber ist es wahrscheinlich, dass sich Menschen tatsächlich so verhalten? Würden sie nicht eher weglaufen? Dann eben zu Fuß, auch wenn das nichts bringt, aber immerhin tut man was?
Apropos weglaufen. Wer schrieb da im Smalltalk-Faden etwas von Logikfehler? Jagt er auch noch das Pferd weg. Und ärgert sich darüber, dass das Auto nicht funktioniert. Äh. Hallo? Ja sicher, vier Leute auf einem Pferd, das wird wohl auch nicht gehen, aber es hilft ja sowieso alles nichts und da ist so ein Pferd doch wohl besser als nichts.

Dann so Nebensächlichkeiten, wie Ausdrücke, über die ich stolpere. Die gar nicht mal falsch sind, die mir aber nicht zusagen.
Die Frau, die sich über Ausdrücke empört. Was jetzt so gar nicht zu ihr passt, also zu dem Bild, dass vorher über sie gezeichnet wurde. Dann noch der Satz dazu, dass er ihr den Arsch versohlt - was soll das jetzt? Ist doch total uninteressant, vorher war die Frau auch nicht weiter wichtig. Jetzt noch eben der Leserin ein Detail aufdrücken, das nicht weiter wichtig ist und auf dass die Leserin gut hätte verzichten können.
Nein, tut mir leid, das ist nicht meins.
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Tjana
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 63
Beiträge: 1786
Wohnort: Inne Peerle


Beitrag03.10.2017 15:05

von Tjana
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Der Sturm als Endzeitauslöser.
Ein Krankengymnast vor dem schleichenden (Welt?)Untergang.
Schön auf dieses Ziel hin formuliert. Andeutungen geschickt verteilt, die sich steigern. So was gefällt mir.
Kommt mal auf die „vermutlich-Punkte-Liste“


_________________
Wir sehnen uns nicht nach bestimmten Plätzen zurück, sondern nach Gefühlen, die sie ins uns auslösen
In der Mitte von Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten (Albert Einstein)
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TZH85
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 39
Beiträge: 297
Wohnort: Essen
Pokapro 2017


Beitrag04.10.2017 09:30

von TZH85
Antworten mit Zitat

Am liebsten würde ich Form und Inhalt trennen bei diesem Text.

Die Form gefällt mir, die Erzählstimme ist angenehm. Ich kann den Gedankengängen gut folgen. Nur an zwei Stellen wurde ich kurz rausgeworfen: gegen Ende nutzt du ihn einem Absatz plötzlich "wir", obwohl du sonst in dritter Person erzählst.
Und bei dem "Hurensohn", weil ich nicht glaube, dass eine Emanze einen frauenfeindlichen Ausdruck nutzen würde, der jemandes Mutter als Hure betitelt.


Inhaltlich... bin ich weniger überzeugt.
Man kennt das aus Hollywoodfilmen, dieses im Angesicht des Todes Normalität wahren. Wie bei Titanic, wenn das alte Ehepaar sich auf dem Bett ankuschelt, während die Wassermassen ins Zimmer strömen..
Aber ich denke, da bestehen zwei große Unterschiede: Die auf der Titanic hatten keinen Ausweg, weil sie auf hoher See gefangen waren. Und die Katastrophe kam so schnell, dass sie nicht mehr rechtzeitig reagieren konnten (ich meine da jetzt das gros der Passagiere, die lange nicht wussten, was wirklich abgeht).
In deinem Text spricht der Vater von Tagen. Tage zuvor hat der SciFi-Sturm schon Städte zerstört. Die Tiere fliehen - und ich frage mich, warum deine Figuren es nicht auch tun. Sie hatten sogar ein Pferd, das sie mit dem Nötigsten hätten beladen können.
Ich glaube einfach, dass es die menschliche Natur ist, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um zu überleben. Erst recht, wenn Kinder im Spiel sind. Wenn sie irgendein Handicap gehabt hätten - jemand von ihnen ist schwer krank und kann nicht mit, zum Beispiel - dann wäre es mir plausibler vorgekommen. Solange eine Chance besteht und man körperlich in der Lage ist, wird man alles dransetzen, zu überleben, denke ich.

Tja, leider ist das die Prämisse deines Beitrags. Die Prosa an sich gefällt mir. Mal schauen. Werde erst zum Schluss bewerten.
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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag04.10.2017 21:36

von Constantine
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Bonjour

Zu Beginn mMn noch nicht ganz sattelfest, wohin der Text möchte, wird die Geschichte vom Ton und in sich konsistenter. Prima.
deux points

Merci beaucoup
Constantine
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firstoffertio
Geschlecht:weiblichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5854
Wohnort: Irland
Das bronzene Stundenglas Der goldene Spiegel - Lyrik (1)
Podcast-Sonderpreis Silberner Sturmschaden


Beitrag04.10.2017 23:04

von firstoffertio
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Das hat was, und trotzdem.
Ich weiss nicht, woher die Gewissheit des letzten Ma(h)ls kommt.
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Heidi
Geschlecht:weiblichReißwolf


Beiträge: 1425
Wohnort: Hamburg
Der goldene Durchblick


Beitrag06.10.2017 20:44

von Heidi
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Das ist eine Tränendrüsengeschichte und so eine hat es nicht leicht bei mir. Was den Stil betrifft, kann ich nicht meckern, ist routiniert geschrieben. Inhaltlich finde ich die Tatsache, dass gewisse Leute in diesem Haushalt schon wissen, dass sie sterben werden, etwas unrealistisch, was mitunter daran liegt, dass ich nichts vom Sturm erfahre bzw. ihn nicht spüre - als Tatsache, die bald auftauchen wird. Über der ganzen Geschichte liegt mehr oder weniger ein tränender Schleier. Nix mit "Vor dem Sturm".
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gold
Geschlecht:weiblichPapiertiger


Beiträge: 4943
Wohnort: unter Wasser
DSFo-Sponsor


Beitrag07.10.2017 16:51

von gold
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Hallo Inco,

Thema: Gut umgesetzt

Inhalt: Dein Text vermittelt mir-  und darin sehe ich seine Stärke -, dass eine gedankliche Vorwegnahme des Existendes auch etwas Positives impliziert:
Man kann sich bis zu einem gewissen Grad frei  fühlen, weil man auf die Verpflichtungen pfeift.
Ansonsten ist mir der Inhalt ein bisschen zu dick aufgetragen (ein Zuviel des letzten Males)und es ist zu viel beschrieben, sodass meine Fantasie nicht besonders angeregt werden kann.
Interessant die Familienidylle, die wohl zu Ende gehen wird.  

Sprache: Ist okay.

Federn: Zwei


LG gold


_________________
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Es dauert lange, bis man jung wird. (Pablo Picasso)
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shatgloom
Geschlecht:weiblichEselsohr


Beiträge: 372
NaNoWriMo: 27985
Wohnort: ja, gelegentlich


Beitrag07.10.2017 18:13

von shatgloom
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Eine Familie sitzt beim Essen vor einem Sturm, der wohl alles Leben zerstören wird. Die Situation ist gut beschrieben. Eine sehr dramatische Geschichte. Ich muss an das Pferd denken. Warum wurde es davongejagt, wenn sowieso alles sterben wird? Und wenn es eine Chance hat, warum dann nicht auch die Menschen?
Mir gefällt der Text, bekommt Punkte von mir.
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rieka
Geschlecht:weiblichSucher und Seiteneinsteiger


Beiträge: 816



Beitrag11.10.2017 19:57

von rieka
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1. Zu wenig Salz
Hallo Inko.
Den Text finde ich in einem mitnehmenden Rhythmus flüssig und lebendig geschrieben. Es gibt ein kleines Fehlerchen, der >Reiß<, statt >Reis<, eine Marginalie in einem zwei-Stunden-Projekt.
Dir ist eine zu Herzen gehende Geschichte gelungen, düster, etwas phantastisch unrealistisch in seiner Endzeitstimmung mit der Erwähnung der zerstörten fernen Stadt. Auch in seiner Bedrohung für die kleine Familie, die offensichtlich in einer Erste-Welt-Stadt lebt, aber augenscheinlich einem Szenario ausgesetzt ist, das man von der Karibik kennt. Ein Monstersturm  also, eher mehr noch, denn der Tod klingt unausweichlich.
Mir schimmert ein wenig zu entschieden der Glaube des Vaters an das kommende Ende durch, an die Unmöglichkeit des Überlebens. Ein hin- und hergerissen sein zwischen Hoffnung, es würde am Ende durchgestanden werden können und neben der Panik, diesen Sturm nicht überleben zu können, wäre mir stimmiger gewesen, >ein letztes Mal< als Frage gestellt, anstatt als Feststellung. Auch spannender, weil sie nicht so leicht als unrealistische Fantasie abgehakt werden könnte.
Das Bild von dem aus der Nase laufenden Rotwein irritiert mich etwas. Ich kann mir vorstellen, mich beim Lachen am Rotwein zu verschlucken, ihn aus zu prusten, vielleicht sogar durch die Nase, aber dass er aus der Nase läuft, hmm. Vielleicht ist es Geschmacksache, mich störte das Bild.
Der Titel passt m.E. nicht so recht. Du beziehst dich, wenn ich das richtig verstanden habe, auf dieses „Ein letztes Mal nachsalzen“. Das ist etwas anderes als ein grundsätzliches „Zu wenig Salz“. Ich würde ihn ändern.
Ich melde also einiges an Kritik. Ich denke jedoch, hätte ich selbst in zwei Stunden eine Geschichte zusammengezimmert, hätte ich es überhaupt geschafft, wären mir solche Dinge bei mir nicht aufgefallen.
Punkte
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holg
Geschlecht:männlichExposéadler

Moderator

Beiträge: 2396
Wohnort: knapp rechts von links
Bronzenes Licht Der bronzene Roboter


Beitrag11.10.2017 20:14

von holg
Antworten mit Zitat

Hallo Inko.
Entschuldige, wenn ich mich kurz fasse und eventuell nicht mehr zum Bewerten komme. Bin gerade eher mit existentiellen Dingen beschäftigt und einer immer wieder Streikenden iPad-Tastatur.

Da hast du mich beinahe gehabt. Der Text baut wunderbar diese Endzeitstimmung auf. Die Eltern, die dem nahenden Tos ins Auge blicken und ihr Kinder vor der Angst beschützen wollen. Der Sturm naht, hat das halbe Land verwüstet, offenbar für viele, viele Tote gesorgt. Der Rechtschreibfehler bei Reis, geschenkt, aber dann
 
Zitat:
Seine Frau, die Emanze, die ihm das Kochen überließ, die Reifen von ihrem Subaru selbst wechselte und sich nachts trotzdem gerne den Arsch versohlen ließ.

Das hättest du dir sparen sollen. Nein, es gehört dir um die Ohren gehauen. Sexistische Kackscheiße. Es katapultiert deinen Text von ganz oben nach ganz unten. Sorry.


_________________
Why so testerical?
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Terhoven
Geschlecht:weiblichEselsohr


Beiträge: 401



Beitrag12.10.2017 20:47

von Terhoven
Antworten mit Zitat

Verzweiflung gut dargestellt.
Aber dass das Pferd viel dümmer ist als die Hunde, finde ich inkonsequent.
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fabian
Geschlecht:männlichKlammeraffe


Beiträge: 610



Beitrag13.10.2017 17:41

von fabian
Antworten mit Zitat

Gut geschrieben, flüssig erzählt, aber dieses Fatalistische ... – war mir zu deprimierend.
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