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Der innere Kreis


 
 
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Blumenberg
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
B

Alter: 40
Beiträge: 25



B
Beitrag23.03.2017 16:09
Der innere Kreis
von Blumenberg
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Hallo zusammen,

um es hinter mir zu haben der zweite Einstandstext. Dieser hatte zugegenebermaßen schon ein wenig Staub angesetzt, als ich ihn heute hervorgekramt habe. Vielleicht findet sich ja trotzdem jemand, der die ein oder andere konstruktive Idee dazu hat.

Es ist schon eine ganze Weile her, ich befand mich auf dem Weg in die Innenstadt, um einige Besorgungen zu machen. Was genau, habe ich längst vergessen. Alltag. Trotzdem bekomme ich eine Szene, deren Zeuge ich wurde, einfach nicht aus dem Kopf. Manchmal, so scheint mir, sind es kleine, zufällige Begegnungen, die die größte Wirkung auf einen erzielen.

Ich war noch nicht weit gefahren, als an einer Haltestelle ein ganzer Pulk Angestellte eben der Bahngesellschaft einstiegen, die ich benutzte. Sie waren bereits erkennbar an ihren Jacken, auf denen das Logo des Verkehrsbetriebes prangte. In ihren Uniformen und der  sichtlich vertrauten Umgebung haftete ihnen eine natürliche Lockerheit an, die ihre Gruppe von den anderen Fahrgästen abhob. Sie machten sich gar nicht erst die Mühe, einen Sitzplatz zu suchen, sondern stellten sich locker und in einem losen Kreis in den Gang, wobei ihnen auch das plötzliche Anfahren und Bremsen der Bahn nichts anzuhaben schien. Ich konnte nicht anders, als von dem Buch, das ich in diesem Moment las, aufzublicken und ihnen zuzusehen. Für den Augenblick angezogen von ihrer lärmenden Präsenz. Mit absichtlicher Lautstärke unterhielten sie sich und rissen Witze, wobei der ganze Kreis mit lautem Lachen den Erzähler belohnte.

Nach einer Weile fiel mein Blick auf einen etwas unscheinbaren jungen Mann, der zusammen mit der übrigen Gruppe die Bahn betreten haben musste. Er mochte Mitte zwanzig sein, war hager und seine Haut hatte eine blasse, kränklich wirkende Färbung. Auch er trug die Uniform eines Bahnangestellten, allerdings nicht mit dem offen zur Schau gestellten Stolz der anderen, vielmehr wirkte er fast so, als würde er sich in seiner Jacke unwohl fühlen. Er hatte sich ein, zwei Meter abseits des lärmenden Kreises auf einem Platz niedergelassen. Er schien meinen Blick nicht zu bemerken, sondern sah fokussiert, fast sehnsüchtig, zu den anderen hin. Sein ganzer Körper strahlte eine regelrechte Habachtstellung aus, schien jederzeit bereit, auf ein Wort der anderen aufzuspringen und sich dem Kreis anzuschließen. Bei jedem Witz zeigte sein Gesicht ein unsicheres Lächeln, das er aber sofort zu unterdrücken suchte. Es schien ihm beinahe peinlich zu sein, dass die anderen sehen könnten, dass er, obwohl außerhalb des Kreises stehend, trotzdem in irgendeiner Weise Teil an ihrem Vergnügen haben könnte. Ich konnte den Blick einfach nicht abwenden, zu verstörend war der sehnsüchtige Ausdruck in seinen Augen, mit dem er immer wieder von einem der Männer zum nächsten sah. Für einen Moment konnte ich den Schmerz des Ausgeschlossen-Seins auf seinem Gesicht erkennen, der aber, sobald einer der Männer eine Bewegung in seine Richtung machte, sofort wieder von einem hoffenden, fast flehenden Ausdruck abgelöst wurde, nur um immer aufs Neue enttäuscht zu werden.
Irgendwann kam der Moment, in dem er meinen Blick zu spüren schien, denn er riss sich los von dem Anblick seiner Kollegen und sah zu mir herüber. Als sich unsere Blicke für einen Moment trafen, erschien in seinen Augen, ein so tiefer Schmerz, dass mir ein Schauer über den Rücken lief. Nicht weil ich mich durch das Entdeckt-Werden peinlich berührt gefühlt hätte, sondern weil wir in diesem Moment beide wussten, dass der so sehr erhoffte Augenblick der Zugehörigkeit wieder nicht kommen würde, wendete ich mich ab. Auch wenn ich ihn und seine Kollegen noch niemals vorher gesehen hatte und, obwohl ich immer wieder nach ihm suchte, den jungen Bahnangestellten auch nachher nicht wieder sah, wurde mir in diesem Moment klar, dass die Illusion, der utopische Traum eines Tages, zu diesem inneren Zirkel dazuzugehören, das Einzige sein musste, was ihn morgens aus dem Bett half und an das er sich Tag für Tag klammerte, auch wenn seine Hoffnungen immer wieder unerfüllt blieben. Ich fühlte,  eine Mischung aus Scham und Erleichterung, als wir einige Minuten später die nächste Haltestelle erreichten und ich sah, dass der Pulk die Bahn wieder verließ. Hocherhobenen Hauptes und gut gelaunt; die traurige, hagere Gestalt still und einsam im Schlepptau.

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Socki
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 37
Beiträge: 33



Beitrag23.03.2017 17:44

von Socki
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Hey Blumenberg!

Ich finde, du hast die Szene sehr anschaulich rüber gebracht und einen sehr angenehmen Schreibstil.
Und der Wunsch, einer bestimmten Gruppe anzugehören, den kennt wohl jeder. Ebenso die Enttäuschung bei Zurückweisungen.
Ich habe echt mit dem armen Mann mitgefühlt.

Zitat:
eben der Bahngesellschaft einstiegen

Das 'eben' fand ich irritierend, hab ich so noch nicht gehört/gelesen.

Zitat:
Auch wenn ich ihn und seine Kollegen noch niemals vorher gesehen hatte und, obwohl ich immer wieder nach ihm suchte, den jungen Bahnangestellten auch nachher nicht wieder sah, wurde mir in diesem Moment klar, dass die Illusion, der utopische Traum eines Tages, zu diesem inneren Zirkel dazuzugehören, das Einzige sein musste, was ihn morgens aus dem Bett half und an das er sich Tag für Tag klammerte, auch wenn seine Hoffnungen immer wieder unerfüllt blieben.

Den Satz würde ich kürzen. Ich habe drei Anläufe gebraucht, um den Inhalt komplett erfassen zu können.
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Gaukli
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 46
Beiträge: 25
Wohnort: Dortmund


Beitrag23.03.2017 23:17
Re: Der innere Kreis
von Gaukli
Antworten mit Zitat

Lieber Blumenberg,

mir gefällt deine Beobachtungsgabe. Ich mag es, dass der Text so einen klaren thematischen Fokus hat (Die Sehnsucht nach Zugehörigkeit und die Enttäuschung und Verzweiflung, wenn man außen vor bleibt). Und das Wichtigste: Der Text berührt mich.

Hier sind einige sprachliche Anmerkungen. Vielleicht überlegst du, ob manches davon den Text noch stärker machen könnte.  

Blumenberg hat Folgendes geschrieben:

Manchmal, so scheint mir, sind es kleine, zufällige Begegnungen, die die größte Wirkung auf einen erzielen.


"einen" wirkt auf mich zu unpersönlich. "... die die größte Wirkung auf mich erzielen." oder "... die die größte Wirkung auf uns erzielen." packt mich mehr.

Blumenberg hat Folgendes geschrieben:

... haftete ihnen eine natürliche Lockerheit an [...] stellten sich locker und in einem losen Kreis


"Lockerheit" und "locker" kommen hier nah beieinander. Vielleicht eine Variation? "Lässigkeit", "ungezwungen" ...


Blumenberg hat Folgendes geschrieben:

...  und rissen Witze


Deine Sprache hat ansonsten etwas eher Sorgsam-Bedächtiges. "rissen" ist da für mein Ohr ein Bruch - etwas zu flapsig.

Blumenberg hat Folgendes geschrieben:

... und seine Haut hatte eine blasse, kränklich wirkende Färbung.


Ich frage mich, ob der Erzähler/Beobachter hier nicht ein wenig näher heranrücken möchte. "eine blasse Färbung, die auf mich kränklich wirkte/die mich unmittelbar an Krankheit denken ließ" - etwas in der Art. Schließlich wirkt die Farbe ja auf den Erzähler so.

Wo ich gerade beim "Wirken" bin. Im Text "wirkt" es häufiger, und so richtig stark finde ich das Verb nicht. Blutsverwandt ist das Verb "scheinen",  das noch häufiger auftaucht. Mich spricht es mehr an, wenn die Dinge weniger wirken und scheinen und dafür mehr sind. Interessanterweise wechselst du am Ende des Textes auch in eine thetische Sprache. Zum Beispiel:


Blumenberg hat Folgendes geschrieben:

Nicht weil ich mich durch das Entdeckt-Werden peinlich berührt gefühlt hätte, sondern weil wir in diesem Moment beide wussten, dass der so sehr erhoffte Augenblick der Zugehörigkeit wieder nicht kommen würde, wendete ich mich ab.


Hier "wissen" beide, was besser klingt als: "in diesem Moment schienen wir beide zu wissen".

Hier mal als Kontrast:

Blumenberg hat Folgendes geschrieben:

Er schien meinen Blick nicht zu bemerken, sondern sah fokussiert, fast sehnsüchtig, zu den anderen hin. Sein ganzer Körper strahlte eine regelrechte Habachtstellung aus, schien jederzeit bereit, auf ein Wort der anderen aufzuspringen und sich dem Kreis anzuschließen. Bei jedem Witz zeigte sein Gesicht ein unsicheres Lächeln, das er aber sofort zu unterdrücken suchte. Es schien ihm beinahe peinlich zu sein, dass die anderen sehen könnten, dass er, obwohl außerhalb des Kreises stehend, trotzdem in irgendeiner Weise Teil an ihrem Vergnügen haben könnte.


3x "scheinen" in kurzer Folge. Gleich im ersten Satz klingt es für mich stärker zu sagen: "Er bemerkte meinen Blick nicht."

Bei "Es schien ihm beinahe peinlich zu sein  ..." erscheint es mir dagegen durchaus angebracht.

Blumenberg hat Folgendes geschrieben:

den Schmerz des Ausgeschlossen-Seins


Diese Wendung ist für mich ein bisschen akademisch spröde, fast schon Bürokratenkauderwelsch. Ich fände es schöner, wenn du es weniger stark verknappst, dafür dann aber eine natürlichere Sprache wählst (Besser, aber gewiss noch nicht richtig gut, klingt für mich so etwas wie: "Für einen Moment konnte ich den Schmerz, den ihm das Ausgeschlossen-Sein bereitete, auf seinem Gesicht erkennen ..."; vielleicht wird es noch besser, wenn man sich hier noch mehr Zeit lässt und etwas anders anordnet. "Er war ausgeschlossen und das war in manchen Momenten alles, was er fühlte. Er gehörte nicht dazu. Auf seinem Gesicht konnte ich den Schmerz erkennen, ..."). Also ich schreibe das hier nur, um die Richtung meiner Gedanken anzuzeigen. Keinesfalls möchte ich behaupten, dass diese Formulierungen der Weisheit letzter Schluss sind.


So, jetzt habe ich viel geschrieben. Mein erstes Feedback hier im Forum. Ich hoffe, dass du damit etwas anfangen kannst. Ich möchte am Ende noch einmal hervorheben, was ich schon eingangs gesagt habe: Ich bin von dem Gefühl, das du beschreibst, gepackt gewesen. Das ist ziemlich gut, finde ich.
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Blumenberg
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
B

Alter: 40
Beiträge: 25



B
Beitrag24.03.2017 09:26

von Blumenberg
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Hallo Socki,

zunächst einmal vielen Dank für die Beschäftigung mit dem Text. Ich freue mich, wenn er dich im Großen und Ganzen überzeugen kann.
Deine beiden sprachlichen Anmerkungen sind für mich absolut nachvollziehbar. Ich will zusehen, dass ich das demnächst ändere, wenn ich die anderen Anmerkungen in den Text einarbeite.

Beste Grüße

Blumenberg
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Blumenberg
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
B

Alter: 40
Beiträge: 25



B
Beitrag24.03.2017 09:36

von Blumenberg
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Hallo Gaukli,

vielen Dank für den ausführlichen Kommentar zu meinem Text!
Auch wenn es deine erste Rezension hier ist: Die Dinge auf die du kritisch hinweist sind von deiner Seite aus gut begründet und deine  Argumentation ist für mich absolut nachvollziehbar. Mit so einer Form der Kritik kann ich als Autor etwas anfangen.

Ich muss gestehen, dass der Text, im Gegensatz zu dem anderen bisher von mir eingestellten, ein wenig eine Verlegenheitslösung ist, um dem Einstandsbereich zu entkommen. Es handelt sich im eigentlichen Sinne ja auch weniger um eine richtige Geschichte als vielmehr um eine etwas breiter ausgearbeitete Beobachtung. Ich werde zusehen, dass ich sie auf Basis eurer Kommentare noch einmal gründlich überarbeite.

In jedem Fall aber vielen Dank für die Hilfe!


Beste Grüße

Blumenberg
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Muskat
Eselsohr


Beiträge: 343



Beitrag24.03.2017 16:11
der innere Kreis
von Muskat
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Hallo Blumenberg,

ich mag die von dir beschriebene Szene, meine aber, dass du einige „sehen“ und „Blicke“ streichen könntest, weil es doch klar ist, dass der Protagonist dem Geschehen zusieht.
Meine Vorschläge zum Text beziehen sich also meist auf das „Sehen“ und die „Blicke“, bzw. Wörter, die MIR entbehrlich scheinen. Um das nicht bei jedem Hinweis dazuzuschreiben, erlaube ich mir, gleich den Vorschlag in deinen Text einzubauen. Ich hoffe, das ist für dich in Ordnung. Wie ich schrieb, es sind Vorschläge, die du einstampfen kannst, wenn sie dir nicht zusagen.

Zum Text:

Es ist schon eine ganze Weile her, ich befand mich auf dem Weg in die Innenstadt, um einige Besorgungen zu machen. Was genau, habe ich längst vergessen. Alltag. Trotzdem bekomme ich eine Szene, deren Zeuge ich wurde, einfach nicht aus dem Kopf. Manchmal, sind es kleine, zufällige Begegnungen, die die größte Wirkung auf mich erzielen.

Ich war noch nicht weit gefahren, als an einer Haltestelle ein ganzer Pulk Angestellte der Bahngesellschaft einstiegen, die ich benutzte. Sie waren bereits erkennbar an ihren Jacken, auf denen das Logo des Verkehrsbetriebes prangte. In den Uniformen und der sichtlich vertrauten Umgebung haftete ihnen eine natürliche Lockerheit an, die ihre Gruppe von den anderen Fahrgästen abhob. Sie machten sich gar nicht erst die Mühe, einen Sitzplatz zu suchen, sondern stellten sich in einem losen Kreis in den Gang, wobei sie auch das plötzliche Anfahren und Bremsen der Bahn lässig ausglichen. Ihre lärmende Präsenz zog mich an. Mit absichtlicher Lautstärke unterhielten sie sich und rissen Witze, wobei der ganze Kreis mit lautem Lachen den Erzähler belohnte.
Unter ihnen war ein unscheinbaren jungen Mann. Er mochte Mitte zwanzig sein, war hager und seine Haut hatte eine blasse, kränklich wirkende Färbung. Auch er trug die Uniform eines Bahnangestellten, allerdings nicht mit dem offen zur Schau gestellten Stolz der anderen, vielmehr so, als fühlte er sich in seiner Jacke unwohl.
Er hatte sich ein, zwei Meter abseits des lärmenden Kreises auf einem Platz niedergelassen und fokussierte die anderen fast sehnsüchtig. Sein ganzer Körper strahlte eine regelrechte Habachtstellung aus, jederzeit bereit, auf ein Wort der anderen aufzuspringen und sich dem Kreis anzuschließen. Bei jedem Witz zeigte sein Gesicht ein unsicheres Lächeln, das er aber sofort zu unterdrücken suchte. Als sei es ihm peinlich, dass er, obwohl außerhalb des Kreises stehend, dennoch in irgendeiner Weise Teil an ihrem Vergnügen haben könnte. Er trug den Schmerz des Ausgeschlossen-Seins im Gesicht, der aber, sobald einer der Männer eine Bewegung in seine Richtung machte, sofort wieder von einem hoffenden, fast flehenden Ausdruck abgelöst wurde, nur um immer aufs Neue enttäuscht zu werden.
Er riss sich los von dem Anblick der Kollegen und sah zu mir herüber.

Unsere Blicke trafen sich und in seinen Augen erschien ein so tiefer Schmerz, dass mir ein Schauer über den Rücken lief. Ich wendete mich ab. Nicht weil ich durch das Entdeckt-Werden peinlich berührt war, sondern weil wir  beide wussten, dass der so sehr erhoffte Augenblick der Zugehörigkeit wieder nicht kam.
Obwohl ich immer wieder nach dem jungen Bahnangestellten suchte, fand ich ihn nie wieder. Später wurde mir klar, dass die Illusion, der utopische Traum eines Tages, zu diesem inneren Zirkel dazuzugehören, das Einzige sein musste, was ihm morgens aus dem Bett half und an das er sich Tag für Tag klammerte, auch wenn seine Hoffnungen immer wieder unerfüllt blieben.

Als wir die nächste Haltestelle erreichten, fühlte ich eine Mischung aus Scham und Erleichterung. Der Pulk verließ die Bahn, hocherhobenen Hauptes und gut gelaunt; die traurige, hagere Gestalt still und einsam im Schlepptau.


Bitte nimm es mir nicht krumm, direkt in deinem Text gewerkelt zu haben.

Liebe Grüße

Muskat
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Blumenberg
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Beiträge: 25



B
Beitrag28.03.2017 11:29

von Blumenberg
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Hallo Muskat,

bitte entschuldige die etwas verzögerte Antwort, ich hatte in den letzten Tagen nicht wirklich viel Zeit. Das du an und in meinem Text gewerkelt hast nehme ich dir überhaupt nicht krumm, dafür stelle ich sie ja schließlich hier ein. Ich werde mal sehen in wie weit ich den kleinen text in den nächsten Tagen an Hand der eingegangen Vorschläge überarbeite.

Beste Grüße

Blumenberg
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Muskat
Eselsohr


Beiträge: 343



Beitrag28.03.2017 12:44
der innere Kreis
von Muskat
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Hallo Blumenberg,

es freut mich, dass su auf mein Werkeln so reagierst.

Liebe Grüße

Muskat
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Blumenberg
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Alter: 40
Beiträge: 25



B
Beitrag07.04.2017 12:41

von Blumenberg
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Hallo zusammen,

nach den zahlreichen ausführlichen und hilfreichen Anmerkungen habe ich mir den Text noch einmal vorgenommen und daran herumgedoktort. Ich habe mich bemüht eure unterschiedlichen Anmerkungen zu manchen Stellen in die neue Fassung einfließen zu lassen. An manchen Stellen hab ich sie einfach übernommen, an anderen eigenes auf Grundlage eurer Kritik versucht. Ich bin gespannt, ob der kurze Text nun insgesamt stimmiger wahrgenommen wird. Mir ging es in jedem Fall so, also nochmal vielen Dank für eure Hilfe!


Es ist schon eine ganze Weile her, ich befand mich auf dem Weg in die Innenstadt, um einige Besorgungen zu machen. Was genau, habe ich längst vergessen. Alltag. Trotzdem bekomme ich eine Szene, deren Zeuge ich wurde, einfach nicht aus dem Kopf. Manchmal, so scheint mir, sind es kleine, zufällige Begegnungen, die die größte Wirkung auf uns erzielen.

Ich war noch nicht weit gefahren, als an einer Haltestelle ein ganzer Pulk Angestellte eben der Bahngesellschaft einstieg, in der ich saß. Sie waren bereits erkennbar an ihren Jacken, auf denen das Logo des Verkehrsbetriebes prangte. In ihren Uniformen und der vertrauten Umgebung haftete ihnen eine natürliche Lässigkeit an, die ihre Gruppe sofort von den anderen Fahrgästen abhob. Sie machten sich gar nicht erst die Mühe, einen Sitzplatz zu suchen, sondern stellten sich in einem losen Kreis in den Gang, wobei ihnen auch das plötzliche Anfahren und Bremsen der Bahn nichts anzuhaben schien. Lautstark unterhielten sie sich und erzählten Witze, wobei der ganze Kreis mit lautem Lachen die ständig wechselnden Erzähler belohnte. Ich konnte nicht anders, als endgültig von meinem Buch, aufzublicken und ihnen zuzusehen. Für den Augenblick angezogen von ihrer lärmenden Präsenz.

Nach einer Weile fiel mein Blick auf einen etwas unscheinbaren jungen Mann, der zusammen mit der übrigen Gruppe die Bahn betreten haben musste. Er mochte Mitte zwanzig sein, war hager mit etwas hängenden Gesichtszügen. Auch er trug die Uniform eines Bahnangestellten, allerdings nicht mit dem offen zur Schau gestellten Stolz der anderen. Es wirkte auf mich fast so, als würde er sich in seiner Jacke unwohl fühlen. Er hatte sich ein, zwei Meter abseits des lärmenden Kreises auf einem Platz niedergelassen. Meinen Blick bemerkte er nicht, sondern sah fokussiert, fast sehnsüchtig, zu den anderen hin. Sein ganzer Körper strahlte eine regelrechte Habachtstellung aus, jederzeit bereit, auf ein Wort der anderen aufzuspringen und sich dem Kreis anzuschließen. Bei jedem Witz zeigte sein Gesicht ein unsicheres Lächeln, das er aber sofort zu unterdrücken suchte. Es schien ihm beinahe peinlich zu sein, dass die anderen bemerken könnten, dass er, obwohl außerhalb des Kreises stehend, trotzdem in irgendeiner Weise Teil an ihrem Vergnügen hatte. Ich konnte den Blick einfach nicht abwenden, zu verstörend war der ständige Wechsel seines Ausdrucks, mit dem er immer wieder von einem der Männer zum nächsten sah. Der Schmerz des Ausgeschlossen-Seins spiegelte sich in auf seinem Gesicht, aber, sobald einer der Männer eine Bewegung in seine Richtung machte, wurde er von einem hoffenden, fast flehenden Ausdruck abgelöst, nur um immer aufs Neue enttäuscht zu werden.

Irgendwann kam der Moment, in dem er meinen Blick spürte. Er sah mich an, einen so tiefen Schmerz in den Augen, dass mir ein Schauer über den Rücken lief. Schnell wendete ich mich ab. Nicht weil ich mich durch das Entdeckt-Werden peinlich berührt gefühlt hätte, sondern weil wir in diesem kurzen Moment beide wussten, dass der so sehr erhoffte Augenblick der Zugehörigkeit nicht kommen würde. Als wir einige Minuten später die nächste Haltestelle erreichten, verließ  der Pulk die Bahn wieder. Hocherhobenen Hauptes und gut gelaunt; die traurige, hagere Gestalt still und einsam im Schlepptau. Ich fühlte eine Mischung aus Scham und Erleichterung.
Obwohl ich danach immer wieder nach ihm Ausschau hielt, sah ich den jungen Bahnangestellten nicht wieder. Mittlerweile ist mir klar, dass die Illusion, der utopische Traum eines Tages, zu diesem inneren Zirkel dazuzugehören, das Einzige  gewesen sein musste, was ihm morgens aus dem Bett half und an das er sich Tag für Tag klammerte, auch wenn seine Hoffnungen immer wieder unerfüllt blieben.
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Muskat
Eselsohr


Beiträge: 343



Beitrag07.04.2017 13:54
der innere Kreis
von Muskat
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Hallo Blumenberg,

ich meine, dass die Überarbeitung sich gelohnt hat. Der Text liest sich stimmig; ich mag ihn.
Wenige Vorschläge zur Feinarbeit habe ich noch:

Zitat:
Trotzdem bekomme ich eine Szene, deren Zeuge ich wurde, einfach nicht aus dem Kopf.


Nimm hier statt „trotzdem“ besser „dennoch“, weil es ja nicht dem Alltag zum Trotz passiert, dass er die Szene nicht aus dem Kopf bekommt.

Zitat:
Sie waren bereits erkennbar an ihren Jacken, auf denen das Logo des Verkehrsbetriebes prangte. In ihren Uniformen und der vertrauten Umgebung haftete ihnen eine natürliche Lässigkeit an, die ihre Gruppe sofort von den anderen Fahrgästen abhob.


Vorschlag:
In den Uniformen und der vertrauten Umgebung haftete ihnen eine natürliche Lässigkeit an, die die Gruppe sofort von den anderen Fahrgästen abhob.

Ich spare einige „ihre“ ein.

Zitat:
sondern stellten sich in einem losen Kreis in den Gang, wobei ihnen auch das plötzliche Anfahren und Bremsen der Bahn nichts anzuhaben schien.


Vorschlag: ...in den Gang und auch das plötzliche Anfahren und Bremsen der Bahn schien ihnen nichts anzuhaben.

"Und" statt "wobei", denn im nächsten Satz folgt erneut „wobei“.

Zitat:
Nach einer Weile fiel mein Blick auf einen etwas unscheinbaren jungen Mann, der zusammen mit der übrigen Gruppe die Bahn betreten haben musste


Hier meine ich, dass du den „Blick“ einsparen könntest, weil es doch klar ist, dass der Prota die Gruppe beobachtet, das erzählst du ja vorher bereits. Daneben sind es mir immer noch ein wenig zu viele „Blicke“ und „schauen“. Ich finde es aber auch gut, wenn du das so haben möchtest und dann auch so stehen lässt.

Mein Vorschlag ist, falls du es dir nochmal überlegen willst: Unter ihnen war ein junger Mann ....

Zitat:
Es wirkte auf mich fast so, als würde er sich in seiner Jacke unwohl fühlen


In dem Satz könntest du das „auf mich“ streichen. Auf wen sollte es auch sonst wirken?

Zitat:
Meinen Blick bemerkte er nicht, sondern sah fokussiert, fast sehnsüchtig,


Okay, ich nerve! Aber auch hier kannst du den Blick streichen. Wenn der Mann fokussiert, kann er nichts um sich herum bemerken.
Zudem meine ich, solltest du an der Stelle beim Mann bleiben und nicht hin- und herspringen und es folgt gleich der nächste Blick wenige Zeilen weiter.

Und dann wieder, als er den Blick des Erzählers spürt.

Mir gefällt es, wie du die Sehnsucht des jungen Mannes erzählst.

Liebe Grüße

Muskat
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