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Anton Maurer Gänsefüßchen
Alter: 34 Beiträge: 23 Wohnort: Baden bei Wien
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28.06.2017 23:21 Bewertungen von Anton Maurer
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Letztens machte mir ein guter Freund den Vorschlag, in einer Restauration meiner Wahl etwas essen zu gehen. Ich war begeistert und schlug das Gasthaus „Zum Goldenen Gulasch“ vor. Eine schlechte Wahl, informierte mich mein Freund, denn das „Goldene Gulasch“ werde im Internet mit lediglich 4,2 von 5 möglichen Sternen bewertet. Er schlage also vor, die Gaststätte „Zum Silbernen Schnitzel“ aufzusuchen und dortselbst ein Jägerschnitzel zu verzehren, denn besagtes Lokal könne mit 4,3 Sternen aufwarten, und das Jägerschnitzel sei ganz vorzüglich, laut Internet.
Gesagt, getan. Wir begaben uns ins „Silberne Schnitzel“, nahmen im Gastgarten unsere Plätze ein und studierten mit größter Aufmerksamkeit die Speisekarte, welche, wie wir bereits im Internet in Erfahrung gebracht hatten, von beträchtlichem Umfang war. Schließlich legte mein Gegenüber die Karte auf den Tisch, schob seinen Zwicker in die rechte Position und sah mich streng an: Er könne mir kraft seiner Expertise das Jägerschnitzel empfehlen. Als zusätzlichen Gaumenschmaus schlage er einen gemischten Salat vor. Einen kleinen gemischten Salat, denn für Restaurantkritiker gezieme es sich nicht, sich den Bauch vollzuschlagen. Man habe dann kein Gespür mehr für geschmackliche Nuancen, was sich negativ auf die beim Bewerten unbedingt notwendige Objektivität auswirken könne.
Ich bedankte mich höflich für die wertvollen Ratschläge und wir taten dem Ober unsere Wünsche kund. „Jawohl, meine Herren“, meinte derselbe, nachdem er den Sachverhalt schriftlich vermerkt hatte, und entfernte sich.
Mein Gesprächspartner und ich unterhielten uns gepflegt über das Wetter und über die allgemeine Politikverdrossenheit in der Bevölkerung, wobei ich zur Kenntnis nahm, dass mein Gegenüber mehrmals nervös auf das Ziffernblatt seiner Taschenuhr blickte. Schließlich holte er ein kleines Notizbuch und einen Bleistift aus der Tasche und notierte etwas. Dann kamen das Schnitzel und der Salat. „Guten Appetit“, wünschte mir mein Freund. „Mahlzeit“, nickte ich ihm zu.
Wir aßen kultiviert und langsam, ab und zu notierte mein Freund etwas in seinem Notizbüchlein. Schließlich tupfte er sich die Lippen mit seiner Serviette ab, legte Messer und Gabel sorgfältig nebeneinander und schlug mir vor, das Essen mit 3,8 Sternen zu bewerten.
„Warum denn so wenig?“, erkundigte ich mich empört. Das Schnitzel sei, soweit ich das beurteilen könne, von hervorragender Konsistenz gewesen, und knusprig obendrein. Er finde es höchst ungebührlich, meinte mein Freund, eine halbe Stunde auf das Essen warten zu müssen. Das Schnitzel sei nicht schlecht gewesen, hätte allerdings ein wenig größer ausfallen können. Zudem sei es ohne Preiselbeeren serviert worden. Er könne Preiselbeeren zwar nicht ausstehen, aber Tradition sei Tradition, und unerhörte Versäumnisse seien nun einmal unerhörte Versäumnisse.
Ich musste mich geschlagen geben, entschloss mich aber dazu, für den Salat Partei zu ergreifen. Selbiger habe hervorragend gemundet und sei sogar mit Eiern und Sonnenblumenkernen bestückt gewesen, schwärmte ich. Ich fordere somit 5 Sterne für den Salat. Mein Freund wedelte strafend mit dem Zeigefinger. Der Salat sei mindestens acht Stunden alt gewesen und so ölig, dass sich die Kartoffeln beinahe aufgelöst hätten. Wir einigten uns auf 3,5 Sterne.
Als er meinen bekümmerten Blick sah, schlug er vor, Wein zu bestellen, und als er sah, dass mich der Wein lustig machte, bestellte er noch eine Flasche. Wir wurden immer betrunkener und immer ausgelassener, und dann bewerteten wir diesen verdammten Saftladen, wie er sein Lebtag noch nicht bewertet worden war. Ich beantragte grölend viereinhalb Sterne für den Kellner, denn dieser sei freundlich und trage sogar eine Krawatte. „Ich hasse Krawatten“, gluckste mein Freund, schrie dem Kellner, der uns soeben die dritte Flasche brachte, „2 Sterne“ ins Gesicht und machte sich eine entsprechende Notiz.
„0 Sterne für dein dämliches Notizbuch“, lallte ich, und mein Freund haute so wütend auf den Tisch, dass dieser zusammenbrach und folgerichtig ebenfalls mit 0 Sternen bewertet wurde.
Zuhause begab ich mich eiligst ins Internet und bewertete das „Gasthaus zum Silbernen Schnitzel“ mit 1,7 Sternen. Der erste Eindruck sei ganz gut gewesen, schrieb ich, aber das Schnitzel habe nicht gehalten, was es versprochen hatte, und der Salat sei ganz und gar ekelhaft gewesen. Die Tische seien eine Zumutung, und der Kellner mitsamt seiner blöden Krawatte ebenfalls.
Danach legte ich mich betrunken ins Bett und ließ mir von meiner Mutter eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen, welche ich mit 4,1 Sternen bewertete. Sie gab mir einen Gute-Nacht-Kuss, ich murmelte „3,7“, dann schlief ich ein. In der Früh bewertete ich mein Bett mit 4,7, meinen Traum mit 1,9 und das Weckerklingeln mit 0,0.
Mein Aussehen im Spiegel an diesem Morgen war mir 3,6 Sterne wert, meine Arbeitskleidung bedachte ich mit 3,1 Sternen, das Frühstück, das meine Mutter mir richtete, mit 4,4, und ihre Wortwahl, als sie mir nahelegte, auf derartige Bewertungen künftig zu verzichten, mit 0,2. Als ich das Haus verließ, bewertete ich das Wetter mit 2,5 Sternen und den Zustand unseres Gartenzaunes mit 1,3.
Mein Leben bekam dadurch, dass es sich meinen Bewertungen unterziehen musste, nach und nach schärfere Konturen, und dann bewertete ich meine Liebste mit 3,7 Sternen und wurde am selben Tag von ihr verlassen. Ich meldete mich im Internet bei einer Partnerbörse an, lernte einige Damen kennen, bewertete ihr Aussehen und ihren Charakter, und machte mich alsdann auf die Suche nach etwas Besserem. Irgendwann las ich mir meine eigenen Bewertungen durch: „Schiache Nase“, stand da geschrieben. „Nicht ganz normal. Immer am kritisieren. Hat wohl nix Besseres zu tun.“ Mein Marktwert im Internet: 0,7 Sterne.
Weitere Werke von Anton Maurer:
_________________ Satire- und Reiseblogger auf teufel-komm-raus.at |
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Damelo Wortedrechsler
D Alter: 34 Beiträge: 92
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D 28.06.2017 23:47
von Damelo
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Moin,
kurz, da ich selbst kurz vor Sendeschluss für heute bin:
Ich hab den Text, nach anfänglicher Irritation/Abneigung wegen der etwas gestelzt wirkenden Sprache weiter und schließlich zu Ende gelesen, musste schmunzeln, was mir tatsächlich nicht so oft bei Kurzgeschichten passiert, und fand die Idee nahm zunehmend Fahrt auf.
Der letzte Absatz ist für mich nicht mehr passend, da er vom konkreten ins Allgemeine und zeitlich vom beschriebenen Tag und nächstem Morgen noch weiter in die Zukunft reicht. Quasi das, was es häufig bei Kurzgeschichten eben aufgrund der Kürze nicht mehr braucht. Ich finde, er verwässert die Geschichte etwas.
Alternativ dachte ich, dass der Protagonist ja schon im vorhinein seine Freundin bewertet haben könnte, deswegen verlassen wurde und nun im betrunkenen Zustand über die "schiache Nase" anderer auf der Partnerbörse urteilt. Dann hättest du weiter die Einheit von Zeit & Ort einigermaßen gewahrt, die (für mich) witzige Endpointe, wobei ich bei bayrischer Mundart vielleicht zu voreingenommen bin, trotzdem noch drin und das Ganze etwas straffer.
Jetzt wurde es doch ausführlicher, als angedacht. Jetzt aber Schluss! Habs gern gelesen!
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Erdferkel Gänsefüßchen
E
Beiträge: 45
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E 29.06.2017 00:24
von Erdferkel
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Schließe mich Damelo an, der letzte Teil sticht etwas heraus.
Mir gefällt, wie die beiden Dumpfbacken sich betrinken und ihre Bewertungen immer absurder werden, hätte mir gewünscht, dass sich das ganze noch weiter zuspitzt. Z.B. könnten die zwei permanent online sein und posten und somit könntest du die eigentliche Pointe beibehalten. Evtl. ruft Mama ja zwischendurch mal an und fragt, wann Hasipups nach Hause kommt.
Der Stil gefällt mir gut, ist stimmig zum Inhalt.
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IQ Dino Alter Ego
I Alter: 62 Beiträge: 516 Wohnort: MG
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Corydoras Klammeraffe
Alter: 39 Beiträge: 751 Wohnort: Niederösterreich
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29.06.2017 12:25
von Corydoras
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Servus aus dem Nachbarkaff!
Du hast mehrere Zeitfehler drin. Bin grad am Tablet, aber wenn du magst, streich ich dir später die Stellen an.
Eines verstehe ich nicht: in welcher Zeit spielt das, dass es zwar Internet gibt, aber der Kollege Zwicker und Taschenuhr trägt?
Alles in allem erinnert mich das an eine Folge von Black Mirror (großartige britische Serie, die in jeder Folge eine andere düstere Zukunftsvision behandelt). Dort wird auch alles und jeder mit Sternen bewertet und wenn man unter einen gewissen Wert fällt, verliert man immer mehr Rechte. Also bei weitem nicht so heiter wie deine Ausführung.
Noch eines, lieber Damelo, das ist ostösterreichisch, nix da bayrisch!
_________________ I'm not a king. I am just a bard. |
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Damelo Wortedrechsler
D Alter: 34 Beiträge: 92
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Corydoras Klammeraffe
Alter: 39 Beiträge: 751 Wohnort: Niederösterreich
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29.06.2017 14:27
von Corydoras
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Interessanterweise ist der Dialekt in Wien + Umgebung auch näher am bayrischen dran als die Bundesländer dazwischen. Von daher überschneidet sich da vieles.
_________________ I'm not a king. I am just a bard. |
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Anton Maurer Gänsefüßchen
Alter: 34 Beiträge: 23 Wohnort: Baden bei Wien
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29.06.2017 16:23
von Anton Maurer
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Vielen Dank fürs Lesen & für die Rückmeldungen! Ich werde versuchen, einen Teil der Anregungen einzuarbeiten.
Corydoras hat Folgendes geschrieben: | Du hast mehrere Zeitfehler drin. Bin grad am Tablet, aber wenn du magst, streich ich dir später die Stellen an. |
Ja, bitte. Meiner Meinung nach ist eine gewisse Flexibilität bei Zeit/Modus durchaus erlaubt.
Zitat: | Eines verstehe ich nicht: in welcher Zeit spielt das, dass es zwar Internet gibt, aber der Kollege Zwicker und Taschenuhr trägt? |
In der Jetztzeit. Ich hab diesen altmodischen/geschwollenen Stil inklusive der zur entsprechenden Epoche gehörigen Ausstattung (Zwicker, Taschenuhr) gewählt, um zu unterstreichen, wie wichtig sich die Protagonisten nehmen - um dann gegen Ende auszuführen, dass es sich um zwei ausgemachte Kindsköpfe handelt. Ob Zwicker und Taschenuhr notwendig sind, ist eine berechtigte Frage, vllt. hat da noch jemand eine Meinung.
Was das Dialektkontinuum betrifft: Ich erinnere mich, einmal gehört zu haben, dass die Donaunähe hier ausschlaggebend ist!
_________________ Satire- und Reiseblogger auf teufel-komm-raus.at |
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Damelo Wortedrechsler
D Alter: 34 Beiträge: 92
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D 29.06.2017 16:26
von Damelo
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Also mich hat es zu Beginn irritiert und eher gestört, ab der Mitte fand ich es eher witzig. Aber das scheint ja ohnehin der Tenor zu sein, dass es ideal wäre den Schwung des Mittelteils schon an den Anfang zu holen oder Anfang und Ende so zu kürzen, dass deine Highlights mehr herausstechen bzw. den Hauptteil des Textes ausmachen.
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Corydoras Klammeraffe
Alter: 39 Beiträge: 751 Wohnort: Niederösterreich
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29.06.2017 16:59 Re: Bewertungen von Corydoras
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Hier: Das rot Markierte würde ich ändern. Nimm, was du brauchen kannst.
Zusätzlich bin ich bei nochmaliger Lektüre über eine Wortwiederholung gestolpert, die hab ich dir blau angemalt.
Anton Maurer hat Folgendes geschrieben: | Letztens machte mir ein guter Freund den Vorschlag, in einer Restauration meiner Wahl etwas essen zu gehen. Ich war begeistert und schlug das Gasthaus „Zum Goldenen Gulasch“ vor. Eine schlechte Wahl, informierte mich mein Freund, denn das „Goldene Gulasch“ werde im Internet mit lediglich 4,2 von 5 möglichen Sternen bewertet. Er schlug also vor, die Gaststätte „Zum Silbernen Schnitzel“ aufzusuchen und dortselbst ein Jägerschnitzel zu verzehren, denn besagtes Lokal könne mit 4,3 Sternen aufwarten, und das Jägerschnitzel sei ganz vorzüglich, laut Internet.
Gesagt, getan. Wir begaben uns ins „Silberne Schnitzel“, nahmen im Gastgarten unsere Plätze ein und studierten mit größter Aufmerksamkeit die Speisekarte, welche, wie wir bereits im Internet in Erfahrung gebracht hatten, von beträchtlichem Umfang war. Schließlich legte mein Gegenüber die Karte auf den Tisch, schob seinen Zwicker in die rechte Position und sah mich streng an: Er könne mir kraft seiner Expertise das Jägerschnitzel empfehlen. Als zusätzlichen Gaumenschmaus schlug er einen gemischten Salat vor. Einen kleinen gemischten Salat, denn für Restaurantkritiker geziemte es sich nicht, sich den Bauch vollzuschlagen. Man habe dann kein Gespür mehr für geschmackliche Nuancen, was sich negativ auf die beim Bewerten unbedingt notwendige Objektivität auswirken könne.
Ich bedankte mich höflich für die wertvollen Ratschläge und wir taten dem Ober unsere Wünsche kund. „Jawohl, meine Herren“, meinte derselbe, nachdem er den Sachverhalt schriftlich vermerkt hatte, und entfernte sich.
Mein Gesprächspartner und ich unterhielten uns gepflegt über das Wetter und über die allgemeine Politikverdrossenheit in der Bevölkerung, wobei ich zur Kenntnis nahm, dass mein Gegenüber mehrmals nervös auf das Ziffernblatt seiner Taschenuhr blickte. Schließlich holte er ein kleines Notizbuch und einen Bleistift aus der Tasche und notierte etwas. Dann kamen das Schnitzel und der Salat. „Guten Appetit“, wünschte mir mein Freund. „Mahlzeit“, nickte ich ihm zu.
Wir aßen kultiviert und langsam, ab und zu notierte mein Freund etwas in seinem Notizbüchlein. Schließlich tupfte er sich die Lippen mit seiner Serviette ab, legte Messer und Gabel sorgfältig nebeneinander und schlug mir vor, das Essen mit 3,8 Sternen zu bewerten.
„Warum denn so wenig?“, erkundigte ich mich empört. Das Schnitzel sei, soweit ich das beurteilen konnte, von hervorragender Konsistenz gewesen, und knusprig obendrein. Er finde es höchst ungebührlich, meinte mein Freund, eine halbe Stunde auf das Essen warten zu müssen. Das Schnitzel sei nicht schlecht gewesen, hätte allerdings ein wenig größer ausfallen können. Zudem sei es ohne Preiselbeeren serviert worden. Er könne Preiselbeeren zwar nicht ausstehen, aber Tradition sei Tradition, und unerhörte Versäumnisse seien nun einmal unerhörte Versäumnisse.
Ich musste mich geschlagen geben, entschloss mich aber dazu, für den Salat Partei zu ergreifen. Selbiger habe hervorragend gemundet und sei sogar mit Eiern und Sonnenblumenkernen bestückt gewesen, schwärmte ich. Ich forderte somit 5 Sterne für den Salat. Mein Freund wedelte strafend mit dem Zeigefinger. Der Salat sei mindestens acht Stunden alt gewesen und so ölig, dass sich die Kartoffeln beinahe aufgelöst hätten. Wir einigten uns auf 3,5 Sterne.
Als er meinen bekümmerten Blick sah, schlug er vor, Wein zu bestellen, und als er sah, dass mich der Wein lustig machte, bestellte er noch eine Flasche. Wir wurden immer betrunkener und immer ausgelassener, und dann bewerteten wir diesen verdammten Saftladen, wie er sein Lebtag noch nicht bewertet worden war. Ich beantragte grölend viereinhalb Sterne für den Kellner, denn dieser sei freundlich und trage sogar eine Krawatte. „Ich hasse Krawatten“, gluckste mein Freund, schrie dem Kellner, der uns soeben die dritte Flasche brachte, „2 Sterne“ ins Gesicht und machte sich eine entsprechende Notiz.
„0 Sterne für dein dämliches Notizbuch“, lallte ich, und mein Freund haute so wütend auf den Tisch, dass dieser zusammenbrach und folgerichtig ebenfalls mit 0 Sternen bewertet wurde.
Zuhause begab ich mich eiligst ins Internet und bewertete das „Gasthaus zum Silbernen Schnitzel“ mit 1,7 Sternen. Der erste Eindruck sei ganz gut gewesen, schrieb ich, aber das Schnitzel habe nicht gehalten, was es versprochen hatte, und der Salat sei ganz und gar ekelhaft gewesen. Die Tische seien eine Zumutung, und der Kellner mitsamt seiner blöden Krawatte ebenfalls.
Danach legte ich mich betrunken ins Bett und ließ mir von meiner Mutter eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen, welche ich mit 4,1 Sternen bewertete. Sie gab mir einen Gute-Nacht-Kuss, ich murmelte „3,7“, dann schlief ich ein. In der Früh bewertete ich mein Bett mit 4,7, meinen Traum mit 1,9 und das Weckerklingeln mit 0,0.
Mein Aussehen im Spiegel an diesem Morgen war mir 3,6 Sterne wert, meine Arbeitskleidung bedachte ich mit 3,1 Sternen, das Frühstück, das meine Mutter mir richtete, mit 4,4, und ihre Wortwahl, als sie mir nahelegte, auf derartige Bewertungen künftig zu verzichten, mit 0,2. Als ich das Haus verließ, bewertete ich das Wetter mit 2,5 Sternen und den Zustand unseres Gartenzaunes mit 1,3.
Mein Leben bekam dadurch, dass es sich meinen Bewertungen unterziehen musste, nach und nach schärfere Konturen, und dann bewertete ich meine Liebste mit 3,7 Sternen und wurde am selben Tag von ihr verlassen. Ich meldete mich im Internet bei einer Partnerbörse an, lernte einige Damen kennen, bewertete ihr Aussehen und ihren Charakter, und machte mich alsdann auf die Suche nach etwas Besserem. Irgendwann las ich mir meine eigenen Bewertungen durch: „Schiache Nase“, stand da geschrieben. „Nicht ganz normal. Immer am kritisieren. Hat wohl nix Besseres zu tun.“ Mein Marktwert im Internet: 0,7 Sterne. |
_________________ I'm not a king. I am just a bard. |
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gold Papiertiger
Beiträge: 4943 Wohnort: unter Wasser
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30.06.2017 06:06
von gold
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hmm, aus dem Suff heraus:
3,5 Sterne
_________________ es sind die Krähen
die zetern
in wogenden Zedern
Make Tofu Not War (Goshka Macuga)
Es dauert lange, bis man jung wird. (Pablo Picasso) |
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Curiepolis Gänsefüßchen
Alter: 44 Beiträge: 18 Wohnort: Berlin
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09.07.2017 20:37
von Curiepolis
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Zwicker und Taschenuhr finde ich gar nicht unpassend, es gibt durchaus auch heutzutage Leute, die sich mit soetwas ausstaffieren. Sicher nicht häufig, gibt es aber.
Mir gefiel, wie die "Sternebewerterei" zum Schluss hin immer weiter aus dem Ruder läuft. Würde ich vielleicht sogar noch ausbauen -- er bewertet die Menschheit, die Erde, das Universum -- dem wahren kritischen Geist sind keine Grenzen gesetzt!
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