Die Diät

[Cholyrika]

Die Diät


Seit über 10 Jahren wog ich bei 1,89 m, ca 100 kg. Mich hat das nie gestört.
Warum auch. Ich neigte nicht nur Fettleibigkeit und mein Körper war so proportioniert, dass das weibliche Geschlecht durchaus gesteigertes Interesse daran zeigte.
Wenn da nicht in den letzten Monaten im Bereich der Hüften ein Stück Fleisch meinen Körper besetzt hielt, das seitdem begann ein Eigenleben zu führten.
Nicht nur das, sondern zusätzlich schien es sich zu vergrößern. Scheinbar animierte es andere Bereiche meines Körpers sich mit ihm zu verbünden.
Die Areale wurden größer. Meine Hüfte schrie danach autonom zu leben und forderte die anderen Regionen zum Föderalismus auf. Mit Erschrecken und ein wenig Wut hatte ich zur Kenntnis genommen, dass mein Bauch schon Mitglied dieses Bündnisses war.
Er schien noch unentschlossen zu sein, aber er konnte mir nichts vormachen, ich hatte ihn an die Aufständischen verloren.

Also war Handlungsbedarf angesagt. Durch meine liebe Ehefrau waren mir einige Diäten bekannt. Nach kurzer Überlegung und mehreren Tagen Suche im Internet entschloss ich mich jedoch zur radikalsten und unmenschlichsten aller Diäten. Ich beschloss Sport zu treiben.
Mein Plan sah vor, dass ich jeden Morgen vor der Arbeit eine halbe Stunde joggen wollte. Das waren dann bei einer durchschnittlichen 6-Tage-Woche, drei Stunden Sport. Der Kalorienverbrauch sollte ausreichen, einige der aufständischen Körperzellen zu Raison zu bringen und sie zur Aufgabe zu zwingen. Zusätzlich plante ich meine Ernährung komplett umzustellen. Anstatt der ganzes Leckereien, sollte es Gesundes geben. Also Obst, Gemüse und halt die anderen Dinge, von denen die Leute immer reden, wenn sie über eine ausgewogene Ernährung redeten.
Ich beschloss ein Tagebuch darüber zu führen, um der Nachwelt ein Dokument des Kampfes zu hinterlassen.

06.01.2016 - 19.30 Uhr .
Heute war der erste Tag meinen Trainingsplanes. Ich stand um 5.00 Uhr auf, um meine kleine Runde zu drehen. Meine Motivation war hoch, aber ich musste feststellen, dass ich nicht über das nötige Equipment wie Laufschuhe, Jogginganzug etc. verfüge. Darum beschloss ich, dass Training am nächsten Tag aufzunehmen und mir erst einmal die Sachen am Nachmittag zu besorgen. Ebenso entschied ich, heute auch meine Ernährung noch nicht umzustellen. Wenn ich anfange, dann sollte der Plan 1:1 umgesetzt werden und nicht nur zu Hälfte. Ich wiege exakt 101,50 kg. Die nächste Gewichtskontrolle werde ich am nächsten Montag vornehmen.

07.01.2016 - 18.00 Uhr
Ich habe mir gestern die erforderlichen Sachen gekauft. Zu den Schuhen und dem Jogginganzug empfahl mir der nette Verkäufer ein umschnallbares Pulsmessgerät, Schweißbänder und Reflektoren. Also die Reflektoren, weil ich ja so früh morgens laufen wollte und da sei es besser ( aufgrund der Lichtverhältnisse ) dass ich von Autofahrern gesehen werde. Das Training beginne ich erst morgen, weil ich ziemlich fertig bin, durch die ganze Hetze gestern. Meine Frau beobachtet misstrauisch was ich vorhabe, spricht mir aber Mut zu. Warum eigentlich? Ich brauche keinen Zuspruch, ich bin weder fett, noch in irgendeiner anderen Weise zuspruchbedürftig.
Morgen geht es los. Ich freue mich.

08.01.2016 - 20.30 Uhr
Heute morgen bin ich wieder um 5.00 Uhr aufgestanden. Ich schlüpfte in mein Sportoutfit und joggte los. Nach drei Minuten war ich am Ende und musste aufhören. Sehr wahrscheinlich muss ich die Zeit langsam steigern. Dafür hat das mit dem Essen recht gut geklappt. Ich aß am Morgen zwei Äpfel und Mittags einen gemischten Salat. Den Hunger am Abend vertrieb ich mit einer XXL-Pizza. Na ja, dass kriege ich auch noch in den Griff. Meine Frau sagte, ich sollte die Cola weglassen. Ich denke, dass man nicht auf alles verzichten muss. Wenigstens Cola sollte ich mir weiter gönnen.

09.01.2016 - 21.00 Uhr
Nach einer Woche das erste Mal auf der Waage: 102,00 kg. Mein Gewicht bleibt relativ stabil. Das ist ein Teilerfolg. Ich bin die letzten Tage nicht gelaufen, weil ich mir wohl am Montag eine kleine Verletzung zugezogen habe. Jedenfalls schmerzt meine Wade.
Da ich dadurch keine weiteren Aktivitäten vollbringen konnte, habe ich normal gegessen und mich nur darauf beschränkt, nicht nach 23.00 Uhr zu essen. Aber das war kein Problem, weil ich um diese Zeit nie was esse. Meine Frau meint, ich würde mich selbst betrügen. Sie hat keine Ahnung. Wenn ich mir was vornehme, dann setze ich dass auch um. Morgen geht es weiter.

14.01.2016 - 22.00 Uhr
Joggen ist definitiv nicht mein Sport. Drei Minuten durchgehalten, dann erneut aufgegeben. mein Herz raste wie verrückt und ich hatte kalten Schweiß auf der Stirn. Die Frage, die sich mir aufdrängt ist die, dass ich nicht weiß, warum mein Gewicht nicht in Ordnung sein sollte. Arnold Schwarzenegger hatte teilweise 115 kg. Da hat auch kein Hahn nach geschrien. Aber ich gebe nicht auf. Ich werde mein Augenmerk auf die Ernährung richten. Heute nicht auf der Waage gewesen. Habe keine Lust mich verrückt zu machen. Morgen werde ich mir die erforderlichen Lebensmittel kaufen und sie pedantisch auf die ganze Woche aufteilen. Bestelle mir jetzt noch eine Kleinigkeit beim Chinesen und gehe dann schlafen.

27.01.2016 - 6.00 Uhr
Die letzten zwei Wochen waren die Hölle. Ich habe fast nichts gegessen und fühle mich ausgelaugt und leer. Für die ganz extremen Momente der Entbehrung habe ich mir ein Versteck angelegt, in dem ich Süßigkeiten, Nüsse und Chips aufbewahre. Diese Reserven lassen mich überleben. Das Problem ist nur, dass ich erst ab 23.00 Uhr an diese Sachen komme, weil meine Frau dann in der Regel schlafen geht. Nicht, dass ich mir komisch vorkommen würde, wenn sie es sieht, aber manchen Diskussionen gehe ich lieber aus dem Weg. Mein Gewicht war vor einer halben Stunde 101,5 kg. Endlich ein kleiner Erfolg, wenn auch nur ein halbes Kilo. Obwohl ich vor drei Wochen das gleiche gewogen habe, ist es heute anders einzuordnen, weil ich es durch bewusste Ernährung geschafft habe. Langsam geht mir aber die Luft aus. Nun gut, wer A sagt muss auch B sagen. Ich ziehe es weiter durch, egal was passiert.
Meine Frau fragte in den letzten Tagen immer wieder wie viel ich schon abgenommen hätte, weil man irgendwie nichts sehen würde. Ich liebe sie, aber ihre Ignoranz fängt an mich zu nerven. Was meint sie eigentlich wie schnell das alles geht? Aber wer zuletzt lacht, lacht am besten. Sie wird es erleben.

02.02.2016 - 18.00 Uhr
Heute Abend feiere ich in meinen 46. Geburtstag hinein. Meine Diät hat Pause. Ich werde zum Teufel nicht an meinem Geburtstag auf Grillfleisch und Whiskey-Cola verzichten. Im übrigen habe ich ja die letzten Wochen genug gelitten. Heute darf ich wieder Mensch sein, heute hat mich das normale Leben wieder. So, ich höre heute mal auf, es hat geschellt, die ersten Gäste sind da.

03.02.2016 - 15.00 Uhr
Habe einen Kopf wie ein Rathaus. meine Güte war das ein geiler Abend. Wir haben bis 3.00 Uhr morgens gefeiert, getrunken und gegessen. War eben auf der Waage. Sie zeigt 102,5 kg. Aber das wusste ich ja vorher. Was soll’s. heute Mittag noch ein bisschen Kuchen mit der Familie und dann wieder gesundes Essen. Man kann es ja kombinieren. Mich jedenfalls stört es nicht. Ab Montag heißt es dann: Auf ein Neues.
Bis zum 25.05. möchte ich gerne unter 100 kg sein. das wäre ein Erfolg und ich hätte mir nichts vorzuwerfen. Eigentlich habe ich mir sowieso nichts vorzuwerfen. Ich arbeite meistens 14 Stunden am Tag. Wie soll ich dass denn schaffen, wenn ich nicht zwischendurch wenigstens mal vernünftig esse?

06.02.2016 - 21.00 Uhr
Nun genau einen Monat Diät durchgezogen. Gewicht: 103,5 kg. Mein Geheimversteck ist aufgebraucht. Ich habe Kollegen beauftragt mir ein paar neue Sachen zu kaufen und sie mir unauffällig bei ihrem nächsten Besuch zu übergeben. Meine Frau findet dass ich dicker geworden bin und fragt ob ich noch diäte. Ich habe sie nur angelächelt und ihr gesagt, sie solle sich um ihren eigenen Scheiß kümmern. Wird ja immer doller. Muss ich jetzt schon Rechenschaft ablegen, was ich mache und wann? Das fehlt mir auch noch. Mir stellt sich sowieso die Frage, was sie will. Ich dachte, sie hat mich geheiratet, weil sie mich liebt und nicht weil ich ein bestimmtes Gewicht habe. Aber scheinbar habe ich mich getäuscht. Also, ich brauche sie nicht. Entweder man liebt mich wie ich bin, oder halt gar nicht, Sie muss sich langsam entscheiden. Vielleicht sollte ich einfach meine Diät abbrechen, wenn sie Mittelpunkt meiner Ehe wird. So wichtig ist das ganze auch wieder nicht. Aber ich mache jetzt noch die letzten drei Wochen weiter. Für mich, nur für mich.

15.02.2016 - 20.00 Uhr
Die neuen Hosen und Hemden, die ich mir gestern gekauft habe kaschieren meinen Körper so gut, dass ich das erste mal seit langer Zeit wieder mit guter Laune durchs Leben gehe. Ich esse nur noch auswärts. Meine Frau weigert sich meine ( so wie sie es nennt ) Fresssucht zu unterstützen. Sie sagt, entweder ich esse den Salat, den sie mir macht, oder gar nichts. Okay, kann sie haben. Ich habe meine Diät im Griff, aber nicht mit Erpressung. Ich esse Mittags jetzt unten in der Döner-Bude. Hähnchendöner ist kalorienarm und schmeckt. Also, was soll’s. Abends noch schnell einen kleinen Snack beim Griechen und fertig. Das ganze hat übrigens den Vorteil, dass ich nichts einkaufen muss und die Portionen immer die gleichen Größe haben. Den durch diese Umstellung angefallene Gewichtserhöhung auf 106 kg habe ich zur Kenntnis genommen, weiß aber auch, dass sich das ganze schnell relativieren wird und eine Gewichtsabnahme durch das nun regelmäßige Essen vorprogrammiert ist.

18.02.2016 - 19.00 Uhr
Mein Kollege Manfred streichelt sanft meinen Bauch und fragte im wievielten Monat ich bin. Ich hasse sie, diese alten Witze, besonders dann, wenn jemand sie macht, der nicht die Bohne weiß wovon er redet. Manfred, das ist der Inbegriff des Sportes. Zwei mal die Woche Tennis, Sauna und Joggen. Unverheiratet, keine Kinder, leitender Angestellter. Was weiß er schon? Nichts.
Die Waage zeigte heute morgen 108 kg. Mich überkommt langsam das Gefühl, das meine Diät scheitern könnte. Vielleicht ist es aber auch nur der Stoffwechsel, der sich an die veränderten Gegebenheiten gewöhnen muss. Ich verspüre ein vernichtendes Hungergefühl, will aber nicht einbrechen. Meine Geheimreserven sind wieder erschöpft. Kollegen bringen nichts mehr vorbei, seit meine Frau ihnen Hausverbot erteilte. Ich bin am Ende, fühle mich wie ein Junkie. Jetzt eine Curry-Wurst, eine banale, leckere Curry-Wurst. Aber ich muss mich zusammenreißen, sonst wird das alles nichts mehr. Mein Wille ist noch stark genug.

19.02.2016 - 06.15 Uhr
Gestern doch noch an die Bude gefahren und doppelte Curry-Wurst mit Pommes gegessen. Danach ging es mir wesentlich besser. Ich weiß nicht was ich noch machen soll um abzunehmen. Ich habe inzwischen alles versucht, aber mein Gewicht steigt beständig. Meine Frau sagt, ich hätte gar nichts versucht, sondern immer mehr in mich reingestopft. Ignorant ist das, wirklich ignorant. Soll sie sich doch mit Manfred treffen und ein bisschen durch den Wald laufen. Anscheinend sind ja sowieso alle Männer dünner, attraktiver und willensstärker als ich. Wenn es darum geht, dann bitte. Ich finde auch noch eine andere Frau.

21.02.2016 - 18.00 Uhr
Ab jetzt langes Wochenende. Ich bin ausgepowert ohne Ende. Die vier freien Tage werden mir gut tun und mich auf neue Gedanken bringen. meine Frau ist über die Feiertage zu ihrer Familie nach Norddeutschland gefahren. Angeblich wäre es mit mir nicht mehr auszuhalten. Ich könnte mich ja in den vier Tage zu Tode fressen, sagte sie noch. So viel zu “In guten und in schlechten Zeiten”. Alles nur Phrasen. Jetzt wo ich sie brauche ist sie weg. Na klasse. Heute morgen habe ich die 110 kg geknackt. ich denke über eine Umschulung zum Sumo-Ringer nach. Wer weiß wie das noch weiter geht. Na ja, wenigstens der Humor ist mir geblieben. Nicht viel, aber ich bin auch bescheiden geworden. Das verlängerte Wochenende werde ich auf Diätmaßnahmen verzichten. Ich muss mich mal entspannen. Die Wochen waren aufreibend und anstrengend.

25.02.2016 - 07.15 Uhr
Die Waage zeigt 112,0 kg. Das ist jetzt problematisch, weil das ist genau das Gewicht, das meine Waage anzeigen kann. Mehr geht nicht. Es besteht die Gefahr, dass ich drüber bin. Ich weiß es nicht. ich habe zwei Alternativen: Erstens, ich könnte von jetzt an 112 kg wiegen, oder ich breche die Diät ab. Beides scheint keine Auswirkung auf die Entwicklung meiner Figur zu haben. Ich könnte mir alternativ so ein komisches Magenband einsetzen lassen.
Meine Frau hat gestern Abend angerufen und mir mitgeteilt, dass sie noch ein paar Tage bei ihrer Familie bleibt. Sie müsse den Kopf frei kriegen und gewisse Dinge überdenken.
Ich rufe im Büro an und werde mich für heute entschuldigen. Das Leben hat mich überholt und ich komme nicht mehr mit. Also beende ich genau jetzt meine Diät und entscheide mich wieder ein normaler Mensch zu sein. Vielleicht ist das von allen Alternativen letztendlich die beste. Ein bisschen abnehmen in der nächsten Zeit wäre gut. Ich werde meine Frau anrufen, mich entschuldigen und sie bitte, mir dabei zu helfen. Denn eigentlich liebe ich sie sehr und Recht hat sie auch gehabt. Oder sagen wir mal, dass sie teilweise Recht hatte.

[jon]

Hallo Cholyrika,

dieser Text lässt mich recht verwirrt zurück.

Am Anfang verstehe ich nicht, was genau passiert (Was für ein Stück Fleisch setzt sich wie fest und wie verbündet es sich mit anderen Regionen?), nur aus dem Folgenden schließe ich, dass da wohl eine Zunehm-Attacke gemeint ist. Tipp: Nicht besonders originell formulieren, der Tonfall des Tagesbuches wäre okay. Man könnte auch ausgesprochen lakonisch schreiben, aber das käme halt darauf an, ob dir sowas liegt.

Beim Rest des Textes ist der Geschehen sichtbarer, auch wenn der wirkende Mechanismus wahrscheinlich nur für Leute erkennbar ist, die sowas kennen. Das ist aber nicht das, was mich echt stört (es stört mich nur nebenbei). Mein Hauptproblem bestand die ganze Zeit darin, dass ich nicht wusste, ob das zum Lächeln oder gar Lachen animieren soll oder was sonst die "Absicht" dieses Textes ist.

Die Wendung mit "Frau hat {teilweise} recht" verpufft (ebenso wie ihre scheinbar plötzliche Flucht). Das wäre passend, wenn in dem Text quasi der Kampf der Meinungen gekämpft würde.

[Wolfin]

Hallo, ich  kenne das so ähnlich. Ich finde Deinen Text nicht schlecht. Deine hurmorvolle Schreibe ist aber noch ausbaufähig. Was mich stört, ist die oberflächliche Interpunktion.

[Papierdrachenkrieger]

Hab mich gekringelt.

Bin zwar nicht bis zum Ende gekommen, aus Zeitgründen, doch dein Vokabular und die Idee, mit Humor gegen zunehmendes Körperfett anzugehen gefällt mir.

[peterbone]

Auch ich habe mich gekringelt vor Lachen. Besonders die nachgeschobenen Begründungen fand ich köstlich.

Du hast eine konsequente Steigerung drin, allerdings ist es (mir) ein bisschen zu viel, dass ihn seine Frau verlässt.

Deine Rechtschreibung (besonders bei das/dass) ist verbesserungsfähig, auch sonst manches, aber die sprachlichen Ausrutscher stören nicht wirklich.