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Ich kann es nicht lassen...


 
 
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d.frank
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D

Alter: 44
Beiträge: 1129
Wohnort: berlin


D
Beitrag19.12.2016 22:44
Ich kann es nicht lassen...
von d.frank
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Mein schwer lädiertes Selbstwertgefühl hat mich dazu bewogen, einen zweiten und beendeten Text hier einzustellen. Ich halte mich nun aber mal damit zurück, um eine desillusionierende Einschätzung zu bitten.
Wer will, der soll. Allen Anderen hoffentlich viel Spaß.


Holger kratzt sich. Der Baumwollkragen seines roten T-Shirts scheint ihn zu würgen. Er spuckt neben den überfüllten Aschebehälter. Er darf nicht mehr in der Kammer rauchen.
Seitdem er dieses steife Shirt tragen muss, kommt er zuverlässig zu spät.
„Holger, wir müssen was tun! Ab jetzt musst du das hier anziehen!“
Das Shirt passt gar nicht. Es spannt und stinkt immer noch nach Plastik. Holger hat es nur einmal gewaschen und es ist eingelaufen. Überhaupt wäscht Holger nur selten. Dafür raucht er ständig. Und auch damit ist jetzt Schluss. Holger muss fegen, Scheiben einseifen, betanken und den Sauger leeren. Holger steht mit einem Bein auf dem Arbeitsamt. Mit dem Rest klammert er sich an die Kasse. Holgers Kasse. Holger ist zwar schmutzig, aber er ist ehrlich. Und Holger steht seit acht Jahren hinter der Kasse, abwechselnd mit den Zeiten, die er in der Kammer auf dem Schemel sitzt und sich in Rauchdunst hüllt.
„Holger!“, brüllt Hannes, es ist ja gerade niemand da. Hannes will mit dem Aufschwung. Er muss, weil das Gelb von Dellisch Öl an der Hauptabzweigung von einem riesigen Schild leuchtet.
Hannes konnte Holger noch keinen Lohn zahlen. Er hat ein rotes Schild bestellt. Und rote T-Shirts mit Aufdruck. Blaschmann ist falsch geschrieben, nur mit einem n. Holger findet, das ist ein Aufstand, wie damals als Sarah Rotblatt eine Cola kaufte. Das war eine Frau.
So eine hatte Holger vorher nur im Fernsehen gesehen. So eine mit duftenden Haaren und duftender Haut. Sogar der Geldschein hatte geduftet und Holger hatte ihn voller Andacht in das Extrafach seiner Kasse gelegt. Damals hatte Holger noch nicht so viel geraucht und die Kasse hatte Pling und pling und pling gemacht. Dann hatte Hannes sie ausgewechselt, weil er mit dem Aufschwung wollte.
Wenn so eine Frau eine Cola kaufte, da musste man doch gewappnet sein.
Holger hatte von Frau Rotblatt geträumt, wie sie das duftende Haar über seine nackte Brust streifte und dann hatte er waschen müssen. Holger hatte keine Maschine, noch immer nicht. Er wäscht nur selten. Er wollte sich mal eine kaufen, aber dann haben die in der Innenstadt einen Salon aufgemacht, der hat so große Trommeln, dass man alles auf einmal hineinbekommt. Das fand Holger sehr praktisch. Und jetzt hat er schon drei Plätze, wo er hingehen kann.
„Holger, jetzt komm!“ Hannes gibt keine Ruhe mehr. Er gibt einfach keine Ruhe. Holger drückt die zweite Zigarette in den Stummeligel. Er spuckt wieder. Hannes und sein rotes Schild. Er ist doch kein Hausmeister. Aber er merkt, dass mit Hannes irgendwas anders ist. Er kennt ihn schon seit der Schule. Seit er bei dem Wandertag im Freibad fast ertrunken wäre. Holgers Kraft lag schon von klein auf eher in den Muskeln und bei den Zahlen. Wenn er auch nichts versteht, die Zahlen, die kann er. Viele sind weggegangen. Aber Hannes ist geblieben, hat die Tankstelle von seinem Vater übernommen und seinem Retter einen Platz gegeben, eine Kasse. Holger liebt seine Kasse. Es gibt nicht viel, dass er liebt. Für drei Tage hatte er Frau Rotblatt geliebt. Das war eine Frau. Holger hatte noch nie eine solche Frau gerochen.
„Holger, sag mal bist du taub?“ Jetzt steht Hannes da, auf seinem Shirt lacht die Sonne. Eine Servicesonne, hat er gesagt. Die zeigt, wie strahlend der Service bei Polsen ist. Polsen lässt die Sonne aufgehen, weil Dellisch die Preise drückt. Holger fühlt sich, als hätte er eine Zielscheibe mitten auf der Brust. Er brummt. Er brummt öfter in letzter Zeit.
„Ich brauch Dich vorne! Die Säulen müssen poliert werden!“
Seit wann werden die Säulen poliert? Hannes hat das Schild aufgehangen. Da hängt Holgers Monatslohn, die Miete kann er dann nächste Woche bezahlen, hat Hannes gesagt. Irgendwie macht Hannes das immer mit dem Geld. Holger weiß nicht wie, aber die Miete, die kann er immer bezahlen. Holger ist ehrlich, selbst wenn er waschen muss, er hat noch nie etwas aus seiner Kasse genommen. Auch nichts, aus dem Behälter vom Sauger, nicht mal eine Cola in all den Jahren.
Und trotzdem so geht es nicht weiter, hat Hannes gesagt. Polsen lässt jetzt die Sonne aufgehen und Holger soll strahlen und nicht rauchen. Wenn er das nicht versteht, dann ist es aus mit seiner Kasse. Dann braucht er nicht mehr kommen. Dann holt sich Hannes einen Lehrling und bestellt ein rotes Shirt in Größe M. Holger poliert die Säulen. Er geht vor Hannes auf die Knie und streckt sich in die Nische. Sein T-Shirt scheint ihn zu würgen. Es würgt seinen großen Bauch und rutscht dann darüber hinweg unter die Brüste.
„Gott, Holger, so geht das nicht! Wenn ein Kunde das jetzt sieht! So geht das nicht!“, flucht Hannes und Holger zieht den Arm aus der Ritze. Er sollte doch polieren. Was ist jetzt falsch? Was ist denn nur mit Hannes los?
„Zieh dir doch die Hose hoch! Meine Güte, du quillst über deinen Bund, Holger. Da wird einem ja schlecht!“
Früher da hat Hannes nie so etwas gesagt. Alles nur wegen dem gelben Dellisch, nur wegen der gelben Sonnen. Holger macht doch seine Arbeit, er hat doch schon immer seine Arbeit gemacht. Er quält sich wieder nach oben und wartet. Aber dem Hannes, dem kann man es einfach nicht mehr recht machen. Er sagt jetzt nichts mehr. Er dreht sich um und geht in die Kammer, in der Holger nicht mehr rauchen darf. Dort setzt er sich. Er brütet. Holger kennt dieses Gesicht. Er weiß, was es bedeutet, wenn Hannes die Finger an seiner Stirn reibt. Er kennt ihn jetzt lange genug, schon seit der Schule. Holger setzt sich gegenüber. Er darf nicht rauchen, aber einen Kaffee kann er aufsetzen. Ein Kaffee wird ihnen guttun. Über der Maschine hängt die alte Pinnwand und daran die alten Fotos. Hannes und Holger standen mal Arm in Arm wie Kumpels. Holger hat kaum auf das Bild gepasst. Und da ist auch der Zeitungsartikel. Hannes hat ihn extra ausgeschnitten und eingerahmt. „Sarah Rotblatt fährt an der Tankstelle vor. Glamour bei Polsens.“
Was ist denn Glamour, hatte Holger gefragt. Das ist Prunk und Glitter, das ist eine duftende Frau mit duftenden Geldscheinen, das bringt uns Publicity und Kunden. Was Publicity ist, das hatte Holger auch gefragt. Aber Hannes hatte nur gestrahlt wie die Servicesonne. Es war der größte Tag in ihrer Tankstellengeschichte und Hannes hatte Holger erklärt, dass Frau Rotblatt den Mittelstand unterstützt. So was nennt man Marketing, wenn eine duftende Frau eine Cola kauft.
Man nennt es Marketing, wenn von T-Shirts die Farbe stinkt. Und jetzt ist es wohl Marketing, dass Hannes stöhnt, sich streckt und dabei die Arme vor seiner Sonne verschränkt.
„Gut, Holger, jetzt muss es raus. Ich habe hin und her überlegt.“
Holger rutscht die Filtertüte aus den Händen. Sie segelt in die Spüle und saugt sich dunkelbraun. Er weiß, was jetzt kommt, so blöd ist er nicht. Er kennt Hannes schon aus der Schulzeit.
„Das funktioniert nicht mehr mit uns beiden.“
Holger versteht kaum was. Es rauscht plötzlich in seinen Ohren, als stünde er in der Brandung.
„Die Liane, die Tochter von Willkes hat sich bei mir beworben.“
Jetzt sieht Holger auch das T-Shirt. Er dachte vorhin, es wäre eine Nummer größer, weil die einlaufen, wenn man sie wäscht. Es ist noch in der Verschweißung, aber er kann trotzdem den Aufdruck lesen: Polsens lässt die Sonne für sie aufgehen.
Und darunter, so klein, dass Holger die Augen zusammenkneift: Es bedient sie Frau Willkes.
Holger ist nicht wütend, die ganze Zeit schon hat er es geahnt. So blöd ist er nicht und Hannes redet weiter, was von frischem Wind und Kosteneinsparung und was von der Wirkung, die hübsche Damen auf die Kundschaft haben. Holger kocht jetzt keinen Kaffee. Der Baumwollkragen scheint ihn zu würgen. Und was ist mit seiner Kasse? Es gibt nicht viel, was er liebt, aber seine Kasse...
„Du kannst ja noch herkommen“, sagt Hannes, „Du kannst ja noch fegen und den Müll wegtragen, ganz in aller Frühe, vorm Berufsverkehr.“
Holger starrt auf die Pinnwand. Er hat kaum auf das Bild gepasst und jetzt passt er nicht mehr auf die Tankstelle.
„Du musst dann zum Arbeitsamt und dich da melden, Holger! Ich mache dir die ganzen Papiere fertig und die musst du unterschreiben und dann da abgeben. Die zahlen dann deine Miete.“ Hannes redet und redet. „Hast du gehört, Holger?“
Holger hört es rauschen. Er nimmt seinen blauen Rucksack, den, den er mal von Hannes geschenkt bekommen hat. Das Werbegeschenk von der Zeitschrift, auf der immer die hübschen Damen abgebildet sind. Hannes sagt noch was von: Wir reden da morgen in Ruhe drüber, Holger. Denk erst mal drüber nach! Du kannst ja dann morgen früh trotzdem kommen, aber Holger geht aus der Kammer. Er muss nach Hause und nachdenken.

Draußen scheint die Sonne so aufmunternd, dass Familie Fiedrich mal wieder am Grillen ist. Sie lachen und lärmen und der Fleischgeruch würgt Ilonas Laune. Sie hat schon letztes Jahr eine Eingabe geschrieben, aber der Vermieter hat noch immer nicht reagiert. Ilona sitzt hinter ihren Geranien und trinkt Instantkaffee. Der Junge, den sie für seine Gesellschaft bezahlt, hat ihr heute Morgen die Zeitung gebracht. Ilonas papierener Draht zur Außenwelt, ohne die Zeitung hätte sie wohl sogar den Irakkrieg verschlafen. Der Junge versteht ja nichts von solchen Dingen. Er bringt die Zeitung und kauft ein und erzählt ihr manchmal von seiner Fünf in Mathe. Ilonas Rechnungen gehen automatisch vom Konto ab.
Sandro hat ihr solch Daueraufträge eingerichtet. Jetzt merken es nicht mal mehr die Haie, wenn sie sterben würde, und Sandro ist vor zwei Jahren ausgewandert.
Ilona hat es schon bis zur Mitte geschafft. Ihre Augen sind nicht mehr das Beste. Sie liest mit einer Lupe. Nur Mord und Totschlag schaffen es auf die Titelseiten oder Schmutziges, halb nackte Frauen. Zu ihrer Zeit hätte es so etwas nicht gegeben. Dem Regionalteil ist nur eine Seite vorbehalten.
Ilona bleibt an einem Artikel hängen:
„Feuer bei Polsens, Tatumstände noch ungeklärt“
Ist das nicht diese kleine Tankstelle? Ilona schwelgt in Erinnerung. Es scheint eine Ewigkeit, dass sie damals einmal selbst in der Zeitung war. Ja, genau an dieser Tankstelle hatten sie die meisten Fotos gemacht, weil das Licht so schlecht stand. Ilona mit langem, blondem Haar und rotem Kleidchen. Die Dose hat sie neben das Gesicht halten sollen.
Die hatten gewollt, dass sie sich Sarah nennt. Ilona wäre kein Name für eine Schönheitskönigin. Sie hatte alles getan, was die wollten. Es gab so viel Geld und die ganze Anerkennung, aber im nächsten Jahr gewann eine Miriam Dolsch den Wettbewerb. Die war jung und unverbraucht und Ilona hatte vom Trubel graue Schatten unter den Augen und sie neigte schon immer zu Pölsterchen, wegen der Gene. So sind die Menschen, denkt sie müde und schlägt ihre Zeitung zu, so sind sie und werden sie bleiben.

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Dmitrij
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Alter: 50
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Beitrag20.12.2016 00:30
Re: Ich kann es nicht lassen...
von Dmitrij
Antworten mit Zitat

Liebe Diana,

bin positiv überrascht darüber, wie vielfältig dein Schreibrepertoire ist. Deine erste Geschichte könnte ich nicht kommentieren, weil du dafür sowieso auf eine nachhallende Resonanz gestoßen bist. Es war sehr schwer für mich aufgrund eines kurzen Textfragmentes deine schriftstellerische Fähigkeiten einzuschätzen. Jetzt habe ich eine weitere Erzählung von dir als Referenz.

Ich las es mit großer Neugier und die wurde gestillt Laughing  Mir persönlich gefehlt diese flüssige Erzählungsweise. Ich mag deinen kinästetischen Protagonisten und ich könne sehr leicht eine Empathie für ihn aufbringen. Er erinnerte mich an meinen Zwillingsbruder. Die kurzen und schlüssigen Gedankengänge passen ganz gut zu Holger. Besser kann ich es bei aller Mühe nicht hinbekommen.
  
Ich habe nur über ein paar Stellen in deinem Text gestolpert:

d.frank hat Folgendes geschrieben:
  Dann hatte Hannes sie ausgewechselt, weil er mit dem Aufschwung wollte.

Ich habe erst nach dem zweiten Leseversuch verstanden, dass du damit die Kassenschublade gemeint hast.

 
d.frank hat Folgendes geschrieben:
  wie sie das duftende Haar über seine nackte Brust streifte und dann hatte er waschen müssen.

Was hatte er waschen müssen? Verstehe ich richtig, dass er sogar in seinem Traum seinen Arbeitspflichten nachgehen muss?

  
d.frank hat Folgendes geschrieben:
Holger hatte keine Maschine, noch immer nicht. Er wäscht nur selten. Er wollte sich mal eine kaufen, aber dann haben die in der Innenstadt einen Salon aufgemacht, der hat so große Trommeln, dass man alles auf einmal hineinbekommt.

hier verstehe ich den Zusammenhang zwischen der Maschine und den großen Trommeln nicht. Meinst du mit einer Maschine eine Waschanlage?

d.frank hat Folgendes geschrieben:
Ilona hat es schon bis zur Mitte geschafft. Ihre Augen sind nicht mehr das Beste.
  Hier habe ich zweideutig verstanden. Ich denke, sie hat geschafft die Zeitung bis zur Mitte zu lesen. Oder hast du gemeint, dass sie es bis zur Mitte ihres Lebens geschafft hat?

Von o.g. Kleinigkeiten abgesehen, habe ich diese berührende und lebendige Geschichte ganz gerne gelesen. Die  Ilona ist eine Klasse in sich! Ich mag diese Verknüpfung von Holger zu dieser ehemaligen Schönheitskönigin Sarah (fast genau so theatralisch wie Sarah Bernhard).

Liebe Grüße,
Dmitrij


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Selbst wenn du ein überzeugter Optimist bist, unterschätze niemals all die pessimistisch denkenden Menschen;-)
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Stefanie
Reißwolf


Beiträge: 1735



Beitrag20.12.2016 00:31

von Stefanie
Antworten mit Zitat

Der Text wirkt ganz anders als der erste.
Ich hatte anfangs Probleme mich zurechtzufinden. Es wäre einfacher, wenn von Anfang an klar wäre, dass es um eine Tankstelle oder Autowaschanlage geht. Habe, als das klar wurde, nochmal von vorne gelesen, dann machte es auf einmal Sinn. Die meist sehr kurzen Sätze, die wohl Holgers schlichtes Gemüt zeigen sollen, sind aber auf Dauer etwas ermüdend, weil es so abgehackt wirkt. Ein etwas flüssigerer Erzählstil würde mir besser gefallen.

Die überraschende Wendung am Ende und der Perspektivwechsel sind prima! Vor allem, wie aus der Alltagsszene heraus klar wird, was geschehen ist, ohne es klar auszusprechen. Hier wird super Kopfkino erzeugt. Daumen hoch²
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Selanna
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Wohnort: Süddeutschland


Beitrag20.12.2016 12:28

von Selanna
Antworten mit Zitat

Hallo Diana,

Du kannst es nicht lassen? Wunderbar!!! Wink

Zitat:
Er darf nicht mehr in der Kammer rauchen.
Seitdem er dieses steife Shirt tragen muss, kommt er zuverlässig zu spät.

Dass das so unzusammenhängend nebeneinandersteht, soll auf Holgers unzusammenhängende Gedanken hinweisen, oder?
 
Zitat:
Holger steht mit einem Bein auf dem Arbeitsamt.

Kann jetzt „süddeutsch“ sein, aber ich würde eher „im“ Arbeitsamt sagen. Aber auch deswegen, weil es sich dann noch mehr nach „mit einem Bein im Sarg stehen“ anhört Wink
Zitat:
Mit dem Rest klammert er sich an die Kasse.

Bin mir nicht sicher, ob ich die Formulierung glücklich finde. Ein Bein - und dann der Rest. Würde man den gesamten Körper ohne das Bein, das auf dem Arbeitsamt steht, als Rest bezeichnen?
Zitat:
Holgers Kasse. Holger ist zwar schmutzig, aber er ist ehrlich. Und Holger steht seit acht Jahren hinter der Kasse, abwechselnd mit den Zeiten, die er in der Kammer auf dem Schemel sitzt und sich in Rauchdunst hüllt.

Der Absatz gefällt mir!
 
Zitat:
Hannes will mit dem Aufschwung. Er muss, weil das Gelb von Dellisch Öl an der Hauptabzweigung von einem riesigen Schild leuchtet.

Beide Sätze, sowohl einzeln als auch im Zusammenhang, kapier ich nicht.
 
Zitat:
Holger hatte von Frau Rotblatt geträumt, wie sie das duftende Haar über seine nackte Brust streifte Komma und dann hatte er waschen müssen.

Der arme Kerl. Erotische Tagträume sollten nicht mit Hausarbeit enden Wink
Zitat:
Es gibt nicht viel, dass das er liebt.

Zitat:
Für drei Tage hatte er Frau Rotblatt geliebt.

Holger liebt Frau Rotblatt und eine Kasse. Erinnert mich an Heine, dessen Passion war „Liebe, Wahrheit, Freiheit und Krebssuppe“ Very Happy



Zitat:
Du kannst ja dann morgen früh trotzdem kommen, aber Holger geht aus der Kammer.

Hier geht die wörtliche Rede direkt in den Erzähltext über.
Zitat:
Sandro hat ihr solche

Zitat:
Ihre Augen sind nicht mehr das Beste.

Die besten?

Ganz ehrlich: Gefällt mir gut, wesentlich besser als Deine Textprobe!
Natürlich alles subjektiv Wink

Liebe Grüße
Selanna


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Nur ein mittelmäßiger Mensch ist immer in Hochform. - William Somerset Maugham
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d.frank
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Beitrag21.12.2016 01:58

von d.frank
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Dmitrij,

Zitat:
bin positiv überrascht darüber, wie vielfältig dein Schreibrepertoire ist.


Das überrascht mich nicht (Großkotz an), ich hätte auch noch ein Märchen, ein paar Krimis und jede Menge Kurzgeschichten im Angebot. wink

Großkotz aus:
Was ist ein kinästetischer Protagonist?

Zum Ton:
Ich schreibe des Öfteren aus der Sicht Gestrandeter, vielleicht, weil ich selbst einer bin!? Möchte ich jetzt hier gar nicht abstreiten.

Zitat:
Dann hatte Hannes sie ausgewechselt, weil er mit dem Aufschwung wollte.

Ich habe erst nach dem zweiten Leseversuch verstanden, dass du damit die Kassenschublade gemeint hast.


Eigentlich meinte ich die ganze Kasse, also von der mit der "plingenden" Schublade auf ein Modell mit Digitalanzeige.

 
Zitat:
wie sie das duftende Haar über seine nackte Brust streifte und dann hatte er waschen müssen.

Was hatte er waschen müssen? Verstehe ich richtig, dass er sogar in seinem Traum seinen Arbeitspflichten nachgehen muss?


lol2....eigentlich hatte ich die Bettwäsche gemeint. Holger ist ziemlich unbedarft in Sachen Frauen, da kann einem auch im Erwachsenenalter mitunter noch ein Malheur passieren.

Zitat:
Holger hatte keine Maschine, noch immer nicht. Er wäscht nur selten. Er wollte sich mal eine kaufen, aber dann haben die in der Innenstadt einen Salon aufgemacht, der hat so große Trommeln, dass man alles auf einmal hineinbekommt.

hier verstehe ich den Zusammenhang zwischen der Maschine und den großen Trommeln nicht. Meinst du mit einer Maschine eine Waschanlage?


Nein, eine Haushaltswaschmaschine, deren Trommel viel weniger Kilogramm Wäsche fasst, als die Industriegeräte in einem Waschsalon.

Zitat:
Ilona hat es schon bis zur Mitte geschafft. Ihre Augen sind nicht mehr das Beste.
  Hier habe ich zweideutig verstanden. Ich denke, sie hat geschafft die Zeitung bis zur Mitte zu lesen. Oder hast du gemeint, dass sie es bis zur Mitte ihres Lebens geschafft hat?


smile...das ist ja auch interessant, dass Du das zweideutig verstehst! Ich habe tatsächlich die Zeitung gemeint. Aber wie du das jetzt so erwähnst, fällt mir ein großer Logikfehler auf!
Denn ich habe Ilona tatsächlich als betagte Frau auftreten lassen, während sie doch eigentlich in etwa Holgers Alter haben, wenn nicht sogar jünger sein müsste...
Oder hast Du mir das hiermit durch die Blume sagen wollen?

Zitat:
Von o.g. Kleinigkeiten abgesehen, habe ich diese berührende und lebendige Geschichte ganz gerne gelesen. Die  Ilona ist eine Klasse in sich! Ich mag diese Verknüpfung von Holger zu dieser ehemaligen Schönheitskönigin Sarah (fast genau so theatralisch wie Sarah Bernhard).


Vielen Dank! Du hattest also Spaß smile Aber was genau willst du mir mit dem Vergleich zur Bühnendramaturgin sagen?
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Dmitrij
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Beitrag21.12.2016 11:58

von Dmitrij
Antworten mit Zitat

Liebe Diana,
vielen Dank, dass du alle meine Fragen so geduldig und ausführlich beantwortet hast. Manchmal, habe ich Fragen zu den Tatsachen, welche anderen Lesern meistens offensichtlich vorkommen.
Mit einem kinästetischen Protagonisten habe ich gemeint, dass Holger, seiner Wahrnehmung nach zu beurteilen, ganz eindeutig zu dem kinästetischen Typen gehört. Eine gute Beschreibung darüber habe ich auf dieser Seite gefunden:
http://www.landsiedel-seminare.de/nlp-bibliothek/practitioner/p-02-03-vorstellung-der-drei-typen.html
Diese grobe Einteilung der Menschen nach ihrem Wahrnehmungsvermögen, hilft mir am meisten bei der Charaktere-Beschreibung Smile

d.frank hat Folgendes geschrieben:
Ilona hat es schon bis zur Mitte geschafft

Wegen der Zweideutigkeit, wollte ich nur nachfragen, was du damit tatsächlich gemeint hast. Ich kann solche Sachen nicht auf Anhieb verstehen. Vielleicht liegt es an mir selbst, vielleicht denke ich viel zu viel nach Shocked
d.frank hat Folgendes geschrieben:

 Aber was genau willst du mir mit dem Vergleich zur Bühnendramaturgin sagen?

Ah, diese Frau hieß in Wirklichkeit Marie Henriette Rosine, musste sich wahrscheinlich aus demselben Grund wie deine Ilona einen anderen Vornamen aneignen Laughing
PS: außerdem "Sarah Rotblatt" klingt fast wie ""Sarah Bernhard".


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d.frank
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Beitrag21.12.2016 19:27
Hallo Stefanie...
von d.frank
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Zitat:
Es wäre einfacher, wenn von Anfang an klar wäre, dass es um eine Tankstelle oder Autowaschanlage geht. Habe, als das klar wurde, nochmal von vorne gelesen, dann machte es auf einmal Sinn.


...dann wirst du mit meinen Texten im Allgemeinen leider wenig Freude haben. Ich schreibe, wie ich lese, und vertrete die Auffassung, dass ein Text den Leser auch fordern sollte. Ich mag keine Bücher, die mir alles hübsch geschält und gestückelt servieren. Ich mag offene Fragen, zu denen ich mir meine eigenen Gedanken machen kann, und ich mag Verwirrung, die sich erst beim Lesen klärt. Diese Zutaten ziehen mich für gewöhnlich erst hinein in eine Geschichte.

Zitat:
Die meist sehr kurzen Sätze, die wohl Holgers schlichtes Gemüt zeigen sollen, sind aber auf Dauer etwas ermüdend, weil es so abgehackt wirkt. Ein etwas flüssigerer Erzählstil würde mir besser gefallen.


Das mag sein, aber es passt eben einfach zu Holger.  In diesem Stil habe ich eine ganze Weile geschrieben, immer aus der Sicht typischer Randgruppenfiguren und am Leben Gescheiterter. Ich habe eine Art Schwäche für diesen Schlag Mensch, dürfte ich schon erwähnt haben, oder? wink

Zitat:
Die überraschende Wendung am Ende und der Perspektivwechsel sind prima! Vor allem, wie aus der Alltagsszene heraus klar wird, was geschehen ist, ohne es klar auszusprechen. Hier wird super Kopfkino erzeugt. Daumen hoch²


Hm, die Geschichte ist schon etwas älter. Ich habe sie vor ein paar Tagen aus der Schublade gekramt und ungesehen hochgeladen. Mir selbst gefällt der Absatz mit Ilona immer weniger. Er schlägt zwar einen guten Bogen, aber irgendwie wirkt er auch bemüht und enthält einen peinlichen Logikfehler.
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d.frank
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D
Beitrag22.12.2016 00:45

von d.frank
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Hallo Selanna,

Zitat:
Du kannst es nicht lassen? Wunderbar!!!


Dieser Kommentar lässt sich kaum fehlinterpretieren, und das lasse ich jetzt ganz stolz auch einfach mal so stehen. wink



Zitat:
Dass das so unzusammenhängend nebeneinandersteht, soll auf Holgers unzusammenhängende Gedanken hinweisen, oder?

 
Ja


Zitat:
Holger steht mit einem Bein auf dem Arbeitsamt.

Kann jetzt „süddeutsch“ sein, aber ich würde eher „im“ Arbeitsamt sagen. Aber auch deswegen, weil es sich dann noch mehr nach „mit einem Bein im Sarg stehen“ anhört Wink


Aber das klingt doch seltsam! Steht mit einem Bein im Arbeitsamt...
Naja, obwohl, wenn es jetzt so da steht...lol2


Zitat:
Mit dem Rest klammert er sich an die Kasse.

Bin mir nicht sicher, ob ich die Formulierung glücklich finde. Ein Bein - und dann der Rest. Würde man den gesamten Körper ohne das Bein, das auf dem Arbeitsamt steht, als Rest bezeichnen?


Ich weiß nicht.  Ich mag diesen Absatz auch nicht so hundertprozentig.
Du wirst lachen: Als ich den Text kurz überflogen habe, um ihn hier einzustellen, stand dort: Mit dem Anderen (Bein) klammert er sich an die Kasse! lol2 lol2

Zitat:
Holgers Kasse. Holger ist zwar schmutzig, aber er ist ehrlich. Und Holger steht seit acht Jahren hinter der Kasse, abwechselnd mit den Zeiten, die er in der Kammer auf dem Schemel sitzt und sich in Rauchdunst hüllt.

Der Absatz gefällt mir!


Mir auch! Aber der Ton verrutscht hier. Es klingt nach auktorialem Erzähler.
 

Zitat:
Hannes will mit dem Aufschwung. Er muss, weil das Gelb von Dellisch Öl an der Hauptabzweigung von einem riesigen Schild leuchtet.

Beide Sätze, sowohl einzeln als auch im Zusammenhang, kapier ich nicht.

 
An der Hauptabzweigung hat eine neue Tankstelle (Kette, Franchise, hoher Werbeetat) aufgemacht und wirbt Polsens die Kunden ab.

Zitat:
Der arme Kerl. Erotische Tagträume sollten nicht mit Hausarbeit enden


lol2

Zu den Fehlern:
Ich habe auch noch einige gefunden...
Puh, ähm, tja...wink



Zitat:
Ganz ehrlich: Gefällt mir gut, wesentlich besser als Deine Textprobe!
Natürlich alles subjektiv


Aber vielleicht würde dir das Buch, aus dem die Textprobe stammte, im Ganzen doch noch gefallen können....?


Liebe Grüße zurück und danke für´s Lesen. smile
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Selanna
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Beitrag22.12.2016 11:08

von Selanna
Antworten mit Zitat

Jaja, ich bin scheinbar mehr der Erklärbär. Und wenn dann jemand ganz subtil mit "Dellisch Öl" kommt, versteh ich's nicht Rolling Eyes

Gern geschehen, da gern gelesen Wink


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