Neues aus der Sexisten-Ecke

[Matthias Jecker]

Es war eine schöne Jägersfrau,
die hatte ein Schießgewehr.
Sie zielte und schoss, sie zielte genau,
drauf röhrte der Hirsch nicht mehr.

Schon kam der Landjäger daher,
verhaftete das Weib.
Sie büßt nun lang und büßt gar schwer
für ihren Zeitvertreib.

Die Jäger rings im Land jedoch
vermissen die Schöne sehr.
Sie gruben im Wald ein tiefes Loch,
verscharrten den Landjäger.

Und die Moral von solch Malör?
Zu finden wär sie leicht:
Dass keines Hirsches Hirschgeröhr
an Frauenschönheit reicht.

[Stagepilot]

Gelungene Idee, auch wenn es sich für meine Begriffe zu sehr reimt. Oder es wirkt so, als ob du unbedingt Reimen wolltest. Gedichte können auch ungereimt gut ankommen. Mich erreichten die Zeilen erst beim zweiten Durchgang. Es liest sich, mmmhm nunja eher schlicht und enthält Wiederholungen :zielte ,  büßt - im gleichen Satz. Hirsch zu oft und unpräzise (ich frag mich ob es ein Junghirsch, ein Platzhirsch war, etc ...)
Was ist ein Landjäger? Ich kenne nur Feldjäger (Polizei der Bundeswehr) oder den Förster. Und büßt man dann gleich??
Zwei Zeitformen (gruben, vermissen) - warum nicht eine? (entweder Präteritum oder Präsens)

[Harald]

Hm,

Wirst habhaft Du des wildernd’ Weib
besorg’ ihr ander’n Zeitvertreib …

***


Zum Stück selbst ►

Der Endreim stimmt, mehr aber nicht,
ganz klarer Fakt - kein Reimgedicht.

[Matthias Jecker]

meinst habhaft dich des reimgedichts,
erklär dich, sonst sag lieber nichts.

danke fürs lesen
mj

[Matthias Jecker]

oh, noch einer, freude!

zwei zeitformen, weil einmal vergangen (gruben), einmal andauernd (vermissen)

brachiale reime, weil diese art verse oft etwas hemdsärmelig daherkommt.

zitat wikipedia:
Landjäger war in Teilen des deutschen Sprachraums vom späten 18. Jahrhundert bis weit in die 1930er Jahre die offizielle Bezeichnung für besondere Polizeikräfte, die speziell mit Ordnungsaufgaben in ländlichen Gebieten betraut waren. Landjägerkorps umfassten sowohl berittene Einheiten als auch solche zu Fuß. Alternative Bezeichnungen waren Gendarmerie und Polizeidragoner.

hirsch: es war ein verbotener hirsch. hochwildjagd war dem adel vorbehalten.

ebenfalls danke fürs lesen!

[Harald]

[Matthias Jecker]

ach so, "reimvers" heisst "knittelvers", weil "knittelvers" "reimvers" heisst.
na dann ist ja alles klar.
danke für die erklärung
mj

[Harald]

Wenn manche Leute partout nicht verstehen wollen,

da habe ich einen schönen Aequivok >


Es ist so manche Sichtweise
oft nur aus einer Sicht weise …

(natürlich von mir)

[James Blond]

Eine Reminiszens an die Moritaten und Bänkelgesänge?

Teilweise schon - Knittelvers hin oder Reimvers her. Andererseits ist das Stück unvollständig, denn der Rachemord an dem Landjäger kommt hier viel zu kurz.

Ebenso wenig verstehe ich den unnötigen Zeitenwechsel in S1/S2 nicht.

Und genauso wenig den Konjunktiv in der letzten Moralstrophe.  Das sind beides für eine Moritat (=Mordtat) recht untypische Stilmittel.   Warum nicht einfach:

Und die Moral von solch Malör?
Zu finden ist die leicht,
weil keines Hirsches Hirschgeröhr
an Frauenschönheit reicht.

Das mag schon sein. Doch hier hat's mal wieder nicht ganz gereicht!


JB

[Matthias Jecker]

lieber harald

ich habe folgendes verstanden:
a) mein text ist als knittelvers total misslungen
b) mein text risse nicht mal als gelungener knittelvers einen vom hocker

ob ich "manche leute" bin, darüber meditiere ich noch.

recht so, weiser harald?
mj

[James Blond]

Korrektur:

[bamba]

Hi M.J.
Da ich selber z.Z. den Narren gefressen habe am "erzählenden" Reimen, habe ich dies Gedicht gerne gelesen.
Nun Inhaltlich ists jetzt nicht so, dass ich da lange über dem Sinn brühte, doch sehe ich die Freude am Spiel mit den Worten und Reimen.

Spricht mich also daher an.
Doch muss ich dazu sagen, dass ich erst seit kurzer Zeit mich überhaupt mit Gedichten befasse.
Man kann sagen, diese Art von verständlicher Erzählweise ist meine Einstiegsdroge oder Zugang zum Gedicht an sich...

Du brauchtest selber den Ausdruck "hemdsärmelig".
Nun Inhaltlich passt mir die Moral der Geschichte dann nicht so, oder ist mir zu hemdsärmelig. Es wurde in der Zwischenzeit ja noch ein Landjäger abgemurkst (Ja, der fällt fast unter den Tisch), geht also nicht mehr nur um den Hirsch und die Jägersfrau.

[Matthias Jecker]

Hallo JB
Danke für deine Hinweise.

Eine genretypische Ausschmückung des Rachemordes schiene mir vernünftig.
Obwohl man sich fragen kann, ob, wenn schon genretypisch, dann nicht eine drastische Schilderung der Strafen, welchen die Landjäger-Mörder unterzogen wurden, viel passender wäre...

Um das Präsens bei "vermissen" oder den Konjunktiv "wäre leicht zu finden" würde ich keine Prinzipienschlacht austragen wollen. Wundere mich nur, wieso sie dir wichtig scheinen.

Schönes WE dir
MJ

[Matthias Jecker]

hallo bamba
danke auch dir für dein feedback.

wieso denken so viele leute, die qualität von gedichten sei indirekt proportional zu ihrer verständlichkeit? so wenigstens lese ich deine bedenken, die du vor dir her schiebst.

mir wäre es egal, wenn jemand diese verse sauschlecht fände. aber doch nicht, weil der inhalt zu wenig verschlüsselt ist. (käme mir vor, wie wenn ein eingefleischter wagnerianer sich nicht mehr an haydn und mozart freuen kann.)

deine skepsis gegenüber der "moral" des textes ehrt dich. aber nicht jeder, der verse macht, hat eine reine seele. das war bei goethe nicht so, bei busch, bei brecht, bei brassens und wie all die tollen hechte hiessen, wenn ich das von meinem niveau aus so sehen darf.

ein schönes we dir
mj