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Robert Arnold Müller
Geschlecht:männlichWortedrechsler

Alter: 35
Beiträge: 54
Wohnort: Würzburg


Beitrag06.01.2017 16:35
Mein schlimmstes Ferienerlebnis
von Robert Arnold Müller
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Es ist 14:30 Uhr. Ich wache nach sechs Stunden schlechten Schlafes auf und fühle mich wie ein Eimer Scheiße sich fühlen würde, wenn Exkremente ein Gefühlsleben entwickeln könnten. Mir ist kotzübel, obwohl ich immer noch betrunken bin und bereue wie meistens, wenn ich exzessiv feiern war, dass ich nicht einfach daheim geblieben bin. Doch wie kam es dazu?

Es war der 5. Januar 2017. Mein Kumpel Cedric Maurer hatte Geburtstag, wie jedes Jahr einen Tag vor dem Heilige-Drei-Könige-Feiertag, und hatte die gesamte Clique in eine Bar im Einkaufszentrum unserer Kreisstadt Bad Grottheim eingeladen. Wie jedes Jahr. Er reservierte prinzipiell lieber zwanzig Plätze in einer maßlos überfüllten Cocktail-Lounge, anstatt eine vernünftige Party zu organisieren. Dieses Mal wurde er dreiundzwanzig. Ich hatte schon so gut wie abgesagt, als die Homies Maurer und Schmitt per Whatsapp Bescheid gaben, meinen Bruder Christian und mich abzuholen. „Das wär jetzt aber schon assi, wenn ihr nicht kommt, obwohl er extra reserviert hat“, schrieb einer unserer Kollegen in die Whatsapp-Gruppe. Axel, seines Zeichens Langzeit-Student, Öko-Hippie und Weltverbesserer. Derartige Kritik konnte nur von ihm kommen. Aufgrund seiner Reden, in deren Gegensatz sein seltenst uneigennütziges Handeln stand, pflegten wir in aller Regel, uns über ihn lustig zu machen.

Unsere beiden älteren Cousins Thor und Ulme waren zu Besuch. Wir sahen uns nicht allzu oft, da sich deren Zweig des Familienstammbaums in der entgegengesetzten Ecke des Bundeslandes Baden-Württemberg niedergelassen hatte. Chris und ich saßen mit unseren Cousins, unserem Vater und Ben, einem Kumpel meiner Cousins im Wohnzimmer und tranken Bier und ekelhaften Schnaps, als Schmitt und Maurer um halb neun mit einer Flasche Jack Daniels hereinschneiten.
  
Ben war Mitte vierzig und ein alter Abenteurer, der die halbe Welt bereist hatte. Unter anderem die Karibik mit meinem ältesten Cousin Thor, der sich damals für einige Jahre dort niedergelassen und eine Armee von unehelichen Kindern gezeugt hatte. Die beiden erzählten völlig trocken Geschichten von früher. Geschichten von Schlägereien, Sexerlebnissen, Einbrüchen und Drogengeschäften. In unserer Welt des 21. Jahrhunderts hörten sich diese Geschichten an wie aus einem Gangsterfilm. Für die beiden Weltenbummler schienen diese Erlebnisse Alltag gewesen zu sein. Man konnte beim Anhören dieser Geschichten nicht den Eindruck gewinnen, dass sie sich dadurch für was Besonderes hielten und sie hatten es auch nicht nötig, sich damit zu brüsten.

Jedenfalls hatten es Schmitt und Maurer geschafft, mich zum mitkommen zu überreden. Immerhin waren wir eingeladen, außerdem hatte mir eine alte Freundin, Marilyn, geschrieben, dass sie in der Stadt sei und mich gebeten, sie später in unserer Dorfdisco zu treffen. Marilyn studierte im fünfzig Kilometer entfernten Schleifburg irgendwas auf Lehramt, Kategorie Grundschule. Wenigstens was zu Ficken, dachte ich mir. Dann konnte der Abend ja zumindest nicht übermäßig beschissen werden. Nach dem Leeren der Jack Daniels stiegen wir also in Schmitts Geschäftsauto, mit dem uns Cedric als einziger nüchtern gebliebener von unserem Zuhause in dem Neunhundert-Seelenkaff Niederkierbach zu der Bar im zehn Kilometer entfernten Bad Grottheim chauffierte. Wir anderen drei hatten bereits mächtig einen sitzen, als wir die Bar betraten, in der es sich unsere anderen Kollegen mit ihren weiblichen Begleitungen schon gemütlich gemacht hatten.

Mein Bruder und ich ließen den Abend über uns ergehen. Wir tranken und fraßen uns mit Nachos voll, richtiges Essen wurde um elf Uhr abends in der Cocktail-Lounge nicht mehr zubereitet. Um ein Uhr nachts torkelten wir schließlich in bester Partystimmung in die Dorf-Disse ein. Unmittelbar nachdem wir unsere Jacken an der Garderobe am Eingang abgegeben hatten, begegnete ich Marilyn. Irgendwie hatte ich dieses Mädchen, das ich nahezu ein halbes Jahrzehnt nicht gesehen hatte, anders in Erinnerung. Marilyn hatte nämlich sichtlich zugenommen, sie war richtig dick geworden. Ich konnte mir nicht erklären, wie jemand mit Anfang zwanzig so dermaßen aufgehen konnte. Sie war dick genug, um die Grenze zu überschreiten, die bei jedem Mann individuell im Gehirn festgelegt ist. Diese Grenze von „Fickbar“ zu „Nicht-Fickbar“. Marilyn war so fett, dass ich mir nicht vorstellen konnte, sie zu ficken.

Fünf oder sechs Jahre vorher war das wahrscheinlich noch anders gewesen. Wir hatten noch nie etwas miteinander am Laufen gehabt, aber Mari stand schon mit siebzehn auf mich. Ich hatte sie damals über meine damalige Freundin kennengelernt und Marilyn hatte sich trotz der Freundschaft zu meiner Ex ziemlich bald nach der Trennung an mich rangeschmissen. Ihr Problem war, dass sie dazu neigte, mehrgleisig zu fahren, und so ließ ich sie abblitzen, mit der Begründung, sie solle doch lieber einem Jungen treu sein, anstatt sich in der Gegend herumzuhuren. Nach meiner selbstlosen Ansprache schaffte sie es tatsächlich, eine zweijährige Beziehung zu führen und ich sah sie erstmal nie wieder. Merkwürdigerweise verbot ihr damaliger Freund den Kontakt zu mir, obwohl ich verhindert hatte, dass sie ihn mit mir betrog. Komischer Vogel.

Marilyn war mir also inzwischen zu fett geworden, um mit ihr intim werden zu wollen. Allerdings hatte sie ihre kleine Schwester dabei, die für mich ganz und gar kein Fall zum von der Bettkante stoßen war. Im Gegensatz zu Marilyn war die Kleine sehr schlank gebaut und blondhaarig. Genau mein Typ. Außer vielleicht, dass sie im Vergleich zu Marilyn keine Schlampe war und man ihr das auch ansehen konnte. Aber darüber konnte ich in meinem stark alkoholisierten Zustand hinwegsehen.

Ich stellte mich mit Marilyn und ihrer Schwester an die Bar und bestellte drei Jacky-Cola. Meine überraschend zu sehr aufgegangene, alte Freundin drückte sich an mich und gab mir lustvoll einen „freundschaftlichen“ Kuss auf die Wange, als sich ein untersetzter, etwas pummeliger Mittzwanziger zwischen uns stellte. „Alles gut, ist nur ein alter Freund“, sagte sie zu ihm. Der Typ wechselte seinen Blick von misstrauisch-aggressiv zu bewundernd-interssiert und reichte mir seine Hand. Ich schüttelte sie, während er irgendwas laberte, das ich nicht ganz verstand, da es von der lauten Musik übertönt wurde. Dann zog er abgefertigt von dannen. „Das ist mein Freund“, informierte mich Marilyn. „Er ist ziemlich eifersüchtig.“ „Er wird seine Gründe haben“, antwortete ich Mari mit einem breiten Grinsen im Gesicht und meinem eiskalten Drink in der Hand. „Auf dicke Schwänze“, prostete ich ihr zu.

Ich wusste, dass sie ihren Freund sofort links liegen lassen hätte, wenn ich nur mit dem Finger geschnippst hätte, aber um unsere Gene zu vermischen, hätte ich ihre vermutlich minderjährige Schwester ficken müssen und die zeigte nicht das erhoffte Interesse. Wäre ja auch zu schön gewesen.

Nachdem wir eine Weile die Tanzfläche aufgemischt hatten, drehte ich eine Runde durch den Club, anschließend begab ich mich wieder zu meinen Freunden. Um schätzungsweise halb vier verließen wir den Laden sternhagelvoll, um uns in einer abgewrackten Rocker-Kneipe den Rest zu geben.

Dort trafen wir auf einen Typen, der mich zwei Stunden vorher bereits in der Disco damit zugeschwafelt hatte, was für ein krasser Kampfsportler er doch sei. „Ich hab hier gestern erst wieder einen zusammengeschlagen!“, hatte er voller Überzeugung vor mir geprahlt. Es war nicht das erste Mal gewesen. Der Junge hing jedes Wochenende in der Dorfdisco ab und neigte dazu, sämtlichen Leuten, den er begegnete, seine detailliert beschriebenen Geschichten von harten Streetfights und  Gewalttaten aufzudrängen. Nun war es an der Zeit, den Kerl endlich mal zu testen. „Zeig doch mal paar von deinen krassen Karate-Moves stichelte ich ihn an, als er mit mir, meinem Bruder, unseren Kumpels Schmitt und Maurer und unserer gemeinsamen guten Freundin Tammy die Bar verließ.

Der Kampfsportler zeigte sich unkooperativ: „Ich setze meine Tricks nicht zum Spaß ein. Mit einen gezielten Kick könnte ich jemanden töten!“ „Ach wirklich?“ Ich packte den  Kerl, der etwas kleiner und schmächtiger als ich war, und drückte ihn auf den Boden. „Wie willst du mich jetzt tottreten?“, fragte ich hämisch. Er hechelte nach Luft: „Lass mich los, so geht das nicht.“ Ich ließ von ihm ab, woraufhin er sichtlich geschockt aufsprang. „Willst du ´nen fairen Fight? Dann mach ich dich platt!“, behauptete er immer noch. Mein Bruder Chris kam hinzu. „Wen willst du Fotze plattmachen?“, fragte er lachend. „Pass bloß auf“, gab der Karatekämpfer zurück, „wenn du Stress willst, bist du bei mir an der falschen Adresse.“ Jetzt hatte ich genug. Ich packte mir den Typ ein zweites Mal und drückte seinen Kopf auf die vom aufgetauten Schnee nasse Straße. „Was willst du jetzt machen, du kleine Schlampe?“, giftete ich ihn dabei an. Der Kerl begann mit den Armen herumzufuchteln und zerkratzte mir das Gesicht. „Das sind deine Karate-Moves du kleiner Hurensohn?“ Ich drückte etwas fester zu, bis er keine Gegenwehr mehr gab, nach einer Minute ließ ich ihn los und gab ihm die Chance, aufzustehen. „Sie zu, dass du verschwindest, du Spast! Und hör auf, rumzuerzählen, dass du irgendjemandem aufs Maul haust“, gab ich ihm mit auf den Weg.

Kurz bevor die Sonne aufging, landeten Schmitt und ich mit Tammy in ihrem Bett. Nicht, dass da noch irgendwas gelaufen wäre. Tammy war eine gute Freundin, aber eigentlich eher wie ein Kumpel. Nicht mein Typ jedenfalls. Notgeil und besoffen wie ich war, fummelte ich zwar trotzdem an ihr herum und allem Anschein nach gefiel es ihr auch, sich von mir ihren Arsch und ihre dicken Titten begrabschen zu lassen, aber für eine kleine Gangbang-Session reichte es dann doch nicht. Schmitt, der in einer halbwegs monogamen Beziehung lebte und etwa eineinhalb Jahre vorher für ein paar Monate Tammys sauren Mösenschleim gekostet hatte, schlief sofort ein. Ich wackelte daraufhin ins Nebenzimmer, wo ich meinen Bruder weckte, um ihn darum zu beten, ein Taxi für uns zu rufen.

Als wir nach Hause kamen und ich todesdicht in mein Bett fiel, hatte sich in meinem dehydrierten Hirn - beziehungsweise dem, was davon noch übrig war – nur noch ein Gedanke breit gemacht: „Nie wieder!“ Nie wieder so viel Alkohol. Nie wieder in diese verschissene Dorfdisco, diesem Sammelbecken für Bauern-Abschaum. Und wenn wir das nächste Mal Familienbesuch im Haus haben, werde ich diesen unter gar keinen Umständen für einen schwachsinnigen Discobesuch sitzen lassen, sondern friedlich Zuhause trinken und den Erzählungen meines Cousins lauschen. Denn gegen das, was der erlebt hat, war diese Geschichte hier wieder einmal der reinste Kindergarten.



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Klemens_Fitte
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Beitrag06.01.2017 17:05

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

Robert Arnold Müller hat Folgendes geschrieben:
Denn gegen das, was der erlebt hat, war diese Geschichte hier wieder einmal der reinste Kindergarten.

Glaub ich sofort.


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