Das Problem

[Wildgooseman]

In meiner Kindheit schien alles gut.
Probleme konnte ich nicht erkennen,
denn dazu gehörte natürlich auch Mut
und Probleme durfte keiner so nennen.

Freunde rannten in jenen Jahren
einer Hakenkreuzfahne hinterher,
ich habe dann davon auch erfahren,
bald hatten sie einen Verführten mehr.

Krieg spielen, marschieren und hauen,
das machte uns mächtig viel Spaß;
wir schenkten den Alten unser Vertrauen,
lernten ganz nebenbei auch den Hass.

Ja, wir spielten Krieg und eh man es spürte,
kam der dann zu uns auf leisen Sohlen.
Und dieser GröFaz, der alle führte,
begann seinen Krieg zuerst in Polen.

Wir Kinder lernten beim Spielen Soldat,
marschieren und schießen war Pflicht.
Nicht mitmachen galt da schon als Verrat,
die meisten - auch ich - trauten sich's nicht.

Der Vater marschierte bis zum Ende weiter,
er hatte keine Wahl, ihn hat keiner gefragt,
er starb mit vielen Orden als Gefreiter -
für Führer und Volk hat man Mutter gesagt!

In meiner Kindheit war das große Problem,
dass man es nicht früh genug erkannte.
Es lag wahrscheinlich an dem System,
das alle Kritik am Staat stets verbannte.

Heut weiß ich nach so vielen Lebensjahren,
die Probleme an sich, die ändern sich nicht.
Es gibt sie immer, ich hab es erfahren,
es ändert sich aber durchaus meine Sicht.

Damals spielten wir Krieg, wir waren klein,
wir erkannten noch nicht, was wir taten.
Heut ruft niemand: Lasst das bitte sein!
Denn unser Land braucht die Soldaten ...

[Soleatus]

Hallo Wildgooseman,

diesen Text empfinde ich als Prosa, weswegen mir die Einkleidung in Verse ein wenig wie eine Ver-kleidung vorkommt; unpassend.

Heut weiß ich nach so vielen Lebensjahren,
die Probleme an sich, die ändern sich nicht.
Es gibt sie immer, ich hab es erfahren,
es ändert sich aber durchaus meine Sicht.

Hier etwa: das "ich hab' es erfahren" ist inhaltlich nicht nötig, "wissen" (V1) meint "erfahren haben" zumindest mit; das steht da nur der Versfüllung und des bequemen Reims wegen, und beides macht auf mich als Leser keinen guten Eindruck, wie auch das "durchaus" nicht, was ein ganz brauchbares "Zeigerwort" ist; eines, das anzeigt, dass ein Text vor allem proasisch gedacht worden ist.

Ein anderes, sehr deutliches Beispiel:

ich habe dann davon auch erfahren,

das ist noch nicht einmal gewöhnliches Schriftdeutsch, sondern eine umgangssprachliche Füllungs- und Leerworthäufung; schon einem "dann" oder "auch" oder "ich habe erfahren" (statt "ich erfuhr") gegenüber wäre ich misstrauisch, als Verfasser wie als Leser.

Deine Vers- und Strophengestaltung an sich gefällt mir recht gut; da ist eine gewisse Leichtigkeit, die dabei nicht flüchtig wirkt; und der Vers wirkt durchaus gestaltet.

Gruß,

Soleatus

[Wildgooseman]

Ich werde da noch mal mit mir zu Rate gehen, danke jedenfalls für die Hinweise.
(Irgendwie komme ich ohne die genannten Füllworte nicht aus.)
Werde jedoch alles noch einmal durcharbeiten.
Gruß, Wgm