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Enfant Terrible alte Motzbirne
Alter: 30 Beiträge: 7278 Wohnort: München
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08.12.2007 17:48 Fünf im Boot von Enfant Terrible
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Ich hatte mal wieder Lust, Bullshit zu schreiben...
Das dunkle Boot glitt übers Wasser, als würde es schweben. Der Bug zerschnitt die neblige Finsternis. Man hörte nur das Geplauder der fünf Fahrgäste, einer Gruppe, die bunter nicht zusammengewürfelt sein konnte.
"Woran bist du denn gestorben?", fragte ein gut aussehender Mann mittleren Alters ein Mädchen, deren schwarze Mähne ein bleiches Gesicht mit dunkel geschminkten Augen umrahmte.
"Ich habe Selbstmord begangen", antwortete sie mit einem Hauch von wehmütigem Stolz in der Stimme, einer Art melodramatische Selbstbewunderung.
Der Mann hob die Brauen, die drei anderen Personen stießen bewundernde Pfiffe aus. Einen Moment lang herrschte ehrfürchtige Stille, dann fragte eine alte Dame, die als einzige nicht begeistert zu sein schien: "Warum denn, Kind?"
"Das Leben ist einfach sinnlos", antwortete das Gothic-Girl, als hätte sie nur auf diese Frage gewartet, um mit ihrem Monolog zu beginnen. Ihrem theatralischen Tonfall nach zu urteilen, hatte sie diese Worte schon oft genug ausgesprochen. "Der Tod ist viel schöner, dann brauche ich nicht den ganzen Schwachsinn wie Schule und Familie und die ganze Welt über mich ergehen zu lassen."
Auch dafür erntete sie Beifall in Form von Seufzern, Kopfnicken, einer im Hintergrund applaudiert sogar. Einen Moment ist es still, dann sagt der Mann: "Vielleicht hast du Recht. Bei mir war es genau das Gegenteil. Ich liebte das Leben - vielleicht viel zu sehr."
Den weit geöffneten Augen und Mündern seiner Zuhörer zufolge, war auch dies eine faszinierende Aussage.
"Ich war ein Geschäftsmann, und wie erfolgreich! Ich machte gewaltige Profite, meine Firma stand stets an der Spitze. Ich regierte die Welt, könnte man sagen!"
Das stark geschminkte Mädchen kichert.
"Aber die Konkurrenz wollte mich aus dem Weg haben, also haben sie mich aus dem Weg geräumt."
Es schien eine Art ungesprochenes Gesetz unter den Fahrgästen des Bootes zu sein, nicht nach der genauen Todesursache nachzufragen. Bei der Fortsetzung stellt sich heraus, dass ein anderer Mann, ein glatzköpfiger Herr mit einem unvorstellbaren Leibesumfang überraschenderweise an einer Krankheit gestorben ist und eine ausgesprochen hübsche Frau von ihrem Mann wegen Eifersucht ermordet wurde. Angeregt unterhalten sich die Leute, erst gegen Ende des Gesprächs fragt der Geschäftsmann die alte Dame von vorhin: "Wie sind Sie denn gestorben, wenn ich fragen darf?"
"Oh", sagt sie schüchtern, "ganz einfach. Ich war gut in der Schule gewesen, hatte später einen nicht sonderlich reichen, aber netten und rechschaffenen Mann geheiratet, mit ihm zusammen ein Haus gekauft, zwei wunderbare Kinder gekriegt..."
Gespannt lauschen die vier anderen. Sie halten sogar den Atem an, in Erwartung der Katastrophe, die bei einem derart schönen Leben doch bald kommen müsste.
"Was ist dann passiert?", fragt das dunkel geschminkte Mädchen ungeduldig.
"Meine Kinder wurden erwachsen, zogen weg, gründeten ihre eigenen Familien. Zehn Jahre vor mir ist mein Mann gegangen - er ist hier leider nicht anwesend. Und ich, ich habe immer versucht, fit zu bleiben, aber man kann die Zeit nicht aufhalten. Im Alter von siebenundachtzig Jahren bin ich dann friedlich in meinem Bett gestorben, an Altersschwäche."
Brüllendes Gelächter zerreißt die kurzweilige Stille.
Weitere Werke von Enfant Terrible:
_________________ "...und ich bringe dir das Feuer
um die Dunkelheit zu sehen"
ASP
Geschmacksverwirrte über meine Schreibe:
"Schreib nie mehr sowas. Ich bitte dich darum." © Eddie
"Deine Sprache ist so saftig, fast möchte man reinbeißen." © Hallogallo |
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Plague Rat Eselsohr
Alter: 33 Beiträge: 477 Wohnort: Heilbronn
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08.12.2007 18:55
von Plague Rat
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Zitat: | Man hörte nur das Geplauder der fünf Fahrgäste, einer Gruppe, die bunter nicht zusammengewürfelt sein konnte. |
Der Satz gefällt mir hier überhaupt nicht. Zu flapsig. Pass auf, Humor kann sehr leicht falsch platziert werden.
Bullshit ist die Geschichte keineswegs. Die Pointe finde ich persönlich gelungen, jedoch arbeitest du hier sämtliche Charakterklischees ab. Die Aussagen des Gothic-Girls sind viel zu abgedroschen.
_________________ A quick taste of the poison, a quick twist of the knife
When the obsession with death
The obsession with death becomes a way of life |
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Enfant Terrible alte Motzbirne
Alter: 30 Beiträge: 7278 Wohnort: München
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08.12.2007 18:56
von Enfant Terrible
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Sollten sie auch sein.
Ich spiele gerne mit Klischees, und dieser Text sollte ein einziges sein. Ich mag Klischees!
Danke für deine Kritik!
_________________ "...und ich bringe dir das Feuer
um die Dunkelheit zu sehen"
ASP
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"Schreib nie mehr sowas. Ich bitte dich darum." © Eddie
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tinko Leseratte
Alter: 57 Beiträge: 155 Wohnort: Hannover
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08.12.2007 19:18
von tinko
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Hey Terrorkrümel,
ich finde Deinen "bullshit" von dem Ausgangsgedanken: 5 in einem Boot -("Zwei Fäuste für ein Hallelujah"... ) - her , spannend. Die Worte/ Satzkonstrukte an sich sind für mich aber zu "unkoordiniert". Diese Aussage von mir hat nichts mit "Deiner" Klischeebedienung zu tun..die finde ich o.k.
Mach doch noch mal einen anderen Versuch..Gothik etc. hin oder her...die Generationengondel, die Du entworfen hast, finde ich gut..
Grüße von Katja
_________________ Lerne die Regeln,damit du weißt, wie du sie brichst. (Dalai Lama) |
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Nihil { }
Moderator Alter: 34 Beiträge: 6039
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08.12.2007 20:04
von Nihil
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Hallo Krümel.
Ich finde diesen Text nicht überzeugend, was aber nicht bedeutet, dass er schlecht ist. Sprachlich ist er gut, es sind mir zumindest keine Mängel aufgefallen, du schreibst deutlich und klar. Inhaltlich aber weiß ich gar nichts damit anzufangen. Du hättest das alles vielleicht so gestalten können, dass man nicht von Anfang an weiß, dass alle Beteiligten tot sind. Es hätte ja sein können, dass alle Beteiligten nicht genau wissen, woran sie gestorben sind. Dann hättest du den Tod oder die Überfahrt in den Hades (ich denke doch mal, du spielst auf die griechische Mythologie an) als Pointe nehmen können. Ein Wort über den Fährmann, wenn es denn einen gibt, hätte mir auch gut gefallen. Mit dem Thema kann man doch so viel mehr anfangen! Mir ist beim Lesen eingefallen, dass eine Frau einsam an den Ufern des Styx steht und nicht in die Totenwelt kommt. Der Grund dafür ist, dass ihr nach dem Tode die Augen ausgekratzt wurden und die Goldmünzen für Charon, die man bei der Bestattung auf die Augen zu legen pflegte, in ihren Augenhöhlen festsitzen. Natürlich gewinnt man auch damit keinen Nobelpreis, aber ich finde das interessanter als eine bloße Unterhaltung über Tod und Todesursache. Auch finde ich die Reaktionen der Toten sehr unangebracht. Als die Frau offenbart hat, dass sie an Altersschwäche gestorben ist, und die anderen daraufhin brüllend lachen, hätte ich aufgehört, den Text zu lesen. Das finde ich selbst von Toten zu zynisch und obendrein nicht nachvollziehbar. Was ist denn daran lustig? Da der Text hier ohnehin zu Ende war, will ich mich nicht weiter darüber auslassen.
Ich fand das mittelmäßig.
- Ganymed
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Enfant Terrible alte Motzbirne
Alter: 30 Beiträge: 7278 Wohnort: München
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08.12.2007 20:23
von Enfant Terrible
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Naja.
Zynisch sollte es sein, denn sieh es mal so: Jede(r) der Toten, außer eben dieser netten Alten, ist eines mehr oder weniger spektakulären Todes gestorben. Auf diesem Boot bestimmt die Todesursache die Hierarchie, könnte man sagen. Je bizarrer, desto besser. Es steigert sich immer mehr, und dann erwarten alle, dass auch der alten Dame etwas zugestoßen ist. Aber einen normalen Tod finden sie lächerlich. Das war mein Gedanke, und ich habe nie garantiert, dass dieser Text inhaltlich etwas Gutes wird. (Bullshit, du erinnerst dich) Und mit gutem Grund habe ich den Text bei der Stelle mit dem Lachen beendet.
Danke für deine Kritik, es freut mich, dass du zumindest an meiner Sprache wenig auszusetzen hast.
_________________ "...und ich bringe dir das Feuer
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